„Anders als noch vor zwanzig Jahren bilden gegenwärtig Jungen und junge Männer (mit Migrationshintergrund) – als ,Schulverlierer' – den Fokus der öffentlichen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Dieser Perspektivenwechsel stehe im Zusammenhang mit dem „Quantensprung“ in der Bildungsbeteiligung von Mädchen und jungen Frauen, an dem auch ,Migrantenandere' teilhaben.“
Dieses Zitat aus der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift „Betrifft Mädchen“ aus dem Jahr 2013, die durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird, zeigt deutlich, dass bei ausländischen Schülern ebenso wie bei deutschen Schülern geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen. Diese würden zu Gunsten der Mädchen ausfallen. Während Mädchen also lange Zeit als besonders benachteiligt galten, erwerben sie inzwischen häufiger bessere Schulabschlüsse als Jungen und bleiben seltener ohne einen Hauptschulabschluss als ihr männliches Pendant. (Vgl. Diefenbach, H. 2010, S. 79)
Die Brisanz und Aktualität der Themengebiete „Bildungserfolg“ und „Migrationshintergrund“ im Schulalltag wird bereits deutlich, wenn auf der Datenbank der FIS Bildung nach Werken zur Thematik gesucht wird. So befinden sich in der Datenbank der FIS Bildung über 350 Titel mit den Schlagwörtern „Migrationshintergrund“ und „Bildung“. Davon sind allein rund 200 aus den letzten fünf Jahren zur aktuellen Forschungslage zu verzeichnen.
In Anbetracht der durchschnittlich niedrigen Bildungsabschlüssen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu autochthonen Heranwachsenden, die im Verlauf der Arbeit noch herausgestellt werden, möchte ich in meiner Arbeit nach den Gelingensbedingungen fragen, die es gerade Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund ermöglichen, erfolgreich im deutschen Schulsystem zu sein. Dabei war es für mich von großer Bedeutung, keine durch die breite Bevölkerung verallgemeinerbaren problemgerichteten Thesen im Zusammenhang mit Schule und Bildung zu untersuchten. (Vgl. Tepecik, E., S. 1) Stattdessen soll anhand von Interviews mit jungen, bildungserfolgreichen Frauen aus Migrantenfamilien aufgezeigt werden, welche Faktoren in deren Augen dazu beigetragen haben, dass sie bildungserfolgreich sind. Hierzu wird zunächst ein Überblick über den Forschungsstand hinsichtlich der Leistungen allochthoner Kinder und Jugendlicher geboten, um diese im Bildungssystem einordnen zu können. [...]
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Forschungsstand
1.1 Leistungsstudien
1.1.1 Die „Third International Mathematics and Science Study“ (TIMSS)
1.1.2 Das „Programm for International Student Assessment“ (PISA-Studie)
1.1.3 Die „Internationale Grundschul-Lese Untersuchung“ (IGLU-Studie)
1.1.4 „Aspekte der Lernausgangslagen und und der Lernentwicklung an Hamburger Schulen“ (LAU-Studie)
1.2 „Viele Welten leben“
1.3 Zusammenfassung der Ergebnisse zum Leistungsstand, Schulerfolg und Bildungs- beteiligung von Migrantenkindern und Jugendlichen
2. Zur Methodik der eigenen Untersuchung
2.1 Qualitative Untersuchung
2.2 Das Interview
2.3 Rahmenbedingungen
2.3.1 Auswahl und Kontaktaufnahme der Informantinnen
2.3.2 Interviewdauer und –Ort
2.4 Interviewfrage und –Ablauf
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich all denjenigen bedanken, die mich während der Anfertigung dieser Arbeit motiviert und unterstützt haben.
Ganz besonders gilt dieser Dank meinem Gutachter, Dr. Thomas Bürger, der meine Arbeit und somit auch mich betreut hat. Er gab nicht nur wertvolle Hinweise durch kritisches Hinterfragen, sondern konnte mich über die Dauer zur Erstellung dieser wissenschaftlichen Arbeit hinaus kontinuierlich motivieren und stand mir stets mit Rat und Tat zur Seite. Er verwies mich darüber hinaus an für diese Arbeit bedeutende Personen, die sich zur Erstellung dieser Examensarbeit als besonders nützlich erwiesen. An dieser Stelle bedanke ich mich deshalb auch recht herzlich bei Frau Dr. Terhart, die eine Gastprofessur zum Thema „Interkulturelle Bildung“ an der Justus-Liebig-Universität Gießen innehat sowie bei der wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Frau Kanitz, die mich zum qualitativen Forschungsdesign beraten konnte.
Daneben gilt mein Dank ebenso Frau Ruppert sowie meinem Freund, Herrn Stritesky, welche in zahlreichen Stunden Korrektur gelesen haben. Sie konnten mich sowohl auf Schwächen hinweisen als auch aufzeigen, an welchen Stellen Erklärungsbedarf in der vorliegenden Arbeit bestand.
Nicht zuletzt gebührt meinen Eltern als auch zahlreichen Freunden Dank, die mich beständig motivierten. Ohne erstere wäre dieses Unterfangen außerdem alldem ungeachtet keineswegs zustande gekommen.
0 Einleitung
„Anders als noch vor zwanzig Jahren bilden gegenwärtig Jungen und junge Männer (mit Migrationshintergrund) – als „Schulverlierer“ – den Fokus der öffentlichen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Dieser Perspektivenwechsel stehe im Zusammenhang mit dem „Quantensprung“ in der Bildungsbeteiligung von Mädchen und jungen Frauen, an dem auch „Migrantenandere“ teilhaben.“ (Vgl. Baros, W., Schurt, V., Waburg, W. 2013, S. 52)
Dieses Zitat aus der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift „Betrifft Mädchen“ aus dem Jahr 2013, die durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird, zeigt deutlich, dass bei ausländischen Schülern ebenso wie bei deutschen Schülern geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen. Diese würden zu Gunsten der Mädchen ausfallen. Während Mädchen also lange Zeit als besonders benachteiligt galten, erwerben sie inzwischen häufiger bessere Schulabschlüsse als Jungen und bleiben seltener ohne einen Hauptschulabschluss als ihr männliches Pendant. (Vgl. Diefenbach, H. 2010, S. 79)
Die Brisanz und Aktualität der Themengebiete „Bildungserfolg“ und „Migrationshintergrund“ im Schulalltag wird bereits deutlich, wenn auf der Datenbank der FIS Bildung nach Werken zur Thematik gesucht wird. So befinden sich in der Datenbank der FIS Bildung über 350 Titel mit den Schlagwörtern „Migrationshintergrund“ und „Bildung“. Davon sind allein rund 200 aus den letzten fünf Jahren zur aktuellen Forschungslage zu verzeichnen.
In Anbetracht der durchschnittlich niedrigen Bildungsabschlüssen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu autochthonen Heranwachsenden, die im Verlauf der Arbeit noch herausgestellt werden, möchte ich in meiner Arbeit nach den Gelingensbedingungen fragen, die es gerade Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund ermöglichen, erfolgreich im deutschen Schulsystem zu sein. Dabei war es für mich von großer Bedeutung, keine durch die breite Bevölkerung verallgemeinerbaren problemgerichteten Thesen im Zusammenhang mit Schule und Bildung zu untersuchten. (Vgl. Tepecik, E., S. 1) Stattdessen soll anhand von Interviews mit jungen, bildungserfolgreichen Frauen aus Migrantenfamilien aufgezeigt werden, welche Faktoren in deren Augen dazu beigetragen haben, dass sie bildungserfolgreich sind. Hierzu wird zunächst ein Überblick über den Forschungsstand hinsichtlich der Leistungen allochthoner Kinder und Jugendlicher geboten, um diese im Bildungssystem einordnen zu können. Anschließend soll die Mehrthemenuntersuchung „Viele Welten leben“ vorgestellt und deren Ergebnisse zu den ausgewählten Themengebieten dargestellt werden. Diese Studie, in der – wie im weiteren Verlauf noch einmal genauer erläutert wird – 950 junge Frauen und Mädchen zu verschiedenen Themengebieten interviewt und befragt wurden – wird sich wie ein roter Faden durch diese Arbeit ziehen. Sie diente nicht nur zur Auswahl der Themengebiete, sondern auch zum Abgleichen der durch diese Arbeit gewonnenen qualitativen Ergebnisse mit quantitativen Resultaten.
Im Anschluss an die Beschreibung des Forschungsstandes zum Thema Migration und Bildung soll die Methodik der eigenen Untersuchung genauer erläutert werden. Hierzu wird ein Blick auf die Qualitative Forschung geworfen, um anschließend das Interview selbst und dessen Rahmenbedingungen wie Ort, Dauer und die Auswahl sowie die Kontaktaufnahme mit den Informantinnen darzustellen.
Im darauf folgenden Teil sollen Steckbriefe zu sechs ausgewählten Informantinnen dazu dienen, einen Überblick über die nachfolgenden Ergebnisse zu den Bildungserfolg beeinflussenden Faktoren zu erhalten. Hier werden zunächst die jungen befragten Frauen mit Migrationshintergrund miteinander verglichen, bevor diese Ergebnisse mit denen der Studie „Viele Welten leben“ in Relation gesetzt werden.
Abschießend wird das Fazit dazu dienen, die Ergebnisse zu bündeln, Konsequenzen für die Schule im Hinblick auf die Resultate darzulegen und sowohl offene Fragen als auch mögliche Themengebiete zur Weiterarbeit an diesem Forschungsgegenstand zu liefern.
Der Lesbarkeit halber wird im Text auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet. Lediglich im Zusammenhang mit den von mir befragten Teilnehmerinnen der eigenen Untersuchung wird die weibliche Form herangezogen.
1 Forschungsstand
Die Situation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem erfreut sich großem Interesse in der Fachliteratur. Wird auf der Literaturdatenbank der FIS Bildung nach Literatur mit den Schlagwörtern „Migrationshintergrund“ und „Bildung“ gesucht, können über 350 Titel, darunter allein über 200 aus den letzten fünf Jahren, wie oben bereits erwähnt wurde, gefunden werden. Die Literatur, die zu diesem Thema gefunden werden kann, ist deshalb besonders vielseitig. Besonders hilfreich bei der Zusammenstellung des Forschungsstandes zum Thema „Bildungserfolgreiche Mädchen mit Migrationshintergrund“ war vor allem Heike Diefenbachs Buch „Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem – Erklärungen und empirische Befunde“, dessen erste Auflage 2007 erschienen ist und das bei diesem breiten Forschungsfeld dazu diente, einen Überblick zu den Themen Bildungsbeteiligung, Schulleistungen und Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem zu gewährleisten.
Der Forschungsstand zu diesem Themengebiet gliedert sich folgendermaßen:
Während zur Beschreibung als auch zur Beurteilung sowohl der Bildungsbeteiligung als auch der Bildungsabschlüsse, die Migrantenkinder im Vergleich zu deutschen Kindern erreichen, auf der einen Seite amtliche Bildungsstatistiken auf der anderen Seite Surveys der Wohnbevölkerung in Deutschland herangezogen werden können, sofern sie Informationen zu Bildungserfolg und –Beteiligung bereitstellen (Vgl. Diefenbach, H. 2010, S. 24), dienen Schulleistungsstudien wie etwa die PISA-Studie, die TIMSS-Studie die IGLU-Studie oder auch die Hamburger LAU-Studie dazu, Aufschluss über den Leistungsstand von Schülern verschiedener Alters- und Klassenstufen anhand der von den Studien entwickelten Testinstrumente zu ermitteln. (Vgl. ebd., S.28) Natürlich gibt es auch einzelne Studien, die im Bereich Bildung und Migration forschen. Zu diesen Untersuchungen zählt auch die Mehrthemenuntersuchung von Diefenbach und Karakasoglu „Viele Welten leben“. Diese Studie stellt sowohl den Lieferanten zur Findung der zu untersuchenden Themen dar als auch ein Instrument zum Abgleichen der Ergebnisse der eigenen qualitativen Untersuchung mit den Ergebnissen einer quantitativen Studie. Auf die hier genannten Leistungsstudien und die Untersuchung „Viele Welten leben“ soll im folgenden Kapitel noch einmal kurz eingegangen werden, um im Anschluss der Beschreibung der einzelnen Studien die zentralen Ergebnisse zum Bildungserfolg und zur Bildungsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen zusammenzufassen.
1.1 Leistungsstudien
Leistungsstudien geben Aufschluss über den Leistungsstand von Schülern (Vgl. ebd., S. 28) und sind deshalb im Bezug auf Forschung von Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg nicht wegzudenken.
„Internationale Schulleistungsstudien, an denen sich Deutschland in der jüngsten Vergangenheit beteiligt hat, sind die „Third International Mathematics and Science Study“ (TIMSS), das „Programme for International Student Assessement“ (PISA) und die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU).“ (ebd., S.29f)
Aber auch die Studie „Aspekte der Lernausgangslage und der Lernentwicklung von Schülerinnen und Schülern der n-ten Klassen an Hamburger Schulen“ oder auch „Lernausgangslagenuntersuchung“ (LAU) genannt, stellt eine Schulleistungsstudie dar. (Vgl. ebd., S. 30)
Da alle vier genannten Studien zur Einordnung des Leistungsstandes von Kindern und Jugendlichen allochthoner Herkunft dienen, werden diese kurz und prägnant beschrieben. In einem zweiten Schritt werden die wichtigsten Ergebnisse der genannten Leistungsstudien für Kinder und Jugendliche aus Zuwanderungsfamilien im deutschen System der Bildung zusammenfassend dargestellt.
1.1.1 Die „Third International Mathematics and Science Study“ (TIMSS)
Bei dieser der vier genannten Schulleistungsstudien handelt es sich um eine Studie, die seit 1995 in vierjährigen Abständen von der International Association for the Evaluation of Educational Achievement, kurz IEA, durchgeführt wird. Hierbei werden die Kompetenzen der Schüler in Mathematik und Naturwissenschaften in der Grundschule (TIMSS/1), der Sekundarstufe 1 (TIMSS/2) und 2 (TIMSS/3) getestet. (Vgl. ebd., S. 30)
Neben den eigentlichen Tests zur Erfassung der Leistungen der Schüler in den mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen enthalten die TIMSS-Studien einen Fragebogen für die Schüler, die Lehrer und die Schulleitung, in denen Angaben zur Ausstattung der Schule erfragt werden. (Vgl. ebd.)
Deutschland nahm lediglich in den Jahren 1995, 2007 und 2011 an der Studie teil und auf die Befragung der Grundschüler, also der TIMSS/1, wurde in Deutschland verzichtet. Auskunft über die Kompetenzen in der Grundschule in diesem Bereich gibt die Erweiterungsstudie zur IGLU-Studie von 2001. (Vgl. ebd.)
Anhand der Datensätze der TIMSS/2 und der TIMSS/3 sind Analysen möglich, die im Hinblick auf die Platzierung und die Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit Migrationshintergrund interessant sind. Hierfür steht der Studie eine sehr komplexe Erhebung zur Verfügung. In dieser werden neben dem Geburtsland auch nach der/den im Kindesalter erlernten Sprache/n, die Häufigkeit, mit der zu Hause Deutsch gesprochen wird, dem Geburtsland von Vater sowie Mutter als auch das Einreisealter von Schülern, die nicht in Deutschland geboren wurden, erfragt. (Vgl. ebd., S. 32)
Zu den zentralen Ergebnissen der TIMSS 2012 zählt, dass der Bildungserfolg in allen Ländern signifikant an die soziale Herkunft und den Zuwanderungshintergrund gekoppelt sei. So würden sich bundesweit erhebliche Leistungsdefizite zwischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Jugendlichen ohne solchen zeigen. Wie auch in früheren Schulleistungsstudien erreichten Jungen auch beim Vergleich der Länder im Jahr 2012 in Mathematik signifikant höhere Werte als Mädchen, während in den naturwissenschaftlichen Kompetenzbereichen die Mädchen im Mittel höhere Werte als Jungen erreichen würden. (Vgl. Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2013, S. 3)
1.1.2 Das „Programme for International Student Assessment“ (PISA-Studie)
Die PISA-Studie gehört aufgrund ihrer Ergebnisse in Deutschland zu den bekanntesten Studien. Sie wurde erstmals im Jahr 2000 durchgeführt und befragt seit diesem Jahr im dreijährigen Turnus 15-jährige Schüler zu allgemein- und berufsrelevanten Fähig- und Fertigkeiten in insgesamt mittlerweile 32 Ländern. (Vgl. Diefenbach, H. 2010, S. 32)
Sie wurde in Deutschland von einem Konsortium koordiniert, an dem sich sieben Forschungseinrichtungen unter der Federführung des Max-Planck-Institutes für Bildungsforschung beteiligten. (Vgl. ebd., S. 33)
Die PISA-Studie erfasst die Kompetenzen der befragten Schüler in Mathematik, der Lese- bzw. Schreibkompetenz und Naturwissenschaften. Während der Schwerpunkt der ersten PISA-Studie im Kompetenzbereich Lesen gelegt wurde, wurde der Schwerpunkt 2003 auf den mathematischen Bereich gelegt. 2009 lag der Fokus auf den Naturwissenschaften, wohingegen im Jahr 2012 das Zentrum der Erhebung erneut auf dem Kompetenzbereich Lesen, im nächsten Jahr wieder auf Mathematik usw. lag. (Vgl. ebd., S. 32)
Auch die PISA-Studie beinhaltet weitere Angaben der befragten Schüler wie beispielsweise zum ökonomischen Status der Eltern, zu deren Beruf und Bildungsniveau, zum elterlichen Erziehungs- und Unterstützungsverhalten, zur Anzahl der Geschwister, zu Lernstrategien und zur Lesezeit der 15-Jährigen, die durch einen Schülerfragebogen erhoben wurden. Darüber hinaus wurden die Schüler nach dem eigenen Geburtsland sowie nach dem/denen der Eltern befragt, wodurch eine Identifizierung der Schüler aus Migrantenfamilien möglich ist. Die PISA-Studie enthält jedoch keine Angaben zum Einreisealter der Jugendlichen, die nicht in Deutschland geboren wurden. (Vgl. ebd., S. 33f)
Die Ergebnisse der PISA-Studie zeigen, dass die Leistungen der Migrantenkinder und –Jugendlichen, deren beide Elternteile im Ausland geboren sind sowohl im mathematischen-naturwissenschaftlichen Bereich als auch im Lesen weit unter dem Deutschnittsniveau der Schüler ohne Migrationshintergrund liegen. Bei den Jugendlichen, bei denen bereits ein Elternteil in Deutschland geboren ist, zeigen sich allerdings nur wenige Unterschiede zu deutschen Jugendlichen. (Vgl. Boos-Nünning, U., Karakasoglu, Y. 2006, S. 166)
Die Studie bestätigte außerdem den Befund, der bereits zuvor in zahlreichen Untersuchungen erhoben wurde: Mädchen in Deutschland seien bildungserfolgreicher als Jungen. Sie seien seltener von Zurückstellungen und Klassenwiederholungen betroffen und seien an Gymnasien über- und an Haupt- und Sonderschulen unterrepräsentiert. Laut der Erweiterungsstudie PISA_E sei die Erklärung hierfür auf die soziale Anpassung und auf die spezifische Arbeitshaltung der Mädchen und jungen Frauen zurückzuführen. Sie würden dem Idealbild der Lehrkräfte als kooperativen, fleißigen und engagierten Schüler eher entsprechen als ihre männlichen Pendants. Zwar liegen bezüglich der geschlechtsspezifischen Kompetenzunterschiede bei Schülern mit Migrationshintergrund noch keine Daten aus PISA vor, jedoch ließe sich aus Statistiken ableiten, dass auch die Mädchen ausländischer Herkunft in den höherwertigen Bildungsgängen gegenüber den Jungen über- und in den Hauptschulen und integrierten Gesamtschulen unterrepräsentiert seien. Ebenso bei den Schulabschlüssen ergebe sich das gleiche Bild: Mädchen ausländischer Herkunft seien in der Schule erfolgreicher als Jungen mit einem Zuwanderungshintergrund und mehr von ihnen erreichen höherwertige Abschlüsse. Darüber hinaus würden weniger Schülerinnen mit Migrationshintergrund als Schüler mit Migrationshintergrund die Schule ohne oder nur mit einem Hauptschulabschluss verlassen. (Vgl. ebd., S. 167f, od. Diefenbach, H. 2010, S. 79, od. Hummrich, M. 2009, S. 213)
Im Bezug auf Jugendliche aus Migrantenfamilien sei außerdem festzustellen, dass diese weitaus häufiger in Klassen anzutreffen seien, die ihrem Alter nicht entsprechen würden, da sie dreimal so oft zurückgestellt würden wie Schüler deutscher Herkunft und doppelt so oft eine Klasse wiederholen müssten (22 % und 41%). (Vgl. Boos-Nünning, U., Karakasoglu, Y. 2006, S. 166)
Die Schlussfolgerungen der PISA-Autoren zeigen, so Boos-Nünning und Karakasoglu, dass das deutsche Bildungssystem, das ohnehin zu früh differenziere, nur wenig zeitlichen Spielraum biete, um die Kinder und Jugendlichen, die fehlende Kenntnisse in der deutschen Sprache aufweisen würden, so zu fördern, dass sie die gleichen Chancen wie deutsche Kinder und Jugendliche bei späteren Laufbahnentscheidungen hätten. Besonders die Sekundarstufe 1 würde für Kinder, die keine deutschsprachige Bezugsperson hätten, keine Gelegenheit bieten, ihre sprachlichen Rückstände in der deutschen Sprache gegenüber autochthoner Kinder aufzuholen. Defizite in der deutschen Sprache würden sich jedoch zunehmend auch auf die Leistungen in anderen Fächern auswirken. (Vgl. ebd.)
1.1.3 Die „Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung“ (IGLU-Studie)
Bei der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung handelt es sich um den deutschen Teil der „Progess in International Reading Literacy Study (PIRLS), bei der das Leseverständnis von Schülern der vierten Klassenstufe international vergleichend erhoben wird. In Deutschland wurde die Studie um die Kompetenzen der Viertklässler in Mathematik, Naturwissenschaften, Rechtschreibung und das Verfassen eines Aufsatzes ergänzt. Diese Untersuchung wird als IGLU-E-Studie bezeichnet. (Vgl. Diefenbach, H 2010, S. 35)
Die IGLU-Studie wurde im Frühsommer und Herbst 2001 durchgeführt. Während sich an der Messung der Lesekompetenz der Grundschüler alle Bundesländer beteiligten, nahmen an der IGLU-E-Studie, mit der die zusätzlichen Kompetenzen ermittelt werden sollte, nicht alle Bundesländer teil. (Vgl. ebd.)
Die Daten der IGLU-Studie wurden durch unterschiedliche Leistungstests, Schülerfragebögen, Elternfragebögen sowie mittels dreier Lehrerfragebögen der Deutsch-, Mathematik- und Sachkundelehrer ermittelt. Aus den Elternfragebögen können sowohl Auskünfte zum sozioökonomischen Status der Familie mittels Angaben zum Haushaltseinkommen, der Anzahl der Geschwister, Beruf der Eltern und dem erreichten Bildungsabschluss dieser entnommen werden als auch Angaben über die Lesegewohnheit der Familienmitglieder, die durch die entsprechenden Informationen aus den Schülerfragebögen ergänzt werden. Die Lehrerfragebögen erhoben hauptsächlich den Lehrstil als auch Angaben zur Ausstattung der Schule. Diese Angaben werden wiederum durch die Antworten zur Klassenzusammensetzung und zur Anzahl der Lernenden im Schülerfragebogen ergänzt. (Vgl. ebd., S, 35f)
Da auch diese Studie für den Forschungsstand dieser Arbeit von Relevanz ist, lassen sich auch hier Angaben zum Migrationsstatus der Kinder finden. Wie in der TIMSS- und der PISA-Studie wird auch hier der Status der Kinder durch den Geburtsort der Eltern identifiziert. Dabei wurden Schüler mit mindestens einem im Ausland geborenen Elternteil als Migrantenkinder definiert. Der Fragebogen der Schüler verlangte ebenso Antworten der Kinder über das Alter, in dem sie nach Deutschland kamen, falls sie nicht hier geboren wurden. Außerdem sollten Angaben zu der/n Sprache/n, die der Schüler erlernt hat, als er klein war und wie häufig die Schulsprache in der Familie des Schülers gesprochen wird, aufgeführt werden. (Vgl. ebd., S. 36)
Auch die IGLU-Studie erzielte für Kinder aus Migrantenfamilien in Deutschland vergleichbare Ergebnisse wie die bereits genannten Schulleistungsstudien. Es zeigte sich für alle Kompetenzbereiche der IGLU-Studie, dass Schüler aus Familien ohne Migrationshintergrund am besten abschneiden, währenddessen Kinder, deren eines Elternteil im Ausland geboren wurde, um etwa ein Drittel Standardabweichung schlechter abschneiden. Kinder, deren Mütter und Väter im Ausland geboren wurden, schneiden im Lesen und in den Naturwissenschaften nochmals ungefähr eine halbe Standardabweichung schlechter ab. In Mathematik schneiden Schüler mit Eltern, die beide im Ausland geboren worden sind, insgesamt nur um circa ein Drittel Standardabweichung schlechter ab. (Vgl. Schwippert, K., Bos, W., Lankes, E.-M. 2003, S. 285)
1.1.4 „Aspekte der Lernausgangslagen und der Lernentwicklung an Hamburger Schulen“ (LAU-Studie)
Die Lau-Studie ist eine über mehrere Jahre angelegte Untersuchung, die im Auftrag der Schulbehörde Hamburg von Dr. Rainer H. Lehmann aus der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt wurde. Die erste Erhebung, die LAU 5, wurde 1996 mit allen sich an allgemein bildenden staatlichen Hamburger Schulen befindenden Fünftklässlern durchgeführt. Die zweite Untersuchung (LAU 7) fand zwei Jahre später mit allen sich in der siebten Klasse befindenden Schülern statt. 2000 erfolgte die dritte Erhebung (LAU 9) in der neunten Klasse, 2005 eine Vierte (LAU 11) der Schüler der 11. Klasse und 2005 eine Befragung (LAU 13) der 13. Jahrgangsstufen an Hamburger Schulen. Da die Hamburger LAU-Studie als Längsschnittstudie angelegt wurde, erlaubt sie es, die Schulleistungstests durch verschiedene Schwerpunkte zu ergänzen. So lag der Schwerpunkt von LAU 5 auf dem Übergang von der Grundschule auf weiterführende Schulen. LAU 7 richtete sich stattdessen auf die Ausprägung und Entwicklung von Fachleistungen, Problemlösekompetenzen und schulbezogene Einstellungen desselben Schülerjahrgangs in den Beobachtungsstufen der Haupt- und Realschulen bzw. der Gymnasien sowie in den Jahrgangsstufen 5 und 6 der Gesamtschulen und somit zugleich auf die zu Beginn des Unterrichts in der Jahrgangstufe 7 erreichten Lernstände. In den darauf folgenden Studien LAU 9 und 11 wurde in erster Linie die weitere Lernentwicklung und die erreichten Lernstände der Jugendlichen untersucht. Hierzu wurde sich unterschiedlicher Leistungstests bedient. (Vgl. Diefenbach, H. 2010, S. 36f)
Außerdem wurden im Rahmen dieser Studie schul- und unterrichtsbezogene Einstellungen von Kindern und Jugendlichen anhand eines Fragebogens erhoben, der durch einen Elternfragebogen ergänzt wurde. Während der Schülerfragebogen Schulzufriedenheit, leistungsbezogenes Selbstkonzept, Anstrengungsbereitschaft, Informationen zur Wohnsituation und Lernangeboten zu Hause, zur außerschulischen Alltagsgestaltung, zur Nutzung lernförderlicher Angebote und zu den Hausaufgabenzeiten der Schüler erfragt, bezieht sich der Elternfragebogen auf die Bildungsnähe im Elternhaus und den sozioökonomischen Hintergrund der Familie. Darüber hinaus beinhaltet die LAU-Studie auch Informationen über das Alter, das Geschlecht, die Nationalität, Noten der letzten Zeugnisse und Informationen zum Überspringen oder Wiederholen einer Klasse, die aus den Schulakten entnommen wurden. (Vgl. ebd.)
Die Migrantenpopulation kann anhand verschiedener Daten des Schülerfragebogens und des Elternfragebogens entnommen werden. Hierzu gehören die Angaben der Nationalität, die Muttersprache der Schüler sowie die in der Familie gesprochene Sprache (Familiensprache). (Vgl. ebd.)
Auch die zentralen Ergebnisse der Längsschnittstudie an Hamburger Schulen zeigen wie alle anderen Leistungsstudien, dass Schüler ausländischer Staatsangehörigkeit an Gymnasien deutlich unterrepräsentiert seien und dass diese über alle Bildungswege hinweg die geringste durchschnittliche Fachleistung aufweisen würden, während deutsche Schüler ohne Migrationshintergrund durchgängig den höchsten Leistungsstand aufweisen würden. (Vgl. Lehmann, R. H., Hunger, S., Ivanov, S., Gänsfuß, R. 2005 , S. 138f) Die beträchtlichen Leistungsrückstände der ausländischen Schülergruppe beziehe sich dabei vor allem auf den Bereich der deutschen Sprache. (Vgl. ebd., S. 143)
Darüber hinaus wurde durch die LAU-Studie ebenfalls aufgezeigt, dass die Gruppe der türkischen Kinder und Jugendlichen unter der Gruppe der ausländischen Schüler die zahlenmäßig stärkste Personengruppe darstellt, obgleich sich dieser Anteil zu Beginn der Stufe neun von rund einem Drittel auf circa ein Viertel reduziert hätte. (Vgl. ebd., S. 136)
1.2 „Viele Welten leben“
Da der zeitliche Rahmen zum Erstellen der wissenschaftlichen Hausarbeit sehr begrenzt ist, war ich dazu angehalten sowohl das Klientel als auch die Themengebiete möglichst überschaubar zu gestalten. Bei Betrachtung der Anzahl ausländischer Schüler an allgemein bildenden Schulen in Deutschland ist festzustellen, dass die Schülergruppe mit türkischem Migrationshintergrund die weitaus größte Nationalitätengruppe unter den ausländischen Schülern darstellt. Derzeit sind gut 42% der ausländischen Schülerschaft türkischer Herkunft, wie den Daten des Statistischen Bundesamts zu entnehmen ist. (Vgl. ebd., S. 46) Darüber hinaus schneidet unter anderem die Gruppe der Schüler mit türkischem Migrationshintergrund neben italienischen und aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden Kindern und Jugendlichen unter den Schülern mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem am schlechtesten ab und stellt somit sowohl die größte als auch einer der schwächste Schülergruppe in Deutschland dar. (Vgl. Diefenbach, H., S. 79) Infolge dieser Tatsachen habe ich mich deshalb dazu entschlossen, vordergründig nach Informantinnen mit türkischem Migrationshintergrund zu suchen, weshalb auch lediglich auf die Ergebnisse der Frauen mit türkischem Migrationshintergrund näher eingegangen wird. Die Themenbereiche wurden auf die Ergebnisse eingegrenzt, die in der eigenen Untersuchung behandelt werden. Zu diesem Zweck wurden die Informantinnen, wie im weiteren Verlauf der Arbeit noch einmal genauer erläutert wird, zu ihrer Auffassung nach wichtigsten Sachverhalten und Gründen für ihren Bildungserfolg vernommen. Diese Angaben wurden anhand der aus der Studie „Viele Welten leben“ bestehenden Themen kategorisiert und für diese Arbeit übernommen. Zu diesen Angaben zählen wie folgt nach Häufigkeit der Nennung: die hohen Bildungsaspirationen der Befragten und deren Eltern, die Unterstützung in schulischen Belangen durch die Familie, Sprachfähigkeiten sowohl in Deutsch als auch in der Herkunftssprache und deren Erwerb, der Freundeskreis der jungen Frauen und Mädchen, Printmedien und schließlich auch Emanzipation bzw. moderne Geschlechterrollen.
Die Studie „Viele Welten leben“ ist ein Forschungsprojekt des Bundesfamilienministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und wurde von Ursula Boos-Nünning und Yasemine Karakasoglu an der Universität Duisburg-Essen von Dezember 2000 bis April 2004 geleitet. (Vgl. Grbic, M., Krüger, B., Novi, L, Pavetic, M. 2004, S. 338)
Ziel dieser Mehrthemenuntersuchung war in vergleichender Perspektive die Lebensformen und Orientierungen von 15 bis 21-jährigen ledigen Mädchen und jungen Frauen aus Zuwanderungsfamilien mit griechischem, italienischem, jugoslawischen, türkischem Migrationshintergrund und Aussiedlerhintergrund zu erforschen. Hierzu wurden persönlich-mündliche Interviews mit 950 weiblichen Personen mit Hilfe eines standardisierten und in die deutsche und jeweilige Herkunftssprache der Befragten übersetzten Fragebögen bundesweit durchgeführt. Bei der Befragung wurde die Gewährleistung der freien Sprachwahl bedacht, so dass alle Interviewerinnen bilinguale Kompetenzen aufwiesen, um das Prinzip zu gewährleisten. Dieses Prinzip wurde als sehr wichtig erachtet, da fast die Hälfte der Befragten in den Interviews auf ihre Herkunftssprache zurückgegriffen. Alle beteiligten Personen des Projekts waren Frauen und hatten unterschiedliche Migrationserfahrungen. (Vgl. ebd., S. 338ff)
Die Untersuchung gliedert sich in drei Teile: Der erste Teil umfasst einen Überblick über den Forschungsstand sowie eine Darstellung der Methode der Untersuchung der verschiedenen Herkunftsgruppen. Der zweite Teil umfasst den Kernbereich der Studie, in denen die Ergebnisse der Erhebung in elf Themenkomplexen präsentiert werden. Während sich Kapitel eins zunächst mit den Migrationsbiographien beschäftigt und somit die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Mädchen verdeutlicht, beschäftigt sich das zweite Kapitel mit der Wohnsituation der befragten jungen Mädchen und Frauen. Abschnitt drei beschäftigt sich mit der Bewahrung oder Ablehnung familiärer Traditionen, Kapitel vier mit der Freizeitgestaltung der jungen Mädchen und Frauen. Das fünfte Kapitel ist für diese Arbeit von besonderer Relevanz, da es sich in diesem Teil um die schulischen Erfolge oder Misserfolge der Jugendlichen mit Migrationshintergrund handelt. Hier wird der Verlauf der Bildungsbiographien und der Einfluss von unterstützenden und behindernden Faktoren im schulischen und beruflichen Bereich aus Sicht der Mädchen und jungen Frauen beleuchtet. Auch die Mehrsprachigkeit der Befragten wird in dieser Untersuchung behandelt. Diesen Themenbereich kann man im Kapitel sechs der Studie „Viele Welten leben“ finden. Darüber hinaus gehören auch die Auffassung zur Rollenverteilung von Mann und Frau und Partnerschaftsmodelle in Kapitel sieben, Körperlichkeit und Sexualität im Kapitel acht, Ethnizität in Kapitel neun, Religiosität in Kaptitel zehn und zuletzt auch die Inanspruchnahme von Hilfen in Konfliktlagen zu den Themenbereichen im zweiten Teil der Untersuchung. Im dritten und abschließenden Teil drei werden Folgerungen der Autorinnen für Politik und Pädagogik behandelt. (Vgl. Boos-Nünning, U., Karakasoglu, Y. 2006, S. 26ff)
Zu den durch die Angaben der jungen Frauen begrenzten Themengebieten haben Karakasoglu und Boos-Nünning folgendes herausgefunden:
Im Rahmen der Studie „Viele Welten leben“ werden verschiedene Studien und Autoren genannt, die verdeutlichen von welcher Bedeutung die hohen Aspirationen von Migranten sind:
„In seiner soziologischen Untersuchung hat Nauck seit Mitte der 80er Jahre wiederholt festgestellt, dass Eltern mit Migrationshintergrund, insbesondere türkischer und vietnamesischer Herkunft (in höherem Maße als Eltern griechischer und italienischer Herkunft), besonders hohe Bildungsaspirationen gegenüber ihren Kindern haben.“ (Boos-Nünning, U., Karakasoglu, Y. 2006, S. 199)
Das Zitat zeigt, dass für den am weit verbreitesten Erziehungsstil türkischer Familien eine enge emotionale Bindung zwischen den Generationen, die mit hohen Leistungserwartungen an die Kinder insbesondere im schulischen Bereich verbunden seien, kennzeichnend sei. (Vgl. ebd.) In einer Untersuchung, die ebenfalls in der Mehrthemenuntersuchung genannt wird, stellt Gültekin fest, dass Migrantinnen mehr Motivation, Initiative und Lerneifer zeigen würden wie ihre Partner und ihre Brüder, um sich oder ihre Familie ökonomisch oder sozial voranzubringen. (Vgl. Gültekin, N. 2003, S. 213)
Zur Rolle der Familie fanden Boos-Nünning und Karakasoglu heraus, dass die interviewten Frauen in erster Linie Unterstützung durch ihre Familie erhielten, sei es durch direkte Hilfestellung, die insbesondere durch die Geschwister oder Mütter geleistet würde oder durch indirekte Unterstützung wie z.B. Nachhilfe. (Vgl. Boos-Nünning, U., Karakasoglu, Y. 2006, S. 201) Während sich eine höhere Anzahl an Geschwistern bei autochthonen Kindern und Jugendlichen erwiesen negativ auf deren Erfolg auswirke, habe eine höhere Geschwisteranzahl in Migrantenfamilien keinen negativen Effekt auf den Bildungserfolg. Die Geschwister in Familien mit Migrationshintergrund würden eher eine wichtige Unterstützungsrolle innerhalb der Familie einnehmen. (Nauck, B., Diefenbach, H., Petri, K. 1998, S. 711)
„In der Beschreibung der familiären Erziehungsmuster wurde das nicht nationalspezifisch differenzierte hohe schulische Anspruchsniveau der Eltern herausgestellt. Die Eltern setzten aus der Sicht der Mädchen und jungen Frauen überwiegend große Hoffnungen in sie und achten auf die Schulnoten. Dieses spricht für eine hohe Bildungsorientierung und das Vorhandensein einer [...] abstrakten Unterstützungsleistung der Eltern, insbesondere der Mütter.“ (Boos-Nünning, U., Karakasoglu, Y. 2006, S. 201)
Wie das Zitat verdeutlich, könne man jedoch nur schwer aufschlüsseln wie die tatsächliche Hilfeleistung in der Familie aussehe, da die praktische Unterstützungsleistung mit der abstrakten zusammenhänge. So würden Familien, die auf die Schulnoten achten, häufiger auch Hilfe bei den Hausaufgaben bereitgestellt werden. Über ein Drittel bis annähernd die Hälfte der durch die Studie befragten Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund würden jedoch überhaupt keine Hilfe in schulischen Belangen erhalten. (Vgl. ebd.)
Den Sprachlichen Kompetenzen und deren Erwerb sowohl in der deutschen Sprache als auch in der Herkunftssprache widmen Boos-Nünning und Karakasoglu aufgrund der Bedeutsamkeit sogar ein eigenes Kapitel. Im Rahmen der Studie wurden die Kompetenzen sowohl in der Herkunftssprache als auch in der deutschen Sprache anhand von Selbsteinschätzungen der befragten Frauen allochthoner Herkunft ermittelt. Insgesamt schreibt sich der überwiegende Teil der Befragten der Untersuchung „sehr gute“ deutsche Sprachkenntnisse zu, so die Ergebnisse der Selbsteinschätzung. Dabei ordnen sich die Befragten türkischer Herkunft deutlich schlechter ein. Während sich 29% der türkischen Mädchen und jungen Frauen „sehr gute“ Deutschkenntnisse zuschreiben und 13% „gute“ Kompetenzen in der deutschen Sprache, geben 23% „mittelmäßige“, 27% „schlechte“ und immerhin 8% „sehr schlechte“ Sprachfähigkeit in der deutschen Sprache an. Diese Ergebnisse würden mit den Resultaten der Repräsentativerhebung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung übereinstimmen. (Vgl. ebd., S. 215f) Bei den Angaben zum Erwerb der deutschen Sprache zeigen die Ergebnisse, dass ein Viertel der Konsultierten die genannte Sprache in der Familie und jeweils ein Drittel im Kindergarten und in der Schule erlernt haben. Die Gegenüberstellung der Angaben der einzelnen Herkunftsgruppen zeigt jedoch, dass sich die Angaben, durch welche Institutionen die Mädchen und jungen Frauen deutsche Sprache erworben haben, deutlich unterscheiden. Der überwiegende Teil der türkischen Frauen und Mädchen (60%) gaben an, die deutsche Sprache im Kindergarten erlernt zu haben. 20% erlernten diese Sprachkenntnisse dagegen erst in der Schule und lediglich 18% in der Familie.
Auch die Kompetenzen in der Herkunftssprache der jungen Frauen wurden anhand von Selbsteinschätzungen im Rahmen der Studie ermittelt. Rund 60% der Mädchen und jungen Frauen türkischer Herkunft gaben dabei an, dass sie nur „schlechte“ oder „sehr schlechte“ Fähigkeiten in ihrer Muttersprache besäßen (Vgl. Boos-Nünning, U., Karakasoglu, Y., 2006, S. 222), obwohl in drei Viertel der Familien mit Migrationshintergrund lediglich die Herkunftssprache vermittelt wurde. (Vgl. ebd., 231) Im Zusammenhang mit der Herkunftssprache hat die Studie darüber hinaus auch die Bedeutung von muttersprachlichem Ergänzungsunterricht erforscht. Dabei kamen folgende Ergebnisse zum Vorschein: Insgesamt haben über 60% aller befragter junger Frauen und Mädchen, nämlich 575 von 950 Teilnehmerinnen einen Muttersprachlichen Ergänzungsunterricht, MEU, besucht. Während der Mittelwert der Jahre, in der MEU von den Informantinnen besucht wurde, bei den Befragten griechischer Herkunft 7,1 Jahre beträgt, besuchen junge Frauen und Mädchen mit italienischer Herkunft einen MEU im Durchschnitt 6,6 Jahre, wie es auch bei den Interviewten jugoslawischer Herkunft der Fall ist. Die befragten Mädchen und jungen Frauen türkischer Herkunft besuchen einen MEU im Mittel 5,6 Jahre, so die Ergebnisse der Studie. Die Kollation zwischen der türkischen und der italienischen Herkunftsgruppe würde zeigen, dass ein vergleichsweise jahrelanger Besuch des MEU nicht unausweichlich zum Erhalt oder zur Verbesserung der Herkunftssprache beitrage und dass die Teilnahme am MEU den Sprachverlust nicht aufhalte. So würde auch kein Zusammenhang zwischen dem Besuch eines Muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts und den Kompetenzen in der Herkunftssprache bei den Mädchen und jungen Frauen, die in Deutschland geboren wurden oder spätestens ab dem sechsten Lebensjahr ununterbrochen in Deutschland gelebt haben, bestehen und auch ein Zusammenhang zwischen Dauer des Besuchs und den Sprachfähigkeiten ließe sich nicht bestätigen. Ein Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und der Dauer des Besuchs eines MEU würde zwar bestehen, jedoch sei keine kausale Interpretation möglich, da dieser Zusammenhang sehr gering sei. So könne es sein, dass der Besuch Einfluss auf das Bildungsniveau hat, es könne aber ferner die Tatsache bestehen, dass der MEU häufiger und länger von den Mädchen und jungen Frauen besucht werde, die mehr Bildungsbereitschaft zeigen und auch gebildeter sind. (Vgl. ebd., S. 224f)
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- Arbeit zitieren
- Daniela Frei (Autor:in), 2015, Bildungserfolg von Schülerinnen mit Migrationshintergrund, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307749
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