Links- und Rechtsterror in Deutschland. Eine Nebenwirkung der ungenügenden Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit

Von der RAF bis zum NSU


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2012

27 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltverzeichnis

Einleitung

I/Die Rekruten des Terrors: Unterschiedliche Gewaltsubkulturen?
1/Von den Protestbewegungen zum linken Terrorismus
2/Die rechte Subkultur in Deutschland seit 1970

II/Ideologie des Terrors und Bürgerkrieg
1/Die RAF als Teil des marxistischen Internationalismus?
2/ Der NSU und die Wiedergeburt des Nationalsozialismus

III/Vom politischen Charakter des deutschen Terrors
1/Politischer Terror der RAF?
2/ Den Neonazismus als soziale Bewegung betrachten?

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Terrorismus, Extremismus, Marxismus, Nationalsozialismus und Neonazismus: Das 20. Jahrhundert ist das Zeitalter der -ismen, die lauter Begriffe sind, die sich nicht ohne weiteres erklären lassen, unter jenen es sich so viel versteckt, dass man glaubt, sein Latein zu verlieren, wenn es versuchtwird, eine so möglich wie es sein mag genaue Definition jener Begriffe zu finden. Übrigens lässt sich feststellen, dass auf diese Begriffe nicht immer auf die gleiche Weise eingegangen wird, je nach dem wer darauf eingeht. Es gilt etwa für den Begriff Terrorismus: Bildeten die Anhänger der französischen Résistance eine banale Räuberbande, wie dereinst die Nazis sie bezeichneten? Oder waren diese angeblichen Terroristen Helden? Sie haben aber unter den Soldaten des „Dritten Reiches“ die Angst, den Terror einfließen lassen, genau wie andere als Terroristen anerkannten Kämpfer gemacht hätten. Menschen, die ihr Leben für unsere Heimat bereit zu opfern waren, mit schlechthin verwirrten Gewaltsüchtigen zu vergleichen, mag vielleicht unpassend sein, aber immerhin ist die Frage ob Terrorist oder Rebell, wie die Frage ob gut oder böse, nur eine Frage, darauf es sich unterschiedlich antworten lässt, je nach der Seite, an der man anhängt. Ich will mich in dieser Arbeit nicht auf einen modernenManichäismus berufen, der trotz seiner Einfachheit wissenschaftlich gesehen zu gefährlich ist, noch weniger will ich Menschen urteilen, sondern hier wird das Thema des Terrorismus so neutral als möglich behandelt, ein Thema, das weiterhin besondere Einschränkungen erfordert, damit wir nicht in die Falle von zwielichtigen Stellungnahmen stecken. Dahingehend sind mehrere Definitionen für den Begriff „Terrorismus“ im Bereich der Politikwissenschaft vorhanden. Für den Politikwissenschaftler Bernhard Rabert ist der Terrorismus „ die zumindest vordergründig ideologisch motivierte Gewaltanwendung einer kleinen Gruppe, die nicht über die Kraft verfügt, die etablierte Macht mit konventionellen Mitteln anzugreifen.“[1] Ausgehend davon ist zu fragen, ob sich diese Definition auf einen vorgeblichen Terrorismus in Deutschland anwenden lässt. Mit diesem Thema wird sich diese Arbeit befassen, jedoch geht es dabei nicht darum, zu analysieren, ob die in dieser Arbeit betroffenen Bewegungen, die nach dem Blut des deutschen Volkes riechen, wahre terroristische Gruppen waren. Hier werden sie als terroristischbetrachtet, weil sie dermaßen von der deutschen Justiz verurteilt wurden. Vielmehr geht es hier darum, zu erklären, wie diese Gruppierungen terroristisch waren. Der Auffassung Raberts nach ist dieser Terrorismus „ ideologisch motiviert “. Es lässt sich hier daher fragen, weshalb damals „gekämpft“ wurde.

Ich bin der Meinung, es wäre zu einfach ohne weiteres zu behaupten, dass Terroristen eben nur Terroristen sind, ohne zu versuchen zu wissen, worum es eigentlich dabei geht. Was unterscheideteigentlich den als politisch linksorientiert angesehenen Terrorismus vom rechtextremen Terror? Gibt es eben einen Unterschied zwischen diesen beiden Terrorismen? Und wenn ja, worin besteht er denn? Und vor allem in so einem besonderen Land wie Deutschland, in dem diese terroristischen Bewegungen schlechterdings aus den Ruinen des zertrümmerten „Dritten Reiches“ entstanden, in dem die Aufarbeitung einer schweren Vergangenheit dadurch noch erschwert wurde, dass das Land geteiltwurde. Erstens soll also erklärt werden, wer an diesen Bewegungen beteiligt war. Wer waren diese Rekruten des Terrors? Welche Linken waren sie? Wer ist „rechtextrem“? Infolgedessen ist zweitens zu fragen, welche politischen Stellungnahmendiese terroristischen Gruppen zu verteidigen beansprucht haben. Drittens und ausgehend davon wird erörtert, inwieweit sie politische Bewegungen sind. Wir werden folglich uns mit diesen Fragen beschäftigen anhand zwei Beispiele von als terroristisch verurteilten Bewegungen: der Roten Armee Fraktion und des rechtextremen National-Sozialistischen Untergrundes. Durch den Vergleich dieser beiden terroristischen Gruppen, die musterhaft für die Durchführung unserer hiesigen Forschung sind, werden wir also in dieser Arbeit feststellen, inwieweit sie unterschiedlich oder ähnlich sind.

I/Die Rekruten des Terrors: Unterschiedliche Gewaltsubkulturen?

1/Von den Protestbewegungen zum linken Terrorismus

Am 20. Juni 2011 wurde Birgit Hogefeld, das letzte, noch lebende verurteilte Mitglied der Roten Armee Fraktion nach 18 Jahren Haft entlassen[2]. Dies Ereignis erinnerte die Öffentlichkeit an die schwarzen Jahre der 70er Jahre, an den sogenannten 1977 „Deutschen Herbst“[3], und es sind gar keine schönen Erinnerungen. Birgit Hogefeld ist die letzte Vertreterin einer terroristischen Vereinigung, die zwischen 1970 und 1998 die BRD terrorisiert hat, die für mehr als 34 Morde, mehrere Entführungen,sowie Sprengstoffattentate verantwortlich ist, an der bis zu 80 Menschen beteiligt waren. Die der RAF vorgeworfenen Missetaten sind eigentlich typisch für eine terroristische Gruppierung: Geld muss durch Banküberfälle oder Entführung beschafft, um mehr Sprengstoffe zu kaufen und mehr Rekruten anzuziehen. Morde und Sprengstoffattentate machen die Gruppe bekannt und lenken die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, was die Terroristen wollen, um den Terror durchführen zu können.

Mit der Freilassung Hogefelds sollte die Seite „RAF“ endlich geschlossen werden. Widrigenfalls war sie der Anlass für die Justiz, das Kapitel wieder zu eröffnen. Und auch für das deutsche Volk, das dies weitere blutige Vergangenheitsstück noch aufzuarbeiten hat. Nur 30 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reiches, nach dem Ende eines unmenschlichen Gewaltsystems sorgten nun die die kommunistisch orientierten Feinde der Nazis für ein gewaltvolles Klima, das das politische Leben jahrelang vergiften wird.

La RAF est l’un de ces nombreux groupes armés dits « d’extrême gauche à vocation révolutionnaire », surgis de l’effervescence de la fin des années soixante.“[4] Aber was für eine Aufregung ? Eigentlich nimmt die Wut der Jugend am Ende der 60er Jahre zu. Wie in Frankreich (Protest gegen das Patriarchat von de Gaulle) und aus den USA kommend (Protest gegen den Vietnamkrieg)weht ein revolutionärer Wind über Deutschland und um 1968 explodierte die Lage. Nach dem Wiederaufbau und Erhards Wirtschaftswunder beginnt um 1966 die deutsche Wirtschaft in Rezession zu gelangen und die Grenzen eines wundervollen Wachstumes schienen erreicht zu werden, was dem Volk schlecht auffiel. Die Studenten selbst waren von dieser Rezession nicht direkt betroffen, jedoch war sie der gute Anlass für manche systemkritischen Universitären die rote Flagge zu hängen, an der Renaissance des Marxismus teilzunehmen[5] und frei zu protestieren. Das Besondere an der deutschen, studentischen Protestbewegungen besteht allerdings darin, dass die Jugendlichen sich mit Problemen betreffs der Vergangenheit der vorigen Generation auseinandersetzen. In den Augen jener Jugendlichen haben ihre Eltern mit dem Dritten Reich nicht Schluss gemacht, vielmehr haben sie versucht, diese Vergangenheit in Vergessenheit geraten zu lassen. Die deutsche Protestbewegung besteht also nicht nur in einem Aufstand gegen altertümliche Sitten oder gegen die bürgerliche Moral, wie in Frankreich mit der sexuellen Befreiung, sondern sie stellt auch die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit in Frage.

Unter diesen Protestbewegungen wird daher der marxistische „Faschismusvorwurf“[6] wieder übernommen. 1968 schrieb Rudi Dutschke, einer der Anführer der Studentenbewegung: „ Le fascisme actuel ne s’incarne plus dans un parti ou une personne ; il plonge ses racines dans la vie quotidienne […] il est intégré au système des institutions existant[7] Den Vätern wird dadurch vorgeworfen, an dem Dritten Reich Anteil gehabt zu haben, und nach 1945 weiter gelebt zu haben, als wäre vorher gar nichts passiert. Verraten fühlen sich die Studenten und wenden sich an die linke Szene, an den Marxismus und an die Revolte.

Les mouvements étudiants […] marquaient une réapparition de la violence révolutionnaire dans les pays industriellement développés[8] Diese Protestbewegungen gelten folglich als Hintergrund für die Entstehung terroristischer Gruppen wie der RAF. Jedoch scheitert die studentische Revolte und zwar in einem Blutbad. Am 2. Juni 1967 fällt Benno Ohnesorg, ein protestierender Student,erschossen vom West-Berliner Polizisten Karl-Heinz Kurras. Am 11. April 1968 versucht ein Rechtsextremer Rudi Dutschketotzuschlagen. Diese zwei blutigen Ereignisse werden die linke Szene stark beeinflussen, und sie zur Radikalisierung und dann zum Terrorismus führen. Am 3. April 1968 begehen Andreas Baader, Gudrun Esslin und zwei andere marxistisch orientierte, Intellektuelle ihre erste terroristische Tat und werden am folgenden Tag festgenommen. Es ist der Ausgangpunkt eines Krieges zwischen Terroristen und dem Staate, der sich während mehr als 20 Jahre erstrecken wird.

Die Herkunft des deutschen Linksterrorismus aus der zerfallenden Studentenbewegung ist unbestritten[9] Jedoch waren nicht alle Mitglieder der RAF enttäuschte Studenten. Baader wurde schon 1943 geboren, Ulrike Meinhof 1934, Horst Mahler 1936 aber Leute wie Birgit Hogefeld erst 1956. Es sind daher mehrere Phasen in der Entwicklung der RAF zu betrachten. Anfänglich wurde eine kleine Bewegung von Menschen wie Baader, Meinhof oder Mahler, die an den Sturz des Dritten Reiches ihre Kindheit oder ihre Geburt anknüpfen, gebildet, und die als Intellektuelle die RAF gründen werden. Die anderen Mitglieder sind Nachgeborenen wie Hogefeld, die sich meistens der Studentenbewegung angeschlossen haben, und die sichdurch die Protestbewegung politisiert und radikalisiert haben. Die Aktivitätszeit der RAF war relativ kurz und drei Generationen von Mitgliedern lassen sich betrachten: Die erste Generation zwischen 1970 und 1972, die Baader-Meinhof-Gruppe, mit der informellen Gründung (eine formelle gab es nie) der RAF anlässlich der Baader-Operation (die blutige Befreiung Baaders durch Meinhof und Mahler); die zweite Generation zwischen 1975 und 1977 mit dem „Deutschen Herbst“ als Höhepunkt; und die dritte Generation bis zur Auflösung der Gruppe im Jahre 1998.[10]

Die Mitglieder der zweiten und dritten Generation sind im Gegensatz zu denen der ersten Generation meistens keine Intellektuellen. Sie gehören vielmehr dem Untergrund an, sind von der Gegenkultur beeinflusst und ihr soziales Niveau ist ganz niedriger als das der Mitglieder der ersten Generation wie Mahler, der Anwalt war.[11]

Dieser Horst Mahler ist eine besondere Gestalt, dieals Mitglied der RAF mit dem Terrorismus angefangen hat, und mit dem Neonazismus seine Karriere endgültig besudelthat, vertritt anlässlich einem Gespräch mit Gerhart Baum, von 1972 bis 1978 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, die Meinung, dass die Radikalisierung der linken Szene der 60er und 70er Jahre nicht nur als Folge der Niederschlagung der Studentenbewegung zu betrachten ist, also nicht nur als eine Radikalisierung, die eine Folge einer Enttäuschung wäre, und die von Menschen wie Marcuse und ihren Lehren verstärkt wird[12], sondern auch als Bruchmit dem Volke.[13] Ihm zufolge hat nicht nur die Vertretung des Volkes versagt, sondern auch das Volk selber und, dass Menschen den Terror unter diesem Volk haben verbreiten wollen, ist nicht nur als Kampf gegen den Staat (darauf gehen wir auch später ein) zu betrachten, sondern auch als Kampf gegen das eigene Volk, als Ablehnung der Gesellschaft, weil sie sich zu tief faschisiert hätte. Bei Rudi Dutschke soll diese vorgeblich faschistische Masse ihre Vergangenheit bewältigen, aber bei Mahler geht es darum, das Volk mit Gewalt zu beeinflussen. Daran liegt der ganze terroristische Charakter der RAF: Die Gewalt mangels genügender normalerer Kräfte zu nutzen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Die Natur dieser Ziele wird erst im 2. Teile dieser Arbeit erörtert, aber was schon hier darüber gesagt wurde, spiegelt wider, was eigentlich diese Mitglieder des Terrors sind: Sie sind abgegrenzte und sich weiter abgrenzende Menschen, die der Gesellschaft nicht völlig beigetreten sind. Der Politologe Peter von Kielmansegg schreibt dazu: „ Es gibt in der Bundesrepublik so etwas wie einen intellektuellen Kult der Nichtintegration[14]

Diese Terroristen, die aus dem marxistischen Milieu und dem Untergrund stammen, haben allerdings nicht nur ein Problem mit der Gesellschaft, sondern auch mit der Realität dieser Gesellschaft. Sie lehnen sie nicht nur politisch ab, sondern auch weil sie eben eine Gesellschaft ist, und verlieren dadurch alle Kontakte mit dieser Gesellschaft, sodass sie diese Gesellschaft als Feind betrachten. Dies Phänomen wird sogar dadurch erschwert, dass sie ihren Platz in dieser Gesellschaft nicht finden, sie fühlen sich selbst als Fremdlinge, verloren in einer Welt, die ihnen nicht gehört.[15] Als irrational und dissozial sind die Linksterroristen zu kennzeichnen.

2/Die rechte Subkultur in Deutschland seit 1970

Am 8. Mai 1945 trat die bedingungslose Kapitulation der Wehrmachtin Kraft. Es war so weit, das Deutsche Reich war besiegt. Diese Niederlage wurde dennoch vom deutschen Volke anerkannt, nicht wie 1918 wurde sie als Folge eines Hochverrats, eines Dolchstoßes im Rücken betrachtet, sondern als endgültiges Ende des Krieges, das Ende einer kleinen, nationalsozialistischen Welt, die der Propaganda wegen an den Sieg bis zum bitteren Ende geglaubt hatte. Aus den Trümmern des Reiches musste ein neues Deutschland wiederaufgebaut werden, in dem es keinen Platz mehr für den Extremismus geben durfte. Jedoch war der Rechtextremismus immer anwesend, und anlässlich der ersten Bundestagwahl gewann eine rechtextremistische Partei, die Deutsche Reichspartei, 17 Sitze. Was für eine Bescherung! Deutschland geriet wegen der Nazis in eine entsetzlich demütigende Lage, und diese Nazis werden abermals vom Volke gewählt. Nach 1945 war also der Nationalsozialismus nicht tot und heute noch wuchert er weltweit.[16]

Nach dem Krieg verbreitete sich die nationalsozialistische Ideologie unter den Jugendlichen und den Subkulturkreisen, die nicht linksorientiert waren. Trotz der Entnazifizierung, trotz der ständigen Exposition der Verbrechen der Nazis und gewiss dank dieser fortwährenden Wiedermahnung an jene Verbrechen bleibt das Bild des Nationalsozialismus für manche Jugendlichen und Erwachsenen etwas wie das Bild einer verlorenen Welt, die diese Nazibegeisterten gerne wiederholen würden. Ein Bild, das manche Seelen zum Terrorismus geführt hat.

Am 8.11.2012 wurde eine Anklage von der Bundesanwaltschaft gegen Beate Zschäpe erhebt[17], ein Mitglied des vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtextremistisch eingestuften „National-Sozialistischen Untergrundes“. der sogenannten „Zwickauer Zelle“[18], auf die wir im zweiten Teile genauer eingehen werden. Die „Neonazis“, d.h. die neuen Nationalsozialisten, die nicht das Dritte Reich direkt gekannt haben, die aberaufseiten des Hitlerismus sich einsetzen, sind wie die Kommunisten auch bereit die Waffen zu nehmen, um die Herrschaft der Gewalt wieder durchzusetzen. Sie versammeln sich in „Kameradschaften“, in „Wehrsportgruppen“, die lauter paramilitärische Vereinigungen sind, die Namen wie „SS-Jagdeinheit“ tragen.[19]

Es gibt mehrere Gründe, die diese Begeisterung für den Nationalsozialismus erklären kann. Der Politikwissenschaftler Iring Fetscher fragt sich über dies Thema folglich: „ Haben wir unseren Kindern sinnvolles vorgeführt und ihnen einen Weg zu befriedigender, lebenserfüllender Tätigkeit gewiesen? Haben wir uns nicht nach 1945, froh, „noch einmal davon gekommen zu sein“, allzu bequem in der „Wohlstandgesellschaft“ eingerichtet? Sind wir nicht allzu selbstzufrieden gewesen?[20] Fetscher liegt den Finger auf das gleiche Problem, das die Studentenbewegung zur Empörung brachte: die ungenügende Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit, die die Entstehung weiterer naziorientierterVereinigungen ermöglicht.

Man liebt das, womit man sich identifizieren kann[21] sagt Gerhart Baum in Bezug auf die linke Szene. Dies gilt aber auch für die rechte Subkultur. Vor allem ist diese Subkultur von Jugendlichen vertreten, die im Gegensatz zu denen der linken Szene weitgehend keine Intellektuellen sind. Beim Bestrafen von rechtextremen Straftätern wird häufig herausgestellt, dass jene aus armem Milieu kommen, dassie eine gute Ausbildung nichtgenossen haben, und das ihnennicht einfach war, sich in die Gesellschaft integrieren zu können, wenn überhaupt. Vielmehr fühlen sich diese Jugendlichen vom System unterdrückt. Sich einer rechtextremen Gruppe anzuschließen, ist nichtsdestoweniger als eine „ falsch verstandene Emanzipation[22] zu betrachten. Wie bei der linken Szene versuchen die Jugendlichen, sich eine Welt zu erwählen, in der sie glauben, sich vollständig entfalten zu können. Soziologisch betrachtet führt diese Entscheidung diese Jugendlichen zu einem Weg, auf dem die Entfaltung nicht zu finden ist, und meistens bleiben sie frustriert, obwohl diese rechte Szene sich nicht in gemeinsamen Interessen für eine bestimmte Musik (etwa Punk Rock oder Black Metal) oder für Kleidungen (etwa Lionsdale) erschöpft, obwohl diese Versammlungen von Frustrierten ihnen die Möglichkeit schenkt, ihre innere Gewalt „in Frieden“ auszudrücken. Im Gegenteilerzeugt diese Frustration eine Gewalt, die nach echten Opfern sucht. Der Soziologe Uwe Markus hält diese Gewalt für ein „ Ventil für Langeweile, den Abbau von Alltagsfrustrationen und für ungenutzte triebhafte Energien[23] Im zweiten Teile wird auf die politische Seite dieser Gewalt eingegangen, zunächst konzentrieren wir uns auf die soziologische Seite.Trotz ihrer Neigung zum Nationalsozialismus sind diese Jugendlichen gar keine Vergangenheitssüchtigen, sondern sie sind ganz modern. Sie versuchen nicht, alte Sitten zu verteidigen, sondern wollen in einer „modernen“ Welt leben, in der sie versuchen, ihren Platz zu finden. In diesem Sinn sind die Neonazis keine Patrioten, sie binden sich nicht gefühlsmäßig an das deutsche Vaterland, sondern sie bewundern den Nationalsozialismus, weil er revolutionär war, weil er voll Gewalt war. Diese Jugendlichen leben in einer Welt, die ihnen nicht passen, und sie wollen diese Welt verändern, was auch immer es kosten mag, etwa Tod und Selbstzerstörung. Nicht nur für die SS sind sie begeistert, aber auch für ein zeitgenössisches Vorbild von Stärke und „Gewalt“: etwa die Polizei. Sie wird als Feind anerkannt, weil sie das System, das verändert werden muss, unterstützt, aber ihr wird viel Ansehen geschenkt[24]. Jener, der festgenommen wurde, der „polizeierfahren“ ist, wird von seinesgleichen als einen kleinen Helden betrachtet. Der Staat verfügt ihrer Meinung nach über eine zivile Armee, die als Feind den Neonazisentgegenkommt. „ Aggressiv sind immer die anderen, und bewaffnen muß man sich nur deshalb, weil die anderen das zuerst tun.“[25] Diese Jugendlichen glauben mithin, das Feuer mit dem Feuer bekämpfen zu können.

Es wird also klar festgestellt, dass diese Jugendlichen wie die der linken Szene sich eine kleine Welt von „Blood and Honor“ schaffen, und mit der Realität nicht mehr verbunden sind. Sie fliehen vor dieser Realität, sodass sie auch als irrational und dissozial erscheinen, zumal das Milieu, in dem sie leben, gar nicht günstig, voll Armut und soziale Verzweiflung ist, ein Milieu, das zum abweichenden Verhalten führt.[26]

Heute wird häufig den Ostdeutschen von den Westdeutschen vorgeworfen, rechtextremer zu sein. In Spießer, einer Jugendzeitschrift, erklärt ein junger „Ossi“, dass ihm von einem westdeutschen Kumpel einmal gesagt wurde: „ Da kommt der Mann aus dem NPD-Land[27]. Von den Verbindungen zwischen der NPD und dem (ostdeutschen) Rechtextremismus wird später die Rede, aber es ist hier zu vermuten, dass das System der ehemaligen DDR die Bewältigung der Nazivergangenheit auch ebenso gut/schlecht begünstigt hatwie die BRD, worauf es immer behauptet wurde, die DDR sei ein antifaschistischer Staat, die Kapitalisten der Westzone seien selber die Nazis. Darin wurde den Ostdeutschen fast unmöglich mit dem Nationalsozialismus klar umzugehen, und eine der Möglichkeit für die Jugend, am SED-Kollektivismus nicht teilzunehmen, war noch eine neue Subkultur zu finden, und etwa Neonazis zu werden. Nichtsdestoweniger ist der Neonazismus nicht nur ein ostdeutsches Phänomen und unter den Westdeutschen befinden sich auch viele Anhänger des Rechtextremismus. So ein Vorwurf bleibt unbegründet und ist meines Erachtens als weiteres Beispiel der von der „Wiedervereinigung“ verursachten Probleme zwischen Westlern und Ostlern zu betrachten.

Durch den ersten Teil dieser Arbeit kann ein Zwischenfazit schon gezogen werden. Die „Rekruten des Terrors“, ob linke oder rechte, kommen alle aus Gewaltsubkulturen, die mit der Gesellschaft Schluss gemacht haben. Irrationalität und Dissozialität prägen diese Gruppen, sodass sie nicht mehr in die jeweiligen Szenen einzuordnen sind. Sie sind Untergrundkämpfer. Die Mitglieder der RAF und des NSUs gehören allem Anschein nach nicht mehr der linken und rechten Szenen, sie scheinen eigentlich, die gleichen Absichten zu verfolgen, etwa die Zerstörung der Gesellschaft durch den Gebrauch der Gewalt. Uwe Markus ist der Auffassung, dass sie Leute „ bei denen die Zugehörigkeit zu „rechts“ oder „links“ nur der Unterscheidung von Referenzgruppen dient, sind „Kämpfer“, „Protestierter“ oder gar „Aussteiger “ sind[28], dass „die Rechts-Links-Polarität sich im Musikgeschmack erschöpft[29]. Der Fall Mahler entspricht völlig dieser Meinung: Am Anfang war er Mitglied der RAF, dann der NPD. Jetzt muss also erklärt werden, wie ein solcher Meinungswechsel möglich war. Ob allerdings es um einen Wechsel geht. Darüber hinaus ist zu fragen, welche Ideologie diese terroristischen Gruppen vertreten haben, weshalb sie gekämpft haben.

II/Ideologie des Terrors und Bürgerkrieg

1/Die RAF als Teil des marxistischen Internationalismus?

Im Grunde genommen ist festzustellen, dass die RAF marxistisch war. Wie schon gezeigt waren ihre Mitglieder Personen, die die Welt verändern wollten, die eine Revolution, allenfalls durch die Gewalt, durchzuführen beabsichtigten. Die erste Generation ist erwiesenermaßen in die Radikalisierung der studentischen Protestbewegung einzuordnen. Baader, Meinhof und Mahler waren selbst Angehörige mancher linken Parteien, wie etwa Meinhof der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und Mahler des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Bei der linken Szene werden sie Sympathisanten finden, die ihren Kampf zunächst als begründet annehmen werden, die die Untergrundkämpfer unterstützen werden.[30] Die RAF ist nur eine Gruppe unter der Vielfalt an Gruppierungen, die in Deutschland, ja in der ganzen Welt wuchern. Kontakte mit weiteren, linken Untergrundorganisationen wie der „Brigata rossa“ oder „Action directe“ werden verknüpft, die RAF beanspruchte hiermit, an dem marxistischen, europäischen Kampf teilzunehmen. Aber die RAF will auch Anspruch erheben, an dem internationalen Kampf gegen den Imperialismus beteilig zu sein. Im Juni 1970 werden etliche Mitglieder der RAF wie Baader, Meinhof und Mahler in einem Ausbildungslager der palästinensischenterroristischen Vereinigung „Al Fatah“ geortet.[31] Diese sozialistische Gruppe verfolgte die Absicht, den Palästinensern ein Land wiederzuerobern, das die Zionisten ihnen gestohlen hatten. In diesem Lager werden die RAF-Mitglieder vorbereitet, den bewaffneten Kampf in Deutschland durchzuführen. Personen wie Meinhof bewundern die südamerikanischen Guerilleros wie Che Guevara oder Fidel Castro. Die RAF-Mitglieder meinen gar keine Terroristen zu sein, sondern europäische Guerilleros, die den Faschismus bekämpfen werden.[32]Le terroriste est l’adversaire qui n’a pas le droit à la reconnaissance.“[33] Die RAF-Mitglieder wollen aber anerkannt werden. Dementsprechend werden sie viele Missetaten begehen und eine Anerkennung erhalten, die nicht empfehlenswert ist, und zwar werden sie als Verbrecher anerkannt. Der bewaffnete Kampf wird aber von den Mitgliedern der RAF betrachtet als dem Marxismus entsprechend, als die Verwirklichung des Klassenkampfes, als den Kampf der Arbeiterklassen gegen die Bourgeoisie. Derzeit waren viele der Meinung, dass dieser Klassenkampf nunmehr zu einem Kampf des unterdrückten Südens (etwa Cuba) gegen den imperialistischen Norden (etwa die USA) geworden ist. Eine andere Meinung vertritt aber die RAF, für die der Klassenkampf immer im Norden durchzuführen ist.[34]

Il faut agir sans possibilité de retour à la vie bourgeoise, sans vouloir ou pouvoir mettre la révolution au clou[35] erklärt Ulrike Meinhof. Für die Ideologin der RAF gibt es daher zwei Sachen, die den Kampf der RAF motivieren: Die Revolution und den Faschismusvorwurf. Diese Revolution, die von der RAF angepriesen wird, ist aber meines Erachtens sehr individualistisch. Mahler ist der Meinung, dass der von der RAF durchgesetzte Terror ein „ individueller Terror[36] ist. Dadurch wird gemeint, der Kampf der RAF sei gar kein Klassenkampf à la Lenin, sondern der Aufstand mancher hellsichtigen, angeblichen Proletarier, die allein kämpfen, nicht für das Volk, sondern für ihre Weltanschauungen. Darüber hinaus trennte sich Mahler von der RAF ab, die nicht seinen Erwartungen entsprach. In den Augen der RAF ist frei, wer gegen das System kämpft.[37] Derjenige, der sich nicht vom System abtrennt, bleibt ein Sklave dieses Systems und ist gar kein Revolutionär. Meines Erachtens und angesichts dessen ist die RAF anarchistischer als revolutionär. Die RAF ist dementsprechend auch gar keine hierarchisierte Gruppe, sie kann einfach nichthierarchisiert sein, weil ihre Mitglieder lauter westeuropäische Guerilleros zu sein glauben, und nach den Prinzipien der Guerilla soll es keinen Anführer geben. Alle sind frei und dank der Leistung jeder soll der Kampf erfolgreich sein.[38] Jeder ist eine Armee und die RAF ist eine Armee, die aus kleinen Armeen besteht. Sogar während der Hungerstreike beanspruchen die Mitglieder der RAF als „Kriegsgefangene“behandelt zu werden. Was die Bundesregierung ihnen nie zubilligte.[39]

Der Name selber der RAF ist ein Programm: Rote Armee Fraktion bedeutet, dass diese Gruppe die völkische Fraktion der Roten Armee sein wollte. Allerdings wird die RAF von der Sowjetunion nie Unterstützung erfahren. Die damaligen Bolschewisten sind eher leninistisch, und für Lenin ist der linke Radikalismus die Kinderkrankheit des Kommunismus.[40] Wie der Name der SchriftMeinhofs „ Dem Volke dienen “ zeigt, sind die RAF-Mitglieder der Meinung, dass ihre als populäre Aktionen betrachteten Verbrechenzur Sache des Volkes beitragen würden. Eigentlich war der RAF nicht wichtig, dass die Theorie mit der Realität übereinstimmt.[41] Erwiesenermaßen haben diese Menschen die niedrigste Verbindung mit dieser Realität verloren. Dies gilt auch dem Faschismusvorwurf, der immer mehr die Gruppe in die Isolierung treiben wird. Neben dem traditionellen, marxistischen Faschismusvorwurf, weswegen die Bourgeoisie einen faschistischen Staat gegründet hätte, bildet der Faschismusvorwurf der RAF die Basis einer Hassstrategie, die gegen den Staat gerichtet ist, und niemanden verschont. Anlässlich des Attentats von1972gegen die israelische Mannschaft während der Münchener Olympiade schreibt Ulrike Meinhof: „ Die Aktion des Schwarzen Septembers war antifaschistisch[42] Ungeachtet dessen, dass die Zionisten auch Faschisten sein können, kann aber diese Stellungnahme Meinhofs schockieren, zumal sie die Zionisten mit den Nazis vergleicht. Ich will darüber nicht debattieren, aber man konnte schon von einer „Kommunistin“ etwas anderes erwarten. Abermals wird gelegentlich dem Staate und der Polizei vorgeworfen, dass sie das Volk auf faschistische Weise unterdrücken. Meinhof erklärt: „ n’est pas responsable du fascisme celui qui le combat [43] “. Sie gibt dadurch an, die RAF beabsichtigt, dem Volke zu zeigen, dass die BRD der Nachfolger schlechthin des Dritten Reiches ist, dass die BRD faschistisch ist, nicht wie das Dritte Reich durch ihre Erscheinung, sondern durch ihre Institutionen.

2/ Der NSU und die Wiedergeburt des Nationalsozialismus

Wie schon im ersten Teile gezeigt sind meistens die Neonazis Jugendliche, die in der Gesellschaft nicht integriert sind und die sich kleine Welten schaffen. In diesem Sinn sind sie sehr nationalsozialistisch. Der Nationalsozialismus ist wie der Kommunismus eine Ideologie der Revolution, die die Welt verändern will. Er ist mitnichten konservativ. Die Tatsache, dass die Nazis Elemente der germanischen Kultur für ihre Propaganda eingesetzt haben, ist nur ein Vorwand gewesen, um die Masse gleichzuschalten. Die Kommunisten haben sich moderner erwiesen, haben der Tradition einen sozialistischen Futurismus vorgezogen. Das Problem mit dem Nationalsozialismus ist eben diese zweckgemäße Plünderung der deutschen Kultur, die sie verdorben hat. Hingegen sind die heutigen Neonazis viel revolutionärer, sie gebrauchen sparsam Symbole der „alten Welt“ wie Reichsflaggen, aber ansonsten und wie schon erwähnt sind die Neonazis eine andere Jugend Deutschlands, d.h. sie sind Jugendliche, die einem anderen Wegefolgen als ihre Gleichaltrigen. Auf jeden Fall fühlen sich die deutschen Neonazis als Deutsche, aber das bedeutet für sie nicht, Patrioten oder Konservative zu sein. Diese Abgrenzung benutzen sie vielmehr, um ihren Hass der „anderen Rassen“ zu begründen. Die Rassentheorie entwickelt sich durch diese Jugend weiter und übernimmt nunmehr proletarische Farben. Die Nazis waren eine neue, politische Elite. Im Gegensatz dazu gehören die Neonazis einer anderen, proletarischen Schicht. Man kann sagen, der Nationalsozialismus hat sich demokratisiert, weil seine Ideologie nicht der Elite vorbehalten ist, sondern die Arbeiter selbst gehen beliebig mit dieser Ideologie um. Dahingehend erzielen die Parteien des modernen Nationalsozialismus wie etwa die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mehr Erfolg unter den Arbeitern als unter den Intellektuellen. Die NSDAP war zwar eine Arbeiterpartei, aber die Adligen und die Bürger zögerten nicht, sich der Partei anzuschließen. Der Kontext mag vielleicht unterschiedlich sein, aber immerhin lehnt die heutige, deutsche Bourgeoisie weitgehend den Extremismus ab.[44] Übrigens hat sich diese neuenationalsozialistische Bewegung auch weiter entwickelt. Als sie in den 60er und 70er noch sehr männlich daherkam, ist nun der Anteil der Frauen an dem Rechtsextremismus maßgeblich geworden. Die drei Begründer des NSUs waren tatsächlich zwei Männer und eine Frau. Sie waren in Verbindung mit einem rechtsextremen Polizisten, der eine Frau war.[45] Dies ist auch bei der linken Szene zu betrachten. An der RAF waren fast mehr Frauen als Männer beteiligt.[46]

Modernisiert wird der Nationalsozialismus dadurch, dass seine vorgeblichen Vertreter unter Nationalsozialismus nicht mehr Rassentheorie und Antibolschewismus verstehen, sondern Ethnopluralismus und Antikapitalismus.[47] Die Neonazis fühlen sich als Deutsche in Abgrenzung zu den anderen Völkern. Rassistisch sind sie, weil sie meinen, dass diese Völker in das Heimatland eindringen, und man muss sie verteidigen, nicht weil es eben das heilige Heimatland ist, sondern weil der Andere, der Nichtdeutsche hässlich ist. Die Türken werden etwa als „ Kanaken “ bezeichnet. Der Soziologe Joachim Kersten hat in den 70er Jahren eine Gruppe von neonazistischen Männern interviewet[48], und er stellt heraus, dass das Feindbild dieser Jugendlichen mit menschlichen Trieben wie etwa der Sexualität oder männlichen Herausforderungen in Verbindung steht. Der Fremde wird gehasst, weil er deutsche Frauen verführt, weil er die Gesellschaft pervertiert, weil er die Arbeitsstelle stiehlt, nicht weil er eben ein Fremdling ist. Ein Fremdling in fremdem Lande ist ein guter Fremder, soweit er eben in diesem fremden Lande ruhig bleibt und die „echten Männer“ nicht provoziert. Dies Bild ist sehr trivial und hat gar nichts mit Hitlers Nationalsozialismus selbst zu tun.

Die Neonazis sind also etwas wie rechtextremistische Proletarier, die wie die linksorientierten Proletarier ihre Gewalt ausdrücken müssen. Früher war es nicht merkwürdig, dass die Kommunisten sich auch als Rassisten erwiesen, v.a. war dies Phänomen unter den Stalinisten festzustellen, deren Stellungnahmen sehr antisemitisch aussahen. Wie die Kommunisten gehören die Neonazis einer Internationale. Die Entwicklung von neuen Technologien wie etwa Internet begünstigen die Kontakte zwischen Neonazis verschiedener Nationen, und diese Neonazis betrachten sich untereinander nicht als Fremde, sondern als Genossen, die in ihren jeweiligen Heimaten für das „ invisible empire “, wie der US-Schriftsteller Michael Newton es nennt,[49] kämpfen. Die Neonazis verstehen sich als eine übernationale Entität und die deutschen Neonazis bilden also nur einen winzigen Teil von einem großen Reich, das sich als die Kontinuität des 1000 Jahre-Reiches Hitler angeben will. Bundesweit gründen die Neonazis kleinere Verbände, Kameradschaften oder Wehrsportgruppen genannt, die für dieses Reich auf Bundesebene kämpfen, wie der „Anti-Antifa-Bund“, welcher der Bekämpfung der Antifaschistischen als nächstem Feindgewidmet ist. Dahingehend gilt der NSU als musterhaft, weil seine drei Mitglieder einer Kameradschaft gehörten, dem Thüringer Heimatschutz, der von ehemaligen Mitglieder der europäischen nationalsozialistischen Bewegung Omega gegründet wurde. Der NSU ist als eine freie Kraft unter diesen Kampfbewegungen zu betrachten, weil er von jenen unabhängig war, er schließt sich aber dem europäischen Kampf an, der von den anderen Gruppierungen geführt wird.

Angesichts dessen kann man feststellen, dass der deutsche Rechtsterror sich in den Klassenkampf einbezieht. Der Unterschied zwischen dem linken und dem rechten Terror besteht also nicht darin, dass sie verschiedene Ziele verfolgen, sondern darin, dass der linke sich als marxistisch und antifaschistisch angibt, während der rechte angeblichfaschistisch und antikommunistisch ist. Ausgehend davon ist nun zu fragen, ob diese terroristischen Gruppen wirklich politisch sind, oder ob sie eine andere soziale Realität darstellen und mit Politik nichts zu tun haben, sondern nur mit Gewalt.

III/Vom politischen Charakter des deutschen Terrors

1/Politischer Terror der RAF?

Die Mitglieder der RAF behaupteten einen politischen Kampf zu führen. Jedoch erscheint diese Behauptung als sehr vermessen, v.a. bei den zweiten und dritten Generationen der terroristischen Bewegung. Die Zusammenarbeit zwischen den Terroristen und den verfassungsgemäßen Parteien wird aber rasch eingestellt. Es hängt damit zusammen, daß die Gewalt, die die RAF erwies, der von den Parteien verteidigten Ideologie nicht entsprach. Immer größer ist die Zahl derer, die der RAF den Rücken wenden. „ La RAF terrorise surtout par son discours, sa froideur, voire son mépris pour ceux qui l’avaient jusque là suivie ou simplement soutenue, traitant de « cochons », ceux qui ne vont pas jusque là où elle va, jusqu’à la mort.[50] “ Radikaler denn je, die Gewalt der RAF ist auch außerparteiisch, sie dient gar nicht der Strategie einer Partei, sie ist eine autonome Gewalt[51]. Hier geht es um einen „ individuellen Terror[52], d.h. ein Terror, der nicht mehr mit der Gesellschaft zu tun hat, der von Individuen begangen wird, ohne daß diese Individuen für eine bestimmte Schicht der Gesellschaft kämpfen, sondern für eine Weltanschauung, die alle Mitglieder vertreten, die jedoch außerhalb der Gruppe kaum Beifall findet. Es ist für diese Terroristen eine Lebensfrage, eine Berufung[53], ohne die die Gruppe nicht existieren kann. Wie bei allen menschlichen Gruppen gehört nicht mehr der Gruppe derjenige, der an der Gruppe Zweifel hat. Und der wird ohne weiteres eliminiert, Tatsache, die von Mahler betrachtet wird als die„ Idee der notwendigen Zusammengehörigkeit von Brüderlichkeit und Terror[54].Gewiss braucht man nicht zu einer Partei zu gehören, um politisch zu handeln. Jedoch berufen sich die Mitglieder der RAF, v.a. Meinhof, die Ideologin der RAF, auf den Marxismus und behaupten den echten Marxismus zu verteidigen, was von den „normalen“ Parteien schon behauptet wird. Welche Rolle spielt also politisch betrachtet eine immerhin kleine Gruppe wie die RAF?

Wendepunkt der Bewegung ist die sogenannte „Baader-Operation“, von der es oben schon die Rede war. Dies Ereignis bedeutet für die Gruppe, dass sie nun den Staat selben bekämpfen. Danach zaudern nicht mehr die RAF-Mitglieder Polizisten zu töten und politische Prominenten zu entführen oder schlechthin zu ermorden: 1975 wird der CDU-Kandidat Peter Lorenz entführt (nicht direkt von der RAF selbst, aber von einer Gruppe in Verbindung mit der RAF, von der Bewegung 2. Juni), 1977 wird der Generalbundesanwalt Siegfried Buback ermordet und 1977 wird der Präsident des Bundesverbandes der Arbeitgeber Hanns Martin Schleyer, ein ehemaliger SS, entführt und dann ermordet, welches Ereignis unter dem Namen vom „Deutschen Herbst“ bekannt ist. All diese Entführungen sind jedoch fast nicht von einem politischen Ziel motiviert. Ziel war es, die Aufmerksamkeit des Staates und der Presse zu lenken, damit die inhaftierten RAF-Mitglieder befreit werden. Zwar sind die Entführten Vertreter von rechtsorientierten Parteien oder Verbänden, aber ihre politische Orientierung war nur ein Vorwand, um die Befreiung der anderen Mitglieder aufzufordern. Jene Mitglieder wie Meinhof oder Mahler, die nicht als die Anführer der Gruppe fungieren, sondern eben als einfache Mitglieder. Die RAF besteht nicht in einer hierarchisierten, strukturierten Vereinigung, sondern in einer laschen Versammlung von Menschen, die erwiesenermaßen zu anderen Gruppierungen keineswegs gehören. Die RAF war für manche Mitglieder der RAF wie eine Art Sozialisierung, die ihnen die Gesellschaft nicht ermöglicht hatte[55]. Selbst Baader wird nicht als derAnführer der Gruppe betrachtet, sondern als einer der ersten Mitglieder[56]. „ Il s’agit d’un collectif de lutte qui se conçoit comme un espace de liberté dans une société unidimensionnelle.[57]

Wie die Entführungen sind auch die Hungerstreike der inhaftierten Mitglieder schlechterdings Propaganda. Die Presse spielte dabei eine große Rolle, was das Bekanntmachen der RAF anging, und die Mitglieder der RAF wussten das und verstanden esauch zu ihren Gunsten zu benutzen, um den Terror zu erregen.

Während des „Deutschen Herbstes“ von 1977radikalisiert sich auch die Stelle des Staates, der ablehnt, dass die inhaftierten Mitglieder freigelassen werden. Worauf im Oktober 1977 eine Gruppe von Palästinenser Terroristen ein deutsches Flugzeug entführen, was aber scheitert und das Flugzeug wurde von einem deutschen Kommando befreit. Als inhaftierte Mitglieder der RAF wie Baader, Esslin und Raspe das erfahren, begehen sie Selbstmord, worauf die Geiselnehmer Hanns Martin Schleyer hinrichten. Er wird nicht nur ermordet, weil er ein Vertreter des feindlichen Kapitalismus ist, sondern weil seine Gefangennahme nunmehr nutzlos geworden ist. Seine Hinrichtung kann gar nicht als eine politische Tat betrachtet werden, sondern ist bloß ein Verbrechen. Der Psychiater Wilfried Rasch ist zuzustimmen, wenn er schreibt: „ Wir müßten terminologisch vielleicht zwischen kriminellem und politischem Terrorismus trennen.[58] “ Angesichts dessen, was hier schon geschrieben wurde, bin ich der Meinung, dass man ohne weiteres herausstellen darf, dass es bei der RAF um einen kriminellen Terrorismus geht. Beispielsweise sind die Erschießungen von dem US-Soldaten Edward Pimental (†1985) und von dem Leiter der Treuhandanstalt Detlev Karsten Rohwedder (†1991) meines Erachtens gar nicht politisch, sondern sind weitere propagandistische Verbrechen, die von Menschen begangen worden sind, die sich danach gesehnt haben, dass über „ihre Heldentaten“ debattiert wird. Erwiesenermaßen haben sie keine Verbindung mehr mit der Realität und, obwohl ihre Opfer wichtige Vertreter des Imperialismus sind, ihre Taten waren nicht der Ausdruck von einer politischen Ideologie, sondern schlechterdings von der puren Gewalt. Was eigentlich auch die linke Szene erschreckte. Sie betrachtete den Mord Pimentals als einen politischen Fehler. Wozu dient es, einen einfachen Soldaten zu ermorden? Ich bin der Auffassung, dass dieser Mord gar kein politischer Fehler, weil von mir aus es dabei um nichts politischesging. Was politisch bei der RAF war, war immer ein Vorwand, um ein Verbrechen zu begehen, um gegen die Gesellschaft zu kämpfen. Meines Erachtens war angesichts dessen die RAF weder eine politische Gruppe, noch eine militärische. Sie war schlechthin eine terroristische Gruppe, die mit der Politik gar nichts zu tun hatte. Vorgeblichkämpften sie gegen den Faschismus, gegen den Imperialismus, aber das sind lauter Plauderei, die immer ein Vorwand für Menschen waren, die gar nichts in der Lage waren, mit solchen Begriffen umzugehen. Rudi Dutschke hat auch die RAF bedauert, in dem sie nicht wirklich für das deutsche Volk kämpfte, sondern nur um ihre eigene Gewalt durchzusetzen, was eigentlich nicht dem Marxismus entspricht. Dass die RAF ihren bewaffneten Kampf als Verwirklichung des Klassenkampfes betrachtet hat, war von der linken Szene wahrgenommen als ein Unsinn. Revolutionär zu sein, hat nie bedeutet, sich von der Gesellschaft abzugrenzen, umso mehr unter dem Vorwand, dieser Gesellschaft zu dienen. Selbst die Auflösung der RAF 1998 ist nicht als ein politisches Versagen der linken Szene zu betrachten, sondern nur als das Ende eines verrückten und blutigen Abenteuers.

2/ Den Neonazismus als soziale Bewegung betrachten?

Der Psychologe Peter Hofstätter erklärt: „ International gesehen nimmt der deutsche Terrorismus eine Sonderstellung ein, weil es in der Bundesrepublik keine ethnischen, religiösen oder sozialen Minderheiten gibt, als deren „radikaler“ Vertreter er sich verstehen könnte[59] Dadurch wird gemeint, dass noch einmal die politische Stellung des Rechtsterrors, sowie die des Linksterrors in Frage gestellt werden kann. Es wurde vorher bewiesen, dass die Gewalt, die durch die RAF durchgesetzt wurde, ohnehin fast nichts mit Politischem zu tun hatte, sondern sie war das Produkt einer gesellschaftlichen Realität, sie war sozial im strengen Sinn dieses Begriffes. Was den Rechtsterror angeht, ist der Kriminalist Bernd Wagner der Meinung, „ die Gewalt dieser Gruppen wirkt als politische Gewalt, ohne daß subjektiv stets ein klassisches politisches Gewaltmotiv vorhanden ist. Allerdings gibt es in Gestalt von spezifischen Feindbildern eine politische Internationalität[60] “ Die Ausländerfeindlichkeit rechtsextremer, terroristischer Gruppen würde also nur als Vorwand dienen, die Gewalt auszuüben. Die Liste der Opfer des NSUs ist dazu eindeutig: Sie sind alle Menschen mit Migrationshintergrund[61]. Durch die Ausübung dieser Gewalt wird es abgelehnt, dass Fremde auf demBoden des Heimatlandes wohnen. Für den Soziologen Helmut Willems gibt es mehrere soziologische Gründe, die diese rassistische Radikalisierung mancher Jugendlichen erklären kann: Die Europäisierung, die wirtschaftliche Rezession, ein gewisser Immigrationsdruck, die Propaganda mancher Parteien. Ziel sei es, „ durch Anwendung von Gewalt gegen Fremde die Medienaufmerksamkeit erzeugen und damit rechte und fremdenfeindlichen Themen in der Öffentlichkeit präsentieren[62] “. Das sind Themen, die nicht unbedingt als politisch zu betrachten sind, sondern die das ganze Volk auf soziale Weise betreffen, sie sind Themen, die die Anhänger rechtsextremer Jugendgruppierungen auch betreffen. Erwiesenermaßen wird der Nationalsozialismus nunmehr nicht nur politisch, von den Parteien wie der NPD behandelt, oder sozialpolitisch, sondern auch von der Gesellschaft selbst. Es ist eine Art Aufarbeitung des Nationalsozialismus, aber nicht um ihn zu bewältigen, sondern um ihn zu überarbeiten. Antikapitalismus und Nationalrevolution sind nun Themen, mit denen sich diese Jugendlichen nicht nur politisch, sondern auch sozial beschäftigen. Angesichts dessen erscheint der erzeugte Terror nicht nur als Kampf gegen den Staat, als politischer Kampf, sondern auch als sozialer Kampf. Die Rechtsterroristen sind einfache Leute, Proletarier, die für eine gesellschaftliche und soziale Anschauung Deutschlands kämpfen. Wie bei der RAF kämpfen sie nicht für das Volk, vielmehr werden sie gegen es kämpfen, wenn es ihnen nicht folgen wird. Wie schon gesagt wird die Polizei als Feind betrachtet, obwohl sie ein Vorbild von Gewalt für diese Jugendlichen darstellt, weil sie als Glied des Staatapparates eben gegen diese Jugendlichen Stellung nimmt. Nichtsdestotrotz wird diese Polizei nicht als politischer Feind betrachtet, sondern als sozialer Unterdrücker. So kommt der Rechtsterrorismus nicht nur politisch daher, er ist auch sozial. Die Verfassungsfeindlichkeit mancher rechtsextremer Gruppen ist daher nicht nur als politisch zu betrachten, sondern auch als sozial, i.e., der Rechtsterror ist eine Art Gegengewalt, er ist das Werkzeug, das die rechtsextremen Jugendlichen gebrauchen, um gegen diese Verfassung als soziale Ordnung zu kämpfen. Die Tatsache, dass es eine Verfassung gibt, die nicht zu verändern ist, die auch über Gewaltgruppe wie die Polizei oder das Bundesamt für Verfassungsschutz verfügt, wird von jenen Jugendlichen eben wie eingeistigerTerrorismus wahrgenommen. Diese schon geschaffene Welt, diese Verfassung, diese Republik, in der sie nicht zurechtkommen, unterdrückt diese Jugend, und infolgedessen bekämpft diese Jugend diesen Terror mit dem Terror. Wie die Linksextremen glauben die Rechtsextremen, das Feuer mit dem Feuer zu bekämpfen.

Das bedeutet übrigens, dass alle Parteien, sowohl die der Feinde, als auch die wie die NPD, missachtet werden, weil sie einen Teil des demokratischen Systems bilden. Sie entsprechen nicht dem revolutionären Bild dieser Jugend und werden als Spielzeug der Demokratie und des Kapitalismus betrachtet. Das Paradox besteht aber darin, dass diese feindliche Verfassung sich auch als unerwartete Hilfe erweist. Im Namen der Demokratie wird die NPD immer erduldet, obwohl nationalsozialistische Meinungen als verfassungswidrig verurteilt werden. Ein Verfahrensverbot dieser Partei ist 2001 gescheitert, weil es eigentlich ein auch unerwartetes Problem gab: Die Einsetzung von V-Männern in diese Partei und in mehrere NS-Gruppierungen.[63] Beispielsweise wurde der NSU, also eine verfassungswidrige Gruppe, vom Bundesamt für Verfassungsschutz bloß unterstützt, was für die deutsche Öffentlichkeit ein Skandal darstellt.

Die Mitglieder des NSUs waren also tatsächlich mit diesen V-Männern und auch mit der NPD in Verbindung. Jedoch ist der ausgeübte Terror als außerparteiisch zu betrachten, weil er nicht bloß von der NPD organisiert wurde. Mithin spielte die NPD die Rolle eines Mithelfers aber keines Mittäters. Angesichts dessen kann herausgestellt werden, dass dieser Terror sozial war. Sie war weiterhin politisch motiviert, aber Ziel war es, Leute zu eliminieren, die keine politische Rolle spielte: Die Opfer der Neonazi-Mordserie waren alle Kleinhändler ohne politische Bedeutung. Zumindest waren sie Unbekannte. Das Kennzeichnen des Rechtsterrors ist also im Gegensatz zu dem Linksterror, einfache Leute zu ermorden, damit ihresgleichen in Terror geraten. Die RAF war vielleicht besser organisiert als der NSU, aber immerhin waren die Ziele der RAF politischer als die des NSUs, bei dem sie sozialer waren. Nichtsdestoweniger erzielten die beiden Gruppen gleich: Das Volk wird vom Terror beinahe übermannt, auch wenn mediale Übertragung eine große Rolle spielt.

Schluss

Hinsichtlich der Punkte, die in dieser Arbeit erörtert wurden, kann man feststellen, dass Links- und Rechtsextreme eigentlich nicht so unterschiedlich sind. Der Kampf, den sie zu führen beanspruchen, ist im Grunde genommen gar nicht politisch. Vielmehr ist er der Ausdruck einer Gewalt, die soziale Gründe hat. Die „Terroristen“, die das deutsche Volk angreifen, sind nicht nur kriminelle Wahnsinniger, sie stellen das Produkt einer versagten Entwicklung mancher Gruppen innerhalb des deutschen Proletariats dar. Ob links- oder rechtsorientiert sehnt sich der deutsche Terror danach, eine Art Revolution in Gang zu setzen. Die Tatsache, dass eben es um einen Terror geht, zeugt meines Erachtens vielmehr von einer gewissen Hilflosigkeit jener angeblichen Terroristen als von einer staatswidrigen Stellungnahme derjenigen.

Verlorene Seelen glauben den Klassenkampf des 20. Jh. und nun des 21. Jh. zu führen, als tatsächlich diese Berufungen auf bestimmte Ideologien wie Marxismus oder Hitlerismus sicher nur einfach ein Vorwand sind, um gewalttätige Taten zu begehen. Der Ethnologue Jean Servier betrachtet dahingehend die Terroristen als „ des immatures […] punissant au nom de n’importe quelle cause l’humanité entière de leur impuissance, de leur mal-être : des marginaux dont seules les névroses présentent un intérêt quelconque et leurs pauvres destinées “.[64] Derartige Neurosen sind aber von mir aus von der deutschen Gesellschaft selbst verursacht. Irrational und dissozial bilden diese „Terroristen“ autonome Gewaltsubkulturen, die sich angeblich aufgrund politischer Stellungnahmen Opfer in der auf dem deutschen Boden angesiedelten Bevölkerung wählt, um das Blut fließen zu lassen. Sie lehnen eine Gesellschaft ab, die im Grunde genommen ihnen nur einen Platz im Angebot hat, in dem sie sich außer als Kriminelle nicht entfalten kann. Jedoch eine falsche Entfaltung, die darüber hinaus abermals beweist, dass die Frage der Aufarbeitung der Vergangenheit in Deutschland nicht zum Schluss gekommen ist. Die Neonazis glauben den Kampf Hitlers weiterzuführen, die Linksextremen stellen sich vor, den Faschismus wie unter dem Dritten Reich zu bekämpfen. Diese „Terroristen“ sind das Produkt der versagenden Debatte über eine Vergangenheit voller Gewalt, die ihnen nur eine Zukunft voller Gewalt bietet. Links- und Rechtsterror können angesichts dessen als nicht zu unterscheidende Nebenwirkungen einer moralischen Gewalt betrachtet werden, die der deutschen Gesellschaft nicht erlauben, ihre Vergangenheit zu bewältigen. Der Terror ist die Ablehnung dieser Debatte, und seine Anhänger sind nicht in der Lage, weder mit ihrer Vergangenheit, noch mit ihrer Zukunft umzugehen. Sie stellen die innerste Erscheinung des zeitgenössischen Deutschlands dar: Voll Komplexe, voll Widersprüche, voll Gewalt. Deutsche Politiker versuchen der Welt zu zeigen, dass Deutschland nunmehr ein demokratisches Land ist, weil es mit dem Nazismus und dem DDR-Kommunismus Schluss gemacht hat. Gerade haben diese Politiker zu schnell Schluss gemacht, was ihnen schon die RAF vorwarf. Aufgrund dessen gibt es meines Erachtens heutzutage einen Zuwachs des Neonazismus in Deutschland. Die Vergangenheitsbewältigung wurde und wird noch heute nicht abgelehnt, aber sie wird nicht aus den guten Gründen durchgesetzt. Das ist die geheime Botschaft dieses Terrors: Wenn es wirtschaftlich oder sozial der Gesellschaft schlecht geht, wie um 1966 oder heute wegen der Weltwirtschaftskrise, tauchen aus der Vergangenheit gewaltlustige Geiste auf, deren Auswirkung jedoch gar nicht nur geistigist. Deutschlandhatnoch nicht entschieden, wirklich mit der Vergangenheit Schluss zu machen, und die deutsche Bevölkerung wird diese Unentschiedenheit noch in den folgenden Jahren mit Blut zahlen. Die deutsche Demokratie wird dabei in Frage gestellt. Sie ist für die Gründe, auf denen der Terror entsteht, verantwortlich, und die Entstehung terroristischer Gruppierungen kann auf Fehler der Demokratie hinweisen, die zeigen können, dass die deutsche Demokratie nicht so gut funktioniert, als es dünkt.

Literaturverzeichnis

Literatur

BERGMANN, Uwe, DUTSCHKE, Rudi, LEFEVRE, Wolfgang, RABEHL, Bernd: La révolte des étudiants allemands. Paris: Gallimard, 1968 pour la traduction. Edition originale : Rebellion der Studenten oder die Neue Opposition. Hamburg: Reinbeck, 1968

BERGMANN, Werner, ERB, Rainer (Hrsg.): Neonazismus und rechte Subkulturen. Berlin: Metropol Verlag, 1994

DEBRAY, Loïc, STEINER, Anne : RAF, Guérilla urbaine en Europe occidentale. Paris : L’échappée, 2006

FLANET, Véronique: La RAF. Vie quotidienne d’un groupe terroriste dans l’Allemagne des années 1970. Paris : L’Harmattan, 2009

HORCHEM, Hans Josef: Die verlorene Revolution. Terrorismus in Deutschland. Herford: Busse-Seewald, 1988

RABERT, Bernhard: Terrorismus in Deutschland. Zum Faschismusvorwurf der deutschen Linksterroristen. Bonn: Bernard und Graefe Verlag, 1991

Der Minister und der Terrorist. Gespräche zwischen Gerhart Baum und Horst Mahler. Hamburg: Spiegel und Rowohlt Verlag, 1980

Webseiten

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http://www.fr-online.de/politik/birgit-hogefeld-auf-freien-fuss-raf-als-ungeschlossenes-kapitel,1472596,8584556.html (31.10.12)

http://www.zeit.de/2007/40/RAF (31.10.12)

Über den NSU

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http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video1211410.html (8.11.12)

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http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsextreme_Netzwerke (10.11.12)

http://en.wikipedia.org/wiki/Ku_Klux_Klan (10.11.12)

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http://de.wikipedia.org/wiki/NPD-Verbotsverfahren (10.11.12)

http://www.zeit.de/2012/43/V-Leute-Rechtsextremismus (31.10.12)

http://blog.zeit.de/joerglau/2012/10/22/die-vergiftung-der-deutschen-integrationsdebatte_5756 (31.10.12)

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-11/innenminister-nazis-waffen (9.11.12)

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-11/nsu-zschaepe-anklage (10.11.12)

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2011-12/neonazis-gesellschaft-buergerlichkeit (10.11.12)

Filme und Dokumente

EDEL, Uli, EICHINGER, Bernd: Der Baader-Meinhof Komplex. 2008

FROMM, Rainer, KRISZUN, Roll-Axel: Propaganda, Hass, Mord. MDR-Fernsehen, 2012

KLEES, Inga, WELLER, Markus: Das Terror-Trio. Warum die Behörden versagten. MDR-Fernsehen, 2012

[...]


[1] RABERT, Bernhard: Terrorismus in Deutschland. Zum Faschismusvorwurf der deutschen Linksterroristen. Bonn: Bernard und Graefe Verlag, 1991. Dann als Rabert bezeichnet. S. 12

[2] http://www.fr-online.de/politik/birgit-hogefeld-auf-freien-fuss-raf-als-ungeschlossenes-kapitel,1472596,8584556.html (8.11.12)

[3] Rabert S.49

[4] FLANET, Véronique: La RAF. Vie quotidienne d’un groupe terroriste dans l’Allemagne des années 1970. Paris : L’Harmattan, 2009. Dann als Flanet bezeichnet. S.12

[5] Vgl. Artikel von Peter von Kielmansegg, in Der Minister und der Terrorist. Gespräche zwischen Gerhart Baum und Horst Mahler. Hamburg: Spiegel und Rowohlt Verlag, 1980. Dann als Baum-Mahler bezeichnet. S. 127

[6] Rabert S.80

[7] DUTSCHKE, Rudi « De l’antisémitisme à l’anticommunisme » in La révolte des étudiants allemands. Collections Idées. Paris: Gallimard, 1968 pour la traduction. Edition originale : Rebellion der Studenten oder die Neue Opposition. Hamburg: Reinbeck, 1968 S.148

[8] DEBRAY, Loïc, STEINER, Anne : RAF, Guérilla urbaine en Europe occidentale. Paris : L’échappée, 2006

Dann als Debray bezeichnet. S.9

[9] Rabert S.35

[10] Vgl. Rabert S.46ff

[11] Vgl. Debray S.106

[12] Vgl. Baum-Mahler S.29

[13] Vgl. Ebenda S.14 und S.16

[14] KIELMANSEGG, Peter „ Der Umschlag von Moral und Amoral “, ebenda, S.126

[15] Vgl. Ebenda S. 49 und S. 50

[16] Vgl. HORCHEM, Hans Josef: Die verlorene Revolution. Terrorismus in Deutschland. Herford: Busse-Seewald, 1988. Dann als Horchem bezeichnet. S. 97ff

[17] Vgl. http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-11/nsu-zschaepe-anklage (8.11.12)

[18] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-11/innenminister-nazis-waffen (9.11.12)

[19] Vgl. WAGNER, Bernd „ Gewaltaktivitäten und „autonome“ rechtsextrem-orientierte Strukturen in den neuen Bundesländern “ in BERGMANN, Werner, ERB, Rainer (Hrsg.): Neonazismus und rechte Subkulturen. Berlin: Metropol Verlag, 1994. Dann als Bergmann bezeichnet. S. 96ff

[20] FETSCHER, Iring « Allzu bequem in der Wohlstandgesellschaft » in Baum-Mahler, S.116

[21] Baum-Mahler, S.58

[22] STEINERT, Heinz, « Über Gewalt reden » in Bergmann, S. 105

[23] MARKUS, Uwe « Immer cool bleiben » in Bergmann, S. 160

[24] Vgl. Artikel von Wagner in Bergmann, S. 89

[25] Steiner, in Bergmann, S. 114

[26] Vgl. ebenda S. 93

[27] http://www.spiesser.de/node/72539 (9.11.12)

[28] Markus, in Bergmann, S. 159

[29] Ebenda, S.156

[30] Vgl. Debray S. 149ff und in Horchem S. 122ff

[31] Vgl. ebenda S. 27

[32] Vgl. ebenda S. 228 und in Horchem S. 141ff

[33] Ebenda S. 224

[34] Vgl. Ebenda S. 196

[35] Ebenda S. 33

[36] Baum-Mahler, S. 7

[37] Vgl. Debray S. 194

[38] Vgl. Ebenda S. 115 und S. 125

[39] Vgl. Ebenda S. 55

[40] Vgl. Horchem S. 131

[41] Vgl. Rabert S. 73

[42] Meinhof in Rabert, S. 101

[43] Debray, S. 206

[44] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistischer_Untergrund (10.11.12)

[45] Vgl. http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-11/nsu-zschaepe-anklage (9.11.12)

[46] Vgl. Debray, S. 82

[47] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Neonazismus (10.11.12)

[48] Vgl. Kersten „ Feinbildkonstruktionen und Gewalthandlungen bei Gruppierungen junger Männer “, in Bergmann, S. 125ff

[49] Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Ku_Klux_Klan (10.11.12)

[50] Flanet, S.16

[51] Vgl. Baum-Mahler S. 11

[52] Baum-Mahler S.7

[53] Baum-Mahler S.12

[54] Mahler in Baum-Mahler, S. 99

[55] Vgl. Debray S. 100

[56] Ebenda S. 112 und S. 119

[57] Ebenda S. 126

[58] Wilfried Rasch „ In gedämpften Bürgerkriegsklima “ in Baum-Mahler, S. 135

[59] Hofstätter „ Die Ideologie des Mutterrechts “, in Baum-Mahler, S. 122

[60] Wagner in Bergmann, S. 80

[61] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Neonazi-Mordserie (10.11.12)

[62] Willems „ Kollektive Gewalt gegen Fremde: historische Episode oder Genese einer sozialen Bewegung von rechts? “ in Bergmann, S. 210ff

[63] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/NPD-Verbotsverfahren (10.11.12) und http://www.zeit.de/2012/43/V-Leute-Rechtsextremismus

[64] Debray, S. 229

Fin de l'extrait de 27 pages

Résumé des informations

Titre
Links- und Rechtsterror in Deutschland. Eine Nebenwirkung der ungenügenden Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit
Sous-titre
Von der RAF bis zum NSU
Université
University of Picardie Jules Verne  (Germanistisches Institut)
Cours
Daniel Azuelos
Note
1,3
Auteur
Année
2012
Pages
27
N° de catalogue
V306827
ISBN (ebook)
9783668048133
ISBN (Livre)
9783668048140
Taille d'un fichier
965 KB
Langue
allemand
Annotations
noch geeignet für heutige Debatte, denn behandelt langfristige soziologische Phänomenen
Mots clés
NSU, RAF, Faschismus, Terror, Terrorismus, Aufarbeitung, Vergangenheit, Kommunismus, Gewalt, Polizei, Clique, Subkultur, Untergrund, Underground, Krise, Abgrenzung, Neonazismus, NPD, Mahler, Zschäpe, Meinhof, Dutschke, Werner Bergmann, Horchem, Rabert, Baader-Meinhof-Komplex, Bundesamt, Verfassungsschutz, Faschismusvorwurf, Unterschiede NSU RAF, Ähnlichkeiten NSU RAF
Citation du texte
M.A. Arnaud Duminil (Auteur), 2012, Links- und Rechtsterror in Deutschland. Eine Nebenwirkung der ungenügenden Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306827

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