Früh wird mit talentierten Sportlern begonnen systematisch zu trainieren, um sie langfristig und vor allem systematisch auszubilden und auf die zukünftigen Belastungen im Spitzenbereich vorzubereiten. Anhand der unterschiedlichen sportartspezifischen Rahmentrainingskonzeptionen (RTK) wird deutlich, dass der langfristige Leistungsaufbau von Spitzenleistungen in unterschiedlichen Sportarten im Kindesalter nicht zeitgleich beginnt und die Anforderungen im Nachwuchstraining bis hin zum Spitzenleistungsalter sportartspezifisch differieren. Dennoch sind die einzelnen Ausbildungsstufen zur systematischen altersgerechten Entwicklung von Leistungsvoraussetzungen und Leistungen mit dem Grundlagentraining, Aufbautraining, Anschlusstraining und Hochleistungstraining die gleichen (Schnabel et al., 2011).
Dadurch, dass durch Sichtungsmaßnahmen des Dachverbandes der Einstieg ins Nachwuchsleistungstraining formell beginnt und eine systematische allgemeine, sowie sportart-spezifische Ausbildung der Nachwuchsleistungssportler im Jugend- bzw. jungendlichen Erwachsenenalter beginnt, treten besondere Herausforderungen an die Ausbildung heran. Das Besondere in dieser Ausbildungsphase ist, dass die Sportler mit dem Absolvieren der Schullaufbahn einer weiteren - und wohl auch konkurrierenden - Leistungsanforderung ausgesetzt sind (Nordrhein-Westfalen, 2014). Über diesen langen Zeitraum der Parallelität schulischer und nachwuchssportlicher Ausbildungszeiträume, muss die Effizienz des Trainings, aber auch die individuelle Persönlichkeitsentwicklung hochgehalten werden, um die gesetzten Ziele zu realisieren. Zur Sicherung des sportlichen Leistungsfortschritts und der schulischen Ausbildung sind deshalb individuelle Hilfen erforderlich. Hier muss zuzüglich angemerkt werden, dass nicht nur die Herausforderung im Zusammenspiel dieser beiden Karrieren mit zunehmenden Alter ansteigt, sondern auch die jeweils einzelnen Anforderungen sowohl im sportlichen Bereich (Trainingsumfänge, siehe dazu Brand et al., 2009), als auch im schulischen Bereich wachsen.
Als ein zentrales unterstützendes Element innerhalb dieses Prozesses werden „sportbetonte Schulen“ angesehen, die die Bedürfnisse der Sportler berücksichtigen sollen (siehe dazu Brettschneider & Klimek, 1998). Durch sie soll der Einklang zwischen Schule und Sport hergestellt werden, sodass die Ausbildung sinnvoll miteinander koordiniert werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Kennzeichnung der Problematik
1.2 Zielstellung der Arbeit
1.3 Struktur der Arbeit
2 Theoretische Vorbetrachtung
2.1 Sportliches Training
2.1.1 Definition des sportlichen Trainings
2.1.2 Ziel und Aufgaben des sportlichen Trainings
2.1.3 Trainingsumfange
2.1.4 Trainingsalter
2.2 Talente im Sport
2.2.1 Definition ,,sportliches Talent“
2.2.2 Kriterienvonsportlichen Talenten
2.3 Konzepte zur Forderung von Schule und Sport in Deutschland
2.3.1 Verbundsysteme von Schule und Leistungssport
2.3.2 Kooperationsmodelle von Schule und Sport
2.3.3 Die geschichtliche Entwicklung der Verbundsysteme
2.3.4 Kinder- und Jugendsportschulen der DDR
2.3.5 Partnerschulen des Leistungssports/ Sportbetonte Schulen
2.3.6 Eliteschule des Sports- aktuellste Entwicklungsform des Verbundsystems ,,Schule- Leistungssport“
2.3.7 Sportinternate
2.4 Schule und Sport in Baden-Wurttemberg
2.4.1 Schulsystem in Baden- Wurttemberg
2.4.2 Strukturen zur Forderung von Leistungssport in Baden-Wurttemberg
2.4.3 Regionalkonzept Baden-Wurttemberg
2.5 Umfang der schulischen Anforderungen und Trainingsanforderungen im Leistungssport
3 Allgemeine und spezielle Fragestellung
4 Methodik
4.1 Stichprobe
4.2 MaterialundMethoden
4.3 Untersuchungsablauf
4.4 StatistischeBearbeitung
5 Ergebnisse
5.1 Charakteristik der untersuchten Spieler und Spielerinnen
5.2 Trainingsaufwand der untersuchten Spieler und Spielerinnen
5.2.1 Nettotrainingszeiten
5.2.2 Bruttotrainingszeiten
5.2.3 Zusatzliche Sportarten
5.2.4 Kooperation zwischen Schule und Sport
5.2.5 Priorisieren von Handball zu Ungunsten der Schule
5.2.6 Nachhilfe als Unterstutzungsleistungen
5.2.7 Notwendigkeit von weiteren Unterstutzungsleistungen - Internat
6 Zusammenfassung und Fazit
Quellen- und Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang A - Fragebogen zur Befragung der Spieler und Spielerinnen
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1. Darstellung der Abhangigkeit von aktueller Leistung zum Trainingsalter unterschiedlicher Sportler (I., II., III.) gleichen Alters (aus Weineck, 2004, S. 415)
Abb. 2. Definitorische Schwerpunkte der unterschiedlichen Talentbegriffe (modif durch Conzelmann, 2005 nach Hohmann & Carl, 2002, aus Schwarzer, 2007)
Abb.3. Standorte (weiBe Punkte) der Eliteschulen des Sports in Deutschland (www.dosb.de. Zugriff am 26.08.2014)
Abb. 4. Verteilung der Geschlechter und Jahrgange
Abb. 5.Verteilung der untersuchten Spieler und Spielerinnen nach Klassenstufen (links), sowie nach besuchter Schulart (rechts)
Abb. 6. Sportprofile der besuchten Schulen
Abb.7. Angegebener Nettotrainingsumfang der befragten Spieler und Spielerinnen nach Jahrgang, Geschlecht und Trainingsort
Abb. 8. Errechneter durchschnittlicher Bruttotrainingsumfang pro Woche nach Jahrgang und Geschlecht
Abb. 9. Neben dem Handball aktiv betriebene weitere Sportarten
Abb. 10. Angaben der Befragten zur Kooperation zwischen Schule und Sport
Abb. 11. Prozentuale Verteilung der Angaben der Befragten zur Kooperation zwischen Schule und Sport
Abb. 12. Angaben zur Priorisierung vom Handball zu Ungunsten der Schule
Abb.13. Prozentuale Verteilung der Priorisierung vom Handball zu Ungunsten der Schule
Abb.14. Strukturelle Unterstutzungsleistung am Beispiel Nachhilfe
Abb.15. Interesse an „Internaten“ als Unterstutzungsleistung durch den Handballverband Wurttemberg
Abb. 16. Prozentuale Verteilung zur Interessenlage an speziellen Handballinternaten
Abb.17. Angegebene Voraussetzungen, die fur den Besuch eines Internats als notwendig erachtet werden
Abb.18. Prozentuale Verteilung der angegebenen Voraussetzungen, die fur den Besuch eines Internats als notwendig erachtet werden
Abb.19. Angaben zu wichtigen Bedingungen, die mit dem Besuch eines Internats verbunden werden
Abb.20. Prozentuale Verteilung der wichtigen Bedingungen, die mit dem Besuch eines Internats verbunden werden
Abb.21. Wichtigen Bedingungen die aus der Sicht der Eltern gegeben sein mussen, um dem Besuch eines Internats zu zustimmen
Abb.22. Prozentuale Verteilung der wichtigen Bedingungen, die aus der Sicht der Eltern gegeben sein mussen, um dem Besuch eines Internats zu zustimmen
Tabellenverzeichnis
Tab. 1. Stundentafel der Klassenstufen 5 bis 10 am Beispiel der Schickhardt- Realschule Stuttgart (mod. nach http://www.schickhardt- realschule.de/schule/stundentafel.html)
Tab. 2. Stundenplan einer neunten Klasse der Schickhardt- Realschule Stuttgart (mod. nach http://www.schickhardt-realschule.de/termine/9c.html, Zugriff am 19.10.2014)
Tab.3. Kontingenzstundentafel fur Realschule (Ministerium fur Kultus, Jugend und Sport BW)
Tab.4. Maximale Hausaufgabenzeiten entsprechen der jeweiligen Klassenstufe (Richartz & Brettschneider 1996, S.55)
Tab. 5. Umfang der Anforderungen des Handballverbandes Wurttemberg
Tab.6. Uberblick zur untersuchten Gruppen
Tab. 7. durchschnittliche Wegstrecken und durchschnittlicher Zeitaufwand fur An- und Abreise (addiert) zu denjeweiligen Trainingsorten
1 Einleitung
1.1 Kennzeichnung der Problematik
Fruh wird mit talentierten Sportlern1 begonnen systematisch zu trainieren, um sie langfris- tig und vor allem systematisch auszubilden und auf die zukunftigen Belastungen im Spit- zenbereich vorzubereiten. Anhand der unterschiedlichen sportartspezifischen Rahmentrai- ningskonzeptionen (RTK) wird deutlich, dass der langfristige Leistungsaufbau von Spit- zenleistungen in unterschiedlichen Sportarten im Kindesalter nicht zeitgleich beginnt und die Anforderungen im Nachwuchstraining bis hin zum Spitzenleistungsalter sportartspezi- fisch differieren. Dennoch sind die einzelnen Ausbildungsstufen zur systematischen alters- gerechten Entwicklung von Leistungsvoraussetzungen und Leistungen mit dem Grundla- gentraining, Aufbautraining, Anschlusstraining und Hochleistungstraining die gleichen (Schnabel et al., 2011)
Dadurch, dass durch Sichtungsmafinahmen des Dachverbandes der Einstieg ins Nach- wuchsleistungstraining formell beginnt und eine systematische allgemeine, sowie sportart- spezifische Ausbildung der Nachwuchsleistungssportler im Jugend- bzw. jungendlichen Erwachsenenalter beginnt, treten besondere Herausforderungen an die Ausbildung heran. Das Besondere in dieser Ausbildungsphase ist, dass die Sportler mit dem Absolvieren der Schullaufbahn einer weiteren - und wohl auch konkurrierenden - Leistungsanforderung ausgesetzt sind (Nordrhein-Westfalen, 2014). Uber diesen langen Zeitraum der Parallelitat schulischer und nachwuchssportlicher Ausbildungszeitraume, muss die Effizienz des Trainings, aber auch die individuelle Personlichkeitsentwicklung hochgehalten werden, um die gesetzten Ziele zu realisieren. Zur Sicherung des sportlichen Leistungsfortschritts und der schulischen Ausbildung sind deshalb individuelle Hilfen erforderlich. Hier muss zuzuglich angemerkt werden, dass nicht nur die Herausforderung im Zusammenspiel dieser beiden Karrieren mit zunehmenden Alter ansteigt, sondern auch die jeweils einzelnen Anforde- rungen sowohl im sportlichen Bereich (Trainingsumfange, siehe dazu Brand et al., 2009), als auch im schulischen Bereich wachsen.
Als ein zentrales unterstutzendes Element innerhalb dieses Prozesses werden „sportbetonte Schulen“ angesehen, die die Bedurfnisse der Sportler berucksichtigen sollen (siehe dazu Brettschneider & Klimek, 1998). Durch sie soll der Einklang zwischen Schule und Sport hergestellt werden, sodass die Ausbildung sinnvoll miteinander koordiniert werden kann. Fur talentierte Nachwuchssportler soll ein hochwertiges Training zum Erzielen sportlichen Hochstleistungen bei gleichzeitigem Erreichen von Schulabschlussen gewahrleistet werden (vgl. Richartz, 2000).
1.2 Zielstellung der Arbeit
Ziel der Arbeit ist es, aktuelle Losungswege bzw. -ansatze zur systematischen Forderung von talentierten Nachwuchshandballern des Bundeslandes Baden-Wurttemberg (bspw. uber Partnerschulen des Olympiastutzpunktes) aufzuzeigen und das Gelingen der Umset- zung dieser Losungswege speziell in der Sportart Handball darzustellen. Dazu sollen Tat- bestande und Empfindungen bei talentierten Nachwuchshandballern des Handballverban- des Wurttemberg durch einen Fragebogen erhoben werden. Die Ergebnisse sollen die Ist- Situation dokumentieren, woraus mogliche Ansatzpunkte fur Verbesserungen abgeleitet werden sollen.
1.3 Struktur der Arbeit
Im ersten Teil der Arbeit, der theoretischen Vorbetrachtung, soll die in Kapitel 1.2 darges- tellte Thematik durch aktuelle Literatur vorgestellt werden. Thematisch werden dabei zu- nachst als Grundlage das sportliche Training im Leistungssport, so wie der Begriff des sportlichen Talents naher betrachtet und kritisch diskutiert. Im Anschluss daran, werden al- le Verbundkonzepte von Schule und Sport, die in Deutschland zur Forderung von talentierten Nachwuchssportlern existieren, aufgezeigt. Als einen weiteren Punkt soll dabei speziell auf die in Baden-Wurttemberg befindlichen Strukturen und die damit verbundenen Vor- aussetzungen, der schulischen Ausbildung der Kinder und Jugendlichen, eingegangen wer- den. Ein weiterer Punkt der theoretischen Vorbetrachtung ist die Darstellung, wie den ta- lentierten Nachwuchssportlern der Einstieg in den Leistungssport erleichtert werden soil. Unmittelbar nach der theoretischen Vorbetrachtung sollen die theoretischen Erkenntnisse in eine allgemeine Fragestellung munden, aus denen schliefilich die speziellen Fragestel- lungen generiert werden, die Zielstellung dieser Arbeit sind. Dem theoretischen Teil schliefit sich der empirische Teil an. Dort wird im Teil „Untersuchungsmethodik“ die me- thodische Herangehensweise geschildert, wie der durch die aktuellen Auswahlspieler ,,empfundene Ist-Zustand“ des Verbundsystems Schule und Sport, operationalisiert, aus- gewertet und statistisch bearbeitet werden soll. Anschliefiend werden alle erzielten Ergeb- nisse dokumentiert. Dabei sollen zunachst die Ergebnisse der Befragung vorgestellt werden, die den wahrgenommenen Ist-Zustand darstellen. Abschliefiend sollen alle Erkenntnisse zusammengefasst und die Konsequenzen fur die Praxis deutlich gemacht werden.
2 Theoretische Vorbetrachtung
Aus der in Kapitel 1 skizzierten Problematik wurde deutlich, dass die „optimale“ Entwick- lung von talentierten Spielern im engen Zusammenhang zu den Fordersystemen und den damit verbundenen Trainingsbedingungen gesehen werden muss. Allein die kontinuierli- chen Steigerungen der Trainingsumfange und der daraus resultierende zunehmende Zeit- aufwand, stellt eine der grofiten Herausforderung an den gesamten Prozess der Talentfor- derung bzw. der Nachwuchsforderung dar. Eine Losung fur die zeitgleiche Bewaltigung der parallel auftretenden schulischen Anforderungen, stellt das Verbundsystem zwischen Schule und Sport dar. Nur so kann die Doppelbelastung zwischen Schule und Sport syste- matisch miteinander verbunden werden und die laut Rahmentrainingskonzeption des Deut- schen Handballbundes (siehe dazu Brand et al, 2009) geforderten hohen Trainingsumfange uberhaupt erst bewaltigt werden (vgl. Teubert et al., 2005).
Im Rahmen dieser Arbeit wird es daher als wichtig erachtet, zunachst die Grundlagen zum sportlichen Training (Punkt 2.1) und sportliches Talent (Punkt 2.2) zu beschreiben, um die Bedingungen bzw. Voraussetzungen des Leistungssports zu verdeutlichen. Anschliefiend werden die bereits existierenden Konzepte zur Forderung von Schule und Sport fur Deutschland vorgestellt (Punkt 2.3), wobei anschliefiend auf die spezielle Situation des Handballverbands Wurttemberg (Punkt 2.4) eingegangen wird.
2.1 Sportliches Training
2.1.1 Definition des sportlichen Trainings
In der trainingswissenschaftlichen Literatur existieren bis dato eine Vielzahl verschiedener Definitionen zum Begriff ,,sportliches Training“, was sich in den Veranderungen und Wei- terentwicklungen der Sportwissenschaft begrundet. Durch den Einfluss verschiedener Definitionen der vergangenen Jahre, ergab sich die im Allgemeinen akzeptierte Definition von Hottenrott und Neumann (2014). Demnach versteht sich ...
...“das sportliche Training als komplexer Handlungsprozess, der auf systematischer Planung, Ausfuhrung und Evaluation basiert und nachhaltige Ziele in den verschiedenen Anwendungs- feldern des Sports verfolgt.“ (Hottenrott & Neumann, 2014, S.12)
Die wesentlichen Merkmale stellen dabei die Komplexitat, Zielgerichtetheit, sowie Plan- mafiigkeit und Systematik des sportlichen Trainings dar. Mit der Komplexitat sind alle, fur die Sportart relevanten, trainierbaren Leistungsvoraussetzungen gemeint, die systematisch und in Abstimmung (als Prozess-) verstanden werden. Unter dem Begriff der Zielgerichtetheit werden hingegen die individuellen und altersgerechten Leistungsziele eingeordnet. Jede Trainingseinheit muss demnach als einzelne Mafinahme verstanden werden, die in ih- ren Methoden, Anforderungen und Aufgaben zielgerichtet geplant und zielorientiert durchgefuhrt werden (Schnabel et al., 2011). Die Planmafiigkeit des sportlichen Trainings bezieht sich dagegen auf die Trainingssteuerung. Durch die organisierte Abstimmung aller im Trainingsprozess erforderlichen Mafinahmen (Planung, Durchfuhrung, Diagnostik und Prognose) soll die Leistungsentwicklung zielorientiert und systematisch realisiert werden. Insbesondere im langfristigen Leistungsaufbau der talentierten Nachwuchssportler ist die detaillierte Planung und Durchfuhrung des sportlichen Trainings von immenser Bedeutung, da nicht nur die entsprechenden Entwicklungsziele, sondern auch die unterschiedlichen Al- tersbereiche im Prozess des sportlichen Trainings Berucksichtigung finden mussen.
2.1.2 Ziel und Aufgaben des sportlichen Trainings
Nach Schnabel et al. (2011) werden die Vorgaben und/oder Vorausnahmen eines Zustan- des und/oder einer sportlichen Leistung als Trainingsziel bezeichnet, die durch Trainings- tatigkeit vorbereitet und erreicht werden sollen. Die Trainingsziele stellen somit den Aus- gangspunkt bzw. die Grundlage jedes sportlichen Trainings dar. Unterteilt werden diese in Haupt- (Komplexitat des Gesamttrainings) und Teilziele (einzelne Teilaspekte -> Voraus- setzung fur die Hauptziele). Grofitmogliche Erfolge bei Wettkampfen durch herausragende sportliche Leistungen, sowie die Steigerung und Stabilisierung der individuellen komple- xen Leistungsfahigkeit, sollen durch die Hauptziele angestrebt werden. Die komplexe Leistungsfahigkeit soll durch die Teilziele, Herausbildung einzelner Leistungsvoraussetzungen, Steigerung der Belastbarkeit, sowie deren Regeneration nach der Beanspruchung erzielt werden. So gelten beispielsweise ansteigende Trainingsumfange als Leistungsanforderung fur die Stabilisierung derjeweiligen erzielten Leistungsfahigkeit (Martin et al., 1999).
Die Aufgaben des sportlichen Trainings sind als sehr vielfaltig einzustufen und mussen insbesondere in der systematischen Forderung von jungen Sportlern einer langfristigen Systematik als Prozess der Leistungsentwicklung unterliegen, wobei die Grundlage das Leistungs- und Wettkampfsystem der Sportart, das Trainingsziel, der aktuelle Trainings- umfang des Sportlers, das entsprechende Alter (biologisch und kalendarisch) und die je- weils vorliegenden Trainingsbedingungen sind (siehe Martin et al., 1999).
2.1.3 Trainingsumfange
Unter Trainingsumfangen werden im Allgemeinen die absolvierten Trainingsstunden, Trainingseinheiten und Trainingstage verstanden. Sie sind grundlegende Moderatoren zur Entwicklung der motorischen Fahigkeiten und Fertigkeiten, die wiederum das jeweilige individuelle Entwicklungsniveau darstellen.
Zur Verdeutlichung der fundamentalen Bedeutung von Trainingsumfangen soll eine Aus- sage von Fasold et al. (2011) zitiert werden:
„im Rahmen der Expertiseforschung konnten Ericsson et al. (1993), Helsen et al. (1998), Hodges et al. (2004) sowie Baker et al. (2005) zeigen, dass zwischen hohen Gesamttrainings- umfangen und dem Expertis-Erwerb ein positiver Zusammenhang besteht.“ (aus Fasold et al., 2011, S. 28)
Generell kam man zu der Erkenntnis, dass zwischen den Trainingsumfangen im Kinder- und Jugendalter und den spater erreichten Leistungen ein grofier Zusammenhang besteht (siehe dazu Fasold et al., 2011). Die Trainingsumfange von Leistungssportlern waren be- reits im Kinder- und Jugendalter hoher als die der Amateursportler. Den Schilderungen der Studie zu Folge kann davon ausgegangen werden, dass hohe Trainingsumfange fur die sportliche Entwicklung im Leistungsport von Vorteil sind bzw. eine zwingende Notwen- digkeit darstellen.
2.1.4 Trainingsalter
Das Trainingsalter stellt ebenfalls eine wesentliche Kenngrofie fur den Trainingsprozess dar, denn es verdeutlicht die Zeitspanne, in der der Sportler systematisch trainiert wurde (Meinel & Schnabel, 2007, S. 477). Die alleinige Angabe des Trainingsalters ermoglicht zwar keine weiteren Ruckschlusse auf Trainingsumfange oder Trainingsintensitaten, je- doch kann daran die Eignung, aber auch die mogliche Trainierbarkeit des Sportlers be- stimmt werden. Aus diesem Grund ist eine genaue Bestimmung des Trainingsalters zwin- gend notwendig.
Besonders zu Beginn der leistungssportlichen Entwicklung ist der Zusammenhang zwi- schen Trainingsalter und sportlicher Leistungsfahigkeit sehr ausgepragt (siehe Abb. 1). Je mehr sich im weiteren Trainingsprozess die Trainingsbedingungen angleichen, (z.B. Trainingsumfange, Trainingshaufigkeit) umso weniger wirken sich fruhere Entwicklungsbe- dingungen aus (Weineck, 2004, S. 415).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1. Darstellung der Abhangigkeit von aktueller Leistung zum Trainingsalter unterschiedlicher Sportler (I., II., III.) gleichen Alters (aus Weineck, 2004, S. 415).
2.2 Talente im Sport
Eine wesentliche Voraussetzung fur perspektivische Erfolge im Spitzensport ist eine sys- tematische Talentsuche und Talentforderung im Sinne einer mittelfristigen bzw. langfristi- gen Begleitung. Dabei gilt es insbesondere viele talentierte Sportler systematisch auszubil- den und dauerhaft in der Weltspitze zu etablieren.
Der Beginn der Talent- und Nachwuchsforderung wird in der Talentsuche und Talentaus- wahl gesehen. Nach der Selektion werden die talentiertesten Sportler in den Prozess der kontrollierten Forderung uberfuhrt. Demnach stellt die Talentsuche, Talentauswahl und die Talentforderung einen Gesamtprozess dar, der auch im Verlauf dynamisch bleibt.
Um sportliche Talente benennen zu konnen, mussen sie durch einen intensiven Prozess zu- nachst gesichtet werden. In einem umfassenden Beobachtungsprozess werden dafur die allgemeinen, aber auch spezifischen Fahigkeiten und Fertigkeiten von Sportlerinnen und Sportlern beim Losen von sportartspezifischen Aufgabenstellungen durch Experten bewer- tet. Die Selektion von Sportlern ,,als Talent“ wird durch die Talentdiagnostik, sowie anges- tellte Talentprognosen unterstrichen und von Experten vorgenommen. Nach der Talentbe- stimmung und der Selektion, werden die entsprechend talentierten Nachwuchssportler in den Prozess der Talentforderung uberfuhrt Dabei erhalten die Sportler innerhalb spe- zieller Rahmenbedingungen gezielte altersgerechte Forderung zur optimalen Ausbildung der individuellen Leistungsvoraussetzungen.
2.2.1 Definition „sportliches Talent “
Als Talente werden in der Trainingswissenschaft zum einen “Personen beschrieben, deren eigene Fahigkeiten und Eigenschaften zur Erbringung von Hochstleistungen fuhren “, [...] und zum anderen „ als Personen, deren Umfeld die Moglichkeiten bietet Hochstleistungen zu erbringen “ (Hohmann, 2009). Diese unterschiedlichen Ausrichtungen fuhren dazu, dass in der Talentforschung der Talentbegriff im engeren und im weiteren Sinne auslegt werden kann. Unter einem Talent im engeren Sinne, wird ein Sportler verstanden, der mit seiner Befahigung uberdurchschnittliche Leistungen in einer Sportart oder Disziplin erzielen kann. Im weiteren Sinne spricht man bei einem Talent von einem Fahigkeitskomplex, der es dem Sportler ermoglicht zu uberdurchschnittlichen Leistungen zu kommen.
Eine weitere Problematik besteht in dem statischen und dynamischen Klarungsansatz des Begriffes „sportliches Talent“. Die erbrachten Leistungen des Sportlers sollen dem statischen Ansatz zu Folge mindestens uber dem Durchschnitt liegen, um von einem Talent sprechen zu konnen. Neben der Motivation und Volition zum Erbringen dieser Leistungen, spielen die korperlichen, motorischen und psychischen Voraussetzungen fur das Erreichen spaterer Spitzenleistungen eine bedeutete Rolle. Ebenso sind das soziale Umfeld, sowie seine externen Unterstutzersysteme von wesentlicher Bedeutung fur das Erbringen und Entwickeln von sportlichen Leistungen. Die Charakteristik des statischen Talentbegriffs umfasst nach Weineck (2004) folgende Komponenten:
- Resultate, die die aktuelle „Wettkampfleistung“ dokumentieren
- Motivation und Volition, die das Wollen beschreiben
- Disposition, die das Konnen bestimmen
- soziales Umfeld, die Moglichkeiten darstellen
Im Gegensatz zum statischen Talentbegriff beschreibt der dynamische Talentbegriff die Strukturierung bzw. die Formen eines sportlichen Talentes und seiner Personlichkeit im Verlaufe des aktiven und zielerichteten Prozesses (siehe dazu Weineck, 2004). Die Charakteristik des dynamischen Talentbegriffs umfasst nach Weineck (2004) folgende Komponenten:
- einen aktivenVeranderungsprozess
- Steuerung durch Training und Wettkampf
- padagogisch Begleitung
Die Abb. 2 soll einen differenzierteren Uberblick uber die Talentbegriffe geben und die be- reits erwahnten Unterteilungen bildlich machen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2. Definitorische Schwerpunkte der unterschiedlichen Talentbegriffe (modif. durch Conzelmann, 2005 nach Hohmann & Carl, 2002, aus Schwarzer, 2007)
Anhand der dargestellten Differenzierung des Begriffes „sportliches Talent“ zeigt sich der standige Fluss der Talentforschung. Nach Hohmann (2009, S. 235) sowie Conzelmann (2005) wird ein Talent im Spitzensport als eine Person bezeichnet, die
(1) unter Berucksichtigung des bereits realisierten Trainings im Vergleich mit Referenzgrup- pen ahnlichen biologischen Entwicklungsstandes und ahnlicher Lebensgewohnheiten uber- durchschnittlich leistungsfahig ist und bei der man unter Berucksichtigung personinterner (en- dogener) Leistungsdispositionen und realisierbarer exogener Leistungsbedingungen pros- pektiv annimmt - etwa durch das Erfassen uberdurchschnittlicher Veranderungswerte in den Leistungsdaten durch dynamisches Testen (Conzelmann, 2005) - beziehungsweise mathema- tisch-simulativ prognostiziert, dass sie in einem nachfolgenden Entwicklungsabschnitt sport- liche Spitzenleistungen erreichen kann, oder
(2) eine Person, die sportliche Spitzenleistungen bereits erreicht hat („Expertiseansatz“).
2.2.2 Kriterien von sportlichen Talenten
Talentkriterien sind Merkmale, die ein sportliches Talent auszeichnen und der Selektion von sehr guten und guten Nachwuchsportlern dienen. Die Ermittlung sportlicher Talente ist
nur moglich, wenn im Vorfeld der Talentsuche vorgegebene Erkenntnisse existieren, was die perspektive Leistung unter kontinuierlicher Beeinflussung (Training) tatsachlich be- stimmt. Insbesondere durch retrospektive Betrachtungen von aktuellen Leistungssportlern (entspricht dem Expertiseansatz der Talentforschung) konnten wesentliche Erkenntnisse dazu erzielt werden. Nach Hohmann (2009) konnen folgende allgemeine Talentkriterien benannt werden:
- Anlagebedingtheit (Hereditat und Stabilitat)
- Leistungsauffalligkeit
- Entwicklungstempo / Trainierbarkeit
- Utilisation
- Belastbarkeit
- prognostizierte Leistung
Untersuchungen haben gezeigt, dass die Anlagebedingtheit, die auch als Genetik bezeich- net wird, einen grofien Einfluss auf das sportliche Talent haben. Zum einen betrifft dies die korperlichen Voraussetzungen und zum anderen die Morphologie des Korpers. So hat bei- spielsweise morphologisch betrachtet vor allem die Muskelfaserzusammensetzung einen leistungsbestimmenden Anteil auf die konditionellen Fahigkeiten Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit. Bezogen auf die Korperkonstitution sind die Hohe des Korpers, sowie die Lange der oberen und unteren Extremitaten genetisch determiniert. Keine ,,genetisch dis- ponierten Eigenschaften“ stellen die Anpassung an das Training, die Personlichkeit, die In- telligenz, die Kognition, psycho-physische Prozesse, die Gesundheit und die Trainierbarkeit (Hohmann, 2009) dar. Somit ist eine Diagnose insbesondere in diesem Bereich zu se- hen.
In den meisten Sportarten stellt in der Praxis vor allem die Leistungsauffalligkeit von Sportlern das entscheidende Kriterium zur Sichtung sportlicher Talente dar. Die Kriterien, die dafur herangezogen werden, sind aktuelle Wettkampfresultate und individuelle Wett- kampfleistungen, die Leistungen von sportmotorischen Testungen, sowie das generelle Verhalten im Training oder Wettkampf. Problematisch erweist sich dabei, dass die Metho- den zur Erfassung dieser Kriterien haufig nicht die Kriterien der Objektivitat erfullen, so- dass sich die erfassten Werte nicht bzw. nur eingeschrankt vergleichen lassen. Vor allem die individuellen Wettkampfleistungen entstehen durch subjektive Einschatzungen (oft oh- ne festgeschriebene Kriterien) von Experten. Zudem ist anzumerken, dass die aktuelle in- dizielle Leistungsfahigkeit ein momentaner Zustand ist, der einer Vielzahl an unberuck- sichtigten Einflussen unterliegt und somit nur eingeschrankt fur eine perspektivische Leis- tungsprognose herangezogen werden kann (vgl. Stadtmann, 2012).
Fur Hohmann (2009, S. 52) stellt die Trainierbarkeit des Sportlers, das entscheidende Ta- lentkriterium dar, da neben der sportmotorischen Entwicklung und den unspezifischen All- tagsanforderungen insbesondere die Leistungsveranderung im Nachwuchstrainingszyklus vom Einfluss des Trainings abhangt. Bei Sportlern, die bei gleichen Trainingseinflussen besser adaptieren als andere Sportler, ist von einem erhohten Entwicklungstempo bzw. besseren Trainierbarkeit auszugehen (Stadtmann, 2012). Jedoch muss beispielsweise das Entwicklungstempo der Sportler, die zum Untersuchungszeitpunkt bereits uber ein hoheres Trainingsniveau verfugen, aber auch weniger Adaptationsreserven besitzen, relativiert werden. In diesem Aspekt spielt auch das oben beschrieben Trainingsalter eine einflussrei- che Rolle.
Bei der Utilisation wird vom Verhaltnis zwischen erbrachter Wettkampfleistung und den Leistungsvoraussetzungen des Sportlers gesprochen (Hohmann, 2009), wobei davon auszugehen ist, dass Sportler dann als talentierter gelten, wenn sie bei altersbezogenen eher weniger entwickelten Leistungsvoraussetzungen eine hohe Wettkampfleistung erzielen. Geringer entwickelte Leistungsvoraussetzungen werden daher auch als direkt trainierbare Leistungsreserven gesehen, durch die die Wettkampfleistung weiter erhoht werden kann. Die Belastbarkeit ist die Fahigkeit eines Talentes, Trainings- und Wettkampfreizen stand- zuhalten und zu kompensieren. Diese wird in psychischer und physischer Belastung unter- schieden. Unter physischer Belastbarkeit wird die Fahigkeit zum Verarbeiten der Belastung verstanden, die der Korper aktiv ermoglicht und passiv ertragt, ohne dass dies ge- sundheitliche Beeintrachtigungen zur Folge hat (Hohmann, 2009, S. 70). Die Bewaltigung der psychischen Anforderungen stellt ein entscheidendes Merkmal eines sportlichen Talents zum Schutz vor Uberlastung bzw. fur eine grundlegende Wettkampfstabilitat dar. Vor allem das Verhalten in speziellen Wettkampfsituationen (beispielsweise unter Zeitdruck) oder bei Siegen und Erfolgen bzw. Niederlagen und Misserfolgen sind die psychischen Merkmale von entscheidender Bedeutung. Belastbarkeit ist in ihrer Gesamtheit somit ein wichtiger leistungsbestimmender Faktor daruber, ob ein Sportler in der Lage ist den Pro- zess des langfristigen Leistungsaufbaus bzw. den Weg der Talentforderung konsequent und moglichst unterbrechungsfrei zu bewerkstelligen.
Aus alien vorherig genannten Kriterien lassen sich anhand von speziellen mathematischen Algorithmen mit einer gewissen Genauigkeit die perspektivischen Leistungen von Sport- lern vorhersagen. Hier wird in der Literatur von Prognoseleistung gesprochen.
2.3 Konzepte zur Forderung von Schule und Sport in Deutschland
2.3.1 Verbundsysteme von Schule und Leistungssport
Schulpflichtige Nachwuchsathleten, die eine Karriere im Spitzensport anstreben, stehen vor dem Problem umfangreiche Trainings- und Wettkampfverpflichtungen mit ihrer ge- planten erfolgreichen Schullaufbahn zu vereinbaren. Der Erfolg solcher ,,dualen Karrieren“ in Spitzensport und Schule hangt vor allem davon ab, ob es gelingt, die sportliche Leis- tungsfahigkeit optimal zu entwickeln, ohne die schulische Leistung negativ zu beeintrach- tigen beziehungsweise gar den angestrebten Schul- und Bildungsabschluss zu gefahrden. Um in beiden Bereichen erfolgreiche Karrieren zu gewahrleisten und das Problem der Ver- einbarkeit von Anforderungen Seitens der Schule und des Sports zu mindern, wurden bun- desweite, landesweite und regionale institutionelle Losungsversuche in Form von soge- nannter „Verbundsysteme der Nachwuchsforderung“ etabliert (Borggrefe & Cachay, 2010, S. 45). Als Modelle zur Verknupfung von Schule und Leistungssport werden im Folgenden die Schultypen vorgestellt. Erganzend sollen Sportinternate und die Kinder- und Jugend- sportschulen (KJS) der fruheren DDR, sowie die geschichtliche Entwicklung der Verbundsysteme mit einbezogen werden.
Nachdem der geschichtliche Verlauf dargelegt wird, werden die drei leistungssportunters- tutzenden Schulmodelle ,,Sportbetonte Schule“,“ Partnerschule des Leistungssports“, sowie die ,,Eliteschule des Sports“ vorgestellt, in denen die Schule die Federfuhrung bei der Kooperation der beiden Systeme ubernimmt. Die Sportinternate, die im Gegensatz zu den anderen drei Schulmodellen eine funktionale Zweckeinrichtung des Sports darstellen, werden im Anschluss behandelt.
2.3.2 Kooperationsmodelle von Schule und Sport
Als Kooperationsmodelle von Schule und Leistungssport werden Verbundsysteme ver- schiedener Einrichtungen bezeichnet, die ,,die Bewaltigung der Doppelbelastung durch Schule und Spitzensport“ als zentrale Aufgabe ansehen (vgl. Cachay, 2005, S.291). Diese Verbundsysteme sollen demnach sowohl die Entwicklung sportlicher Hochstleistungen, als auch die Sicherung der schulischen Laufbahn durch eine „strukturelle Kopplung von Schule und Leistungssport“ sicherstellen (vgl. ebd.). Teubert, Borggrefe, Cachay und Thiel (2006, S. 61) greifen die ,,Funktionalisierung der Schule aus Sicht des Spitzensports“ auf. Ihren Untersuchungen (2006) zufolge ist die leistungssportliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen von den Rahmenbedingungen der Schule abhangig. Eine erfolgreiche Kooperation von Schule und Leistungssport ist also nur dann moglich, wenn Seitens der Schule Bedingungen geschaffen werden, die es erlauben, gleichzeitig schulische und hohe sportliche Anforderungen zu bewaltigen.
2.3.3 Die geschichtliche Entwicklung der Verbundsysteme
In Westdeutschland wurde im Jahr 1955 formell die Zusammenarbeit zwischen der Standi- gen Konferenz der Kultusminister der Lander (KMK) und dem Deutschen Sportbund (DOSB) festgelegt. In der Praxis zeigte sich allerdings wenig Kooperation der beiden Par- teien. Erst ein neues padagogisches Konzept des Schulsports brachte Ende der sechziger Jahre eine neue Einstellung gegenuber dem Leistungssport. Daraus resultierte eine Verein- barung zur Forderung des Leistungssports des DOSB 1967, die die KMK unterstutzte. Das Ergebnis waren die Bildung von Neigungsgruppen, Schulsportvereinen und Sportgymna- sien, sowie Tests zur Findung der Talente. 1971 wurden flachendeckende MaBnahmen zur Talentfindung eingefuhrt. Ein Jahr spater wurde das ,,Aktionsprogramm fur den Schul- sport“ erlassen. Im Jahr 1986 wurde die ,,Grundsatze fur die Kooperation zur Forderung des Leistungssports“ veroffentlicht, die eine bis heute gultige Grundposition der Schule im Verhaltnis zum Leistungssport aufzeigen. Die Kooperation geschieht mit der Bedingung der ,,Verantwortung vor dem Schuler als Athlet und [einer] klare[n] Zentrierung auf dessen Wohl sowie Entwicklung seiner Gesamtpersonlichkeit vor dem Hintergrund der schulischen und beruflichen Ausbildung (Waschler 1996, S. 40). Ende der achtziger Jahre be- standen in der Bundesrepublik zehn Schulen mit angeschlossenen Internaten und 18 selbst- standige, schulexterne Sportinternate (vgl. Brettschneider, Drenkow, Heim & Hummel 1993, S. 378f)
2.3.4 Kinder- und Jugendsportschulen der DDR
In der Anfangsphase unterschieden sich die Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) in vie- len Aspekten nicht von „normalen“ allgemeinbildenden Schulen. Sie wiesen lediglich ei- nen erweiterten Sportunterricht und ein weiterfuhrendes Nachmittagstraining in der jewei- ligen Spezialsportart auf. Dabei waren die Schulen zwar ,,sport-, aber nicht leistungsorien- tiert“ und das Hauptaugenmerk lag eindeutig auf der schulischen Ausbildung. So befanden sich Kooperationen zu Sportvereinen noch im Aufbau und es gab noch keine ,,sportartspe- zifisch zusammengesetzten Klassen“ (vgl. Helfritsch & Becker 1993, S. 16). Auch unterschieden sich die KJS in ihrem Anfangsstadium bezuglich ihrer Ausstattung nicht von Re- gelschulen. Ein wichtiges Charakteristikum, das das spatere Modell der KJS auszeichnete, war ebenfalls noch nicht gegeben: ,,ein zentral gesteuertes oder normiertes Vorbereitungs-, Sichtungs-, und Auswahlsystem“ (vgl. ebd.).
Zwischen 1962 und 1975 fand eine entscheidende Entwicklung zu Spezialschulen des Leistungssports statt. Zum einen auBerte sich diese Entwicklung in der inneren Struktur der Schulen, zum anderen aber auch in der externen, organisatorischen Struktur, in die die KJS eingebettet war. Die innere Schulstruktur anderte sich insofern, als dass diese Schulen zu zehnklassigen Schulen ausgebaut wurden und ,,leistungssportlich langfristig geeigneten und abiturfahigen Jugendlichen“ die Moglichkeit zu einem anschlieBenden dreijahrigen Abiturkurs eroffneten (vgl. ebd., S.18). Zudem gestaltete sich die Verknupfung von nun in- tensiverem leistungssportlichen Training bei gleichbleibenden schulischen Erwartungen an die Schuler als zunehmend schwieriger, so dass die Unterrichtsorganisation erheblich ums- trukturiert werden musste. Nach Helfrich und Becker betraf dies unter anderem:
- Die Koordination und zeitliche Abstimmung von Unterrichts- und Trainingsum- fangen
- Wechsel unterschiedlicher Belastungen im Tagesablauf
- Festlegung der Termine der Schulferien und Verlagerung von Prufungsterminen unter der Berucksichtigung sportspezifischer Erfordernisse
- Die Zusammensetzung der Klassen nach Sportarten
- Unterrichtliche Betreuung von Schulern wahrend der Sportlehrgange auBerhalb des Heimatortes
Die zunehmende Leistungssportforderung verlangte zudem bessere Rahmenbedingungen der Einrichtungen selbst. So wurden Internate als zentrale Einrichtung an allen KJS einge- fuhrt. Weiterhin kam es zu einer ,,Schulzeitstreckung , d.h. Verteilung des Unterrichtsstof- fes von zwei auf drei Unterrichtsjahre“ (vgl. ebd., S.23)
2.3.5 Partnerschulen des Leistungssports/ Sportbetonte Schulen
Bundesweit haben sich im Bereich der padagogischen Betreuung von Sporttalenten zwei Systeme entwickelt die versuchen, den Strukturen der Standorte fur Leistungssport Rech- nung zu tragen und deren Moglichkeiten optimal zu nutzen. Dies sind zum einen die ,,Sportbetonten Schulen“ in den neuen Bundeslandern sowie zum anderen das Kooperati- onsmodell ,,Partnerschulen des Leistungssports“ in den alten Bundeslandern. In Baden- Wurttemberg werden diese Schulen „Partnerschulen des Olympiastutzpunktes“ genannt. Das Kooperationsmodell ,,Partnerschule des Olympiastutzpunktes“ stutzt sich auf ein Zweisaulengebilde. Sportverein und Sportverband stellen die sportliche Ausbildung und Forderung der Talente in den Einzugsgebieten bzw. der Zustandigkeitsbereiche der Lan- desleistungsstutzpunkte sicher. Unter Mitwirkung der Schulbehorden haben Sportvereine mit ortsnahen Schulen Partnerschaften geschlossen um die sportliche Ausbildung der Ju- gendlichen durch schulische Hilfen zu begleiten (vgl. Guhs 1998, S. 118). In der Regel ist das Schulsystem eng an ein Teilzeitinternat (TZI) gekoppelt. Die Schulen liegen in direkter raumlicher Nahe, beziehungsweise im Zustandigkeitsbereich eines Olympiastutzpunktes (OSP). Ziel fur das Fordersystem Partnerschulen der Olympiastutzpunktes stellt die Ge- wahrleistung schulischer und sportlicher Forderung unter besonders gunstigen Rahmenbe- dingungen dar. Zur Umsetzung dieses Zieles wird der Unterrichtsplan so gestaltet, dass den Schulern wochentlich bis zu drei zusatzliche Trainingseinheiten von ca. 1,5- 2,5 Stunden an Vormittagen (im traditionellen Unterrichtskorridor) ermoglicht werden. Dabei muss das Schaffen von mehr Freiraum fur Training so kompensiert werden, dass die Sportler/innen im regularen Schulalltag zurechtkommen und keine schulischen Defizite uber langere Zeit- raume hinweg aufgebaut werden. Damit das oben genannte Ziel erreicht werden kann, sind die maximal sechs ausfallenden Stunden, in einem Nachfuhrunterricht direkt im Anschluss an die Schule, aufzuholen. Nachfuhrunterricht wird von Fachlehrern der jeweiligen Schule fur die im Regelunterricht abwesenden Nachwuchsleistungssportler gehalten. Aufierdem werden in diesem Partnersystem durch angebotene Hausaufgabenbetreuung, Stutz- und ge- zieltem Nachhilfeunterricht etwaigen Lerndefiziten entgegengewirkt. Das vorrangige Ziel dieses Schulkonzepts ist es, den Leistungssportler/innen trainingsbegleitend eine schuli- sche Ausbildung mit vollwertigen Bildungsabschlussen zu ermoglichen. Die Organisation soll das reibungslose Miteinander von Trainingsbetrieb, Wettkampfverpflichtung sowie schulischer Ausbildung ermoglichen, wobei der Hauptschwerpunkt auf der Erweiterung des Zeitbudgets fur das Training und deren Kompensation durch Okonomisierung des Erarbeitens schulischer Bildung liegt. Nach einem eventuell vorzeitigen freiwilligen oder unfreiwilligen Abbruch der Leistungssportkarriere soll der reibungslose Ubergang in das bestehende Bildungswesen gewahrleistet sein. Zur Sicherstellung dieser Mafinahmen be- darf es einer engen Zusammenarbeit von Schule, Olympiastutzpunkt und Teilzeitinternat (TZI). Der beidseitige Informationsfluss soll zeitliche Festlegungen von Klassenarbeiten, Planung von Wettkampfen und Trainingslagern ermoglichen. Sowohl die Schule als auch der Olympiastutzpunkt und das TZI benotigen fur diese Koordinationstatigkeit feste Ans- prechpartner, die samtliche Informationen kanalisieren und entsprechend bei Bedarf Perso- nen und Institutionen einschalten konnen. Nur so ist eine dauerhafte Begleitung des Sport- lers auf dem Weg in Schule und Sport moglich und die Gefahr moglicher Defizite kann sehr klein gehalten werden (vgl. Stumpe 1998, S. 124ff.)
2.3.6 Eliteschule des Sports- aktuellste Entwicklungsform des Verbundsystems „Schule- Leistungssport“
An den oben aufgefuhrten Punkt von Stumpe (1998) setzen die Eliteschulen des Sports an. Grundsatzlich ist vorauszuschicken, dass die seit 1995/1996 bestehende „Konzeption zur Forderung sportlich hochbegabter Kinder und Jugendlicher durch die Schule in Baden- Wurttemberg“ zum damaligen Zeitpunkt eine gewisse Anzahl von ausgewahlten Schulen zur padagogischen Betreuung der Sportler vorsah, die alle im Umkreis eines Olympia- stutzpunktes gelegen waren. Aus diesem Grund wurden diese Schulen in Baden- Wurttemberg ,,Partnerschulen der Olympiastutzpunkte“ genannt. Aus diesen bereits nach kurzer Zeit gut funktionierenden ,,Partnerschulen der Olympiastutzpunkte“ erfullten einige die Kriterien des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und bekamen das Pradikat „Eliteschule des Sports“ zugesprochen.
In den vom DOSB im Jahre 2002 beschlossenen ,,Qualitatskriterien der Eliteschulen des Sports“ werden sie als eine ,,...Fordereinrichtung, die im kooperativen Verbund von Leis- tungssport, Schule und Wohnen Bedingungen gewahrleistet, damit talentierte Nachwuchs- athleten sich auf kunfdge Spitzenleistungen im Sport bei Wahrung ihrer schulischen Bil- dungschancen vorbereiten konnen“ (DOSB, 2002, S.1). Der DOSB sieht es als absolute Pflicht an, die jugendlichen Athleten, die durch das viele Training ein ungemein grofies Aufwands-Nutzen-Risiko eingehen, zu unterstutzen. Unter diesem Gesichtspunkt, sieht er es als zentrale Aufgabe des sozialen Betreuungssystems an, Sportbetonte Schulen, Eliteschulen des Sports, Partnerschulen des Leistungssports (in Baden- Wurttemberg „Partner- schule des Olympiastutzpunkt), Sportgymnasien und ahnliche Einrichtungen zu gestalten, um den Jugendlichen zu unterstutzen ,,...sowohl schulisch und in ihrer weiteren Ausbil- dung als auch leistungssportlich erfolgreich zu sein“ (DOSB, 1997a, S.23).
[...]
1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit soll im folgenden Text nur noch vom Sportler gesprochen werden, wobei immer auch Sportlerinnen gemeint sind, aufier es wird im Detail ausdrucklich darauf verwiesen.
- Arbeit zitieren
- Sina Kromer (Autor:in), 2014, Lassen sich Schule und Leistungssport miteinander vereinbaren?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307167
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