Es werden die möglichen Zusammenhänge zwischen den Dimensionen Organisationaler Gerechtigkeit und individuellem innovativen Verhalten am Arbeitsplatz untersucht. 127 Teilnehmer, die in Organisationen arbeiteten, welche standardisierte Leistungsbeurteilungsgespräche einsetzen, beantworteten eine deutschsprachige Übersetzung des Fragebogens von Colquitt (2001) zur Messung Organisationaler Gerechtigkeit bei Beurteilungsgesprächen. Zusätzlich wurde individuelles innovatives Verhalten sowie mehrere Kontrollvariablen mittels bereits validierten Skalen und einigen eigenentwickelten Fragen operationalisiert. Die Ergebnisse wiesen darauf hin, dass Interpersonale und Prozedurale Gerechtigkeit in einem negativen Zusammenhang mit der Beteiligung am offiziellen Vorschlagswesen stehen, wobei Leader-Member Exchange Quality einen Mediationseffekt auf diese Zusammenhänge ausübt. Gleichzeitig fand sich ein positiver Zusammenhang zwischen Verteilungs-Gerechtigkeit und dem Einbringen von inoffiziellen Verbesserungsvorschlägen am direkten Arbeitsplatz. Kontrollvariablen wie Eigeninitiative, Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung, Ideen haben, und intrinsische Arbeitsmotivation stehen, wie aus Innovationstheorien ableitbar, generell in positivem Zusammenhang zu Aspekten individuellem innovativen Verhaltens. Die praktischen und theoretischen Implikationen dieser Befunde für Gerechtigkeits- und Innovationstheorien werden diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
1 Zusammenfassung/Abstract
2 Einleitung
3 Theorie
3.1 Gerechtigkeitsdimensionen: a) Verteilungs-Gerechtigkeit
3.2 Gerechtigkeitsdimensionen: b) Prozedurale Gerechtigkeit
3.3 Gerechtigkeitsdimensionen: c) Interpersonale Gerechtigkeit
3.4 Gerechtigkeitsdimensionen: d) Informations-Gerechtigkeit
3.5 Die Validität der vier Gerechtigkeitsdimensionen
3.6 Wie wirkt Organisationale Gerechtigkeit?
3.6.1 Das Verteilungs-Dominanz Modell
3.6.2. Das „Group-Value“-Modell
3.6.3 Das 2-Faktor Modell
3.6.4 Das Agent-System Modell
3.7 Organisationale Gerechtigkeit und Ergebnisse
3.7.1 Verteilungs-Gerechtigkeit beeinflusst affektive Reaktionen auf Ergebnisse
3.7.2 Prozedurale Gerechtigkeit beeinflusst Verhalten gegenüber der Organisation
3.7.3 Interpersonale und Informations-Gerechtigkeit beeinflussen Reaktionen gegenüber Vorgesetzten
3.8 Begründung dieser Studie
3.9 Definition von Innovation
3.10 Strömungen in der Innovationsforschung
3.11 Innovationsförderliche und –hinderliche Faktoren
3.11.1 Innovationsförderliche Personenmerkmale
3.11.2 Innovationsförderliche Arbeitsplatzmerkmale
3.11.3 Innovationsförderliche Arbeitsgruppen- und Führungsmerkmale
3.11.4 Innovationsförderliche Organisationsmerkmale
3.12 Gebert’s Ansatz zur Entstehung von Innovationen
4 Hypothesen
4.1. Hypothese
4.1.1 Hypothese 1a
4.1.2 Hypothese 1b
4.2 Hypothese
4.3 Tabellarische Übersicht der Hypothesen
5 Methoden
5.1. Design
5.2 Stichprobe
5.3 Messinstrumente
5.4 Messung der Hauptvariablen
5.4.1 Gründe für die Operationalisierung von individuellem innovativen Verhalten
5.5 Messung von Kontrollvariablen
5.6 Durchführung
6 Ergebnisse
6.1 Ausreißeranalyse
6.2 Überblick der Auswertungsmethoden
6.3 Grundlegende Vorgehensweise bei der Hauptkompontenanalyse
6.3.1 Ergebnisse der explorativen Hauptkomponentenanalyse
6.3.2 Ergebnisse der rotierten Hauptkomponentenanalyse
6.4 Unterschiede zwischen demographischen Gruppen
6.4.1 Grundlegende Vorgehensweise bei t-tests
6.4.2 Grundlegende Vorgehensweise bei ANOVA
6.4.3 Ergebnisse bezüglich Unterschiede zwischen demographischen Gruppen
6.5 Grundlegende Vorgehensweise zur Überprüfung von Hypothesen 1a und 1b
6.5.1 Ergebnisse der bivareaten Korrelationsanalysen
6.5.2 Überprüfung der Korrelationsanalyse bezüglich Hypothesen 1a und 1b
6.5.3 Weitere Ergebnisse der Korrelationsanalyse
6.6 Grundlegende Vorgehensweise bei den linearen Regressionsanalysen
6.6.1 Abschließende Überprüfung der Hypothesen 1a, 1b und
6.6.2 Detaillierte Ergebnisse zu den Prädikatoren einzelner Aspekte individueller Innovation
6.7 Tabellarischer Überblick der Ergebnisse hinsichtlich den Hypothesen
7 Diskussionsteil
7.1 Interpretation der Ergebnisse
7.1.1 Interpersonale Ungerechtigkeit und das Einreichen offizieller Vorschläge
7.1.2 Verteilungs-Gerechtigkeit und „inoffiziell“ eingereichte Vorschläge
7.1.3. Die Ergebnisse in Bezug auf bekannte Innovationstheorien
7.2 Einschränkungen: Diskussion von Validitäts- und Reliabilitätsaspekten
7.2.1 Schwachstellen bei der Messung individueller Innovation
7.2.2 Schwachstellen bei der Operatonalisierung von Gerechtigkeit
7.2.3 Einschränkungen über das Ausmaß an Bedeutung von Gerechtigkeit für den Prozess der individuellen Innovation
7.3 Künftige Forschungsfragen bezüglich Gerechtigkeit und Innovation
7.4 Bedeutung der Ergebnisse für verschiedene Interessensgruppen
7.4.1 Bedeutung der Ergebnisse für die akademische Forschung
7.4.2 Bedeutung der Ergebnisse für Organisationsentwickler
7.4.3 Bedeutung der Ergebnisse für Innovationsmanagement
7.5 Fazit
8 Literaturliste
9 Anhang
9.1 Anhang I: Deckblatt des Fragebogens dieser Studie
9.2 Anhang II: Gesamtfragebogen dieser Studie
9.3. Personal Statement
1 Zusammenfassung
Es werden die möglichen Zusammenhänge zwischen den Dimensionen Organisationaler Gerechtigkeit und individuellem innovativen Verhalten am Arbeitsplatz untersucht. 127 Teilnehmer, die in Organisationen arbeiteten, welche standardisierte Leistungsbeurteilungsgespräche einsetzen, beantworteten eine deutschsprachige Übersetzung des Fragebogens von Colquitt (2001) zur Messung Organisationaler Gerechtigkeit bei Beurteilungsgesprächen. Zusätzlich wurde individuelles innovatives Verhalten sowie mehrere Kontrollvariablen mittels bereits validierten Skalen und einigen eigenentwickelten Fragen operationalisiert. Die Ergebnisse wiesen darauf hin, dass Interpersonale und Prozedurale Gerechtigkeit in einem negativen Zusammenhang mit der Beteiligung am offiziellen Vorschlagswesen stehen, wobei Leader-Member Exchange Quality einen Mediationseffekt auf diese Zusammenhänge ausübt. Gleichzeitig fand sich ein positiver Zusammenhang zwischen Verteilungs-Gerechtigkeit und dem Einbringen von inoffiziellen Verbesserungsvorschlägen am direkten Arbeitsplatz. Kontrollvariablen wie Eigeninitiative, Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung, Ideen haben, und intrinsische Arbeitsmotivation stehen, wie aus Innovationstheorien ableitbar, generell in positivem Zusammenhang zu Aspekten individuellem innovativen Verhaltens. Die praktischen und theoretischen Implikationen dieser Befunde für Gerechtigkeits- und Innovationstheorien werden diskutiert.
Abstract
Possible connections between the dimensions of Organizational Justice and individual innovative behavior at the workplace are examined. 127 participants working in organizations using standardized performance evaluation conversations answered a German translation of a questionnaire by Colquitt (2001) for the measurement of Organizational Justice during evaluation conversations. Additionally, individual innovative behavior as well as several control variables were operationalized via validated scales and some self-developed questions. Results indicate that Interpersonal and Procedural Justice display a negative connection with participation in official suggestion systems, with Leader-Member Exchange Quality exerting a mediating effect on these connections. Simultaneously, a positive connection was found between Distributive Justice and the contribution of unofficial improvement suggestions at the direct workplace. Control variables such as Self-Initiative, need for personal development, having Ideas and intrinsic work motivation were found to be in a generally positive relationship to aspects of individual innovative behavior, as was deducible from innovation theory. Implications of these results for theories of justice and innovation will be discussed.
Organisationale Gerechtigkeit und innovatives Verhalten in Organisationen
2 Einleitung
In den letzten Jahren sind sowohl Gerechtigkeit wie auch Innovation zu wichtigen Forschungsgebieten der Sozialwissenschaften geworden. Gerechtigkeit wird dabei nicht als objektiv greifbares Konzept betrachtet. Vielmehr handelt es sich um ein gesellschaftliches und soziales Konstrukt, welches subjektiv wahrgenommen und empfunden wird. Die individuelle Wahrnehmung von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit ergibt sich durch die soziale Interaktion mit anderen Individuen, Gruppen und Organisationen. Einige Forscher sehen den Wert der Gerechtigkeitsforschung darin, dass Gerechtigkeit eine wichtige gesellschaftliche Vermittlungsfunktion übernimmt, da das Streben nach Gerechtigkeit Menschen und Gruppen überhaupt erst erlaube, miteinander zu interagieren, ohne dass es zu Konflikten und einem gesellschaftlichen Zusammenbruch kommt (Tyler, 2000). Damit ist das Konzept der Gerechtigkeit jedoch nur dann von Nutzen, wenn die Mehrzahl von Gruppen- oder Organisationsmitgliedern Gerechtigkeit ähnlich definieren. Gerechtigkeit ist nur dann gesellschaftsstabilisierend wenn Menschen eine globale Form von Gerechtigkeit verfolgen, und Gerechtigkeit nicht nur für sich Selbst oder ihre eigene Gruppe geltend machen.
Laut Colquitt (2001) hat die Forschung über Gerechtigkeitswahrnehmungen den zusätzlichen Wert, dass damit ein Konzept erforscht wird, über das sich Menschen im täglichen Leben ständig Gedanken machen würden. Die Frage, ob Entscheidungen auf eine gerechte Art- und Weise gefällt werden beschäftigt Menschen und Gruppen. Wie die Gerechtigkeitsforschung nachweisen kann, üben diese Gerechtigkeitswahrnehmungen und –Empfindungen wiederum großen Einfluss auf Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitgliedern sozialer Gruppen aus. Gerechtigkeitswahrnehmungen sind ein Faktor, welche Einstellung und Verhalten gegenüber Personen, Familien, Teams und Nationen prägen (Tyler, Degoey & Smith, 1996). Bemühungen, den Einfluss von Gerechtigkeit auf unterschiedliche Ergebnisse innerhalb von Organisationen zu erklären, werden unter der Rubrik Organisationale Gerechtigkeit als Forschungsgebiet zusammengefasst.
Innovation ist vor allem deswegen ein populäres psychologisches Forschungsgebiet geworden, weil Innovationen für den ökonomischen Erfolg von Unternehmen von zentraler Bedeutung sind (Guldin, 2001), gerade auch in Deutschland, einem Wirtschaftsstandort, dessen Unternehmen seit mehreren Jahren mit Firmen konfrontiert sind, welche nicht nur kostengünstiger produzieren, sondern auch die Ergebnisse technischer und organisationaler Entwicklungen schneller und effektiver nutzen (Kauffeld, Jonas, Grote & Frey, 2002). Es ist allgemein anerkannt, dass das Fundament von Innovationen aus Ideen besteht, und dass es Menschen sind, welche Ideen „entwickeln, tragen, darauf reagieren und modifizieren“ (Van de Ven, 1986, S. 592). Die Frage, wie individuelle Innovativität motiviert und/oder gefördert werden kann, ist in Zeiten des globalen Wettbewerbs für fast alle Unternehmen in Wettbewerbssituationen immens wichtig. Deswegen erscheint es sinnvoll, das Forschungsgebiet Gerechtigkeit mit dem Thema Innovation zu verbinden. Gerechtigkeit hat nachweislich kausalen Einfluss auf das Verhalten von Organisationsmitgliedern, unter anderem auf Regeleinhaltung, Leistung und kontraproduktives Arbeitsverhalten (Colquitt, 2001). Betrachtet man Ideengenerierung und das Einreichen von Verbesserungsvorschlägen als Verhalten, so ist der Gedanke, dass Gerechtigkeit damit auch auf individuelle Innovation und Ideengenerierung einen Einfluss hat, naheliegend.
Im nachfolgenden Teil soll zuerst das Konstrukt Gerechtigkeit und daraufhin das Forschungsgebiet Innovation ausführlicher dargestellt werden. Dabei wird geklärt, welche Arten von Gerechtigkeit bisher bereits erforscht wurden und zu welchen organisationalen Ergebnissen diese Gerechtigkeitsarten führen. Anschließend wird der Begriff Innovation definiert, und geklärt, bezüglich welcher Phase des Innovationsprozesses diese Studie Aussagen macht. Daraus heraus ergeben sich dann die Hypothesen dieser Studie.
3 Theorie
3.1 Gerechtigkeitsdimensionen: a) Verteilungs-Gerechtigkeit
Die wissenschaftliche Forschung zum Thema Gerechtigkeit begann mit dem Konstrukt der Verteilungs-Gerechtigkeit („Distributive Justice“; Adams, 1965; Deutsch, 1975; Leventhal, 1976). Verteilungs-Gerechtigkeit beschäftigt sich mit der Frage, ob Ergebnisse und/oder Ressourcen gerecht oder ungerecht verteilt werden (Tyler, 2000). So war beispielsweise eine auf der Equity-Theorie (Adams, 1965) aufgebaute Hypothese, dass Verteilungsgerechtigkeit dann empfunden werden würde, wenn Menschen den subjektiven Eindruck hätten, dass die ihnen zugewiesenen Ergebnisse/Belohnungen proportional zu ihren tatsächlichen Beiträgen und Leistungen stünden. Leventhal ging in seiner Equality-Theorie (1976) ferner davon aus, dass Menschen ihre Entscheidung, ob Verteilungs-Gerechtigkeit vorliegt oder nicht, nach impliziten Kriterien von Gleichheit und Bedarf richten, d.h., dass beispielsweise ungerechte Verteilung von Ressourcen eventuell akzeptiert wird, wenn der/die Ressourcennehmer stark bedürftig ist oder sind. Beide Theorien haben gemeinsam, dass Menschen Verteilungsgerechtigkeit nach impliziten Normen zusprechen.
Die wissenschaftliche Forschung verdeutlichte jedoch, dass Verteilungs-Gerechtigkeit ein nur bedingt nützliches Konstrukt für das Vorhersagen von Ergebnis-Zufriedenheit darstellt. Zwar hat Verteilungs-Gerechtigkeit einen Effekt auf Variablen wie Zufriedenheit mit Bezahlung oder Beförderung; es eignet sich jedoch wenig als Mittel zur Resolution von Konflikten, da Menschen dazu neigen, die Wichtigkeit ihrer eigenen Beiträge zu überschätzen und zu übertreiben, und es somit fast nie möglich ist, Ressourcen oder Belohnungen so zu verteilen, dass sich wirklich alle gerecht behandelt fühlen (Tyler, 2000). Verteilung scheint nicht der wesentliche Faktor zu sein, der Menschen in ihren Interaktionen mit anderen zufrieden oder unzufrieden stellt. Menschen erleben Gerechtigkeit größtenteils über eine Bewertung der Art- und Weise wie sie sich von Einzelnen, Gruppen und Organisationen behandelt fühlen, u.a. inwiefern sie sich höflich und zuvorkommend behandelt fühlen (Messick, Bloom, Boldizar & Samuelson, 1985; Mikula, Petri & Tanzer, 1990).
3.2 Gerechtigkeitsdimensionen: b) Prozedurale Gerechtigkeit
Aus diesen Erkenntnissen heraus entwickelte sich das zweite Gerechtigkeits-Konstrukt, die sogenannte Prozedurale Gerechtigkeit. Hier geht es um die subjektiv empfundene Gerechtigkeit des Entscheidungs- Prozesses, an dessen Ende ein Ergebnis steht (Leventhal, 1980). Wie Lind und Tyler (1988) nachweisen konnten, stellt die wahrgenommene Fairness[1] eines Entscheidungsprozesses oftmals den wichtigsten Faktor dar, aus dem Menschen ihre subjektive Meinung über Gerechtigkeit ziehen. Prozedurale Gerechtigkeit existiert für die meisten Menschen dann, wenn normativ akzeptierte Prinzipien erfüllt werden. Das erste Konzept, mit der diese Prinzipien zusammengefasst wurden, stammt von Thibaut und Walker (1975). Laut diesen gibt es zwei Kriterien die erfüllt werden müssen: erstens Prozess-Kontrolle (Process control), d.h.: die Möglichkeit einer Einflussnahme auf das angewandte Entscheidungsfindungs-Verfahren; und zweitens Entscheidungs-Kontrolle (Decision control), d.h.: die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Entscheidung an sich. Leventhal (1980) nennt als Bedingungen prozeduraler Gerechtigkeit folgende 6 Prinzipien:
1) Konsistenz (Consistency) – d.h. das Prozesse und Verfahren zur Entscheidungsfindung bei allen Personen und zu allen Zeiten gleich angewandt werden.
2) Unterdrückung von Voreingenommenheit (Bias suppression) – wird erfüllt wenn die persönlichen Interessen des Entscheiders den Prozess der Entscheidungsfindung nicht beeinflussen.
3) Genauigkeit (Accuracy) – wenn der/die Entscheider während des Prozesses akkurate Informationen suchen und nutzen.
4) Nachbesserungsmöglichkeit (Correctability) – ist erfüllt wenn die Möglichkeit besteht, ungerechte Entscheidungen zu revidieren.
5) Gesamtvertretung (Representativeness) – die Bedürfnisse, Werte und Ansichten aller am Prozess beteiligten Parteien müssen berücksichtigt werden.
6) Ethik (Ethicality) – Entscheidungen müssen laut den moralischen und ethischen Werten der Betroffenen nachvollziehbar sein.
Tyler (u.a. 2000) hat ebenfalls ein Modell entwickelt, um zu erklären, nach welchen Regeln Menschen einen Prozess als gerecht erleben. Er geht von vier zu erfüllenden Faktoren aus:
1) Teilnahme-Möglichkeiten (Voice) – wird erfüllt, wenn die am Prozess Beteiligten die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu äußern, insbesondere wenn eine solche Äußerung das endgültige Ergebnis beeinflusst (Shapiro & Brett, 1993), aber auch dann wenn die Äußerung lediglich zur Kenntnis genommen wird (Lind, Kulik, Ambrose & de Vera Park, 1990). Das bedeutet, „Voice“ ist erfüllt, wenn Beteiligte ihre Meinung äußern können, unabhängig davon, ob dies einen Einfluss hat oder nicht.
2) Neutralität (Neutrality) – damit gemeint sind die Ehrlichkeit, Unvoreingenommenheit und Objektivität der entscheidenden Autoritäten.
3) Vertrauenswürdigkeit der Autorität (Authority trustworthiness) – der wesentliche der vier Faktoren: inwiefern die entscheidenden Autoritäten als wohlwollend, sorgsam, mit der Situation, den Bedürfnissen und Befürchtungen beschäftigt zu sein scheinen, inwiefern sie den Argumenten zuhören, und versuchen, korrekt und gerecht zu handeln. Während die Autorität sich bezüglich Regeln möglichst neutral verhalten sollte, sollte sie sich bezüglich Beziehungen möglichst vertrauenswürdig verhalten.
4) Würde- und respektvolle Behandlung (Treatment with dignity and respect) – ist erfüllt, wenn die Autoritäten während des Prozesses die Rechte, den Status und die Rollen der Beteiligten respektieren und würdigen.
3.3 Gerechtigkeitsdimensionen: c) Interpersonale Gerechtigkeit
Aus dem 2-Faktoren Modell von Gerechtigkeit wurde mit der Einführung des Faktors Interaktions-Gerechtigkeit (Bies & Moag, 1986) ein 3-Faktoren Modell. Interaktions-Gerechtigkeit beschäftigt sich mit der subjektiv empfundenen Qualität der Behandlung während eines Entscheidungsprozesses und/oder wenn Prozesse implementiert werden. Es geht also hauptsächlich darum, wie Führungskräfte (oder diejenigen, die Ressourcen und Belohnungen kontrollieren) sich dem „Gerechtigkeits-Empfinder“, d.h. Betroffenen gegenüber verhalten (Cohen-Charash & Spector, 2001). Interaktions-Gerechtigkeit steht in Bezug zu den Aspekten des Kommunikations-Prozesses, welche zwischen dem Gerechtigkeits-Geber und Empfänger ablaufen, z.B. Höflichkeit, Ehrlichkeit und Respekt (Bies & Moag, 1986; Tyler & Bies, 1990).
Die Bewertung von Interaktions-Gerechtigkeit ergibt sich aus dem in Betrachtziehen zweier Faktoren: erstens, der Richtigkeit einer Behandlung (d.h. inwiefern diese auf korrekten Informationen beruht) und zweitens der interpersonalen Sensibilität des Gerechtigkeitsgebers (Greenberg, 1993a). Obwohl diese beiden Faktoren sich sehr ähnlich seien, führten sie doch zu unterschiedlichen Reaktionen oder Ausprägungen an Reaktionen. Der Begriff Interaktions-Gerechtigkeit kann als Überbegriff für Interpersonale und Informations-Gerechtigkeit gelten (Greenberg, 1993a; Colquitt, 2001). Mit interpersonaler Gerechtigkeit gemeint ist ausschließlich das Ausmaß an Höflichkeit, Ehrlichkeit und Respekt, mit dem Menschen während eines Entscheidungsprozesses von Autoritäten und Personen behandelt werden.
3.4 Gerechtigkeitsdimensionen: d) Informations-Gerechtigkeit
Laut Greenberg`s (1993a) Definition ist Informations-Gerechtigkeit dann erfüllt, wenn Autoritäten Informationen und Erklärungen über Prozesse, Gründe für ihre Anwendung und Gründe für die endgültigen Entscheidungen in angemessener Weise an die Betroffenen weitergeben. Beispielsweise besteht Informations-Ungerechtigkeit dann, wenn Entscheidungen kommuniziert werden, die auf mangelhaften Informationen beruhen, anonym und von unqualifizierten Entscheidungsträgern getroffen wurden, und nicht mehr verifizierbar sind (Greenberg, 1993a).
Nach Meinung Colquitt’s (2001) haben knapp 30 Jahre Forschung damit vier Gerechtigkeitsdimensionen nachweislich bestimmt: Verteilungs-, Prozedurale, Interpersonale und Informations-Gerechtigkeit, welche zusammengefasst unter dem Begriff Organisationale Gerechtigkeit in wachsendem Ausmaß erforscht werden.
3.5 Die Validität der vier Gerechtigkeitsdimensionen
Das Forschungsgebiet Organisationale Gerechtigkeit beschäftigt sich mit unterschiedlichen Fragestellungen. Zum einen war lange Zeit unklar, inwiefern und ob überhaupt die zwei, drei, oder vier Arten von Gerechtigkeit nachweisbar eigenständige Faktoren darstellen. Einige Studien wiesen extrem hohe Korrelationen zwischen Verteilungs- und Prozedurale Gerechtigkeit auf (z.B. fanden Sweeney und McFarlin, 1997 eine unkorrigierte Korrelation von .72; Welbourne, Balkin und Gomez-Meija, 1995 eine unkorrigierte Korrelation von .74) was dazu führte, dass einige Autoren Organisationale Gerechtigkeit als ein einziges Konstrukt ansehen (z.B. Cropanzano & Ambrose, 2001).
Viele Forscher (u.a. Colquitt, 2001) sahen als Hauptproblem in der Debatte einen Mangel an standardisierten und validierten Messinstrumenten, um die verschiedenen Gerechtigkeitsformen zu operationalisieren. So hätten viele der in der Vergangenheit eingesetzten Messinstrumente prozedurale Elemente und interpersönliche Elemente in einer Skala zusammengefasst (z.B. Folger & Konovsky, 1989; Mansour-Cole & Scott, 1998), was den Eindruck erwecke, als sei es unmöglich die strukturellen und interpersönlichen Aspekte eines Prozesses zu trennen (Colquitt, Conlon, Wesson, Porter und Ng, 2001). Auch war die darauffolgende Frage, ob und inwiefern Interpersonale und Informations-Gerechtigkeit von einander unabhängig seien, lange offen.
In zwei Meta-Analysen (Cohen-Charash & Spector, 2001; Colquitt et al., 2001) wird ein Großteil der oben beschriebenen Fragen der Konstrukt-Validität geklärt. So konnte in beiden Meta-Analysen die Unabhängigkeit der Faktoren Verteilungs-, Prozedurale und des Oberbegriffs Interaktions-Gerechtigkeit nachgewiesen werden. Zwar wurden hohe Korrelationen zwischen den Gerechtigkeitsdimensionen gefunden, jedoch nicht so hohe, dass man die Dimensionen als multiple Indikatoren eines Gesamt-Konzeptes anzusehen habe (Colquitt et al., 2001). Die unkorrigierten Korrelationen schwankte zwischen .38, zwischen Verteilungs- und Interpersonaler Gerechtigkeit und .57 zwischen Interpersonaler und Informations-Gerechtigkeit (Colquitt et al., 2001). Die Cohen-Charash Meta-Analyse untersuchte von vornherein nur die Validität des 3-Faktoren Modells, konnte diese aber genauso bestätigen. Die dort vorgefundenen Korrelationen schwankten zwischen .46, zwischen Verteilungs- und Interaktions-Gerechtigkeit in Feldstudien und .62 zwischen Verteilungs- und Prozeduraler Gerechtigkeit in Laboruntersuchungen. Generell zeigte sich, dass die Unterscheidung zwischen den drei Dimensionen bei Feldstudien leicht, aber nicht signifikant höher ausfällt als bei Laboruntersuchungen.
Colquitt (2001) entwickelte außerdem ein Messinstrument, welches die vier Gerechtigkeits-Dimensionen separat operationalisiert. Dieses Instrument wurde in zwei groß angelegten Feldstudien mit Studenten, sowie Mitarbeitern eines Automobilzulieferers getestet und validiert. Mittlerweile existiert davon auch eine empirisch geprüfte deutsche Version, welche in einer weiteren Feldstudie (Wassmer, in Vorg.) überprüft wird.
Colquitt et al. (2001) kritisieren weiterhin, dass die Messung der Gerechtigkeits-Dimensionen oftmals unzureichend durchgeführt werde; so gäbe es Instrumente, welche Interaktions-Gerechtigkeit konträr zu den ursprünglichen Inhalten operationalisieren (z.B. Moorman, 1991). Dies hätte nicht nur zur Folge, dass die Gerechtigkeits-Dimensionen künstlich hohe Interkorrelationen aufwiesen, sondern auch, dass die möglicherweise unterschiedlichen Effekte auf Verhalten und Einstellungen des Gerechtigkeits-Empfängers nicht klar genug trennbar sind.
3.6 Wie wirkt Organisationale Gerechtigkeit?
Um zu erklären warum und wie Organisationale Gerechtigkeit, bzw. die vier Dimensionen Organisationaler Gerechtigkeit, die Einstellungen und das Verhalten von Menschen beeinflussen, gibt es verschiedene theoretische Ansätze. Die wichtigsten vier werden hier erläutert. Dabei handelt es sich um das Verteilungs-Dominanz Modell (Leventhal, 1980), das „Group-Value“-Modell (Lind & Tyler, 1988), das Zwei-Faktor Modell (Sweeney und McFarlin, 1993), und das Agent-System Modell (Masterson, Lewis, Goldman & Taylor, 2000).
3.6.1 Das Verteilungs-Dominanz Modell
Welche der vier Gerechtigkeitsdimensionen die größte Aussagekraft hinsichtlich organisationaler Ergebnisse hat, wird weiterhin intensiv erforscht. Leventhal (1980) postuliert, dass Verteilungs-Gerechtigkeit generell stärkere Auswirkungen auf organisationale Effekte haben würde als prozedurale Gerechtigkeit, und dass die Wahrnehmung der Verteilungs-Gerechtigkeit einen insgesamt stärkeren Einfluss auf die Gesamt-Wahrnehmung der Organisationalen Gerechtigkeit haben würde. Eine experimentelle Laboruntersuchung Greenberg’s (1993b) verdeutlicht beispielsweise, welche Folgen Verteilungs-Ungerechtigkeit nach sich ziehen kann. In dieser Studie wurde Probanden, denen 5 Dollar für ihre Teilnahme an einem psychologischen Experiment versprochen wurde, plötzlich erklärt, dass sie statt der versprochen 5 nur noch 3 Dollar ausgezahlt bekämen. Greenberg (1993b) konnte nachweisen, dass diese Teilnehmer darauf hin deutlich mehr stahlen. Zwar wurden alle Teilnehmer angewiesen, sich aus einem von einem scheinbar „zerstreuten“ Forschungsassistenten auf den Tisch geworfenen Haufen Geld den richtigen Betrag herauszunehmen. Aber Teilnehmer, denen die Verteilungs-Ungerechtigkeit (bei gleichzeitiger Interaktions-Ungerechtigkeit) widerfahren war, nahmen sich im Vergleich zu Gruppen mit anderen Gerechtigkeitsmanipulationen signifikant mehr, als ihnen zustand. Damit bestätigte Greenberg im Labor das vorherige Ergebnis einiger Felduntersuchungen (u.a. Greenberg 1990), wonach Diebstahl am Arbeitsplatz häufig als Reaktion auf Verteilungs-Ungerechtigkeit anzusehen ist, und illustrierte zudem, dass auch andere Gerechtigkeitsdimensionen bezüglich Diebstahl eine Rolle spielen.
Andere Forschungsergebnisse, z.B. von Conlon (1993) demonstrierten, dass die wahrgenommene Verteilungs-Gerechtigkeit bei der Gesamtbeurteilung eines Gerichtshofes als „fair“ oder „unfair“ einen größeren Anteil der Varianz erklärte als die wahrgenommene prozedurale Gerechtigkeit. Somit würde Verteilungs-Gerechtigkeit laut Leventhal (1980) stets dominieren, d.h. diese Gerechtigkeitsdimension erkläre den Hauptteil der jeweils wahrgenommen organisationalen Gerechtigkeit, da Menschen primär damit beschäftigt seien, zu analysieren, inwiefern das Endergebnis eines Entscheidungsprozesses im Vergleich zu dem, was andere bekommen, fair sei.
Allerdings wiesen andere Studien eher auf eine Dominanz von Prozeduraler Gerechtigkeit hin. So zeigte eine Regressionsanalyse in einer Felduntersuchung von Alexander und Ruderman (1987), dass prozedurale Gerechtigkeit mit vier von fünf Ergebnissen stärker in Zusammenhang steht als Verteilungs-Gerechtigkeit. Auch Tyler (2000) ist von einer übergeordneten Wichtigkeit von Verteilungs-Gerechtigkeit nicht überzeugt – demnach ist Verteilungs-Ungerechtigkeit nicht der wesentliche Faktor, welcher Unzufriedenheit am Arbeitsplatz voraussage. Seit diesen Erkenntnissen hat das Verteilungs-Dominanz Modell erheblich an Bedeutung verloren. Benutzt wird der Ansatz jedoch weiterhin, unter anderem von Gebert und von Rosenstiel (1996), um zu erklären, warum Leistung auch abhängig von der Form der verteilten Belohnung sei.
3.6.2. Das „Group-Value“-Modell
Laut dem “Group-Value”-Modell, von Lind und Tyler (1988) erstmals entwickelt, ist prozedurale Gerechtigkeit die wichtigste Gerechtigkeitsdimension, da sie Menschen über ihre soziale Verbindung zu einer Gruppe und zu Gruppenautoritäten informiere. Das Modell postuliert, dass faire Behandlung und fair getroffene Entscheidungen Gruppenmitgliedern zwei wichtige symbolische Botschaften kommuniziert (Tyler et al., 1996). Erstens vermittelt uns gerechte Behandlung, dass wir innerhalb einer Gruppe eine positive und wichtige Rolle spielen (Tyler, 1994; Tyler & Lind, 1992). Zweitens seien gerechte oder ungerechte Entscheidungsfindungsprozesse auch Indiz dafür, ob Individuen stolz auf ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe sein können (Deutsch & Steil, 1988). So ziehen US-Amerikanische Staatsbürger großen Stolz daraus, dass sie die Prozesse ihres demokratischen Rechtssystems als gerechter als die vieler andere Nationen empfinden, und aus gerecht wahrgenommenen Prozessen entwickelt sich Nationalstolz (Tyler et al., 1996).
Die durch gerechte Behandlung entstandenen Gefühle von Stolz auf, und Respekt vor, Autoritäten, führen demnach zu Verhaltensweisen, die der größeren Gruppe dienen. Diese Hypothese knüpft an „Social Identity Theory“ (Tajfel & Turner, 1986) an, wonach Menschen, die sich mit ihrer Gruppe identifizieren, die Interessen ihrer Gruppe als ihre eigenen internalisieren (Brewer & Kramer, 1986). Von daher führe Prozedurale Gerechtigkeit zu höherer Regeleinhaltung, höherer Gruppenbindung und überdurchschnittlicher Anstrengung, der Gruppe zu helfen (Tyler et al. 1996). Letztere Aussage bietet bereits einen Ansatz, um Gerechtigkeit und Innovation miteinander zu verbinden, da Innovationen für Organisationen zur Sicherung des eigenen Fortbestehens so immens wichtig sind.
Dem Group-Value Modell nahe ist die sogenannte Norm der Reziprozität, die davon ausgeht, dass die gerechte Verteilung von Ressourcen und Arbeitsergebnissen Mitarbeitern signalisiert, dass ihre Bemühung geschätzt wird und sich ihre Organisation um sie kümmert. Damit seien Mitarbeiter automatisch motivierter, auch ihre Organisation gerecht zu behandeln. Höhere Leistung sei eine Möglichkeit, der Organisation gegenüber etwas zurückzugeben, daher führe Gerechtigkeit auch zu besserer Leistung (Konovsky & Cropanzano, 1991).
3.6.3 Das 2-Faktor Modell
In jüngerer Zeit wurde mehrfach argumentiert, dass Verteilungs-Gerechtigkeit spezifische, personenbezogene Ergebnisse (z.B. Zufriedenheit mit einer Gehaltserhöhung oder einer Leistungsbeurteilung) beeinflusse (Colquitt et al., 2001), während prozedurale Gerechtigkeit die Bewertung des Gesamtsystems und von Autoritäten beeinflusse (Greenberg, 1993c, Lind und Tyler, 1988). Dieses Modell wurde von Sweeney und McFarlin (1993) getestet. Sie gingen davon aus, dass Prozedurale Gerechtigkeit primär systembezogene Ergebnisse, und Verteilungs-Gerechtigkeit primär personenbezogene Ergebnisse voraussagen würde, und sahen ihre Hypothesen generell bestätigt. So wiesen sie einen Zusammenhang zwischen Verteilungs-Gerechtigkeit, Gehaltszufriedenheit und Arbeitsplatzzufriedenheit; und einen Zusammenhang zwischen Prozeduraler Gerechtigkeit, Bindung an die Organisation und Bewertung des Managements nach (McFarlin & Sweeney, 1992). Der Beitrag der Zwei-Faktor Theorie in der Debatte über die Wichtigkeiten der unterschiedlichen Gerechtigkeitsdimensionen war, dass der Forschungsfokus nun primär darauf gerichtet war, verstehen zu lernen, mit welchen organisationalen Ergebnissen jede der Gerechtigkeitsdimensionen in Verbindung steht, und der Fokus nicht länger alleine darauf gerichtet war, zu entscheiden, welche Gerechtigkeitsdimension die wichtigste sei.
3.6.4 Das Agent-System Modell
Ein viertes Modell von Masterson et al. (2000) integrierte die dritte Gerechtigkeitsdimension Interaktions-Gerechtigkeit mit ein, ohne zwischen Interpersonaler und Informations-Gerechtigkeit zu differenzieren. Dieses Modell geht davon aus, dass es in Organisationen zwei Arten von Beziehungsaustausch gibt: als Mitarbeiter tauscht man sich sowohl mit seiner direkten Führungskraft, wie auch mit der Gesamtorganisation aus. Eine Feldstudie (Masterson et al., 2000) deutete darauf hin, dass somit Interaktionale Gerechtigkeit sich auf Führungskraftbezogene Ergebnisse auswirkt (z.B. auf Organizational Citizenship Behavior[2] in Richtung Führungskraft und Bewertung der Führungskraft). Im Gegensatz dazu besitzt Prozedurale Gerechtigkeit größere Voraussagekraft auf organisationsbezogene Ergebnisse wie Citizenship Verhalten in Richtung der Gesamtorganisation oder Bindung an die Organisation. Diese Gedanken werden unter dem Begriff „Agent-System Model“ zusammengefasst. Demnach sei Interaktions-Gerechtigkeit besser zur Voraussage von personenbezogenen Ergebnissen als Prozedurale und Verteilungs-Gerechtigkeit.
Bezüglich dieser Studie sind jedoch die verschiedenen Diskussion darüber, welche Art von Gerechtigkeit aus welchem Grund auf welche Art Ergebnisse einen Effekt hat, weniger wichtig, gerade auch weil sich weiterhin keine der vier Theorien über die Wirkmechanismen von Gerechtigkeit eindeutig durchgesetzt hat. Es lässt sich jedoch feststellen, dass alle vier Modelle genügend Erklärungsansätze bieten, um davon ausgehen zu können, dass Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit einen Effekt auf die Innovationsbereitschaft von Mitgliedern eines Unternehmens oder einer Organisation haben könnte.
3.7 Organisationale Gerechtigkeit und Ergebnisse
Die Forschung zur Organisationalen Gerechtigkeit hat mehrfach nachweisen können, dass Gerechtigkeit als unabhängige Variabel konkret nachweisbare Effekte auf das Verhalten, die Leistung, und die Einstellungen von Mitarbeitern einer Firma/Organisation hat. War es anfangs noch Ziel, diese Effekte unter dem eindimensionalen Begriff „Gerechtigkeit“ zu subsumieren (z.B. Thibaut & Walker, 1975), so hat die Diskussion über die verschiedenen Gerechtigkeits-Dimensionen Forscher zu der Erkenntnis geführt, dass die unterschiedlichen Gerechtigkeits-Dimensionen auch mit unterschiedlichen organisationalen Ergebnissen in Zusammenhang stehen. Die Forschungsrichtungen unterscheiden sich jedoch weiterhin darin, wofür die Forschung zu den Ergebnissen Organisationaler Gerechtigkeit letzten Endes gut sein soll. Während die meisten Forscher (u.a. Colquitt, 2001; Colquitt et al., 2001), und auch diese Studie, Forschungsergebnisse primär zur Prozessverbesserung in Firmen und Organisationen anwenden möchten, betrachten Forscher wie Tyler (2000) und Blader und Tyler (2003) Gerechtigkeit als potenziell tragfähigsten Faktor zur Lösung organisationaler und weltpolitischer Konflikte.
Unabhängig von der Frage, wozu man die Gerechtigkeitsforschung tatsächlich einsetzt, sollen an dieser Stelle jedoch zunächst die Hypothesen bezüglich Ergebnisse, und dann die tatsächlichen Ergebnisse verschiedener Studien bezüglich der vier Gerechtigkeits-Dimensionen und ihrer wissenschaftlich erforschten Auswirkungen auf andere Variablen zusammengefasst werden. Dazu werden hauptsächlich die Ergebnisse der zwei Meta-Analysen (Cohen-Charash & Spector, 2001; Colquitt et al., 2001) beschrieben, die beide einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben, zu klären, welche Art Gerechtigkeit welche Ergebnisse am besten voraussagt.
3.7.1 Verteilungs-Gerechtigkeit beeinflusst affektive Reaktionen auf Ergebnisse
In vielen Studien wird darauf verwiesen, dass Verteilungs-Gerechtigkeit primär Auswirkungen auf die kognitiven, affektiven und Verhaltens-Reaktion zu spezifischen Ergebnissen hat (Cohen-Charash & Spector, 2001). Schließlich geht es bei Verteilungs-Gerechtigkeit um die wahrgenommene Fairness von Beförderungen, Prämienzahlungen oder Verantwortungsübergabe – dies sind sozusagen die Ergebnisse, auf die dann eine Reaktion des Mitarbeiters folgt. Der hypothesierte Pfad dieser Reaktion schaut wie folgt aus:
1. Ein Ergebnis wird als fair/unfair betrachtet.
2. Die wahrgenommene Verteilungs-(Un)Gerechtigkeit beeinflusst die Emotionen des Mitarbeiters (löst u.a. Wut, Freude, Stolz oder Schuld aus; Weiss, Suckow & Cropanzano, 1999), sowie seine Kognition, (z.B. der Mitarbeiter über/untertreibt seinen Beitrag zur Organisation vor sich selbst und anderen; Adams, 1965).
3. Die Wahrnehmung führt zu einem veränderten Verhalten. Dies äußert sich bei Verteilungs-Gerechtigkeit in Leistungs-, bei Verteilungs-Ungerechtigkeit in Rückzugs-Verhalten (Cohen-Charash & Spector, 2001).
Feldstudien und die zwei Meta-Analysen von Cohen-Charash und Spector (2001) und Colquitt et al. (2001) haben diese Hypothese jedoch nur teilweise gestützt. So wurde mehrfach behauptet, dass Verteilungs-Gerechtigkeit einen Effekt auf tatsächliche Arbeitsleistung (Work Performance) hat, da ein Mitarbeiter nach einer Verteilungs-Ungerechtigkeit generell die Möglichkeit hätte, die Qualität wie auch die Quantität seiner Arbeit zu verändern, um somit die subjektiv empfundene Ungerechtigkeit wieder auszugleichen (Adams, 1965). Doch im Gegensatz zu dieser Hypothese ergab die Meta-Analyse von Cohen-Charash & Spector (2001) lediglich eine nicht-signifikante Korrelation von r = .05 zwischen Verteilungs-Gerechtigkeit und Arbeitsleistung. Auch in der Meta-Analyse von Colquitt et al. (2001) wurde eine nicht-signifikante Korrelation von r = .13 gefunden. Stattdessen korreliert Verteilungs-Gerechtigkeit signifikant mit den folgenden organisationalen Ergebnissen: Ergebniszufriedenheit (.52), Arbeitsplatzzufriedenheit (.46), Organisationale Bindung (.42), Personenbezogene Bewertung von Autorität (.53) und Rückzugsverhalten (-.41). Moderate Korrelationen ergaben sich zwischen Verteilungs-Gerechtigkeit und systembezogener Bewertung von Autorität (.30), Organizational Citizenship Behavior gegenüber der Organisation (.20) und negativen Reaktionen wie Diebstahl am Arbeitsplatz (-.26). Nicht signifikante Korrelationen ergaben sich zu Organizational Citizenship Behavior gegenüber Einzelpersonen (.13) und, wie bereits erwähnt, tatsächlicher Leistung (.13)[3]. Verteilungs-Gerechtigkeit konnte ferner signifikant mit Gewissenhaftigkeit (.20), Kontraproduktivem Arbeitsverhalten (-.22), Konflikt mit anderen (-.18), Gehaltszufriedenheit (.62), Zufriedenheit mit Vorgesetzten (.58 in Feldstudien), Zufriedenheit mit Leistungsbeurteilungen (.63), Affektiver Bindung ans Unternehmen (.47), Vertrauen in die Organisation (.43), Vertrauen in den/die Vorgesetzte (.55) und Arbeitsplatzwechsel-Absichten (-.40)[4] in Zusammenhang gebracht werden.
Insgesamt betrachtet widersprechen diese Ergebnisse dem Verteilungs-Dominanz Modell Leventhal’s (1980) mehr, als dass sie es stützen. Verteilungs-Gerechtigkeit erschien lediglich für zwei (Ergebnis-Zufriedenheit und Rückzugsverhalten) von neun Ergebnissen bei Colquitt et al. (2001), und für vier (Organizational Citizenship Behavior für die Organisation, Arbeitsplatzzufriedenheit, Gehaltszufriedenheit und Zufriedenheit mit Leistungsbeurteilungsgesprächen) von 26 Ergebnissen bei Cohen-Charash und Spector (2001) als der wichtigste Faktor.
Das 2-Faktoren Modell von Sweeney und McFarlin (1993) geht davon aus, dass Verteilungs-Gerechtigkeit stärkere Effekte auf personenbezogene, als auf systembezogene, Variablen hätte. Diese Annahme konnte durch die Meta-Analysen nur teilweise bestätigt werden, und bedarf weiterer Erforschung. So deuten Colquitt et al. (2001) ihre Ergebnisse so, dass Verteilungs-Gerechtigkeit zwar personenbezogene Einstellungen (wie Arbeitsplatzzufriedenheit), nicht aber personenbezogenes Verhalten (wie Rückzugsverhalten) schlüssig voraussagen kann. Somit hat es den Anschein, als ob Verteilungs-Gerechtigkeit weniger das auf ein Ergebnis oder eine Entscheidung folgende Verhalten, als die darauffolgende Einstellungen beeinflusst. Auch die Ergebnisse Cohen-Charash und Spectors (2001) be- und entkräftigen das 2-Faktor und das Group-Value Modell gleichermaßen. So erscheint die Korrelation zwischen Verteilungs-Gerechtigkeit und Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten wie eine Bestätigung des 2-Faktor Modells; gleichzeitig ist die unerwartet robuste Korrelation zwischen Verteilungs-Gerechtigkeit und affektiver Bindung an die Organisation konträr zu den Hypothesen des 2-Faktor und des Group-Value Modells, wonach Mitarbeiter-Bindung primär durch Prozedurale Gerechtigkeit beeinflusst wird.
3.7.2 Prozedurale Gerechtigkeit beeinflusst Verhalten gegenüber der Organisation
Die meisten in der Vergangenheit durchgeführten Studien sagen voraus, dass prozedurale Gerechtigkeit in Zusammenhang mit kognitiven, affektiven, und Verhaltens-Reaktionen gegenüber der Gesamtorganisation steht, vor allem Mitarbeiter-Bindung (z.B. Martin & Bennett, 1996; Mossholder, Bennett, Kemery & Wesolowski, 1998a), Vertrauen (Alexander & Ruderman, 1987; Konovsky & Pugh, 1994), und Bewertung von Autoritäten (Tyler, 1990; McFarlin & Sweeney, 1992). Davon abgeleitet ergibt sich die Hypothese, dass prozedurale Ungerechtigkeit eine an die Gesamtorganisation gerichtete Reaktion zur Folge hätte, und weniger eine Reaktion gegenüber den eigenen Arbeitsaufgaben und/oder den vorangegangenen Entscheidungen oder Ergebnissen. Dies könnte den mehrmals nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Prozeduraler Gerechtigkeit und tatsächlicher Leistung erklären, zumindest wenn man tatsächliche Leistung als eine Reflektion der Beiträge einzelner zur Zielerreichung der Gesamtorganisation, und somit als systembezogen, betrachtet (Borman, 1991).
Die beiden Meta-Analysen stützen diese Hypothese allgemein ab. So ergaben sich in der Colquitt et al. Studie hohe Korrelationen zwischen prozeduraler Gerechtigkeit und Ergebniszufriedenheit (.40), Arbeitsplatzzufriedenheit (.51), Bindung an die Organisation (.48), Vertrauen (.52) und personenbezogener Bewertung von Autorität (.56). Prozedurale Gerechtigkeit korrelierte moderat mit systembezogener Bewertung von Autorität (.35), Organizational Citizenship Behavior gegenüber der Organisation (.23), Rückzugsverhalten (-.36), negativen Reaktionen (-.27), und tatsächlicher Leistung (.30). Niedrige Korrelationen gab es zwischen Prozeduraler Gerechtigkeit und Organizational Citizenship Behavior gegenüber Personen (.19). In einer weiteren Feldstudie wies Colquitt (2001) einen Zusammenhang zwischen Prozeduraler Gerechtigkeit, Regeleinhaltung und Gruppen-Bindung nach. In der Cohen-Charash und Spector (2001) Meta-Analyse ergaben sich Korrelationen zwischen Prozeduraler Gerechtigkeit und tatsächlicher Leistung (.47, allerdings nur in Felduntersuchungen), Regeleinhaltung (.27), OCB gegenüber der Organisation (.23), kontraproduktivem Arbeitsverhalten (-.29), Konflikt mit anderen (-.19), Arbeitsplatzzufriedenheit (.43), Zufriedenheit mit der Führungskraft (.57), Zufriedenheit mit der Gewerkschaft (.52), normativer Mitarbeiter-Bindung (.41), Vertrauen in die Organisation (.48), und der Absicht, die Organisation weiter zu empfehlen (.53).
Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine simple Unterscheidung zwischen den Auswirkungen von Prozeduraler, wie auch von Verteilungs-Gerechtigkeit im Sinne der Zwei-Faktor-, der Group-Value-, oder der Agent-System Theorie momentan kaum möglich ist. Zwar bestätigen die hohen Korrelationen zwischen Prozeduraler Gerechtigkeit und Ergebnissen wie Regeleinhaltung, Zufriedenheit mit Gewerkschaften, Mitarbeiter-Bindung und Vertrauen den Gedanken, dass prozedurale Gerechtigkeit in systembezogene Reaktionen mündet. Auf der anderen Seite sind die Korrelationen zwischen Prozeduraler Gerechtigkeit und Zufriedenheit mit direkten Führungskräften und personenbezogener Bewertung von Autorität Indiz dafür, dass prozedurale Gerechtigkeit durchaus auch Auswirkungen auf personenbezogene Reaktionen hat.
Es wäre denkbar, dass die scheinbaren Widersprüche nicht etwa an mangelnden Unterschieden zwischen Verteilungs- und Prozeduraler Gerechtigkeit liegen, denn dass diese beiden Dimensionen eigenständige Konstrukte darstellen wurde mehrfach nachgewiesen. Vielmehr wäre es möglich, dass gewisse Reaktionen, wie z.B. Mitarbeiter-Bindung, Vertrauen oder kontraproduktives Arbeitsverhalten auf mehr als einer Ebene ablaufen, d.h. sich sowohl im Verhalten und der Einstellung gegenüber Einzelpersonen, wie auch gegenüber der Gesamtorganisation äußern. Gerade diese organisationaler Ergebnisse sind auch mit Verteilungs- und mit Prozeduraler Gerechtigkeit beinahe gleich stark korreliert. Schließlich vertraut man nicht nur der Führungskraft, sondern durch dieses Vertrauen hindurch auch der Organisation.
3.7.3 Interpersonale und Informations-Gerechtigkeit beeinflussen Reaktionen gegenüber Vorgesetzten
Die traditionelle Definition der Interaktions-Gerechtigkeitsdimension beschreibt diese Dimension als die menschliche Seite von Organisations-Praktiken, d.h. die Art- und Weise mit der Führungskräfte mit Gerechtigkeits-Empfängern umgehen, inklusive des Kommunikationsprozesses im Sinne von Höflichkeit, Ehrlichkeit und Respekt (Bies & Moag, 1986; Tyler & Bies, 1990). Greenberg (1993a) unterteilt Interaktions-Gerechtigkeit zwar noch in Interpersonale und Informations-Gerechtigkeit, seine Prognose bezüglich der Auswirkungen von Interpersonaler Gerechtigkeit auf Organisations-Ergebnisse sind mit den Prognosen bezüglich Interaktions-Gerechtigkeit jedoch weitestgehend deckungsgleich. Generell wurde vorausgesagt, dass Interaktions-Gerechtigkeit mit Reaktionen gegenüber Vertretern einer Organisation, meist gegenüber direkten Führungskräften, in Zusammenhang steht (Bies & Moag, 1986; Cropanzano & Prehar, 1999). Interaktions-Ungerechtigkeit führe zu negativen Reaktionen und Einstellungen gegenüber direkten Führungskräften (Masterson et al., 2000). Dieser Reaktion geht die subjektive Wahrnehmung voraus, dass der Grund für ungerechte Behandlung bei eben dieser Person liegt, und nicht an der Gestaltung und dem Ablauf des Entscheidungsfindungsprozesses (Cohen-Charash & Spector, 2000). Andere Studien fanden Zusammenhänge zwischen Interaktions-Gerechtigkeit und Regeleinhaltung (Greenberg, 1994), Abwesenheitszahlen (Gellatly, 1995), Arbeitsplatzwechsel-Absichten (Konovsky & Cropanzano, 1991), OCB (Moorman, 1991) und affektiver Bindung (Barling & Philips, 1993). Die von Blader und Tyler (u.a. 2003) angeführte Bezweifelung, inwiefern Interaktionale Gerechtigkeit tatsächlich ein eigenständiges Konstrukt darstellt, ist aus Sicht dieser Studie nicht gerechtfertigt.
Colquitt et al. (2001) unterteilten hingegen Interaktions-Gerechtigkeit noch zusätzlich in interpersonale und Informations-Gerechtigkeit und fanden eine hohe Korrelation zwischen Interpersonaler Gerechtigkeit und personenbezogenen Beurteilungen von Autorität (.57), moderate Korrelationen zu Arbeitsplatzzufriedenheit (.31), systembezogenen Bewertungen von Autorität (.20) und negativen Reaktionen (-.30). Nicht-signifikante Korrelationen bestanden zwischen Interpersonaler Gerechtigkeit und Ergebniszufriedenheit (.19), Bindung an die Organisation (.16), Rückzugsverhalten (-.02) und tatsächlicher Leistung (.03). Vor allem die hohe Korrelation zur personenbezogenen Autoritäts-Beurteilung stützt die These, dass Interpersonale Gerechtigkeit personenbezogene Reaktion auslöst. Zusätzlich ergab die Cohen-Charash und Spector (2001) Meta-Analyse hohe bis moderate Korrelationswerte zwischen Interaktions-Gerechtigkeit und negativem Affekt (-.25), Altruismus (.18), Gewissenhaftigkeit (.24), Zufriedenheit mit der direkten Führungskraft (.52), und mit Leader-Member Exchange Quality (.67).
Während Cohen-Charash in seiner Meta-Analyse die Interaktions-Gerechtigkeitsdimension nicht weiter unterteilte, unternahmen Colquitt et al. (2001) die Anstrengung, zusätzlich noch die Effekte von Informations-Gerechtigkeit herauszufiltern. So fanden sie hohe Korrelationen zwischen Informations-Gerechtigkeit und Vertrauen (.43), personenbezogener Autoritäts-Beurteilung (.58) und systembezogener Autoritäts-Beurteilung (.42), moderate Korrelationen zu Ergebniszufriedenheit (.27), Arbeitsplatzzufriedenheit (.38), Bindung an die Organisation (.26), Organizational Citizenship Behavior gegenüber Einzelpersonen (.21), Rückzugsverhalten (-.21) und negativen Reaktionen (-.29). Niedrige Korrelationen bestanden zwischen Informations-Gerechtigkeit und Organizational Citizenship Behavior gegenüber der Organisation (.18) und tatsächlicher Leistung (.11).
Das Agent-System Modell (Masterson et al., 2000) geht davon aus, dass Interaktions/Interpersonale Gerechtigkeit personenbezogene Ergebnisvariablen insgesamt stärker beeinflussen wird als andere Gerechtigkeitsdimensionen. Die Ergebnisse von Colquitt et al. (2001) und Cohen-Charash & Spector (2001) stützen das Agent-System Modell somit. Die vorgefundenen Korrelationen zu Variablen wie Leader-Member Exchange Quality, Zufriedenheit mit der direkten Führungskraft und personenbezogenen Autoritäts-Beurteilungen weisen auf stark personenbezogene Reaktionen hin. Colquitt et al. (2001) gehen sogar so weit zu sagen, dass das Agent-System Modell die Auswirkungen Interpersonaler und Informations-Gerechtigkeit auf Verhaltensvariablen untertreibt, da dass Modell keine griffigen Erklärungen für die vorgefundenen Korrelationen zu Variablen wie Organizational Citizenship Behavior, Rückzugsverhalten und negativen Reaktionen anbietet. Tatsächlich korrelieren diese drei Variablen jedoch mit Informations-Gerechtigkeit, was andeutet, dass Informations-Gerechtigkeit erstens tatsächlich eine eigenständige Gerechtigkeitsdimension darstellt, und zweitens dringend in das Agent-System Modell mit eingebunden werden muss.
3.8 Begründung dieser Studie
Die bisher genannten organisationalen Variablen, die mit Gerechtigkeit zusammenhängend betrachtet wurden, zeigen, dass Gerechtigkeit bereits mit einer Vielzahl von Effekten in Verbindung gebracht wurde. Mögliche Zusammenhänge zwischen Organisationaler Gerechtigkeit und individueller Innovation sind jedoch noch nicht erforscht worden, auch wenn Organizational Citizenship Behavior eine Variable darstellt, die innovatives Verhalten zumindest ansatzweise mit einschließen könnte. Allerdings sind individuelle Innovation, Ideengenerierung und Ideeneinreichen durchaus Prozesse, die von einer Organisation oder Unternehmen gefordert, gefördert und belohnt werden, und somit nicht wirklich in die Definition von Organizational Citizenship Behavior (siehe Organ, 1990) aufgenommen gehören. Thema dieser Studie ist somit das erste Erforschen möglicher Zusammenhänge zwischen organisationaler Gerechtigkeit und Innovation.
3.9 Definition von Innovation
Die Begriffe „Innovation“ und „Kreativität“ werden sowohl im alltäglichen Sprachgebrauch, wie auch in der psychologischen Forschung, oft sehr undifferenziert eingesetzt, es ist jedoch notwendig, diese beiden Fachbegriffe im Sinne dieser Arbeit voneinander zu trennen. Dazu sei zunächst auf die differenzierende Terminologie Amabile’s (1988) hingewiesen: So sei Kreativität größtenteils eine Konstellation von Persönlichkeits- und intellektuellen Merkmalen von Individuen, welche dadurch bedingt, in signifikantem Ausmaß Zeit in einem kreativen Prozess verbringen. Gleichzeitig beinhalte Kreativität auch eine „Produkt“-Dimension, so dass es bei Kreativität letzten Endes um „die Produktion von neuartigen und nützlichen Ideen seitens Individuen oder kleiner, miteinander arbeitenden Gruppen“ geht (Amabile, 1988, S. 126). Für Amabile erscheint Kreativität somit als die Generierung von Ideen. Innovation führt jedoch weiter als Kreativität. Zwar sind kreative Ideen die Grundbausteine von Innovationen, Amabile (1988, S. 126) definiert allerdings Innovation als „die erfolgreiche Umsetzung von kreativen Ideen innerhalb einer Organisation“, wobei sie den Begriff „Umsetzung“ hierbei relativ offen lässt, so dass auch Ideenentwicklung und Anwendung darunter fallen können.
Andere Definitionen schließen sich der Meinung Amabile’s größtenteils an. So solle Innovation der Kennzeichnung eines kreativen Produkts vorbehalten bleiben (Diehl & Munkes, 2002). West und Frei (1989, S. 254-255) definieren Innovation als „die absichtliche Einführung und Anwendung von Ideen, Prozessen, Produkten oder Verfahren innerhalb einer Rolle, Gruppe oder Organisation, die neu für die betreffende Einheit sind und entworfen wurden, um die Rollenerfüllung, die Gruppe, die Organisation oder die Gesellschaft im weiteren Sinne maßgeblich zu fördern“. Maier, Frey, Schulz-Hardt und Brodbeck (2000, S. 264) sehen das ähnlich und nennen Innovation „die Entwicklung, Einführung und Anwendung neuer Ideen, Prozesse, Produkte oder Vorgehensweisen, von denen Einzelne, Gruppen oder ganze Organisationen profitieren sollen“. Man beachte, dass in dieser Definition die Entwicklung von Ideen explizit miteingerechnet wird – die Definitionen Amabile’s und West und Frei’s sehen die Ideengenerierung offenbar stärker als einen kreativen, anstatt einem innovativen, Prozess an. Diese Studie wählt daher die Definition von Innovation von Maier et al. (2000), da in dieser Arbeit individuelle Innovation hauptsächlich als Beteiligung am betrieblichen Vorschlagswesen und/oder Vorschlagseinreichung im kleinen Regelkreis[5] operationalisiert wird.
Allerdings wird die Beteiligung an einem betrieblichen Vorschlagswesen auch der Innovations-Definition Amabile’s gerecht, da das Einreichen von Vorschlägen durchaus ein produzierendes Element enthält, da ein Mitarbeiter seine Gedanken schriftlich und/oder verbal ausformulieren muss. Auch Kanter’s (1988) Definition von Innovation beinhaltet die Ideenentwicklung als Teilelement. Frese, Fay, Leng, Hilburger und Tag (1997) gehen noch dazu davon aus, dass das Einreichen von Verbesserungsvorschlägen stark mit dem Konstrukt der Eigeninitiative zusammenhängt. Eigeninitiativ zu sein bedeutet, eigenverantwortlich, proaktiv, langfristig denkend, und bereit und fähig zu sein, Barrieren zu überwinden (Frese, Teng & Wijnen, 1999). Somit betrachtet diese Studie das Einreichen von Vorschlägen, ob offiziell oder inoffiziell, als Ausdruck von individueller Innovation, ganz egal ob es durch kreatives Denkvermögen, Eigeninitiative, oder beidem gesteuert wird.
3.10 Strömungen in der Innovationsforschung
Wie Gebert (2003) ausführt, ist die Forschung zur Innovation mannigfaltig und geht in die verschiedensten Richtungen. Eine wesentliche Forschungsrichtung untersucht die Art- und Weise wie sich Innovationen verbreiten, und erforscht von daher unter welchen Bedingungen Innovationen übernommen bzw. durch potenzielle Anwender verbreitet werden. Beispiele dieser Forschungsrichtung finden sich unter anderem bei Gemünden (2001), mit seinen Paradigmas zur Verbreitung von Innovationen, oder bei Diehl und Munkes (2002), die eine mathematische Formel entworfen haben, mit Hilfe derer man vorhersagen könne, inwiefern Innovationen eine Übernahmechance haben.
Die zweite große Forschungsrichtung beschäftigt sich mit Innovation als Prozess. Man geht davon aus, dass einzelne Innovationsphasen und –Sequenzen existieren; und dass jede Phase von unterschiedlichen Variablen beeinflusst und bestimmt wird. Beispiele dieser Forschung finden sich bei Amabile (1988) die ein 5-Phasen Modell, jeweils für individuelle und für organisationale Innovation, entworfen hat; und bei West und Anderson (1996) die den Innovationsprozess in Top-Management Teams untersucht haben. In den Ausführungen von Brodbeck und Maier (2001) wird über die Bedeutung unterschiedlicher Dimensionen (wie Vision, Aufgabenorientierung, Partizipative Sicherheit und Unterstützung von Innovation) während den verschiedenen Phasen von Innovationen nachgedacht; und Scott und Bruce (1994) haben ein Pfadmodell zur Voraussage von individueller Innovation am Arbeitsplatz entwickelt. Die Kernphasen des betrieblichen Innovationsprozesses, der Untersuchungsziel dieser Studie ist, sind 1) Innovationsimpuls, 2) Ideenfindung, 3) Konkretisierung, 4) Umsetzung, 5) Durchsetzung und 6) Routine (Staudt & Auffermann, 1996). Auch Kanter (1988) hat ein ähnliches 4-Phasen Modell des Innovationsprozesses entworfen. Es herrscht jedoch keine Einigkeit darüber, wie viele verschiedene Innovationsphasen es tatsächlich gibt, oder ob der Innovationsprozess linear oder in Schleifen abläuft. Diese Untersuchung beschränkt sich jedenfalls auf eine Phase des Innovationsprozesses, die in allen Phasenmodellen vorkommt: die Ideengenerierung und das Einreichen bzw. Einbringen von Verbesserungsvorschlägen.
Die dritte Forschungsrichtung beschäftigt sich mit den Bedingungen der Innovativität (Wolfe, 1994), das heißt es geht um die Frage, welche Faktoren innovationsförderlich bzw. –hinderlich sind. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl weiter unten aufgeführter Variablen als innovationsbeeinflussend eingestuft, der Faktor Organisationale Gerechtigkeit gehört jedoch bislang nicht dazu. Da diese Studie Innovation u.a. als Beteiligung am offiziellen und/oder inoffiziellen Vorschlagswesen operationalisiert, geht es in dieser Arbeit somit primär um die Frage, ob und inwiefern Organisationale Gerechtigkeit eine innovationsförderliche oder –hinderliche Auswirkung auf Ideengenerierung und auf das Einreichen von innovativen Ideen auf der individuellen Untersuchungsebene hat.
[...]
[1] In dieser Studie werden die Begriffe „gerecht“ und „fair“ als austauschbar angesehen. Wenn über Fairness gesprochen wird, ist damit automatisch auch Gerechtigkeit gemeint. Da die beiden Begriffe auch in der Literatur identisch gebraucht werden, sind sie daher auch in dieser Studie austauschbar.
[2] Mit Organizational Citizenship Behavior (OCB) gemeint sind Verhaltensweise und Gesten, die der Organisation dienen, die aber weder durch formelle Regeln, noch durch vertragliche versprochene Entlohnung entlockt werden können (Organ, 1990). OCB besteht aus vier Dimensionen: sportlichem Verhalten (Sportsmanship), ziviler Tugend (civic virtue), Gewissenhaftigkeit, und Höflichkeit (Colquitt et al., 2001).
[3] Diese Korrelationen stammen alle aus Colquitt et al., 2001
[4] sämtliche dieser Korrelationen stammen aus der Meta-Analyse von Cohen-Charash & Spector, 2001
[5] Mit dem Begriff „kleiner Regelkreis“ gemeint ist das direkte Arbeitsumfeld eines Organisationsmitglieds, und beinhaltet seine/ihre direkte Führungskraft, Kollegen und/oder Mitarbeiter.
- Citar trabajo
- Laszlo Reisch (Autor), 2004, Organisationale Gerechtigkeit und innovatives Verhalten in Organisationen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30505
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