Die vorliegende Arbeit soll sich mit der Induktion beschäftigen, mit ihrem Wesen, ihrer Methode und den Problemen, die sich aus ihrer Anwendung ergeben. Sie soll in Kürze informieren über ihre Entwicklung und die verschiedenen Ansichten, die zu ihr vertreten wurden. Das induktive Verfahren dient dazu, aus einer gewissen Anzahl konkreter Fälle Voraussagen abzuleiten, um etwas über zukünftige Entwicklungen zu erfahren, wissenschaftliche Erkenntnis zu gewinnen; dies stellt auch schon das Grundproblem dar: Wie können wir aus einzelnen Beobachtungen allgemeingültige Sätze ableiten?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Induktionsprinzip
2.1 Die Methode
2.2 Gewinnung und Bestätigung von Theorien
2.3 Der zweite Obersatz
2.4 Strömungen / Induktionskonzeptionen
2.4.1 Der Empirismus
2.4.2 Der Positivismus
2.4.3 Epikureer und Stoiker
2.4.4 Der Historizismus
2.4.5 Der naive Induktivismus
2.4.6 Enumerative und eliminative Induktionskonzeption
3. Das Induktionsproblem
3.1 Die Problemstellung
3.2 Rechtfertigung der Induktion
4. Das Abgrenzungsproblem
5. Die Falsifikation
5.1 Herleitung
5.2 Die Methode
5.3 Der modus tollens
5.4 Basissätze
5.5 Kritik der Falsifikation
6. Forschungsprogramme
6.1 Die Methode
6.2 Kritik der Forschungsprogramme
7. Schlußwort
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit soll sich mit der Induktion beschäftigen, mit ihrem Wesen, ihrer Methode und den Problemen, die sich aus ihrer Anwendung ergeben. Sie soll in Kürze informieren über ihre Entwicklung und die verschiedenen Ansichten, die zu ihr vertreten wurden.
Das induktive Verfahren dient dazu, aus einer gewissen Anzahl konkreter Fälle Voraussagen abzuleiten, um etwas über zukünftige Entwicklungen zu erfahren, wissenschaftliche Erkenntnis zu gewinnen;[1] dies stellt auch schon das Grundproblem dar: „Wie können wir aus einzelnen Beobachtungen allgemeingültige Sätze ableiten?“ (Seiffert 1991, 202) Nach Mill wird nämlich vom bekannten auf das unbekannte geschlossen, der Schlußsatz, die Aussage der Induktion, enthält mehr als die zugrundeliegenden Fakten, die Prämissen (vgl. Hofmann 2002, 34). Der Begriff der Induktion geht auf Cicero zurück, „er übersetzte den von Aristoteles eingeführten Begriff ‚Epapogé’ mit ‚inductio’.“ (ebd., 9) Bacon war der erste, der sich um eine Systematisierung der Induktion bemühte (vgl. Bacon 1974), er sagt jedoch noch nichts über die eigentliche Methode der Induktion, den Sprung vom besonderen zum allgemeinen. Er spricht nur vom Zusammentragen und Zusammenstellen, verwahrt sich jedoch dagegen, „von bloßer Aufzählung auf die Principien [sic] der Wissenschaft“ (ebd., 50) zu schließen. Er wendet sich damit gegen das vorschnelle Verallgemeinern des Aristoteles (vgl. Hofmann 2002, 26). In der vorliegenden Arbeit wird nur auf die unvollständige Induktion eingegangen. Die sogenannte vollständige Induktion stellt kein gehaltserweiterndes Schließen dar und ist unproblematisch, hier wird nur eine Aussage über alle bekannten Fälle getroffen (vgl. ebd., 230). Nach einer Darlegung der Methode der Induktion und einer kurzen Vorstellung der verschiedenen vertretenen Strömungen soll auf das Induktionsproblem eingegangen werden, nämlich auf die Frage weshalb es logisch gerechtfertigt sein sollte, von besonderen Sätzen auf allgemeine Sätze schließen zu dürfen. Es wird das Abgrenzungsproblem behandelt, also die Trennung empirischer Wissenschaft von Mathematik und Logik, aber auch von „metaphysischen“ Systemen. Thema des darauffolgenden Kapitels ist Poppers Falsifikationismus, der die Geschichte der Induktion gewissermaßen unterbrach und eine Alternative anbot, und dadurch die Induktionisten zwang, sich erneut mit der Induktion auseinanderzusetzen (vgl. Hofmann 2002, 9). Schließlich wird Lakatos’ Versuch vorgestellt, mit seiner Konzeption der Forschungsprogramme sowohl die Induktion als auch den Falsifikationismus zu retten. Aufgrund des umfangreichen Themas und des begrenzten Raumes zu seiner Darlegung konnte auf einige Punkte nur andeutungsweise eingegangen werden, um den vorgegebenen Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen; andere wie der empirische Gehalt und seine Auswirkung auf den Falsifizierbarkeitsgrad einer Theorie fielen ganz weg (vgl. Popper 1976, 77 ff.).
2. Das Induktionsprinzip
2.1. Die Methode
Wissenschaft beginnt mit Beobachtung. Ein mit gesunden Sinnesorganen ausgestatteter Beobachter soll das berichten, was er sieht, hört usw. und dazu noch unvoreingenommen sein. Induktion ist jedoch mehr als bloße Aufzählung (vgl. Bacon 1974, 50). „Die Aussagen, zu denen man auf diese Weise gelangt ist,[2] [...] bilden dann die Grundlage, von der aus die Gesetze und Theorien abgeleitet werden, die letztendlich wissenschaftliche Erkenntnisse ausmachen.“(Chalmers 1989, 8) Sie führen zu Hypothesen[3], die dadurch geprüft werden, daß man aus ihnen Sachaussagen erschließt, die ihrerseits Gegenstand von Beobachtungen sein können und müssen, wenn die Hypothese zutrifft. Dann gilt sie als (vorläufig) bestätigt und wird zum Gesetz. Mehrere Gesetze werden zu einer Theorie[4] zusammengefaßt (vgl. Seiffert 1991, 167). Um so vorgehen zu dürfen, müssen drei Bedingungen erfüllt sein: Es muß eine große Anzahl einzelner Beobachtungsaussagen zugrunde liegen, damit keine voreiligen Schlüsse gezogen werden; die Beobachtungen müssen unter einer Vielzahl von Bedingungen wiederholt worden sein; es darf keine Beobachtungsaussage im Widerspruch zu dem entsprechenden allgemeinen Gesetz stehen (vgl. Chalmers 1989, 10). Genügt die Induktion den geforderten Bedingungen, dann ist sie objektiv.
Wissenschaft beruht also auf Erfahrung, auf der Beobachtung zahlreicher Einzelfälle. Angestrebt werden jedoch Aussagen, die allgemeingültig sind und uneingeschränkte Geltung beanspruchen können, sogenannte Allsätze. Dies sind Aussagen über unbegrenzt viele Elemente (vgl. Popper 1967, 34); so wie Naturgesetze, deren Aufgabe darin besteht, Zukunftsprognosen zu ermöglichen, die die Form unbeschränkter Allsätze haben (vgl. Stegmüller 1965, 397 f.). Ihre Gewinnung und Bestätigung ist Aufgabe der Induktion. Allsätze sind immer anfechtbar, da weder alle vergangenen noch irgendein zukünftiger Fall unter einen Allsatz subsumiert werden können. Er kann also nie endgültig bestätigt (verifiziert) werden, jedoch genügt ein einziger Fall, der gegen ihn spricht, um ihn zu widerlegen. Diese Problematik wird als Asymmetrie des Verifizierungsproblems bezeichnet (vgl. Seiffert 1991, 189 und Hofmann 2002, 108). Man braucht jedoch für die Forschungspraxis gar keine absoluten Allsätze, sondern nur Wahrscheinlichkeitssätze, oder statistische Sätze („Teils-teils-Sätze“) (vgl. Seiffert 1991, 187 ff.)[5]. Popper versucht das Problem über die Falsifikation zu lösen.
Bei der Induktion sagt die gewonnene Konklusion (Hypothese) mehr aus als die ihr zugrundeliegenden Prämissen (Protokollaussagen), die Induktion ist also gehaltserweiternd. Dies bringt mit sich, daß sie nicht unbedingt wahrheitskonservierend ist, da auch bei wahren Prämissen die Induktion logisch zu einer falschen Konklusion führen kann (Will 1985, 9).
Popper verwirft die Induktion, da es ihm nicht möglich scheint, ein „Induktionsprinzip auf[zu]stellen, d. h. einen Satz, der gestattet, induktive Schlüsse in eine logisch zugängliche Form zu bringen“ (Popper 1976, 4) Um das Induktionsprinzip zu rechtfertigen, muß man induktive Schlüsse anwenden; dieser Zirkelschluß wird als „unendlicher Regreß“ bezeichnet (ebd.). Bemängelt wird, daß die wenigsten Induktionstheoretiker über die Konzeption des Schlußverfahrens der Induktion überhaupt Rechenschaft ablegen (Riemer 1988, 185).
2.2 Gewinnung und Bestätigung von Theorien
Mit Theorien in Form von Allsätzen sollen Vorhersagen[6] getroffen oder bestehende Gegebenheiten erklärt werden. Es wird die Meinung vertreten, daß es gleichgültig sei, wie man zu einer Theorie gelangt, ob durch sorgfältiges induktives Vorgehen oder durch Raten oder durch einen kühnen Gedanken; nur müssen die logischen Konsequenzen durch Beobachtung bestätigt bzw. der möglichen Widerlegung ausgesetzt werden (vgl. Losee 1977, 133 und Popper 1976, 224).
2.3 Der zweite Obersatz
„The Inductive truth is never the mere sum of the facts. [...] there is a New Element added to the combination.“ (Whewell zit. n. Hofmann 2002, 31) Mit dieser Feststellung, daß in jedem Induktionsschluß noch etwas drittes anwesend ist, das zwischen den Einzelaussagen und der aus ihnen gewonnenen allgemeinen Schlußfolgerung liegt, bahnte Whewell der Etablierung des sogenannten zweiten Obersatzes bzw. dem Induktionsprinzip oder Induktionsaxiom den Weg (vgl. Hofmann 2002, 33), wobei nur die Benennung neu ist, die Sache ist von vorneherein Grundlage jeder Induktion. Mill beschreibt die Funktion dieses zweiten Obersatzes wie folgt: „Der Satz von der Gleichförmigkeit des Naturverlaufs[7] ist das Grundprinzip [...] der Induktion. - Jede Induktion ist ein Syllogismus mit einem unterdrückten Obersatz, eben jenem Grundprinzip.“ (Hofmann 2002, 36) „Oder in Humes Terminologie: behauptet, daß jene Fälle, von denen wir kein Erfahrungswissen haben, wahrscheinlich denen ähnlich sein werden, von denen wir Erfahrungswissen haben.“ (Popper 1976, 319) Goodman verwirft die Verwendung des zweiten Obersatzes (vgl. Hofmann 2002, S. 192).[8]
2.4 Strömungen / Induktionskonzeptionen
2.4.1 Der Empirismus
„Die Newtonianer [...] meinten, wahre Theorien seien unfehlbar [und ausschließlich] aus Tatsachenaussagen beweisbar. [...] für Descartes [...] waren ‚Deduktion’ und ‚Induktion’ gleichbedeutende Ausdrücke; er hielt nicht viel von der aristotelischen Syllogistik und zog Schlüsse vor, die den logischen Gehalt vermehrten. [...] dies ist also die Begründungslogik des klassischen Empirismus [...]: ‚Tatsachenaussagen’ und ihre [...] Konsequenzen sind Erkenntnis, alles übrige ist nichts wert. [...]
Der Fortschritt der Erkenntnis [soll] langsam und vorsichtig von einer bewiesenen Wahrheit zur nächsten gehen, [um zu vermeiden], daß sich Irrtümer halten können. Für den Empiristen im besonderen bedeutet dies, daß man von unbezweifelbaren Tatsachenaussagen [...] schrittweise durch gültige Induktion zu Theorien immer höherer Ordnung [gelangt.] Diese Theorie des ‚induktiven Aufsteigens’ war die methodologische Botschaft Bacons, Newtons und [...] sogar noch Whewells“.
(Lakatos 1982b, 126 f.) Ursprünglich hatte Bacon dem Empirismus den Weg gebahnt in einer „Situation, die allem Forschen abhold war. [...] erhobene Fakten [sollten] nicht vorschnell und unbedacht verwertet werden“[9] (Hofmann 2002, 27), es sollten Gegeninstanzen aufgesucht werden. Dies erscheint beinahe als Vorwegnahme des Falsifikationismus’ (vgl. ebd.). Der frühere Empirismus betonte mit Recht die Leistung der Sinne, aber erkannte nicht die Bedeutung der wissenschaftlichen Einordnung (vgl. Carnap 1998, XVII). Es ist unmöglich, durch reines Nachdenken Gesetze über die wirkliche Welt zu gewinnen (vgl. Stegmüller 1965, 346). Die Induktion wurde als Entdeckungsschluß verstanden, d.h. als Schluß, der neue Gesetzmäßigkeiten erfaßt[10] (vgl. Riemer 1988, 12). Das Ende des (alten) Empirismus wurde eingeläutet, als es Duhem gelang zu zeigen, daß erklärende Theorien Tatsachen korrigierten, „daß sie den ‚Beobachtungsgesetzen’ widersprachen, auf die sie sich nach der Newtonschen induktiven Methode angeblich ‚gründeten’.“ (Lakatos 1982b, 127) Der moderne Empirismus will Wissenschaftlichkeit durch die Forderung gewährleisten, daß alle Behauptungen durch logische Argumente begründbar und intersubjektiv überprüfbar sein müssen (vgl. Stegmüller 1965, 348, 351).
2.4.2 Der Positivismus
Der ältere Positivismus wollte nur solche Begriffe als wissenschaftlich anerkennen, die aus der Erfahrung stammen (vgl. Popper 1976, 9). „Die Beziehungen von Ursache und Wirkung sind Relationen, von denen wir durch Erfahrung und nicht durch abstraktes Schließen und Nachdenken Kenntnis erlangen.“ (Hume 1973, 94, vgl. Hume 1984, 38) Die Wissenschaft ist jedoch kein System von Begriffen, sondern ein System von Sätzen. Der neuere Positivismus will daher (nur) jene Sätze als wissenschaftlich oder legitim anerkennen, die sich logisch auf Wahrnehmungsurteile, Protokollsätze oder ähnliches zurückführen lassen (vgl. Popper 1976, 9 f.). Legitime Wissenschaft solle durch Wahrnehmungsurteile oder ähnliches
[...]
[1] Einschränkend dazu Chalmers: „Wissenschaftliche Erkenntnis ist nicht bewiesenes Wissen, doch sie repräsentiert Wissen, das wahrscheinlich wahr ist.“ (Chalmers 1989, 22)
[2] Chalmers nennt sie Beobachtungsaussagen, Seiffert Protokollsätze (vgl. Seiffert 1991, 158). „Der Terminus stammt von Neurath“ (Popper 1976, 62 f.), auch Carnap verwendet ihn; Popper lehnt Protokollsätze ab (vgl. ebd.)
[3] Eine Hypothese (wörtlich Unterstellung) ist eine Erklärung, mit der vorläufig gearbeitet wird, bis sie erhärtet oder widerlegt ist. (vgl. Seiffert 1991, 158). Sie muß ein allgemeiner Satz sein und nicht nur eine Aussage über individuelle Einzelsachverhalte: Eine Gesetzeshypothese (vgl. Seiffert 1991, 163). Widersprüchlich hierzu: „Hypothesen [...] sind nichts als Aussagen ‚im Aggregatzustand der Vermutung’, wobei es im übrigen völlig gleichgültig ist, ob es sich hierbei um allgemeine oder individuelle Aussagen handelt. Jede bestätigte Hypothese wandelt sich in ein Gesetz oder in einen bestätigten individuellen Satz des jeweils gleichen Wortlautes um.“ (Seiffert 1991, 173)
[4] „Die Theorie ist das Netz, das wir auswerfen, um die Welt einzufangen, - sie zu rationalisieren, zu erklären und zu beherrschen. Wir arbeiten daran, die Maschen des Netzes immer enger zu machen.“ (Popper 1976, 31)
[5] So auch Stegmüller, der diese Sätze durch Induktionsschluß rechtfertigt und mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit gelten läßt (vgl. Stegmüller 1965, 398 f.)
[6] Diesen Prognosen wird nur rein praktischer Wert zugestanden, jedoch keine wissenschaftliche Bedeutung (vgl. Popper 1971, 35). Überhaupt verdient eine Voraussage diesen Namen nur dann, wenn sie über zukünftige Ereignisse genauso präzise Aussagen machen kann wie über vergangene (vgl. Seiffer 1991, 198).
[7] So auch Peirce: „and we simply conclude that future experience will be like the past“ (zit. n. Riemer 1988, 51). Popper kritisch: „Die Möglichkeit der Verallgemeinerung [...] beruht nach Ansicht des Historizismus auf der durchgehenden Gleichförmigkeit der Natur: auf [...] der Annahme, daß unter ähnlichen Umständen ähnliches geschieht.“ (Popper 1971, 6) Und weiter: „Alle wahrscheinlichen Argumente beruhen auf der Voraussetzung, daß es zwischen der Zukunft und der Vergangenheit eine Übereinstimmung gibt, und können daher dieselbe niemals beweisen.“ (Popper 1976, 319)
[8] vgl. 2.4.3 Der Historizismus.
[9] „Man soll also den menschlichen Geist nicht mit Schwingen beflügeln, sondern mit bleiernen Gewichten ihn zurückhalten von allem Sprunge. Geschieht dieses (bisher geschah es nicht), so darf die Wissenschaft hoffen.“ (Bacon 1974, 79)
[10] Heute versteht man Induktionsschlüsse als Bestätigungsschlüsse, es gibt kein induktives Entdeckungsverfahren, worin sich sogar Popper und Carnap einig sind (vgl. Stegmüller 1965, 8).
- Quote paper
- Eike-Christian Kersten (Author), 2004, Worin besteht die Methode der Induktion?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30597
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