Welchen Stellenwert hat Homocystein, eine Aminosäure des Methioninmetabolismus, bzw. die Hyperhomocysteinämie bei kardiovaskulären Erkrankungen?
Kaum eine Frage im Zusammenhang mit Hcy wurde so kontrovers diskutiert wie diese. Seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ist die Wissenschaft darum bemüht, Antworten auf die Fragen zu finden: Auf welchen pathobiochemischen Mechanismen die Zytotoxizität des Hcy in den Endothelzellen des kardiovaskulären Systems beruht? Ob die moderate HHcy als ein Risikofaktor oder Prognosefaktor für das Eintreten von kardio- und zerebrovaskulären Ereignissen einzuschätzen ist? Und welchen Nutzen die Reduktion des Hcy-Spiegels, bei moderater HHcy, im Sinne der Primär- bzw. Sekundärprävention gegen kardiovaskuläre Erkrankungen hat?
Begründen lässt sich die fortwährende wissenschaftliche Auseinandersetzung beispielsweise mit den Ergebnissen der norwegischen Hordaland-Homocystein-Studie aus dem Jahre 2006, an der 18000 Menschen teilnahmen, und ein signifikanter Zusammenhang zwischen erhöhten Hcy-Werten und dem Auftreten von Sterblichkeit, insbesondere aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen, aber auch dem Auftreten von Depressionen und Demenz nachgewiesen wurde.
Vor dem Hintergrund der zahlreichen kontroversen Aussagen ist die nun vorliegende Übersichtsarbeit entstanden. Sie basiert auf der Aufarbeitung selektiv recherchierter Literatur. Hierfür wurde die Datenbank Pubmed nach folgenden Schlüsselwörten durchsucht: „homocysteine“, „homocysteine cardiovascular disease“ und „homocysteine cardiovascular disease prevention“. Und stets wurde der Filter ‚Meta-Analysis’ verwendet.
Um dem Anspruch der Aktualität gerecht zu werden, wurde bei der Literaturrecherche in der Datenbank nur Literatur analysiert, die nicht älter als fünf Jahre ist. Des Weiteren wurde nur Literatur mit einbezogen, die sich auf den menschlichen Organismus bezieht.
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Homocystein und Hyperhomocysteinämie
2.1. Methionin
2.1.1. Definition
2.1.2. Chemische Eigenschaften
2.2. Homocystein
2.2.1. Definition
2.2.2. Chemische Eigenschaften
2.3. B-Vitamine und ihre Interaktion
2.4. Homocystein im Zellmetabolismus und die Verknüpfung mit Folat, Pyridoxin und Cobalamin
2.5. Regulation des Hcy-Kreislaufes
2.6. Analytik
2.7. Referenzbereiche
2.8. Ursachen für moderate Hyperhomocysteinämie
2.8.1. Mangel an einem oder mehreren der Vitamine Folat, Pyridoxin und Cobalamin
2.8.2. Nierenfunktionseinschränkung
2.8.3. C677T-Mutation der 5,10-Methylentetrahydrofolatreduktase
2.8.4. Zigarettenrauch
2.8.5. Nebenwirkungen von Pharmaka
2.9. Zytotoxizität
3. Kardiovaskuläre Erkrankungen
3.1. Atherosklerose
3.1.1. Definition
3.1.2. Ätiologie und Pathogenese
3.1.3. Symptome
3.1.4. Progression
3.1.5. Anerkannte Risikofaktoren
3.1.6. Endorganschädigungen der Atherosklerose
3.2. Myokardinfarkt
3.2.1. Definition
3.2.2. Ätiologie und Pathogenese
3.2.3. Klassifikation
3.2.4. Symptome
3.2.5. Anerkannte Risikofaktoren
3.3. Zerebraler Insult
3.3.1. Definition
3.3.2. Ätiologische Einteilung
3.3.3. Pathogenese
3.3.4. Symptome
3.3.5. Anerkannte Risikofaktoren
4. Erläuterung und Diskussion der aktuellen Studienlage
5. Fazit
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
Anhang
Ehrenwörtliche Erklärung
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Homocysteinkonzentration im menschlichen Plasma
Tabelle 2: Einflussfaktoren auf die Homocysteinkonzentration
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Strukturformel Methionin
Abbildung 2: Strukturformel Homocystein
Abbildung 3: Schema des Homocysteinmetabolismus
Abbildung 4: Vereinfachtes Schema des vitaminabhängigen Hcy-Abbaus
Abbildung 5: altersabhängige Entwicklung des Hcy-Spiegels
Abbildung 6: alters- und geschlechtsabhängige Entwicklung des Hcy-Spiegels
Abbildung 7: Enzymdefekte als Ursache für Homocystinurie
Abbildung 8: Atherothrombotischer Effekt der Hyperhomocysteinämie
Abbildung 9: 4 Stadien der Atherogenese
Abbildung 10: häufigsten Todesursachen, Deutschland,
Abbildung 11: mögliche Lokalisation eines Myokardinfarkts
Abbildung 12: mögliche Ursachen für einen zerebralen Insult
1. Einleitung
Welchen Stellenwert hat Homocystein, eine Aminosäure des Methioninmetabolismus, bzw. die Hyperhomocysteinämie bei kardiovaskulären Erkrankungen? Kaum eine Frage im Zusammenhang mit Hcy wurde so kontrovers diskutiert wie diese. Seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ist die Wissenschaft darum bemüht, Antworten auf die Fragen zu finden: Auf welchen pathobiochemischen Mechanismen die Zytotoxizität des Hcy in den Endothelzellen des kardiovaskulären Systems beruht? Ob die moderate HHcy als ein Risikofaktor oder Prognosefaktor für das Eintreten von kardio- und zerebrovaskulären Ereignissen einzuschätzen ist? Und welchen Nutzen die Reduktion des Hcy-Spiegels, bei moderater HHcy, im Sinne der Primär- bzw. Sekundärprävention gegen kardiovaskuläre Erkrankungen hat?1
Begründen lässt sich die fortwährende wissenschaftliche Auseinandersetzung beispielsweise mit den Ergebnissen der norwegischen Hordaland-Homocystein-Studie aus dem Jahre 2006, an der 18000 Menschen teilnahmen, und ein signifikanter Zusammenhang zwischen erhöhten Hcy-Werten und dem Auftreten von Sterblichkeit, insbesondere aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen, aber auch dem Auftreten von Depressionen und Demenz nachgewiesen wurde.2
Vor dem Hintergrund der zahlreichen kontroversen Aussagen ist die nun vorliegende Übersichtsarbeit entstanden. Sie basiert auf der Aufarbeitung selektiv recherchierter Literatur. Hierfür wurde die Datenbank Pubmed nach folgenden Schlüsselwörten durchsucht: „homocysteine“, „homocysteine cardiovascular disease“ und „homocysteine cardiovascular disease prevention“. Und stets wurde der Filter ‚Meta-Analysis’ verwendet. Um dem Anspruch der Aktualität gerecht zu werden, wurde bei der Literaturrecherche in der Datenbank nur Literatur analysiert, die nicht älter als fünf Jahre ist. Des Weiteren wurde nur Literatur mit einbezogen, die sich auf den menschlichen Organismus bezieht. Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut, dass im Kapitel 2 zunächst Homocystein in seiner Gesamtheit besprochen wird, das dritte Kapitel widmet sich den kardiovaskulären Erkrankungen, im vierten Kapitel werden die Literaturrecherche und ihre Ergebnisse erörtert. Das fünfte Kapitel dient dem Fazit.
2. Homocystein und Hyperhomocysteinämie
Zu Beginn der Arbeit wird die Aminosäure Homocystein und die pathologische Veränderung ihres Plasma- oder Serumspiegels detailliert dargestellt. Ferner werden die B-Vitamine, Pyridoxin, Folat und Cobalamin, sowie ihre essenzielle Rolle im Homocysteinmetabolismus beschrieben.
2.1. Methionin
Im Folgenden wird die Aminosäure Methionin, ein wichtiger Bestandteil vieler schwefelhaltiger Proteine, dargestellt.3
2.1.1. Definition
Homocystein ist eine nicht-proteogene, schwefelhaltige α-Aminosäure. Man findet sie also nicht im Mischpool der Aminosäuren, die für die Proteinbiosynthese notwendig sind. Auch gibt es keine DNA-Kodierung für Hcy - Hcy ist ein rein metabolisches Intermediärprodukt des Methioninmetabolismus.
Diese Tatsache begründet, warum es zunächst einer Auseinandersetzung mit Methionin bedarf, bevor detailliert auf Homocystein eingegangen werden kann.
Methionin ist eine essentielle, schwefelhaltige, proteinogene Aminosäure und steht am Beginn des Homocysteinmetabolismus, ferner ist Met die Vorstufe für S- Adenosylmethionin, das wichtigste methylierende Coenzym im Metaboloismus. Met wird in der Nahrung mit tierischem Eiweiß aufgenommen und ist im menschlichen Organismus als Methylgruppendonator für Wachstum und Differenzierung unentbehrlich.4 „Methionin stellt das Homologon von Cystein dar (Homo-cystein), bei dem zusätzlich das Wasserstoffatom der Sulfhydryl(thio)-gruppe durch eine Methylgruppe ersetzt ist (Me(thyl)thionin).“5 Die besondere metabolische Funktion von Met begründet sich durch eben diese Methylgruppe, die nach Aktivierung leicht zu übertragen ist. An Methylgruppen herrscht universeller Bedarf im menschlichen Organismus. Aus diesem Grund metabolisieren quasi alle Zellen im Organismus Methionin.6
„Die beim Methioninabbau freiwerdenden Methylgruppen werden zur Biosynthese zahlreicher Verbindungen verwendet, während die entstehende freie Sulfhydrylgruppe für die Bildung von Cystein gebraucht wird.“7
Des Weiteren hat Methionin auch Bedeutung für den Säure-Base-Haushalt, doch auf diese Zusammenhänge wird im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingegangen. Der Tagesbedarf an Met für einen gesunden Erwachsenen berechnet sich an seinem Körpergewicht: Ca. 13 mg Met pro Kilogramm Körpergewicht sollten mit Hilfe der Nahrungsaufnahme erreicht werden. Ein gesunder Mensch ist in der Lage 12 g Methionin täglich umzusetzen.8
2.1.2. Chemische Eigenschaften
Methionin, oder auch (S)-2-Amino-4-(methylthio)-buttersäure hat die Summenformel C5H11NO2S. Bei Met handelt es sich um einen farblosen Kristall, mit einer relativen Molmasse von 149,21. Es ist mäßig löslich in Wasser und hat seinen Schmelzpunkt bei 280-281°C.9
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Strukturformel Methionin 10
2.2. Homocystein
Nachdem Met, der einzig bekannte Präkusor von Hcy in der menschlichen Nahrung vorgestellt wurde, sollen im Folgenden nun Hcy und seine chemischen Eigenschaften eingehender betrachtet werden.11
2.2.1. Definition
Seine physiologische Bedeutung gewinnt Hcy durch seine zentrale Position zwischen den drei abzweigenden, metabolischen Zyklen: Remethylierung, Transmethylierung und Transsulfierung im Met-Metabolismus.12
Wobei die Transmethylierung die einzige bekannte metabolische Reaktion ist, bei der im menschlichen Körper Homocystein produziert wird. Mittels der Transmethylierung werden täglich ca. 15 bis 20 mml Hcy produziert, wobei hiervon der größte Teil intrazellulär metabolisiert wird.13
tHcy steht für die in vivo vorkommenden Metaboliten von Homocystein, denn im Plasma bzw. Serum liegen mehrere quantitative und qualitativ unterschiedliche Formen vor: Hcy selbst und seine Disulfide mit Hcy (L-Homocystin), Cystein und Proteinen.14 „Im Blutkreislauf zirkuliert nur eine geringe Menge von Hcy in seiner freien Thiolform. Das übrige Hcy kommt hauptsächlich in Form von Disulfidkomplexen vor, in welchen Hcy an - SH-Gruppen von Plasmaproteinen (hauptsächlich Albumin) gebunden ist. Des Weiteren sind gemischte Disulfide (z.B. Hcy mit Cystein) und symmetrische Disulfide (Homocystein=Hcy-Hcy) beschrieben worden. Die Konzentration von nicht- proteingebundenen Hcy-Verbindungen liegt bei etwa 1-2% der Homocysteingesamtkonzentration.“15
Im klinischen Alltag reicht die Bestimmung des Gesamthomocysteins in den meisten Fällen aus, da es die physiologische Situation der Fraktionen untereinander sehr gut wiederspiegelt.16
Auch für die vorliegende Arbeit soll gelten, was in der wissenschaftlichen Literatur Einzug gefunden hat: wenn von Hcy gesprochen wird, dann ist die Rede vom Gesamthomocystein.
2.2.2. Chemische Eigenschaften
Homocystein, oder auch 2-Amino-4-mercaptobuttersäure, hat folgende Summenformel: C4H9NO2S.
Abb.2: Strukturformel Homocystein17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Es handelt sich um ein kleines Molekül mit einer relativen Molmasse von 135,18 und einer geringen Hydrophilie. Hcy ist ein Racemat, der sich als farbloser Kristall darstellt und dessen Schmelzpunkt bei 233°C liegt.18
Aufgrund seiner chemischen Reaktionsfähigkeit kann Hcy bei physioloischem pH-Wert mit sich selber oxidieren (Autooxidation) und dadurch ein Homodimer bilden.19 „Das durch eine kovalente Disulfidbrücke verbundene Produkt heißt dann Homocystin. Metallionen wie Kupfer (Cu), Eisen (Fe) und Cobalt (Co) beschleunigen die Autooxidation vom Homocystein beträchtlich.“20
2.3. B-Vitamine und ihre Interaktion
Die Tatsache, auf welche im weiteren Verlauf der Arbeit noch detailliert eingegangen wird,dass die B-Vitamine Pyridoxin, Cobalamin und Folat essenzielle Kofaktoren desMethionin-Homocystein-Metabolismus sind, begründet die Notwendigkeit einer genauerenBetrachtung dieser drei Vitamine.21
Pyridoxin, Vitamin B6, wird aus der Nahrung aufgenommen und im Körper zu seineraktiven Form dem Coenzym PALP umgewandelt. Als Coenzym dient es einer Vielzahlvon Enzymen des Aminosäurenmetabolismus. Vitamin B6 ist der offizielle Name für alle3-Hydroxy-2-methylpyridin-Derivate mit biologischer Aktivität des Pyridoxins. Die dreiwichtigsten Vitamin-B6-Derivate sind: Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin.22
Zur Aktivierung von Pyridoxin bedarf es eines ausreichenden Zink- und Riboflavinstatus.23 „Vitamin B6 ist zu etwa 60% als PALP, zu 15% als Pyridoxin und zu 14% als Pyridoxal imBlutplasma anzutreffen und größtenteils an Albumin gebunden (Bässler 1989).“24
„Der Gesamtkörperbestand des Menschen an Vitamin B6 ist gering, auf verschiedeneGewebe und Organe hauptsächlich als Pyridoxal-5-phosphat verteilt und beträgt etwa 100mg, wovon durchschnittlich ca. 2 mg/Tag ausgeschieden werden.“25
Die DGE empfiehlt aktuell eine tägliche Vitamin B6-Zufuhr von 1,4-1,6 mg/Tag für Männerund 1,2 mg/Tag für Frauen. Für Schwangere ab dem vierten Monat und Stillende wirdeine Zufuhr von 1,9 mg/Tag empfohlen. Die Zufuhrempfehlungen für Säuglinge undKinder werden im Rahmen dieser Arbeit außer Acht gelassen.26
„Repräsentative Erhebungen zur Vitamin-B6-Aufnahme liegen aus den D.A.CH. –Ländern nicht vor.“27
Der Referenzbereich für Pyridoxin im Serum eines gesunden Erwachsenen liegt bei 5-30 μg/l.28
Das zweite Vitamin, das es zu betrachten gilt, ist Vitamin B9 bzw. Folat bzw. Folsäure. Um jegliche Fehlinterpretationen zu vermeiden, bedarf es einer klaren Unterscheidung zwischen Folat und Folsäure, die beide der Gruppe der B-Vitamine angehören.29
Folat gehört, wie die anderen B-Vitamine, zur Gruppe der hydrophilen Vitamine. Seine Vitaminwirkung erlangt es durch diverse physiologisch aktive Folatverbindungen (= Folate). Diese Verbindungen kommen natürlicherweise in Lebensmitteln vor.30 Die biologisch wirksame Form des Folats wird als Tetrahydrofolsäure, bzw. als 5,6,7,8- Tetrahydro-pteroylglutaminat bezeichnet.31
„Folsäure (Pteroylmonoglutaminsäure oder PteGlu) ist die in der Natur nicht vorkommende und daher voll synthetische Vitaminform. [...] Sie ist die stabilste Form des Vitamins mit der höchsten Oxidationsstufe und wird als Reinsubstanz nahezu quantitativ (> 90%) resorbiert. Bei Anreicherungsmaßnahmen, in Supplementen und in Medikamenten wird es ausschließlich in synthetischer Form verwendet.“32 Folate und Folsäure werden auf unterschiedliche Art und Weise resorbiert und in verschiedene physiologisch aktive Folate umgewandelt. Wobei Folsäure, wie bereits erwähnt, eine höhere Bioverfügbarkeit aufweist als Folat.33 „Mit dem Begriff ‚Folat- Äquivalent’ wird der unterschiedlichen Bioverfügbarkeit der natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommenden Folate und der synthetischen Folsäure aus angereicherten Lebensmitteln oder Folsäurepräparaten Rechnung getragen. Bei Zufuhr auf nüchternen Magen gilt:
1 Mikrogramm Folat- Ä quivalent entspricht 1 Mikrogramm Nahrungsfolat oder 0,5 Mikrogramm Folsäure. “ 34
Die tägliche Zufuhrempfehlung von Folat-Äquivalenten ist alters - und geschlechtsabhängig. Bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 15 Jahren wird eine tägliche Zufuhr von 400 µg Äquivalent empfohlen.35 „ Bei einer mittleren täglichen Zufuhr von ca. 400 µg Folatäquivalenten würden alle folatabhängigen Stoffwechselparameter (z.B. Homocystein) optimiert sein.“36
Schwangere und Stillende haben selbstverständlich einen erhöhten Bedarf.37
Die täglich empfohlene Zufuhrmenge an Folat-Äquivalenten wird in Deutschland von den meisten Erwachsenen nicht erreicht.38 „Laut Nationaler Verzehrstudie (NVS II) liegt die mittlere Zufuhr bei Männern bei 207 µg und bei Frauen bei 184 µg pro Tag. Eine Zufuhr unterhalb des Referenzwertes ist nicht mit einem Mangel gleichzusetzen, sie erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit für eine Unterversorgung.“39
Der Referenzbereich für Folsäure im Serum eines gesunden Erwachsenen liegt bei 3,6- 16,9 ng/ml.40
Folat findet im Amino- und Nukleinsäuren-, sowie im Phospholipidmetabolismus Verwendung. Auch in Form eines Coenzyms ist es an diversen metabolischen Schritten als Donator oder als Akzeptor von C1-Resten beteiligt. Des Weiteren ist Folat als antianämischer Faktor anzusehen.41
Das dritte Vitamin, das ein essenziellen Kofaktor für den Methionin-Homocystein- Metabolismus darstellt, ist Cobalamin, Vitamin B12.
„Als Methylcobalamin (im Zytosol) dient Vitamin B12 als Kofaktor für die Methioninsynthase, determiniert damit die Aktivität dieses Enzyms und folglich auch die Remethylierungsgeschwindigkeit von Homocystein zu Methionin. Gleichzeitig beeinflusst dieser Schritt die weitere Bereitstellung aktiver Folate.“42
Als Cobalamin bezeichnet man mehrere Molekülverbindungen mit einem zentralen Kobaltatom. Diese spielen bei diversen katabolen Reaktionen, wie beispielsweise bei Methylierungen und bestimmten Isomerisierungen, eine entscheidende Rolle. Als die beiden wichtigsten Koenzyme gelten Methylcobalamin und Adenosylcobalamin, die weiteren Verbindungen sind Hydroxycobalamin, Nitritocobalamin, Cyanocobalamin und Aquacobalamin. Doch nur Hydroxycobalamin und Cyanocobalamin finden in der Therapie Verwendung - sie werden im Körper zum aktiven Methylcobalamin und Adenosylcobalamin umgewandelt. Methylcobalamin ist essentiell für verschiedene Schritte der Biosynthese, den Hcy-Metabolismus und die Erythropoese. Wohingegen Adenosylcobalamin ein Coenzym für einen zentralen Schritt des Fett- und Aminosäureabbaus im Citratzyklus ist. Das besondere Merkmal des Cobalamins ist es, dass es nur von Bakterien synthetisiert werden kann. Was wiederum bedeutet, dass nur tierische Lebensmittel als Cobalaminlieferanten in Frage kommen.43 Die tägliche Zufuhrempfehlung beträgt bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 15 Jahren 3,0 µg pro Tag, wobei auch bei Cobalamin gilt, dass für Schwangere und Stillende eine höhere Zufuhr empfohlen wird. Generell zielen die angegebenen Zufuhrempfehlungen aller drei Vitamine darauf ab, die Speicher der Vitamine aufzufüllen und die Närhstoffdichte zu erhalten.44
„Vitamin B12 wird aufgrund der in Mitteleuropa üblichen Ernährungsgewohnheiten in der Regel in bedarfsüberschreitenden Mengen aufgenommen. In der Bundesrepublik tragen Fleisch und Wurstwaren mit ca. 50% ganz wesentlich zur Bedarfsdeckung bei, gefolgt von Milch und Milchprodukten, wodurch weitere 30% des Bedarfs zugeführt werden (BVS II, 2003). Auch durch Bier (Hefe), das hauptsächlich von Männern in ernährungsphysiologisch unerwünscht hohen Mengen aufgenommen wird, erfolgt ein 10%iger Beitrag an der gesamten Vitamin-B12-Aufnahme. Auch der Ernährungsbericht 2004 zeigt für alle Altersgruppen eine bedarfsüberschreitende Zufuhr (DGE 2004).“45
Nichtsdestotrotz muss darauf hingewiesen werden, dass es auch für Vitamin B12-Mangel eine Risikogruppe gibt, nämlich ältere Menschen, bei denen es zu einer unzureichenden Resorption durch altersbedingte Verminderung der Magensäuresekretion bzw. einer geringeren pH-Erhöhung oder einem Mangel am Intrinsic-Faktor kommen kann. Es wird davon ausgegangen, dass 30-40% der älteren Menschen davon betroffen sind.46 Der Referenzbereich für Cobalamin im Serum eines gesunden Erwachsenen liegt bei 200-600 pg/ml.47
Insgesamt betrachtet lassen sich also folgende Risikogruppen für Vitamindefizite mit klinischer Relevanz zusammenfassen: Menschen mit einseitigen Ernährungsgewohnheiten, Vegetarier, Veganer, ältere Menschen, Patienten mit Nierenerkrankungen, oder Malabsorption (z.B. aufgrund entzündlicher Darmerkrankungen) und Tumorpatienten.48
2.4. Homocystein im Zellmetabolismus und die Verknüpfung mit Folat, Pyridoxin und Cobalamin
Wie bereits einleitend erwähnt, handelt es sich bei Hcy um ein rein metabolisches Zwischenprodukt, welches entweder zu Cystathionin oder Methionin katabolisiert wird.49 Zwischen den drei metabolischen Zyklen – Remethylierung, Transmethylierung und Transsulfurierung – des Methioninmetabolismus hat Hcy seine zentrale physiologische Position.50
Methionin wird in Gegenwart von ATP zu SAM umgewandelt, wobei die Remethylierungsrate von der diätetischen Methioninzufuhr abhängig ist.51 „Durch die Abgabe seiner Methylgruppe entsteht aus SAM das SAH, das wiederum zu Homocystein hydrolysiert werden kann.“ 52
Die für den Abbau von Hcy zu Methionin notwendigen Katalysatoren sind das Enzym Methioninsynthase und dessen Kofaktor Methylcobalamin. Durch die Übertragung einer Methylgruppe von 5-MTHF auf die MS, kann diese die Methylgruppe wiederum an Homocystein abgeben.53
„Der Homocysteinabbau über den Transsulfurierungsweg, wird durch das Enzym Cystathionin-beta-Synthtase (CBS) katalysiert, welches Vitamin B6 (Pyridoxal-5-Phospat) als Kofaktor benötigt. Dabei entsteht zunächst Cystathionin, das durch Cystathionas, einem weiteren Vitamin B6-abhängigen Enzym, zu Cystein und alpha-Ketobutyrate abgebaut wird. Cystein kann anschließend zu Glutathion, einem der wichtigsten Antioxidatien im menschlichen Organismus, transformiert werden.“54 Der Abbauweg der Transsulfurierung ist, im Gegensatz zur Remethylierung irreversibel.55
Hcy und 5-MTHF spielen ähnlich wichtige Rollen im C1-Kreislauf: Sie beide sind Substrate für die Produktion von Tetrahydrofolat und Methionin. Bei THF handelt es sich um ein Folatderivat, das als dessen aktive Form als ein wichtiger Kohlenstoffdonator fungiert. Es findet in der Synthese von Purinen, bei der DNA-Synthese, Verwendung. In der Situation eines akuten Methioninüberschusses, also nach der Einnahme einer Mahlzeit, wird die Transsulfurierung als Abbauweg bevorzugt. Doch im nüchternen Zustand, also im Falle eines relativen zellulären Mangels an Methionin, liegt der Abbau- Schwerpunkt auf der Remethylierung von Hcy zu Met.56 „Die Integrität des Hcy-Kreislaufs hängt von der Verfügbarkeit von Vitamin B12, B6 und Folat, sowie anderen wichtigen Schlüssel-Enzymen ab.“57
Abb.3: Schema des Homocysteinmetabolismus
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten 58
2.5. Regulation des Hcy-Kreislaufes
Der Hcy-Kreislauf ist unter normalen physiologischen Bedingungen streng reguliert und, wie bereits vorangehend erwähnt, hängt seine Integrität von der Verfügbarkeit der Vitamine B12, B6 und B9 ab. SAM kann seinerseits die Transsulfurierung fördern und die Remethylierung hemmen. Sind jedoch Folate in Form von 5-MTHF vorhanden, wird die Produktion von SAM aktiviert.59 „SAM kann seinerseits die Bildung von 5-MTHF aus 5,10- Methylenetetrahydrofolat hemmen, indem es das Enzym MTHFR inhibiert. Im Gegensatz zum Folatmangel geht der Cobalaminmangel nur mit einer leichten Erhöhung von Homocystein einher, da die Wirkung von SAM bei der Aktivierung der Transsulfurierung nicht vom Cobalaminmangel beeinflusst wird.“60
Die beiden Schritte der Transsulfierung, welche von der CBS und von der γ-Cystathionase katalysiert werden, sind ihrerseits abhängig von Pyridoxin. Diese Tatsachen legen den Rückschluss nahe, dass ein Mangel an einem oder mehreren dieser drei Vitamine keinerlei Einfluss auf die Hcy-Entstehung, sondern nur auf den Abbau hat - im Sinne einer Verminderung. Die Konsequenz aus diesem verminderten Abbau ist ein Anstau des Homocysteins.61
[...]
1 Stanger, 2004, S. 19ff.
2 Refsum, Nurk, Smith,Ueland, Gjesdal, Bjelland, Tverdal, Tell, Nygard, Vollset, 2006,
2 Refsum, Nurk, Smith,Ueland, Gjesdal, Bjelland, Tverdal, Tell, Nygard, Vollset, 2006, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16702348, 12.12.2014.
3 http://flexikon.doccheck.com/de/Methionin, 12.12.2014.
4 Dietl, Gesche, 2000, S. 89, Stanger, 2004, S. 55, 63, Löffler (Hrsg.), Petrides (Hrsg.), Heinrich (Hrsg), 2008, S. 462 und http://flexikon.doccheck.com/de/Methionin, 08.08.2014, http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 08.08.2014 und http://www.homocysteine- panel.org/website_en/pdfdocs/blutbild11.pdf, 10.08.2014.
5 Stanger, 2004, S. 56.
6 Stanger, 2004, S. 56.
7 Stanger, 2004, S. 56.
8 Stanger, 2004, S. 56-57.
9 Knapp, 2004, S. 2.
10 Abb.: http://www.chemgapedia.de/vsengine/media/vsc/de/ch/4/cm/aminosaeuren/bilder/met2.gif, 05.12.2014.
11 http://homocysteine-panel.org/website/details.php, 12.12.2014.
12 Dietl, Gesche, 2000, S.89, Stanger, 2004, S. 63 und http://flexikon.doccheck.com/de/Homocystein, 08.08.2014, http://www.homocysteine- panel.org/website/homocystein.php, 08.08.2014 und http://www.homocysteine- panel.org/website/details.php, 08.08.2014.
13 Dietl, Gesche, 2000, S. 89, Stanger, 2004, S. 63 und http://flexikon.doccheck.com/de/Methionin, 08.08.2014, http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 08.08.2014 und http://www.homocysteine-panel.org/website_en/pdfdocs/blutbild11.pdf, 10.08.2014.
14 Hotoleanu, 2013, S. 6, Mayer, 2009, S. 2 und Stanger, 2004, S. 149 .
15 http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 08.08.2014.
16 Stanger, 2004, S. 150.
17 Abb.: http://www.chemgapedia.de/vsengine/media/ width/97/height/139/vsc/de/ch/16/schulmaterial/multimedia/as/l_homocystein.svg.jpg, 05.12.2014.
18 Mayer, 2009, S. 2.
19 Stanger, 2004, S. 151.
20 Stanger, 2004, S. 151.
21 McGregor, Vollbracht, 2007, S. 29.
22 Golly, Loew, Pietrzik, 2008, S. 70 und Burgerstein, Schurgast, Zimmermann, 2012, S. 175.
23 Burgerstein, Schurgast, Zimmermann, 2012, S. 175.
24 Golly, Loew, Pietrzik, 2008, S. 72.
25 Golly, Loew, Pietrzik, 2008, S. 72.
26 Golly, Loew, Pietrzik, 2008, S. 79 und http://www.dge.de/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=4&page=7, 05.08.2014.
27 Stanger, Herrmann, Pietrzik, Fowler, Geisel, Dierkes, Weger, 2003, S. 193.
28 Dormann, Heer, Isermann, 2014, S. 129.
29 https://dsg.uni-paderborn.de/fileadmin/evb/materialien/07_03_DGE-Folat.pdf, 05.08.2014.
30 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.), 2013, S. 3.
31 Golly, Loew, Pietrzik, 2008, S. 585.
32 Golly, Loew, Pietrzik, 2008, S. 84.
33 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.), 2013, S. 3.
34 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.), 2013, S. 3.
35 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.), 2013, S. 3 und Pietrzik, Golly, Loew, 2008, S. 97.
36 Stanger, Herrmann, Pietrzik, et al., 2003, S. 193.
37 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.), 2013, S. 3 und Pietrzik, Golly, Loew, 2008, S. 97.
38 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.), 2013, S. 6.
39 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.), 2013, S. 6.
40 Dormann, Heer, Isermann, 2014, S. 55.
41 Heseker, 2007, S. 17.
42 Stanger, 2004, S. 113.
43 Burgerstein, Schurgast, Zimmermann, 2012, S. 182, Stanger, 2004, S. 112 und http://www2.chemie.uni-erlangen.de/projects/vsc/chemie-mediziner-neu/komplexe/cobalamin.html, 20.10.2014.
44 Golly, Loew, Pietrzik, 2008, S. 136.
45 Golly, Loew, Pietrzik, 2008, S. 139.
46 Stanger, Herrmann, Pietrzik, et al., 2003, S. 193.
47 Dormann, Heer, Isermann, 2014, S. 129.
48 Herrmann, Obeid, 2011, S. 66.
49 Dietl, Gesche, 2000, S.89, Till, 2008, S. 10, http://www.homocysteinepanel. org/website_en/pdfdocs/blutbild11.pdf, 13.08.2014 und Blom, Smulders, 2011.
50 http://www.homocysteine-panel.org/website/homocystein.php, 13.08.2014 und http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 13.08.2014.
51 http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 13.08.2014 und http://www.homocysteine-panel.org/website/homocystein.php, 13.08.2014.
52 http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 13.08.2014.
53 http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 13.08.2014.
54 http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 13.08.2014.
55 Stanger, 2004, S. 63.
56 http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 13.08.2014 und http://flexikon.doccheck.com/de/Tetrahydrofols%C3%A4ure, 17.08.2014.
57 http://www.homocysteine-panel.org/weDbsite/details.php,13.08.2014.
58 Abb.: http://www.kup.at/kup/images/thumbs/154.jpg, 06.12.2014.
59 http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 13.08.2014.
60 http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 13.08.2014.
61 Till, 2008, S. 11 und http://www.homocysteine-panel.org/website/details.php, 13.08.2014.
- Citar trabajo
- Noëlle Grzanna (Autor), 2014, Der Stellenwert von Homocystein bei kardiovaskulären Erkrankungen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307007
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