„Zweigs Schachnovelle ist ein Stück Exilliteratur, vielleicht sogar eine literarische Summe dessen, was Exil für die bedeutet, die es erleiden, in all seinen Situationen.“1
Stefan Zweigs Schachnovelle wird bei der Interpretation vorwiegend vor dem Hintergrund seiner Biographie betrachtet. Besondere Beachtung findet dieses Werk aber vor allem deshalb, weil sie das Letzte war, was der Autor vor seinem Selbstmord schrieb. Um eine Vorstellung davon zu geben, wie "Schachnovelle" vor dem Hintergrund der Lebensgeschichte des Autors verstanden werden kann, gibt diese Arbeit die wichtigsten Daten der Biographie Zweigs wieder. Außerdem wird eine kurze Inhaltsangabe vorgestellt, um eine Grundlage für das zu schaffen, was Schwerpunkt dieser Arbeit sein soll: die Textanalyse (Abschnitt vier). Hier geht es nicht nur um die formale Struktur des Textes, sondern auch um eine inhaltliche Interpretation anhand einzelner Motive. Desweiteren wird eine Betrachtung der Novelle unter dem Aspekt der Gattung vorgestellt. Nach einer kurzen, theoretischen Einführung in die Textform der Novelle, werden die einzelnen Merkmale auf ihre Trefflichkeit im vorliegenden Fall untersucht. In einem abschließenden, ganzheitlichen Interpretationsansatz werden die einzelnen Interpretationsbausteine zusammengefügt, um anschließend noch einmal darauf einzugehen, welche Umstände der Entstehung dieser Novelle zu Grunde lagen, und ob eine Deutung dieser unter Auslassung des historischen Hintergrundes möglich ist.
Gliederung
1. Einleitung
2. Biographie Stefan Zweigs
3. Schachnovelle – eine kurze Inhaltsangabe
4. Textanalyse
4.1 Formelle Textanalyse
4.2 Inhaltliche Interpretation
4.2.1 Das Schachspiel
4.2.2 Das Schiff
4.2.3 Die Figur des Mirco Czentovic
4.2.4 Die Figur des Dr. B
5. Analyse der Schachnovelle unter dem Gattungsaspekt
5.1 Charakteristika einer Novelle als literarische Form
5.1.1 Charakteristika der Novelle nach Johann Wolfgang Goethe
5.1.2 Charakteristika der Novelle nach Ludwig Tieck
5.1.3 Charakteristika der Novelle nach Paul Heyse
5.2 Novellistische Merkmale in Zweigs „Schachnovelle“
5.2.1 Das Dingsymbol
5.2.2 Die „sich ereignete unerhörte Begebenheit“
5.2.3 Der Wendepunkt
6. Ganzheitlicher Interpretationsansatz
Literatur
1. Einleitung
„Zweigs Schachnovelle ist ein Stück Exilliteratur, vielleicht sogar eine literarische Summe dessen, was Exil für die bedeutet, die es erleiden, in all seinen Situationen.“[1]
Stefan Zweigs Schachnovelle wird bei der Interpretation vorwiegend vor dem Hintergrund seiner Biographie betrachtet. Besondere Beachtung findet dieses Werk aber vor allem deshalb, weil sie das Letzte war, was der Autor vor seinem Selbstmord schrieb.
Um eine Vorstellung davon zu geben, wie Schachnovelle vor dem Hintergrund der Lebensgeschichte des Autors verstanden werden kann, gibt Abschnitt zwei dieser Hausarbeit die wichtigsten Daten der Biographie Zweigs wieder.
Abschnitt drei bietet eine kurze Inhaltsangabe, um eine Grundlage für das zu schaffen, was Schwerpunkt dieser Hausarbeit sein soll: die Textanalyse (Abschnitt vier).
Hier geht es nicht nur um die formale Struktur des Textes, sondern auch um eine inhaltliche Interpretation anhand einzelner Motive.
In Abschnitt fünf, geht es um die Betrachtung der Novelle unter dem Aspekt der Gattung. Nach einer kurzen, theoretischen Einführung in die Textform der Novelle, werden die einzelnen Merkmale auf ihre Trefflichkeit im vorliegenden Fall untersucht.
In einem abschließenden, ganzheitlichen Interpretationsansatz (Abschnitt sechs) werde ich die einzelnen Interpretationsbausteine zusammenfügen. Des Weiteren gehe ich noch einmal darauf ein, welche Umstände der Entstehung dieser Novelle zu Grunde lagen, und ob eine Deutung dieser unter Auslassung des historischen Hintergrundes möglich ist.
2. Biographie Stefan Zweigs
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Stefan Zweig wird 1881 in Österreich (Wien), als Sohn jüdischer Eltern geboren. Schon während seiner Studienzeit erscheint sein erster Gedichtband Silberne Saiten. Im Mai 1933 fallen seine bis dahin erschienenen Werke der Bücherverbrennung in Berlin zum Opfer. Die Nationalsozialisten nehmen sowohl an den Stoffen Anstoß die Zweig behandelt, als auch an seiner Herkunft, was sein späteres Schaffen - und sein Leben insgesamt - stark beeinflusst.
So unternimmt er nach einer Durchsuchung seines Hauses durch die österreichische Polizei – ihm wird Waffenschmuggel vorgeworfen – erstmals einen längeren Auslandsaufenthalt in London. Nachdem Zweig 1940 einen britischen Pass erhält, reist er noch im selben Jahr nach Amerika, wo ihm und seiner zweiten Frau ein Dauervisum für Brasilien ausgestellt wird.
Gleichwohl sich Stefan Zweig geographisch möglichst weit vom Kriegsgeschehen des Zweiten Weltkrieges entfernt, verfolgt er die Ereignisse weiter. Schon früh leidet er an Depressionen, nicht zuletzt hervorgerufen durch die Machtlosigkeit, mit der er den Geschehnissen in Europa gegenübersteht. Hierzu finden sich in einigen Quellen Interpretationen, die besagen, seine eigene Flucht aus Österreich habe den Schriftsteller so stark an seiner eigenen Integrität und Stärke zweifeln lassen, dass der sich ausweitende Krieg, mit all seinen Folgen, bei ihm Schuldgefühle und schließlich Depressionen hervorgerufen habe. Es liegt allerdings auch nahe, dass der Kosmopolit Stefan Zweig schlicht seinen Traum von dem einen Europa zerbrechen sieht, welcher für ihn eine Lebenseinstellung darstellt. Dazu ist wichtig zu erwähnen, dass das Europa zu Zweigs Zeit, nicht mit dem heutigen gleich zu setzten ist. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es kaum eine europäische Kooperation in Politik, Wirtschaft und Kultur, wie sie für uns heute selbstverständlich ist. Zweig gehörte zu den Vordenkern seiner Zeit, die sich eben für eine solche Kooperation und Kommunikation unter den Ländern Europas einsetzte. Einem Weltkrieg, wie er in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts von Europa aus entbrannte, konnte allerdings keine Annäherung der Länder standhalten.
Sicher ist, dass Zweig ab 1941 sein Werk Schachnovelle plant, deren Thematik eindeutig mit dem Kriegsgeschehen in Verbindung zu bringen ist.
Der Schachnovelle gedeiht in der Literaturforschung vor allem deshalb immer wieder besondere Aufmerksamkeit an, weil sie das letzte Werk Stefan Zweigs vor dessen Freitod ist. Nachdem dieser im Februar 1942 in einem Zeitungsbericht von der Eroberung Singapurs (britisches Protektorat) durch die Japaner erfährt, tritt er überstürzt die Rückreise von einem Ausflug an, und trifft Vorbereitungen für sein Ableben.
Am 21. Februar 1942 sendet Stefan Zweig, gemeinsam mit seinem Testament, ein Typuskript der Schachnovelle an einen Freund, und nimmt sich zwei Tage später zusammen mit seiner Frau durch Gift das Leben. Neben Die Welt von Gestern, gilt die Schachnovelle heute als das wichtigste Werk des Schriftstellers.
3. Schachnovelle - eine kurze Inhaltsangabe
Die Schachnovelle von Stefan Zweig gibt im Grunde drei Erzählungen wieder. In zwei Handlungssträngen werden die Lebensgeschichten zweier unterschiedlicher, extremer Charaktere dargestellt, welche sich in einem dritten Handlungsstrang – der Rahmenhandlung - begegnen:
Auf einem Passagierschiff, welches von New York nach Rio de Janeiro und Buenos Aires fährt, begegnet der Ich-Erzähler, dessen Name nicht genannt wird, dem Weltschachmeister Mirko Czentovic. Er erinnert sich, die Geschichte dieses außergewöhnlichen Charakters in Auszügen zu kennen. Dieser stammt aus ärmlichen Verhältnissen einer südslawischen Provinzstadt, und wächst nach dem Tode der Eltern bei einem Dorfpfarrer auf. Bemerkenswert an Czentovic ist vor allem, dass er trotz seines Genies auf dem Gebiet des Schachs „im Privatleben außerstande war, in irgendeiner Sprache einen Satz ohne orthographischen Fehler zu schreiben […]“[2], und „seine Unbildung […] auf allen Gebieten gleich universell [war].“[3] Die Person des Mirko Czentovic fasziniert den Erzähler, und er strebt an ihn näher kennen zu lernen.
Bei dem vergeblichen Versuch den Weltschachmeister zu einer Partie zu animieren, macht er die Bekanntschaft eines schottischen Tiefbauingenieurs, McConnor, der bei Ölbohrungen in Kalifornien zu einer Menge Geld gekommen war. Dieser bewegt Czentovic schließlich doch dazu, gegen eine stattliche Gage, eine Simultanpartie gegen eine Gruppe von Männern zu spielen.
Bei dieser Gelegenheit tritt ein weiterer Protagonist in die Handlung ein: Dr. B.. Dieser erscheint recht unvermittelt während einer Schachpartie an der Seite der Amateure, und führt die schon verloren geglaubte Partie gegen Czentovic, auf ein Remis zu.
Als nun der Erzähler den bis dahin unbekannten Dr. B. dazu zu überreden versucht, in einer Zweierpartie Schach gegen Mirko Czentovic anzutreten, lehnt dieser ab und erzählt begründend seine Geschichte:
Als erfolgreicher österreichischer Anwalt gerät Dr. B. im Zweiten Weltkrieg in die Gefangenschaft der Nationalsozialisten. Da man vermutet, er könne noch einige Fakten kennen, die für die Partei von Nutzen sein könnten, hält man ihn in Isolationshaft, in der er über Monate hinweg nicht die geringste Abwechslung oder geistige Herausforderung hat. Von den Nazis ganz bewusst als Mittel der Zermürbung eingesetzt, beginnt die Isolation bereits ihre Wirkung zu zeigen, als es Dr. B. zufällig gelingt, ein Buch zu stehlen. Die anfängliche Enttäuschung über den Inhalt dieses Buches – es handelt sich um ein Fachbuch zum Thema Schach - weicht bald der Faszination für eine Disziplin, die es ihm ermöglicht, der geistigen Abgezehrtheit entgegen zu arbeiten. Von nun an beschäftigt sich der Gefangene intensiv mit diesem Thema, denn es stellt „eine wunderbare Waffe gegen die erdrückende Monotonie des Raumes und der Zeit“[4] dar. Doch diese Form der Abwechslung nimmt bald abnormale Formen an, die den Gefangenen schließlich in den Zustand einer „pathologische[n] Form geistiger Überreizung“[5] versetzt. Nach einem totalen Zusammenbruch wird Dr. B. schließlich aus der Gefangenschaft entlassen.
Dr. B, der befürchtet, mit einer erneuten Partie wieder in einen Zustand verfallen zu können, in dem er nicht mehr Herr seiner Sinne ist, lehnt die Bitte um ein Partie mit dem Meister somit zunächst ab. Auf drängen des Erzählers jedoch, gibt Dr. B. seiner eigenen Faszination für dieses Spiel nach. Nicht so sehr um des Gewinnens willen, sondern um sich selbst und seinen Nervenzustand auf die Probe zu stellen. Er stimmt einer Partie Schach mit Mirko Czentovic zu, welche schließlich auch am nächsten Tag stattfindet. Nachdem es Dr. B. tatsächlich gelingt, den Weltschachmeister Czentovic in Bedrängnis zu bringen, gerät er mehr und mehr in den ihm wohl bekannten Wahn. Dieser holt ihn soweit ein, dass er nicht mehr in der Lage ist, die Partie die vor ihm auf dem Schachbrett erscheint, zu Ende zu spielen. Vor seinem geistigen Auge spielt sich eine Meisterpartie aus dem Schachbuch ab, die er fortzuführen versucht und so erliegt er schließlich seinem Gegner.
[...]
[1] Tuer>
[2] Zweig: Schachnovelle. S. 8
[3] Zweig: Schachnovelle. S. 9
[4] Zweig: Schachnovelle. S. 74
[5] Zweig: Schachnovelle. S. 85
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- Sonja Kolb (Author), 2004, Stefan Zweigs "Schachnovelle". Analyse und Interpretation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30705
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