Jean Jacques Rousseau schuf mit seinem 1758 veröffentlichten politikphilosophischen Hauptwerk vom "Gesellschaftsvertrag oder den Grundsätzen des Staatsrechts" ein utopisch-revolutionäres Modell vom Menschen in der Gesellschaft.
Die Besonderheit liegt in der Begründung gerechter Herrschaftsverhältnisse, gegründet auf den bürgerlichen Gemeinwillen. Galt noch vor Beginn des Zeitalters der Aufklärung die Berufung auf eine letzte Begründungsinstanz, allen voran der omnipotente Gott oder die Natur, so geht mit Beginn der Moderne die Auffassung einher, dass nur die vertragliche Einigung aufgeklärter Individuen eine gerechte Legitimationsbasis besitzt.
Rousseaus empathischer Freiheitsbegriff ist als Sinnbild einer ganzen Epoche zu betrachten. Das zunehmend aufgeklärte Bürgertum begann individuell zu reflektieren, und oktroyierte Lebensweisen in Frage zu stellen.
Doch ist Rousseau nicht nur als Fürsprecher seiner Generation zu verstehen. Mit seinem Gesellschaftsvertrag, welcher als Leitmotiv seiner politischen Philosophie sowie der vorliegenden Seminararbeit zu betrachten ist, bringt er die Vormoderne gegen die Moderne in Stellung und überwirft sich so mit vielen Prominenten seiner Zeit. Selbst Nietzsche erklärt Rousseau zum "ersten modernen Menschen".
Inspiriert durch die 1749 von der Akademie von Dijon gestellten Preisfrage, die da lautet, ob denn die Wissenschaft und Entfaltung der Künste zur gesellschaftlichen Bereicherung und Lebenssteigerung beigetragen habe, widerspricht Rousseau vehement.
Das Telos der neuzeitlichen Philosophie besteht nicht mehr aus der Untersuchung von guter und schlechter Herrschaft, sondern zielt vielmehr auf die Rechtmäßigkeit von Staat und Gesellschaft ab. Der eigentlichen Beschäftigung der politischen Philosophie der Neuzeit obliegt der kritische Diskurs um Legitimation von Herrschaft generell.
Inhaltsverzeichnis
1. Vormoderne oder Moderne? - Eine Einleitung
2. Der Kontraktualismus der Neuzeit
3. Die menschlichen Natur im Naturzustand
3.1 unter Rousseau
3.2 unter Hobbes
4. Die Vertragstheorie des Jean Jacques Rousseau: ´populus est rex´
4.1 voluntè gènèrale
4.2 contrat social
5. Die Vertragstheorie des Thomas Hobbes: ´rex est populus´
5.1 Von der Anarchie zum Staat: die Erschaffung des Leviathan
6. Fazit
1. Vormoderne oder Moderne? - Eine Einleitung
„Der Mensch ist fei geboren, und überall liegt er in Ketten.“[1]
Jean Jacques Rousseau schuf mit seinem 1758 veröffentlichten politikphilosophischen Hauptwerk vom ´Gesellschaftsvertrag oder den Grundsätzen des Staatsrechts´ ein „utopisch-revolutionäres Modell vom Menschen in der Gesellschaft.“[2]
Die Besonderheit liegt in derBegründung gerechter Herrschaftsverhältnisse, gegründet auf den bürgerlichen Gemeinwillen. Galt noch vor Beginn des Zeitalters der Aufklärung die Berufung auf eine letzte Begründungsinstanz, allen voran der omnipotente Gott oder die Natur, so geht mit Beginn der Moderne die Auffassung einher, dass nur die vertragliche Einigung aufgeklärter Individuen eine gerechte Legitimationsbasis besitzt.
Rousseaus empathischer Freiheitsbegriff ist als Sinnbild einer ganzen Epoche zu betrachten. Das zunehmend aufgeklärte Bürgertum begann individuell zu reflektieren, und oktroyierte Lebensweisen in Frage zu stellen.
Doch ist Rousseau nicht nur als Fürsprecher seiner Generation zu verstehen. Mit seinem Gesellschaftsvertrag, welcher als Leitmotiv seiner politischen Philosophie sowie der vorliegenden Seminararbeit zu betrachten ist, bringt er die Vormoderne gegen die Moderne in Stellung und überwirft sich so mit vielen Prominenten seiner Zeit. Selbst der „Moderne-Hasser Nietzsche erklärt Rousseau zum ´ersten modernen Menschen´.“[3]
Inspiriert durch die 1749 von der Akademie von Dijon gestellten Preisfrage, die da lautet, ob denn die Wissenschaft und Entfaltung der Künste zur gesellschaftlichen Bereicherung und Lebenssteigerung beigetragen habe, widerspricht Rousseau vehement. Entgegen „der Erwartung der Aufklärung, dass der Fortschritt der Wissenschaft und der Künste die sittlichen Verhältnisse der Menschen verbessern werde, [widerlegt er dies] in einer Weise, die mit der gegenwärtigen Skepsis gegenüber den Hoffnungen in eine wissenschaftliche Naturbeherrschung und eine rationale Gestaltung der Gesellschaft eng verwandt ist“[4]
Das Telos der neuzeitlichen Philosophie besteht nicht mehr aus der Untersuchung von guter und schlechter Herrschaft, sondern zielt vielmehr auf die Rechtmäßigkeit von Staat und Gesellschaft ab. Der eigentlichen Beschäftigung der politischen Philosophie der Neuzeit obliegt der kritische Diskurs um Legitimation von Herrschaft generell.
Den Ausgangspunkt bildet das handelnde Subjekt: jenes sich selbst reflektierendes autonomes Individuum.
Im Folgenden soll eine Analyse dessen erfolgen, wie Rousseaus republikanisches Bekenntnis imcontrat socialzur Volkssouveränität und zum Allgemeinwillen (volontè gènèrale) als radikaler demokratieethischer Grundtext zu interpretieren ist. Ziel und Inhalt der vorliegenden Seminararbeit soll nicht von der Theorie der ‚besseren’ Herrschaftslegitimation bestimmt sein; sondern es soll vielmehr versucht werden, eine objektive Gegenüberstellung konträrer Gesellschaftszusammenschlüsse am Beispiel von Rousseaus Gesellschaftsvertrag und Hobbes Leviathan darzustellen.
2. Der Kontraktualismus der Neuzeit
Unter Kontraktualismus sind Vertragstheorien zu verstehen, welche sich „aus „moral-, sozial-, und politikphilosophische Konzeptionen, die die moralische Prinzipien menschlichen Handelns, die rationale Grundlage der institutionellen gesellschaftlichen Ordnung und die Legitimationsbedingungen politischer Herrschaft in einem hypothetischen, zwischen freien und gleichen Individuen in einem wohldefinierten Ausgangszustand geschlossenen Vertrag, erblicken und damit die allgemeine Zustimmungsfähigkeit zum fundamentalen normativen Gültigkeitskriterium erklären.[5]
Die Vorbedingungen des Vertragsschlusses erfolgen zwar nicht immer aus dem selben Motiv, das verlassen des „vorstaatlichen Zustand schlechthin, in dem der Mensch seine ursprünglich gegebene, also ´natürliche’ Situation noch nicht aus der Kraft seiner ratio heraus eigenmächtig umgestaltet, sie noch nicht im Vollzug des staatsbegründenden Aktes durch eine selbstgeschaffene, künstliche ersetzt hat,“[6]ist jedoch allen Vertragstheorien gemein.
Der Zweck der Vereinigung auf freiwilliger Basis dient der Verbesserung primärer Lebensumstände, um „die Bedingungen zu benennen, die staatliche Herrschaftsausübung legitimieren, die den vorfindlichen Staat zu einem rechtmäßigen Staat, die seine Gesetzte zu gerechten Gesetzen machen.“[7]
Oder anders formuliert: für den Kontraktualismus kann rechtmäßige Herrschaft nur aufgrund vertraglicher Einigung unter seinesgleichen erfolgen.
Dem kontraktualistischen Argument des Vertrages liegt ein „voluntaristisches Legitimationskonzept [zu Grunde, wonach] Herrschaftslegitimation durch freiwillige Selbstbeschränkung aus eigenem Interesse unter der Rationalitätsbedingung strikter Wechselseitigkeit“[8]erfolgt.
Um der Abstraktion gerecht zu werden, erfolgt die gedankliche Einführung eines hypothetischen, nicht historischen Zustands, dem Naturzustand. Aus normativ gewonnenen Freiheitsprämissen entsteht das absolute (politische) Ideal. Dies ist der Ort wo gedacht und abstrahiert werden darf - auch wenn die vollständige Transformation in die reale Welt nicht gelingen kann.
Der Vertrag ist doppeldeutig zu begreifen. Zum einen die moralische Legitimität durch den Zusammenschluss Aller, zum anderen instrumentelle Effizienz, mit dem Ziel, die Naturzustandsprobleme zu kompensieren. Das Bewusstsein gegenwärtiger Generationen benötigt ein aneignen vergangener Gestalten des Geistes, um sich dadurch schließlich selbst zu bestimmen. So ist der Kontraktualismus schon bevor sich die bekannten Vertragstheoretiker der Neuzeit auf ihn berufen, bekanntes Modell zur Legitimierung von Herrschaft.
Das moderne Vertragsdenken unterscheidet sich insofern von der Antike, dass die Übereinkunft des Gemeinwesens immer mit einer letzten notwendigen Begründungsinstanz verbunden ist. „Zielte der ´Vertrag´ der feudalen Krönungsidee bzw. des religiösen ´pactum´ darauf ab, ein lange bestehendes, quasi ´natürliches´ Herrschaftsverhältnis erneut zu bestätigen oder zu modifizieren, so wird der ´ursprüngliche´ Vertrag im frühbürgerlichen Denken als ein Medium verstanden, in dem der Konsens ursprünglich gleicher und freier Individuen politische Herrschaft überhaupt erst hervorbringt.“[9]
3. Die menschlichen Natur im Naturzustand
3.1 unter Rousseau
„Vor dem Hintergrund seines Verständnisses von Natur als des Inbegriffes alles Positiven und Göttlichen, das sich freilich nicht der diskursiven Erkenntnis, sondern nur dem Gefühl erschließt, hat Rousseau seine Anthropologie entwickelt, aus der sich wiederum der Kern seines Denkens, die politische Theorie, ergibt.“[10]
Erst durch den fortschreitenden Prozess der Vergesellschaftung entwickelt der Mensch negative Eigenschaften. Durch die unmittelbare Konfrontation mit seinesgleichen, beginnt er sich selbst zu reflektieren. Die Konsequenzen sind bekannt: Eitelkeit, Misstrauen und Rachsucht bestimmen zum Großteil seinen Alltag. „Die Selbstliebe (amour de soi) verliert ihre Naivität und wird zur Eigenliebe (amour propre).“[11]
Beiden Theoretiker teilen die Annahme, dass das genuin Menschliche, also das was sein Wesen als solches erst ausmacht, sich nur im Zusammenleben in der Gemeinschaft entwickeln kann. Diese Vorstellung vom Erreichen der Eudamonia ist nicht neu. Der Ausspruch deszoon politikonwurde bereits im antiken Griechenland durch Aristoteles geprägt. Vereinzelung kann demnach nicht zur Glückseligkeit führen.
Solange der Mensch im Naturzustand verweilt, wird er von seiner individuellen Freiheit nicht Gebrauch machen können.
3.2 unter Hobbes
„Homo homini lupus est“ – der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, bildet das explizite Gegenstück zur aristotelischen und rousseauschen Auffassung eines auf gemeinschaftliche Werte ausgerichteten Menschen.
Im Hobbesschen Naturzustand dominiert nicht die Vereinzelung, sondern permanente Furcht und Angst. Geprägt von Neid und Missgunst sehen sich die Naturzustandsbewohner ständiger Unsicherheit vor Allem und Jedem ausgeliefert.
Von Rousseaus Standpunkt aus scheint Hobbes ein fundamentaler Fehler zu unterlaufen, indem „er den natürlichen mit dem zeitgenössischen Menschen verwechselte: er habe den Menschen als solchen analysieren wollen: in Wirklichkeit sei ihm nur gelungen, das Verhalten des Bourgeois von London oder Paris darzustellen“.[12]
Gerade die Abwesenheit staatlicher Ordnung ist es, welche den Menschen unter das Banner der unkontrollierten Anarchie zwingt. Im Leviathan heißt es dazu: „Wo es kein Mein, das heißt kein Eigentum gibt, keine Gerechtigkeit, und wo keine Zwangsgewalt errichtet wurde, das heißt, wo es keinen Staat gibt, gibt es kein Eigentum, da alle ein Recht auf alles haben.“[13]
Gleichwohl betrachtet Hobbes den Menschen nicht generell als schlechtes Wesen. Allein die Ungewissheit der individuellen Lebenserhaltung zwingt ihn dazu, sich der wölfischen Natur zu bedienen. Es ist der Nutzen das Recht generiert. Ein hypothetischer Kriegszustand unter autonomen Einzelwesen. Die Saat dieses Kriegszustandes ist die natürliche Gleichheit der Interessen und der Güterknappheit welche zwangsläufig zur Konkurrenz und Habgier führt – eine Abkehrung an die aristotelische Moralphilosophie.
Die Tatasche, dass auch im Rousseauschen Naturzustand nichts von dem vorhanden ist, was ein menschliches Leben lebenswert machen könnte, lässt beide zur gleichen Schlussfolgerung verleiten: der Abkehr aus dem Naturzustand. Um die „Sozialdefizite ihrer Natur zu kompensieren, [entsteht unter den Naturzustandsbewohnern, das Bewusstsein aus diesem Kreislauf auszubrechen zu müssen, um ihre] Interessen im Rahmen einer friedlichen, nicht mehr selbsterhaltungsriskanten Konkurrenz zu verfolgen.“[14]
Der Unterschied liegt lediglich in den Bedingungen des Naturzustands. Während sich bei Hobbes die Bürger all ihrer individuellen Rechte und Freiheiten entmündigen und diese auf einen künstlich konzipierten Souverän, den Leviathan übertragen, manifestieren sie nach rousseauschen Modell ihre Partikularinteressen im gemeinsamen Willen, demvolontè gènèrale. Somit reflektiert sich der gemeinsame Wille im Spiegelbild des Souveräns.
[...]
[1] Rousseau, Jean-Jaques;1758; hier in der Auflage 1966: Vom Gesellschaftsvertrag, S.5.
[2] Geyer, Paul; 1997: Die Entdeckung des modernen Subjekts, S.165.
[3] ebd.: S. 161.
[4] Mensching, Günther; 2003: Jean-Jacques Rousseau zur Einführung, S.9.
[5] ebd.: S.36.
[6] Schottky, Richard, 1962: Untersuchungen zur Geschichte der staatsphilosophischen Vertragstheorie im 17. und 18. Jahrhundert, S.59.
[7] Kersting, Wolfgang; 2002: Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag, S.15.
[8] ; Kersting, Wolfgang; 2002: Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag, S.17.
[9] Saage, Richard; 1989: Vertragsdenken und Utopie; S.48.
[10] Mensching, Günther; 2003: Jean-Jacques Rousseau zur Einführung; S.37.
[11] ebd.: S.42.
[12] Saage, Richard; 1989: Vertragsdenken und Utopie; S56.
[13] Hobbes, Thomas; 1651: hier in der Auflage der Form von 1966: Leviathan; S110.
[14] Kersting, Wolfgang, ²2002: Thomas Hobbes zur Einführung; S.109.
- Citar trabajo
- Julian Schütz (Autor), 2008, Die Philosophen Rousseau und Hobbes im Vergleich. Die Entäußerung des Bürgers auf dem Weg zur Freiheit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305440
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