Die Wissenschaftler Stutzer und Frey haben 2008 eine Veröffentlichung mit dem Titel „Stress that doesn’t pay: the Commuting Paradox“ im Scandinavian Journal of Economics publiziert. In diesem Paper wird die Hypothese aufgestellt, dass ein rational denkendes Individuum nur dann die Bürde des Pendelns auf sich nimmt, wenn es in entsprechender Form dafür entschädigt wird. In den Daten aus Deutschland haben die
Autoren jedoch einen negativen Zusammenhang zwischen der Pendeldauer und der berichteten Zufriedenheit mit dem Leben festgestellt. Diese Beobachtung widerspricht der klassischen Gleichgewichtsannahme: die Individuen nehmen also das Pendeln auf sich ohne dafür in ausreichender Weise entschädigt zu werden. Diesen Zustand definieren Stutzer und Frey als das „Pendler Paradoxon“.
Im Weiteren sollen zwei weitere Paper analysiert und diskutiert werden. „It’s driving her mad: Gender differences in the effects of commuting on psychological health“ (2011) von Roberts, Hodgson und Dolan untersucht den Zusammenhang zwischen
Pendeln und der psychologischen Gesundheit anhand von Daten aus Großbritannien. Die Methodik einer Fixed Effects Analyse ähnelt dem Vorgehen der Autoren von 2008, jedoch wird eine andere interessante Beobachtung in ihren Daten gemacht und diskutiert: Während Frauen im Durchschnitt weniger pendeln als Männer wird ihre psychologische Gesundheit davon negativ beeinflusst – die der Männern jedoch nicht. Das im letzten Jahr veröffentlichte Paper „Does active commuting improve psychological wellbeing?“ von Martin, Goryakin und Suhrcke untersucht, ob der
Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden und der Pendeldauer durch die Wahl des Reisemodus (Pendeln per Auto, Zug, Fahrrad etc.) beeinflusst wird. Das aktuellste
Paper baut seine Methode parallel zu Roberts et al. auf und vergleicht sich oft mit Diesem. [...]
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
DISPOSITION
1 VORWORT
2 DIE GRUNDLAGEN VERSTEHEN
2.1 Die Glücksforschung
2.2 Das Pendeln
2.2.1 Physische und psychische Bürde
2.2.2 Mit dem Pendeln verbundener Nutzen
3 „STRESS THAT DOESN’T PAY: THE COMMUTING PARADOX“ (2008) VON FREY BRUNO S. UND STUTZER ALOIS
3.1 Das gemeinsame Forschungsgebiet der Autoren
3.2 Das Pendler Paradoxon: die zentrale Forschungsfrage
3.3 Empirische Analyse: der Effekt von Pendeln auf das subjektive Wohlbefinden
3.3.1 Daten und deskriptive Statistik
3.3.2 Strategie für den empirischen Test
3.3.3 Pooled Modell
3.3.4 Fixed Effects Modell
3.3.5 Berücksichtigung der Variablen Pendelstrecke und Transportmittel
3.3.6 Kalkulation der fehlenden Entschädigung für das Pendeln
3.4 Erklärungen für das Vorliegen des Paradoxons
3.4.1 Ist eine vollständige Kompensation auf Haushaltsebene gegeben?
3.4.2 Gibt es eine vollständige Kompensation in bestimmten Lebensbereichen?
3.4.3 Fehlt eine vollständige Kompensation aufgrund von Friktionen auf dem Markt?
3.5 Resümee der Forschungsarbeit von Frey und Stutzer
4 „IT’S DRIVING HER MAD: GENDER DIFFERENCES IN THE EFFECTS OF COMMUTING ON PSYCHOLOGICAL HEALTH“ (2011) VON ROBERTS, HODGSON UND DOLAN
4.1 Daten und Variablenauswahl
4.2 Ökonometrische Methode
4.3 Ergebnisse
4.3.1 Unterschied zwischen den Geschlechtern
4.3.2 Tests auf Robustheit der Ergebnisse
4.3.3 Test auf mögliche Effekte auf Haushaltsebene
4.4 Resümee der Forschungsarbeit von Robert et al
4.5 Vergleich zu Frey und Stutzer (2008) und mögliche Erklärungen für das erstaunliche Resultat
5 „DOES ACTIVE COMMUTING IMPROVE PSYCHOLOGICAL WELLBEING?“ (2014) VON MARTIN, GORYAKIN UND SUHRCKE
5.1 Daten und Variablenauswahl
5.2 Ökonometrische Methode
5.3. Ergebnisse
5.4 Resümee der Forschungsarbeit und Limitation der Ergebnisse
6 VERGLEICH DER STUDIEN VON FREY/STUTZER, ROBERTS ET AL. UND MARTIN ET AL
7 KRITISCHE WÜRDIGUNG DER ERGEBNISSE UND AUSBLICK
ANHANG
INTERNETQUELLEN
LITERATURVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Durchschnittliche tägliche Pendeldauer in Europa und den USA 2002, Daten aus dem European Survey on Working Conditions
Abbildung 2: Entwicklung der Stichprobe für das SOEP
Abbildung 3: Verteilung der durchschnittlichen täglichen Pendeldauer (einfacher Weg) .
Abbildung 4: Einfache Pendeldauer (in Minuten) und berichtete Zufriedenheit mit dem Leben in Dtl., 1985-2003
Abbildung 5: Vergleich der Paper: Frey/Stutzer vs. Roberts et al
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Pendeldauer und berichtete Zufriedenheit mit dem Leben in Deutschland, Daten: SOEP 1985-2003
Tabelle 2: Pendelstrecke, Transportmittel und die abhängige Variable Zufriedenheit mit dem Leben, Daten: SOEP 1985-2003
Tabelle 3: Pendeldauer des Partners und die abhängige Variabel Zufriedenheit mit dem Leben, Daten: SOEP 1985-2003
Tabelle 4: Das Pendeln und die Zufriedenheit - aufgeteilt nach Lebensbereichen, Daten: SOEP 1985-2003
Tabelle 5: Entschädigung für Personen, die Arbeitsplatz oder Wohnsitz gewechselt haben (abhängige Variable: Zufriedenheit mit dem Leben), Daten: SOEP 1985- 2003
Tabelle 6: Deskriptive Statistik - nach Geschlecht aufgeteilt, Daten: BHPS 1991-2004 .45 Tabelle 7: Zusammenhang der Pendeldauer und des GHQ Scores, Daten: BHPS 1991- 2004
Tabelle 8: FE Modell mit der abhängigen Variable GHQ, Daten: BHPS 1991-2004
Tabelle 9: Unterschiede zwischen Mann und Frau, FE Modell mit abhängiger Variable GHQ, Daten: BHPS 1991-2004
Tabelle 10: Tests auf Robustheit, FE Modell mit abhängiger Variable GHQ, Daten: BHPS 1991-2004
Tabelle 11: Effekte auf Haushaltsebene, FE Modell mit Daten von Paaren, Daten: BHPS 1991-2004
Tabelle 12: Vergleich der Paper: Frey/Stutzer vs. Roberts et al
Tabelle 13: Eigenschaften der vier Analyse-Gruppen
Tabelle 14: Ergebnisse der FE Regression, Daten: BHPS 1991-2009
Tabelle 15: Zusammenhang von Transportmittel auf bestimmte Aspekte der GHQ Befragung, Daten: BHPS 1991-2009
Tabelle 16: Gegenüberstellung der drei Studien: Frey/Stutzer, Roberts et al. und Martin et al
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Disposition
für die Bachelor Arbeit von Franziska Schropp
Thema: Auswirkungen des Pendelns auf das subjektive Wohlbefinden: das Pendler Paradoxon und andere Methoden im Vergleich
Die Wissenschaftler Stutzer und Frey haben 2008 eine Veröffentlichung mit dem Titel „Stress that doesn’t pay: the Commuting Paradox“ im Scandinavian Journal of Economics publiziert. In diesem Paper wird die Hypothese aufgestellt, dass ein rational denkendes Individuum nur dann die Bürde des Pendelns auf sich nimmt, wenn es in entsprechender Form dafür entschädigt wird. In den Daten aus Deutschland haben die Autoren jedoch einen negativen Zusammenhang zwischen der Pendeldauer und der berichteten Zufriedenheit mit dem Leben festgestellt. Diese Beobachtung widerspricht der klassischen Gleichgewichtsannahme: die Individuen nehmen also das Pendeln auf sich ohne dafür in ausreichender Weise entschädigt zu werden. Diesen Zustand definieren Stutzer und Frey als das „Pendler Paradoxon“.
Im Weiteren sollen zwei weitere Paper analysiert und diskutiert werden. „It’s driving her mad: Gender differences in the effects of commuting on psychological health“ (2011) von Roberts, Hodgson und Dolan untersucht den Zusammenhang zwischen Pendeln und der psychologischen Gesundheit anhand von Daten aus Großbritannien. Die Methodik einer Fixed Effects Analyse ähnelt dem Vorgehen der Autoren von 2008, jedoch wird eine andere interessante Beobachtung in ihren Daten gemacht und diskutiert: Während Frauen im Durchschnitt weniger pendeln als Männer wird ihre psychologische Gesundheit davon negativ beeinflusst - die der Männern jedoch nicht. Das im letzten Jahr veröffentlichte Paper „Does active commuting improve psychological wellbeing?“ von Martin, Goryakin und Suhrcke untersucht, ob der Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden und der Pendeldauer durch die Wahl des Reisemodus (Pendeln per Auto, Zug, Fahrrad etc.) beeinflusst wird. Das aktuellste Paper baut seine Methode parallel zu Roberts et al. auf und vergleicht sich oft mit Diesem.
Um ein möglichst vollständiges Verständnis beim Leser dieser Arbeit zu erreichen wird diese in deutscher Sprache verfasst. Als gegeben können Inhalte und Fachbegriffe der Veranstaltungen Statistik 1 und 2 gesehen werden.
1 Vorwort
Die Suche nach dem Glück beschäftigt jeden Menschen während seines Lebens. Seit den ersten Momenten der Philosophie haben sich Experten damit beschäftigt was einen Menschen glücklich macht. Nachdem sich neben Ökonomen auch Soziologen und Politikwissenschaftler mit dem Gebiet der Happiness Research (wird im Folgenden Glücksforschung genannt) beschäftigt haben wurde klar, dass dieses ein Gegenstand interdisziplinärer Forschungsrichtungen sein muss. Die Glücksforschung erfreut sich immer größerer Aufmerksamkeit. Dies mag an den lebensnahen und interessanten Themen liegen; so wird zum Beispiel erforscht ob das Pendeln eine negative Auswirkung auf das Wohlbefinden hat.
Die Wissenschaftler Stutzer und Frey haben 2008 eine Veröffentlichung mit dem Titel „Stress that doesn’t pay: the Commuting Paradox“ im Scandinavian Journal of Economics publiziert. In diesem Paper wird die Hypothese aufgestellt, dass ein rational denkendes Individuum nur dann die Bürde des Pendelns auf sich nimmt, wenn es in entsprechender Form dafür entschädigt wird. In den Daten (Sozio-ökonomisches Panel, SOEP) aus Deutschland haben die Autoren jedoch einen negativen Zusammenhang zwischen der Pendeldauer und der berichteten Zufriedenheit mit dem Leben festgestellt. Diese Beobachtung widerspricht der klassischen Gleichgewichtsannahme: die Individuen nehmen also das Pendeln auf sich ohne dafür in ausreichender Weise entschädigt zu werden. Diese Zustand definieren Stutzer und Frey als das „Pendler Paradoxon“.
Nachdem einige Grundlagen bezüglich der Glücksforschung und dem Pendeln als solches definiert wurden, wird das Ausgangspaper von Frey und Stutzer Stück für Stück reflektiert und bei nötigen Stellen um eine ausführliche Erklärung der Methodik erweitert.
Wenn ein gutes Verständnis für das Vorgehen der deutschsprachigen Autoren gegeben ist werden zwei weitere Paper analysiert und diskutiert. „It’s driving her mad: Gender differences in the effects of commuting on psychological health“ (2011) von Roberts, Hodgson und Dolan untersucht den Zusammenhang zwischen Pendeln und der psychologischen Gesundheit mit Daten aus Großbritannien (British Household Panel Survey, BHPS). Die Methodik einer Fixed Effects Analyse ähnelt dem Vorgehen der Autoren von 2008, jedoch wird eine andere interessante Beobachtung in ihren Daten gemacht und diskutiert: Während Frauen im Durchschnitt weniger pendeln als Männer wird ihre psychologische Gesundheit davon negativ beeinflusst - die der Männer jedoch nicht. Das im letzten Jahr veröffentlichte Paper „Does active commuting improve psychological wellbeing?“ von Martin, Goryakin und Suhrcke untersucht, ob der Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden und der Pendeldauer durch die Wahl des Reisemodus (Pendeln per Auto, Zug, Fahrrad etc.) beeinflusst wird. Das aktuellste Paper baut seine Methode parallel zu Roberts et al. auf und vergleicht sein Vorgehen mit diesem. Nach dem Analysieren der drei Paper folgt eine Gegenüberstellung: hier wird der aktuelle Stand der Wissenschaft bewertet und die Unterschiede zwischen den Paper zusammenfassend beleuchtet.
Da die Sprache dieser wissenschaftlichen Beiträge nicht nur auf Englisch ist, sondern auch auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau, ist es einem durchschnittlichen Studenten im Grundstudium kaum möglich diesen folgen zu können. Das Ziel dieser Arbeit ist es die Modelle und statistischen Methoden so zu erklären, dass ein Student, der schon erfolgreich an den Veranstaltungen Statistik 1 und 2 teilgenommen hat, diese verstehen kann. Begriffe und Methoden, die in diesen Kursen gelehrt werden, können als gegeben angenommen werden. Aus dieser Intention leitet sich auch die Begründung für das Verfassen der Arbeit in deutscher Sprache ab.
2 Die Grundlagen verstehen
Um ein Thema richtig verstehen zu können, ist es notwendig die dazu notwendigen Grundlagen zu verstehen. Im Falle der Auswirkungen des Pendelns auf das subjektive Wohlbefinden gibt es zwei Themengebiete, welche vorab ein Grundverständnis benötigen: die Glücksforschung und das Pendeln. Dem begrenzten Umfang dieser wissenschaftlichen Arbeit geschuldet wird in allen Abschnitten unter Gliederungspunkt Zwei in den Fußnoten auf Literatur verwiesen, die bei Interesse des Lesers weitere Information liefern kann.
2.1 Die Glücksforschung
„Der Sinn des Lebens besteht darin, glücklich zu sein.“ Dalai Lama
Bevor eine Definition für die Glücksforschung gefunden werden kann, sollte das so oft diskutierte Subjektiv Glück näher betrachtet werden.
Mit der Frage, ob Glück das oberste Ziel des Lebens ist, beschäftigen sich seit Beginn der Menschheit Philosophen, Soziologen und Vertreter vieler weiterer Disziplinen. In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wird das Streben nach Glück als eines der Grundrechte manifestiert.1 Für die Gesellschaft des 20. Jahrhunderts, dessen wirtschaftliche Entwicklung von Arbeitsteilung (Adam Smith, 1723-1790) geprägt war, galt das Zusammendenken von Wirtschaft und Glück unvorstellbar. Der Nutzen wurde als eine Ausprägung des Glücks verstanden und diesen galt es zu maximieren. Die Strömung der modernen Ökonomie erlaubt seit den 1930-er Jahren eine Betrachtung der Wechselbeziehung zwischen Wirtschaften und dem Streben nach Glück.2 Der Anfang der Untersuchungen über das Glück in der Wirtschaft ist zu großen Teilen den Wissenschaftlern Richard Easterlin und Tibor Scitovsky zu verdanken. 1974 startete Easterlin eine empirische Untersuchung über das menschliche Glück.3 Eine Definition von Glück ist stark zeit- und kulturabhängig4, änderte sich vom Zeitalter der Griechen (z. B. bei Aristoteles) über das christliche Mittelalter hinweg (z. B. bei Thomas von Aquin) bis hin zum 21. Jahrhundert. In der Glücksforschung ist das Glück im Sinne des Glücklichseins im Fokus. Das subjektive Wohlbefinden (vgl. Alltagsglück) und nicht das Zufallsglück (vgl. Zufriedenheitsglück) wird untersucht (siehe hierzu Abbildung A1 im Anhang). Stand der aktuellen Psychologie sind drei Ebenen des subjektiven Wohlbefindens (engl. subjective wellbeing) zu unterscheiden: die Lebenszufriedenheit, das Vorhandensein einer positiven Gefühlslage und die Abwesenheit einer negativen Gefühlslage.5 Eine deutschsprachige Definition von Glück liefert uns der Duden: „Glück ist eine angenehme und freudige Gemütsverfassung, in der man sich befindet, wenn man in dem Besitz oder Genuss von etwas kommt, was man sich gewünscht hat. Es ist ein Zustand der inneren Befriedigung und Hochstimmung.“6
Das subjektive Wohlbefinden als Approximation für das Glück definierend will die Glücksforschung (engl. happiness research) Zusammenhänge zwischen Lebensbedingungen und dem Wohlbefinden empirisch untersuchen. Einflussgrößen auf das Glück sind beispielsweise Gene (Forschungsgrundlage für die physiologische und psychologische Glücksforschung), sozio-demografische Faktoren wie Alter, Zivilstand, Kinder, Gesundheit (sozialwissenschaftliche Glücksforschung), wirtschaftliche Faktoren wie Einkommen, Arbeitslosigkeit und Einkommensverteilung (ökonomische Glücksforschung).7 Auch Kontext- und Situationsfaktoren, Kultur, Religion und politische Merkmale wirken sich auf das Wohlbefinden aus.
Die Glücksforschung erfreut sich immer größerer Aufmerksamkeit. Dies mag an den lebensnahen und interessanten Themen liegen, aber auch an der Realitätsnähe: Es handelt sich bei den meisten Veröffentlichungen um Themen, die viele Menschen täglich tangieren (siehe Einfluss des Pendelns auf das subjektive Wohlbefinden). Es werden statistische Methoden für die Auswertung der Daten herangezogen, die durchaus nicht jedem Laien verständlich sind. Die Ergebnisse jedoch sind fast schon trivial. Es handelt sich meist um Handlungsempfehlungen (z. B. keinen neuen Job nur wegen des höheren Einkommens annehmen bevor man sich dem Ausmaß des täglichen Anfahrtsweg nicht sicher ist). Werden Belege für Zusammenhänge zwischen dem Glück und wirtschaftlichen Aspekten gefunden, sollten sich die Wirtschaftstheorie, die Wirtschaftspolitik und die Wirtschaftsethik sowie Entscheidungsträger damit auseinandersetzen.8 Beispielsweise haben Umfragen im Zuge der Glücksforschung seit den 60-er Jahren ergeben, dass in westlichen Industrieländern der Zusammenhang zwischen Bruttoinlandsprodukt (BIP pro Kopf) und der Lebenszufriedenheit kaum noch existiert.9 Hier besteht also durchaus Handlungsbedarf der Politik. Die Intention der Glücksforschung besteht also nicht nur daraus privaten Personen auf falsche Annahmen (z. B. Arbeitsplatz mit höherem Einkommen bietet immer einen Mehrwert) hinzuweisen. Für die Wissenschaft sollen Erkenntnisse gewonnen werden, um realitätsnahe Modelle zu erstellen bzw. alte Modelle zu erweitern, um das Verhalten des Menschen als homo oeconomicus besser verstehen zu lernen.10
2.2 Das Pendeln
Die Bundesagentur für Arbeit definiert die Personengruppe der Pendler im Sinne der Beschäftigungsstatistik als „alle sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, deren Arbeitsort sich vom Wohnort unterscheidet.“11 Weiter werden die Pendler in Ein- und Auspendler kategorisiert. Während Einpendler sozialversicherte Beschäftigte sind, die nicht am Arbeitsort wohnen zählen Auspendler zu denjenigen, die nicht am Wohnort arbeiten. Der Duden liefert eine ganz ähnliche Definition. Pendeln sei das zwischen zwei Orten hin- und herbewegen, besonders zwischen dem Wohnort und dem Ort des Arbeitsplatzes, der Schule o.ä. innerhalb eines Tages.12 In Deutschland ist das Pendeln vor allem in Hinblick auf die Mobilität zwischen Ost und West oft diskutiert worden. Nach der Wiedervereinigung entstand eine Tendenz dahingehend, dass Menschen aus der ehemaligen DDR in den Westen pendelten, um von den Vorteilen des Westens (höheres Lohnniveau und bessere Erwerbschancen) profitieren zu können.13 Weitere Information zu der aktuellen Lage in Deutschland kann der Leser auf der Internetseite des Statistischen Bundesamtes finden.14
Abbildung 1 zeigt, dass die durchschnittliche Pendeldauer in Deutschland 2002 bei lag. Verglichen zu anderen Staaten der EU und den USA liegt das relativzentral zwischen den Extremen Ungarn (Pendeldauer von ) und Portugal( ).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Durchschnittliche tägliche Pendeldauer in Europa und den USA 2002, Daten aus dem European Survey on Working Conditions
(Quelle: Frey, B.S., Stutzer, A., 2008, S. 342)
2.2.1 Physische und psychische Bürde
Der Beitrag von Heiko Rüger et al. in der Zeitschrift für Bev ö lkerungswissenschaft15 unterscheidet die berufsbezogene Mobilität in die residenzielle (Außen- und Binnenmigration) und die zirkuläre Form. Letztere schließt das Fern- und Wochenendpendeln als auch häufige Dienstreisen ein. In den letzten Jahren hat das zirkuläre Pendeln an empirischer Relevanz gewonnen. Die Pendeldauer, Pendelfrequenz, die finanziellen Mittel, die dafür benötigt werden, spielen eine Rolle im Zusammenleben mit Partner und/oder Familie. Die mit dem Pendeln einhergehenden physischen und psychischen Probleme dürfen bei der Entscheidung, ob ein täglicher Anfahrtsweg zur Arbeit in Kauf genommen wird, nicht unbeachtet gelassen werden. Das Pendeln benötigt Zeit, hat monetäre Kosten zur Folge, verursacht Stress und greift in das Verhältnis Arbeit/Familie ein (sog. non-monetäre Kosten). Laut Kahneman et al. ist das Pendeln die tägliche Tätigkeit mit dem kleinsten positiven Effekt auf Menschen.16
Innerhalb der monetären Kosten entstehen private und soziale Kosten.
Unter privaten Kosten versteht man die Kosten für das Transportmittel, mit dem man von Haustür zur Bürotür gelangt. Für das Auto sind das Kosten für die Anschaffung (Kaufpreis), Ausgaben für den Treibstoff, Versicherung und Steuern. Auch die Abnutzung des Autos muss in einer Kalkulation berücksichtigt werden. Für die USA wurde kalkuliert, dass fast 20 Prozent des Einkommens für Fahrtkosten ausgegeben werden - das ist mehr als für Essen.17
Soziale Kosten drücken sich in der Verkehrsbelastung und der Umweltverschmutzung aus. Wenn eine Person täglich mit dem Auto zur Arbeit fährt trägt er zur Umweltverschmutzung des Gebietes bei, in welchem er sich bewegt. Allerdings muss er für die Auswirkungen seines Handelns nicht direkt bezahlen. Diese Kosten des Pendelns trägt die Allgemeinheit.18
Vor allem Psychologen haben sich mit den non-monetären Kosten des Pendels beschäftigt: Pendeln ist mit vielen Stressfaktoren verknüpft (Lärm, Stau, Verschmutzung etc.). Einige Autoren beschäftigen sich mit der Konzeptualisierung von Pendelstress.19 Schwedische Wissenschaftler fanden heraus, dass der von den Personen wahrgenommene Stress mit steigender Pendeldauer, steigender Variabilität dieser, dem Mangel an Prognose der Pendeldauer und die Kontrolle dieser, ansteigt. Außerdem wurde beobachtet, dass Pendeln mit negativen Gesundheitsmerkmalen oft nur indirekt in Zusammenhang gebracht wird: pendeln allein wird nicht als schädigend wahrgenommen, jedoch nimmt es Zeit in Anspruch, die für gesundheitsfördernde " Maßnahmen wie Sport, ausgewogene Ernährung, Schlaf und soziale Kontakte gebraucht werden würden.20
2.2.2 Mit dem Pendeln verbundener Nutzen
Auf der einen Seite resultieren aus dem täglichen Pendeln von der Wohnungstür zur Bürotür monetäre und non-monetäre Kosten. Auf der anderen Seite kann es jedoch auch einen Nutzenanstieg generieren.
Personen können einen Nutzenvorteil erfahren, wenn das Pendeln Ihnen erlaubt zu dem Ort zu kommen, an dem sie Ihre Arbeit verrichten können (und somit die Quelle des Einkommens erreichen) oder wenn Sie eine finanziell günstige Wohnsituation bewohnen können. Muss weniger für die Miete der Wohnung bezahlt werden, bleibt ein größerer Anteil des Einkommens für andere Konsumausgaben übrig.21 Das Pendeln kann durchaus die Möglichkeit zur Entspannung bieten. Mokhtarian und Salomon haben in Ihrem Paper von 2001 drei Arten von nützlichen Aktivitäten, die sich aus dem Reisen ergeben, aufgezeigt: die Aktivitäten, die man am Ziel der Reise macht (z. B. Person kann seine Arbeit ausführen, das sich im Einkommen wiederspiegelt), diejenige, die man während des Reisens macht (z. B. Zeit zum Nachdenken kann positiv aufgefasst werden, weil ein emotionaler Abstand zwischen Arbeit und Familie geschaffen wird) und die des Reisens selber (z. B. Pendeln mit dem Fahrrad bietet gesundheitliche Vorteile).22
3 „Stress that doesn’t pay: The Commuting Paradox“ (2008) von Frey Bruno S. und Stutzer Alois
Der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Bruno Frey hat sein Studium der Nationalökonomie an den Universitäten Basel und Cambridge, GB absolviert und ist aktuell Professor an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, Deutschland. Nebenher lehrt er außerdem als Gastdozent an weiteren Universitäten weltweit (Göteborg, Venedig, St. Gallen, Paris u.v.a.23 ). Frey ist seit 1969 Redakteur der wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschrift Kyklos und Mitglied der Herausgebergremien vieler weiterer Fachzeitschriften (z. B. dem Journal of Cultural Economics). Zu seinem Forschungsgebiet gehört die Anwendung der Ökonomie auf nicht-wirtschaftliche Bereiche wie der Umwelt, Familie oder Politik. In den letzten Jahren hatte der Schweizer seinen Fokus vor allem auf der Verbindung von Ökonomie und Psychologie. Dieses Interesse brachte ihn mit Forschungskollege Alois Stutzer zusammen.
Alois Stutzer hat in Zürich studiert, wo er 2007 seine Habilitation beendet hat. Seit 2009 ist er Professor an der Universität Basel und zeichnet sich als Mitherausgeber der Zeitschrift Kyklos und vielen weiteren aus. Dessen Forschungsgebiet deckt sich größtenteils mit dem von Frey, schließt jedoch die Verbindung von Recht und Ökonomie mit ein.24
Im Folgenden wird kurz auf die gemeinsame Arbeit der Autoren Frey und Stutzer eingegangen. Daraufhin wird das Paper „Stress that doesn’t pay: The Commuting Paradox“25 in aller Tiefe reflektiert und bei nötigen Stellen um eine ausführliche Erklärung der Methodik erweitert.
Es folgen keine direkten inhaltlichen Verweise zu dem Paper, da dieses für alle folgenden Gliederungspunkte unter Drei als Grundlage zu sehen ist. Wird im Folgenden ein signifikanter Effekt in den Daten beobachtet ist in allen Fällen ein statistisch signifikanter Zusammenhang gemeint. Zur besseren Verständlichkeit wird bei der ersten Nennung einer Variable diese kursiv geschrieben.
3.1 Das gemeinsame Forschungsgebiet der Autoren
Laut dem Katalog der deutschen Nationalbibliothek (DNB) ist das erste gemeinsame Paper der Autoren Frey und Stutzer 1999 mit dem Titel „Outcome, process & power in direct democracy“26 in Zusammenarbeit mit Marcel Kucher entstanden.27 In diesem Arbeitspapier wird anhand Daten aus der Schweiz gezeigt, dass Beschäftigte des öffentlichen Dienstes im Durchschnitt umso geringere finanzielle Mittel erhalten desto direkter die demokratische Struktur in der jeweiligen Institution ist. Außerdem soll bewiesen werden, dass das berichtete subjektive Wohlbefinden der Bevölkerung in denjenigen Ländern sehr viel höher ist, in denen diese stärkere direkte demokratische Rechte hat. Von dieser ersten Zusammenarbeit an folgten im Abstand von Minimum einem Jahr und Maximum vier Jahren gemeinsame Veröffentlichungen teilweise zu zweit oft jedoch auch mit den Kollegen Marcel Kucher oder Simon Lüchinger. Weitere Forschungsgebiete in den Publikationen sind das Glück in Verbindung mit Ökonomie, die Beurteilung von öffentlichen Gütern und eine statistische Analyse des Zusammenhangs zwischen dem Ehestand und dem Glück.28 Das aktuellste Paper der Beiden ist 2009 entstanden und trägt den Titel „Glück: die ökonomische Analyse“: Hier werden Ansätze und Möglichkeiten präsentiert, die eine ökonomische Analyse des Glücks ermöglichen können.29
3.2 Das Pendler Paradoxon: die zentrale Forschungsfrage
„Commuting is an important aspect of our lives that demands a lot of our valuable time.“ 30
Das Pendeln ist ein Phänomen, das viele Menschen täglich beschäftigt. Wie unter Gliederungspunkt 2.2 näher erläutert, wird diese Aktivität meist mit einer Bürde gleichgesetzt, die zu physischen und psychischen Problematiken führen kann. Jedoch sollte man sich auch den positiven Aspekten des Pendelns bewusst sein. Aus ökonomischer Sicht handelt es sich hier um eine von vielen Entscheidungen, die jedes rational denkende Individuum mit seiner individuellen Nutzenfunktion (abhängig von seinen Präferenzen) für sich treffen muss.
Die Wissenschaftler gehen von einem Gleichgewicht im Wohnungs- und Arbeitsmarkt aus, welches sich dadurch auszeichnet, dass der Nutzen eines Menschen in allen möglichen Kombinationen von Alternativen innerhalb dieser zwei Märkte gleich ist. Wird von einem solchen Gleichgewicht ausgegangen, müssten mit dem Pendeln einhergehende Nachteile (psychischer Stress etc.) entweder durch intrinsische oder finanzielle Motivation für den Arbeitsplatz oder durch den Vorteil einer angenehmeren Wohnsituation ausgeglichen werden. Unter intrinsisch versteht man eine Motivation, die „durch in der Sache liegenden Anreize bedingt (ist)“.31 Auf den vorliegenden Kontext angewandt bedeutet dies beispielhaft, dass eine Stelle dem lang ersehnten Traumberuf entspricht oder dieser der Person einen solchen guten Ruf im sozialen Umfeld einbringt, dass sich die Nachteile des Pendelns nicht negativ auswirken würden. Unter finanziellen Anreizen ist unter anderem ein attraktives höheres Gehalt (verglichen zu einer Arbeit, die kein Pendeln bedingt), Bonuszahlungen oder andere Sachleistungen der Firma an den Mitarbeiter (Firmenwagen etc.) gemeint, weshalb man einen längeren Anfahrtsweg von Haustür zur Bürotür auf sich nehmen könnte. Die Idee für die Analyse ist folgende: Wenn Pendler für die Mühen des Pendelns zu 100 Prozent entschädigt werden, sollte die Studie in den Daten keine negative Korrelation zwischen der Pendeldauer und der berichteten Zufriedenheit mit dem Leben feststellen. In der folgenden Analyse von Frey und Stutzer werden Daten zum subjektiven Wohlbefinden als eine Approximation für den wahrgenommen Nutzen des Pendelns benutzt. Die Betonung sei auf subjektiv gelegt: die Individuen berichten von ihrem selbst wahrgenommen Wohlbefinden. Dieses wird aufgrund von Erfahrungen berichtet und kann unsachlich oder verzerrt wiedergegeben werden. Im Folgenden werden die Subjektive Wohlbefinden, Glück, Nutzen und Zufriedenheit mit dem Leben als Synonyme verwendet. Die Daten ergeben jedoch, dass im Durchschnitt längeres Pendeln mit einem signifikant niedrigeren berichteten Wohlbefinden einhergeht. Für die Wissenschaftler bedeutet dies, dass ein Paradoxon vorliegt: die Daten liefern ein Ergebnis, das einen Widerspruch enthält. Entgegen der Annahme, dass rationale Individuen nur dann die Bürde des Pendeln auf sich nehmen, wenn sie dafür in entsprechender Weise entschädigt werden (höheres Gehalt, bessere Wohnsituation), und somit kein negativer Zusammenhang zwischen Pendeln und dem Wohlbefinden vorliegen dürfte, wird durch die Daten das Gegenteil bewiesen. Aus diesem Paradoxon leitet sich die Forschungsfrage der Studie von Frey und Stutzer ab. Um die Relevanz des Paradoxons zu testen, werden die Ergebnisse weiteren Tests unterzogen.
Als erstes wird die Robustheit gegenüber verschiedenen ökonometrischen Strukturen getestet: hier werden zeit-invariante Charaktereigenschaften in Form von weiteren erklärenden Variablen berücksichtigt. Zeitinvarianz bedeutet keine Änderung bei veränderten Bedingungen.32 Ziel des Tests ist es, diese zeit-unveränderlichen Effekte in die Analyse miteinzubeziehen, um unechte Korrelationen, die aufgrund dieser Eigenschaften entstehen, zu kontrollieren. In der Praxis bedeutet dies, dass die Studie mit denselben Teilnehmern ein weiteres Mal durchgeführt wird. Dies ist mit den vorliegenden Paneldaten möglich (weitere Ausführungen unter 3.3.4).
Es werden außerdem mögliche Erklärungen für das Paradoxon innerhalb des traditionellen Gleichgewichtsgedankens, einer der grundlegenden Annahme von Frey und Stutzer, diskutiert.
Während das Pendeln für den Direkt-Betroffenen eine Bürde darstellt, könnten die anderen Mitglieder eines Haushaltes (Partner, Kinder) durch die Situation in solchem Maße profitieren, dass auf Haushaltsebene eine perfekte Entschädigung des Pendelns vorliegt (weitere Ausführungen unter 3.4.1).
Die Grenzen des Urteilsvermögens eines Menschen könnten dazu führen, dass Verzerrungen bei der Beurteilung der Zufriedenheit mit dem Leben vorliegen (siehe Anmerkung zu subjektiv, S. 13). Ein Beispiel für einen solchen Beurteilungsfehler ist, dass die Antworten für die berichtete Zufriedenheit von der Reihenfolge der gestellten Fragen abhängen könnten. Dieser Aspekt könnte die Validität der Ergebnisse schmälern: um diesen auszuschalten, wird die Studie dahingehend erweitert, dass nach der Zufriedenheit in verschiedenen Gebieten gefragt wird (weitere Ausführungen unter 3.4.2).
Eine weitere Erklärung für das Vorliegen des Paradoxons könnte durch die Transaktionskosten gegeben sein. Diese halten Menschen davon ab sich an Schocks anzupassen, Menschen könnten also in eine Art Falle geraten sein, indem sie die monetären und psychischen Kosten des Pendelns ex ante unterschätzt haben. Um auch diesen Effekt kontrollieren zu können, werden bei einem weiteren Test Teilnehmern beobachtet, die entweder ihren Job oder ihren Wohnsitz gewechselt haben - also die Möglichkeiten hatten ihre Situation ex post zu re-optimieren (weitere Ausführungen unter 3.4.3).
3.3 Empirische Analyse: der Effekt von Pendeln auf das subjektive Wohlbefinden
Folgender Abschnitt stellt das Kernstück des empirischen Teils dar: die Auswahl der Daten wird erklärt, die Strategie für den Test gezeigt und sinnvolle Erweiterungen des Modells diskutiert. In den Gliederungspunkten 3.3.1 bis 3.4.3 werden einige Ergänzungen zum Ausgangspaper von Frey und Stutzer hinzugefügt, um die Verständlichkeit garantieren zu können.
3.3.1 Daten und deskriptive Statistik
Vor Stutzer und Frey wurde die Kompensation für das Pendeln hauptsächlich in Zusammenhang mit höherem Gehalt oder niedrigeren Mietzahlungen analysiert.33 Nun möchten die Autoren einen direkten Zusammenhang Pendeln - Nutzen abbilden. Hierfür wird das berichtete subjektive Wohlbefinden als Approximation für den Nutzen definiert. Dieses Vorgehen ist in den Wirtschaftswissenschaften noch nicht sehr stark verbreitet. Die Rechtfertigung dafür schließt sich teilweise aus Studien von Frey und Stutzer aus dem Jahr 2002.34 35 Die Variable berichtetes subjektives Wohlbefinden durchlief einige Tests. Es wurde festgestellt, dass Menschen bei sozialen Interaktionen öfter lächeln und eine niedrigere Wahrscheinlichkeit für einen Suizid haben, wenn sie höheres Wohlbefinden berichten. Außerdem wurde herausgefunden, dass die Variable stabil und störungsempfindlich gegenüber veränderten Lebensumständen ist.
Um das subjektive Wohlbefinden in einer Analyse verwenden zu können, muss dieses interpersonell vergleichbar sein. In der Umsetzung dieser Annahme sind sich die Wissenschaftler jedoch nicht einig. Streng genommen ist das subjektive Wohlbefinden eine ordinale Variable. Korrekterweise sollte also ein ordered logit oder probit Modell zur Konzeptionierung des empirischen Tests angewendet werden.36 Es ist allerdings herausgefunden worden, dass die Behandlung der Variable als ordinale oder kardinale in den quantitativen Ergebnissen nur kleine Abweichungen liefert.37 Es erscheint als hinnehmbar die relativ schwer anzuwendende logit oder probit Modelle durch ein Regressionsmodell zu ersetzen.
Die Daten für diese Studie liefert das sozio-ökonomische Panel SOEP (engl. German socio-economic Panel, GSOEP). Diese Studie wird im Rahmen der Leibniz- Gemeinschaft (WGL) mit Sitz in Berlin durchgeführt. Die daraus resultierenden Mikrodaten dienen der sozialen und wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagenforschung. Bei dem SOEP handelt es sich um eine jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalt in Deutschland, einer Längsschnittstudie. Seit 1984 werden dieselben Personen bzw. Familien befragt. Um die Aktualität der Daten zu garantieren wurde die Stichprobe im Laufe der Jahre angepasst. Diese Entwicklung wird in Abbildung 2 deutlich. Beispielsweise bedingte der Zusammenschluss der Bundesrepublik und der damaligen DDR die Erweiterung der Stichprobe um die sog. „Ostdeutschland (C)“ - Stichprobe. Die Anzahl der Beobachtungen ist über die Zeit hinweg also nicht konstant, es liegt ein unbalanciertes Panel vor.38
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Entwicklung der Stichprobe für das SOEP (Quelle: DIW Berlin, 2015)
Wie schon erwähnt zeichnet sich der Datensatz durch den Panelcharakter aus, die Studie wird wiederholt mit denselben Teilnehmern durchgeführt. Eine weitere Eigenschaft ist der Haushaltskontext: die Befragung schließt alle erwachsenen Haushaltsmitglieder ein und liefert außerdem Informationen über in diesem lebende Kinder. Außerdem werden Zahlen zu Ausländern und Zuwanderer erfasst. Seit 2002 werden Haushalte mit hohem Einkommen gesondert berücksichtigt (Hocheinkommens-Stichprobe, G). Für interessierte Forschungsgruppen ist eine regionale Untergliederung des Datensatzes möglich. Neben Fragen zum individuellen sozio-ökonomischen und demografischen Hintergrund werden auch Fragen nach subjektiven Merkmalen wie der Zufriedenheit mit dem Leben („Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben, wenn sie alle Aspekte berücksichtigen“) gestellt. Auch die Pendeldauer („Wie lange dauert es für Sie normalerweise bis Sie von zuhause aus an Ihren Arbeitsplatz kommen“ einfacher Weg) wird von den Teilnehmern der Befragung angegeben.
Eine anonymisierte Version des Datensatzes kann man als Wissenschaftler an einer Universität oder anderen wissenschaftlichen Institutionen gegen eine geringe Nutzungsgebühr erhalten. Die Relevanz des Forschungszweckes wird allerdings geprüft, sodass ein Missbrauch der Daten weitestgehend ausgeschlossen werden kann.
Derzeit arbeiten etwa 500 Forschungsgruppen im In-und Ausland aktiv mit dem Panel.39
Die Analyse des Pendler Paradoxons basiert auf 18 Wellen der SOEP Daten (1985 - 2003). Für die Berücksichtigung der Variable Pendelstrecke wurden weitere Wellen einbezogen (weitere Ausführungen unter 3.3.5). Die Werte für die Variable subjektives Wohlbefinden liefern die Antworten zur Fragen „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben, wenn sie alle Aspekte berücksichtigen“: es liegt eine kategoriale Variable mit den Werten von Null („vollkommen unzufrieden“) bis zehn („vollkommen zufrieden“) vor.40
Die deskriptive Statistik zu den Daten zeigt Tabelle A2 im Anhang.
Abbildung 3 zeigt die Verteilung der durchschnittlich täglichen (einfachen) Pendeldauer.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Verteilung der durchschnittlichen täglichen Pendeldauer (einfacher Weg) (Quelle: Frey, B.S., Stutzer, A., 2008, S. 346)
[...]
1 vgl. „pursuit of happiness“ in der Unabhängigkeitserklärung der USA
2 vgl. Wallacher J., 2011. Mehrwert Glück, Herbig Verlag, S. 21 f.
3 vgl. Bruni L., Zamagni S., 2013, S. 222 ff.
4 vgl. Bellebaum A., Hettlage R. (Hrsg.), 2010, S.113 ff.
5 weitere Information siehe: Frey Marti C., Frey B. S., 2010, S. 12 ff.
6 Auberle, A., Eickhoff, B., Knörr, E., Münzberg, F., et al., 2009, S. 495
7 vgl. Frey Marti C., Frey B. S., 2010, S. 14 ff.
8 vgl. Wallacher J., 2011, S. 32
9 vgl. Clark A., Frijters P., Shields M.,2008, S. 137
10 vgl. Wallacher J., 2011, S. 36 ff.
11 Bundesagentur für Arbeit, 2011
12 vgl. Duden online, 2013
13 weitere Information siehe: IAB Kurzbericht, 6/2008
14 weitere Information siehe: Statistisches Bundesamt, 2014
15 vgl. Rüger, H., Feldhaus, M., Becker, K., Schlegel, M., 2011, S. 193-220
16 vgl. Kahneman, D., Krueger, A.B., Schkade, D.A., Schwarz, N., et al., 2004, S. 1777
17 vgl. EPA (Environmental Protection Agency), 2001
18 Flade, A., 2007, S. 490-509
19 weitere Information siehe: Koslowsky, M., Kluger, A.N., Reich, M., 1995
20 vgl. Hansson, E., Mattisson, K., Björk, J., Östergren, P.O., et al., 2011, S. 2
21 vgl. Novaco, R.W., Gonzalez, O.I., 2009, S. 181
22 vgl. Mokhtarian, P.L., Salomon, I., 2001, S. 701 ff.
23 vgl. CV Bruno S. Frey, 2013
24 vgl. CV Alois Stutzer, 2014
25 vgl. Frey, B.S., Stutzer, A., 2008, S. 339-366
26 vgl. Frey, B.S., Kucher, M., Stutzer, A., 1999, Working Paper (25) Katalog der deutschen Nationalbibliothek, 2015
27 Katalog der deutschen Nationalbibliothek, 2015
28 vgl. Frey, B.S., Stutzer, A., 2006, S. 326-347
29 vgl. Frey, B.S., Stutzer, A., 2009, Working Paper (2009-11)
30 Frey, B.S., Stutzer, A., 2008. S. 339
31 Wermke, M., Kunke-Razum, K., Scholze-Stubenrecht, W., 2010, S. 489
32 vgl. Wermke, M., Kunke-Razum, K., Scholze-Stubenrecht, W., 2010, S. 490
33 vgl. Zax, J.S., 1991, S. 192-207
34 vgl. Frey, B.S., Stutzer, A., 2002a, S. 402-435
35 vgl. Frey, B.S., Stutzer, A., 2002b, S. 449-453
36 weitere Information siehe: Dickerson, A., Hole, A.R., Munford, L.A., 2014, S. 321- 329
37 Ferrer-i-Carbonell, A., Frijters, P., 2004, S. 641-659
38 vgl. Giesselmann, M., Windzio, M., 2013, S. 26
39 vgl. DIW Berlin, 2015
40 vgl. Winker, P., 2010, S. 202 ff.
- Arbeit zitieren
- Franziska Schropp (Autor:in), 2015, Auswirkungen des Pendelns auf das subjektive Wohlbefinden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304618
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