Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einsatz von webbasierten Classroom Response Systemen (CRS) im Unterricht der Sekundarstufe mit dem besonderen Augenmerk auf den Physik- und Chemieunterricht. Da die geringen technischen Anforderungen heute einen solchen Einsatz auch in Klassenzimmern ermöglichen und die Erfahrungen mit CRS im universitären Bereich, die die Grundlage für diese Arbeit bilden, sehr vielversprechend sind, wurde das didaktische Potential dieses Feedback-Tools näher betrachtet. Dabei stellte sich heraus, dass CRS eine große motivierende und aktivierende Wirkung im Unterricht haben und dass die Akzeptanz bei den Schülerinnen und Schülern sehr hoch ist. Auch die Ergebnisse der Hattie-Studie zur Lernwirksamkeit von Feedback und Formativer Evaluation legen die Verwendung eines CRS zur Unterstützung schon während des Unterrichts nahe.
Die auf den Universitäten rund um CRS entwickelten Lehr- und Lerndesigns sowie die zur Verwendung kommenden didaktischen Methoden werden herangezogen, um geeignete Nutzungsszenarien für den Schulunterricht vorzuschlagen. Dass auch komplexere Fragestellungen mittels einfacher Klickerabfragen möglich sind, wird ausführlich erläutert und anhand von Beispielen und Anregungen für den Unterricht belegt. Ein weiterer Hinweis darauf, dass CRS als Bereicherung für den Unterricht gesehen werden, sind die vielen, an unterschiedlichen Universitäten entwickelten webbasierten CRS, von denen die für den Unterricht am geeignetsten erscheinenden vorgestellt werden.
INHALTSVERZEICHNIS
ABSTRACT
Vorwort
1 Einleitung
1.1 Vorgangsweise
1.2 Classroom Response Systeme & Hatties Schlüsselfaktoren
1.3 Überblick über die Arbeit
2 Classroom Response Systeme
2.1 Begriffserklärung
2.2 Auswahl eines Classroom Response Systems
2.2.1 Technik, Wartung und Kosten
2.2.2 BYOD und die Verwendung von Smartphones an Schulen
2.3 Erfahrungen mit Classroom Response Systemen
2.4 Fragen und Antworten
2.4.1 Fragekategorien abhängig von CRS-Antwortmöglichkeiten
2.4.2 Taxonomie von Fragen nach kognitiven Gesichtspunkten
2.4.3 Taxonomie von Fragen nach deren Eignung für Klickersysteme
2.4.4 Beispielhafte Zuordnung von Fragekategorien zu den drei Grundfragetypen eines CRS
2.4.5 Vorhandene Ressourcen
2.5 Quiz
2.5.1 Wettbewerb und Kooperation
2.5.2 Selbst Fragen stellen
2.6 Anregungen und Beispiele für den Unterricht
2.6.1 Präkonzepte
2.6.2 Concept Cartoons
2.6.3 Experimente und Hypothesen
2.6.4 Experimente und Ergebnisse
2.6.5 Formative und summative Evaluation
2.6.6 Stoffwiederholung und -zusammenfassung
2.6.7 Gruppendiskussionen und problembasiertes Lernen
2.7 Vor- und Nachteile von CRS
2.7.1 Vorteile
2.7.2 Nachteile
3 Webbasierte Classroom Response Systeme
3.1 Kahoot!
3.1.1 Überblick
3.1.2 Beschreibung
3.1.3 Vorbereitung einer Befragung
3.1.4 Ablauf einer Befragung
3.1.5 Erfahrungen
3.1.6 Resümee
3.2 Plickers
3.2.1 Überblick
3.2.2 Beschreibung
3.2.3 Vorbereitung einer Befragung
3.2.4 Ablauf einer Befragung
3.2.5 Resümee
3.3 TEDzi
3.3.1 Überblick
3.3.2 Beschreibung
3.4 Poll Everywhere
3.4.1 Beschreibung
3.5 ARSnova
3.5.1 Beschreibung
3.6 Weitere Systeme
4 Zusammenfassung und Ausblick
5 Literatur
6 Abbildungsverzeichnis
7 Tabellenverzeichnis
8 Anhang
ABSTRACT
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einsatz von webbasierten Classroom Response Systemen (CRS) im Physik- und Chemieunterricht. Da die geringen technischen Anforderungen heute einen solchen Einsatz auch in Klassenzimmern ermöglichen und die Erfahrungen mit CRS im universitären Bereich, die die Grundlage für diese Arbeit bilden, sehr vielversprechend sind, wurde das didaktische Potential dieses Feedback-Tools näher betrachtet. Dabei stellte sich heraus, dass CRS eine große motivierende und aktivierende Wirkung im Unterricht haben und dass die Akzeptanz bei den Schülerinnen und Schülern sehr hoch ist. Auch die Ergebnisse der Hattie-Studie zur Lernwirksamkeit von Feedback und Formativer Evaluation legen die Verwendung eines CRS zur Unterstützung schon während des Unterrichts nahe.
Die auf den Universitäten rund um CRS entwickelten Lehr- und Lerndesigns sowie die zur Verwendung kommenden didaktischen Methoden werden herangezogen, um geeignete Nutzungsszenarien für den Schulunterricht vorzuschlagen. Dass auch komplexere Fragestellungen mittels einfacher Klickerabfragen möglich sind, wird ausführlich erläutert und anhand von Beispielen und Anregungen für den Unterricht belegt. Ein weiterer Hinweis darauf, dass CRS als Bereicherung für den Unterricht gesehen werden, sind die vielen, an unterschiedlichen Universitäten entwickelten webbasierten CRS, von denen die für den Unterricht am geeignetsten erscheinenden vorgestellt werden.
Vorwort
Mein Dank gilt zuallererst allen Schülerinnen und Schülern, deren überwältigende Reaktionen auf meine Klickerabfragen und Quizspiele während meiner Praxisstunden mich davon überzeugten, mich näher mit Classroom Response Systemen zu befassen. In diesem Zusammenhang müssen auch die Praxislehrerinnen hervorgehoben werden, die mich gewähren ließen, obwohl sie anfangs nicht wussten, auf was sie sich dabei eingelassen hatten.
Seitens der PH Steiermark möchte ich mich bei Prof. Eduard Schittelkopf und dem Betreuer dieser Arbeit, Mag. Dr. Prof. Reichel, sowie Frau Mag. Dr. Katharina Heissenberger für die Unterstützung und Inspiration bedanken.
1 Einleitung
Learn and have fun!
(Ribbens, 2007)
„Kann Physik populär unterrichtet werden?“ ist die Frage, die Leo Ludick in (Ludick, 2012) mit Blick auf TV-Wissenschaftsshows aufwirft und im Zusammenhang mit den Eckpunkten forschenden Lernens im Großen und Ganzen positiv beantwortet. Dass dieser Blick ins Unterhaltungsfach in fachdidaktischer Hinsicht für den Unterricht lohnend sein kann, möchte ich hier aufgreifen und um die Facette der von den TV-Machern gerne eingesetzten Publikumseinbeziehung per Votings erweitern.
Schon sehr früh wurde in TV-Shows versucht, das Publikum vor den Fernsehgeräten aktiv am Geschehen zu beteiligen, indem z.B. über Sieg oder Niederlage abgestimmt werden konnte. Wie wichtig den Sendern ein möglichst zeitnaher „Dialog“ mit den Seherinnen und Sehern war, zeigt schon der zum Teil große Erfindungsreichtum, mit dem ein solches Feedback technisch realisiert wurde. Am bizarrsten dürfte wohl das Voting per Klospülung in der Anfang der 70er-Jahre ausgestrahlten TV-Show „Wünsch Dir was“ sein, bei dem das Abstimmungsergebnis der jeweiligen Region über den dadurch verursachten Wasserverbrauch ermittelt werden konnte. Den Anfang interaktiver Abstimmungen so wie wir und vor allem die Schülerinnen und Schüler sie auch heute noch von diversen Castingshows her kennen bildete TED, der in den 80er Jahren in der „Wetten, dass“-Show eingeführte und als Strichmännchen personalisierte „Tele-Dialog“, über den die Zuschauerinnen und Zuschauer von zuhause aus direkt Einfluss auf den Verlauf der Sendung nehmen konnten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 1 TED (wikimedia.org)
Der hohe technische Aufwand, der betrieben wurde, um quasi unmittelbar Ergebnisse aus dem Publikum zu erhalten, machte sich für die Sender natürlich bezahlt, da mit der Einbeziehung vormals passiver TV-Konsumenten auch eine verstärkte Kundenbindung einherging und sowohl die emotionale Beteiligung als auch das Interesse am Ausgang der Befragungen ein ungeahntes Ausmaß annahmen. Nachdem auch Schülerinnen und Schüler im Unterricht zu einem „passiven Konsumverhalten“ neigen bzw. im darbietenden, auf sinnvoll übernehmendes Lernen ausgerichteten Physikunterricht (Kircher, 2015, S. 167) eine äußerlich passive Rolle einnehmen, liegt es nahe, ähnlich motivierende Voting-Elemente auch in den Schulalltag einfließen zu lassen.
An dieser Stelle möchte ich wieder auf Ludick zurückkommen, der die Art und Weise, wie in Wissenschafts-TV-Sendungen ein derart großes Interesse beim Publikum geweckt wird, zum Ausgangspunkt seiner fachdidaktischen Betrachtungen nimmt.
„Ein (…) entscheidender Punkt ist, dass Wissen nicht aufgebaut wird, sondern dass man stets von einem beobachteten Phänomen ausgeht, das – wenn möglich – verblüffend sein soll. Man geht also von Fragestellungen aus. Es ist das Experiment, das verblüfft, und nun will der Zuschauer wissen, wie es funktioniert.“ (Ludick, 2012, S. 4)
In der vorliegenden Arbeit soll daher vor allem darauf eingegangen werden, wie solche Fragestellungen zu wirklich gestellten Fragen an alle Schülerinnen und Schüler werden können und wie sich dabei der Einsatz von Classroom Response Systemen (CRS) auf den Unterricht und das Lernverhalten auswirken kann.
Durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem noch nicht in der Sekundarstufe 1 angekommenen Tool „Classroom Response System“ sollen Impulse und Anregungen für die praktische Einführung im Unterricht gegeben sowie Best-Practice-Beispiele und bewährte Methoden angeführt werden. Dazu wurde versucht, folgende Forschungsfragen zu beantworten:
- Wie können webbasierte Classroom Response Systeme im Physik- & Chemieunterricht in der Sekundarstufe eingesetzt werden?
- Welche Fragestellungen eignen sich dafür?
- Welche Vor- und Nachteile gibt es allgemein und in Bezug auf spezielle webbasierte CRS?
1.1 Vorgangsweise
In einer älteren Dissertation (Fies, 2005, S. 6) wird angemerkt, dass es bis auf anekdotische Berichte erst wenige Untersuchungen in Bezug auf den konkreten Einsatz von CRS, das motivierende Potenzial dieses Tools und die Auswirkungen auf den Lernprozess gibt. Inzwischen hat sich die Situation ein wenig gebessert, so findet man bei Bruff (2014) einige Forschungsberichte zur Akzeptanz spezifischer CRS-Anwendungen, darunter Patry (2009) und Fredericksen & Ames (2009). Aber auch im Rahmen von Usability-Tests, z.B. für das an der Universität Paderborn entwickelte CRS PINGO (Magenheim, J., Reinhardt, W., Kundisch, D., Herrmann, P., Whittaker, M., Beutner, M., & Zoyke, A., 2012) oder im Zusammenhang mit der Entwicklung von ARSnova (Technische Hochschule Mittelhessen, 2015), wurde der Nutzen und die Akzeptanz dieses Tools untersucht und dokumentiert. Im Anhang befindet sich zur Veranschaulichung das Ergebnis einer Befragung unter ca. 900 Studierenden der Universität Hamburg (Witt, 2012).
Auf die daraus gewonnenen Ergebnisse sowie die überaus interessanten Erfahrungen während eines zweijährigen Projekts an der University of Glasgow (Draper & Brown, 2004) wird an gegebener Stelle verwiesen, es kann aber schon vorab festgestellt werden, dass alle betrachteten Untersuchungen im Großen und Ganzen in Bezug auf die positiven Effekte von CRS zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangten. So heißt es etwa bei Patry: „The available data suggests that this technology is a promising avenue for future developments in pedagogy.” (Patry, 2009, S. 2). Auch die folgende Zusammenfassung trifft sinngemäß auf alle anderen Untersuchungen zu und sollte Skeptikern den Zugang zu diesem Tool etwas erleichtern:
„In summary, use of the handsets was judged by both learners and teachers to benefit them. It can immediately be used successfully by teachers new to it, provided (a) that they come with a niche-specific idea of how to use the equipment in their situation (although simply adding self-assessment questions seems to be valued almost generically), and (b) that there is human assistance sufficient such that no technical difficulties obtrude on the learning situation.“ (Draper & Brown, 2004, S. 93)
Auch in dieser Arbeit wird auf anekdotische Erfahrungsberichte zum Einsatz von CRS im Bereich universitärer Ausbildung zurückgegriffen, um daraus für die Sekundarstufe relevante Erkenntnisse abzuleiten. Quellen dafür finden sich vor allem im angelsächsischen Raum, in dem CRS schon weiter verbreitet sind und auch in Schulen zum Einsatz kommen.
An österreichischen und deutschen Universitäten wurden in den letzten Jahren webbasierte CRS entwickelt, in der Praxis getestet und ihre technischen und didaktischen Möglichkeiten diskutiert, worauf in dieser Arbeit gegebenenfalls Bezug genommen wird. Einige der dabei entstandenen CRS-Lösungen werden hier auch als mögliche Systeme für den Einsatz an Schulen vorgestellt.
1.2 Classroom Response Systeme & Hatties Schlüsselfaktoren
Um die Wirksamkeit von Classroom Response Systemen auf eine zuätzliche evidenzbasierte Basis zu stellen, soll einleitend auf einen interessanten Zusammenhang hingewiesen werden, der auch eine Grundlage für Überlegungen zu einem didaktisch gewinnbringenden Einsatz dieses Tools bilden soll.
Zur Bewertung von CRS bietet es sich an, Ergebnisse aus Studien mitzuberücksichtigen, die sich eng verwandten Themen widmen. Dabei kommt man nicht umhin, die aktuell viel diskutierte Metastudie „Visible Learning – Lernen sichtbar machen“ von John Hattie (Hattie, Beywl, & Zierer, 2013) heranzuziehen, die die Frage, was denn guten Unterricht ausmacht, zu beantworten versucht.
Zum Einsatz von Technik beim computerunterstützten Unterrichten und Lernen vertritt Hattie folgende Meinung:
„My own view is that, like many structural innovations in education, computers can increase the probability of learning, but there is no necessary relation between having computers, using computers, and learning outcomes.“ (Hattie, 2009, S. 221)
Es kommt also darauf an, was man mit der Technik macht und zu welchem Zweck man sie einsetzt. Im Fall von CRS ist der Zweck, für den dieses Mittel offensichtlich gedacht ist, gleichzeitig einer der herausragendsten Faktoren in Hatties Themenkatalog.
Ganz oben auf der Rangliste der Einflussgrößen in Bezug auf den schulischen Lernerfolg findet sich bei Hattie der Faktor Feedback, wobei speziell dem Feedback der Schülerinnen und Schüler in Richtung Lehrerinnen und Lehrer eine hohe Wirksamkeit für den Lernerfolg attestiert wird. Feedback wird ganz allgemein als einer der Schlüsselfaktoren für gelingenden Unterricht betrachtet und spielt auch bei dem am höchsten bewerteten Faktor „Formative Evaluation“ eine entscheidende Rolle: „Feedback is among the most common features of successful teaching and learning.“ (Hattie, 2012, S. 115)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1-2 Unterrichten (www.visible-learning.org)
Da das zentrale Element von CRS darin besteht, dass Feedback unmittelbar - quasi in Echtzeit - gegeben und empfangen werden kann, handelt es sich bei einem CRS um ein Tool, das, wenn didaktisch richtig eingesetzt, bei der Umsetzung der genannten Einflussfaktoren hilfreich sein kann. Untersuchungen zur Akzeptanz und Wirkung von CRS als Feedbackinstrument (Bruff, 2014; Camuka & Peez, 2014; Draper & Brown, 2004; Fredericksen & Ames, 2009; Magenheim et al., 2012; Mazur, 1997; Patry, 2009; Technische Hochschule Mittelhessen, 2015; Witt, 2012) sind zudem übereinstimmend positiv ausgefallen und decken sich von ihren Ergebnissen her betrachtet weitestgehend mit Hatties Resultaten. Auf Grund dieser übereinstimmenden Beobachtungen und Schlussfolgerungen mit Hatties Ergebnissen kann man von den genannten CRS-Anwendungsbeispielen ableiten, wie CRS im Sinne von Hatties Schlüsselfaktoren Feedback und Formative Evaluation lernwirksam werden können.
Formative Evaluation – laut Hattie „jegliche Aktivität die dazu benutzt wird, den Lernstand und Lernfortschritt von Schülerinnen und Schülern während des Lernprozesses zu bestimmen.“ (Waack, 2013, S. 5) – ist somit integraler didaktischer Bestandteil der Anwendung aller CRS, die in den oben angeführten Untersuchungen eingesetzt wurden. Eine ähnlich unmittelbare und alle Schülerinnen und Schüler miteinbeziehende Umsetzung von formativer Evaluation ist außerdem schwer vorstellbar.
Allem Anschein nach handelt es sich bei einem CRS also um ein vielversprechendes Tool und es lohnt, es sich in Hinblick auf seine Verwendbarkeit im schulischen Kontext etwas genauer anzusehen. Herbert Schwetz und Birgit Swoboda schreiben in einem abschließenden Kapitel ihrer Aufarbeitung von Hatties Forschungsergebnissen (Schwetz & Swoboda, 2013, S. 121) zum Faktor Feedback Folgendes:
„Obwohl dies schon ausgeführt wurde, soll dieser Faktor wegen seiner Wichtigkeit gesondert dargestellt werden.
Es wäre eine Untersuchung wert, um feststellen zu können, in welchem Ausmaß Lernende Feedback wünschen und ob die Rückmeldungen, die die Schüler/-innen im Moment bekommen, hilfreich und förderlich sind. (…)
Das Feedback ist den Lernenden in herausfordernden Lernkontexten der Wegweiser. Die Frage ist jedoch, wie wirksam Feedback ist, das nebenbei gegeben wird, das nicht leistungsbezogen ist, sondern sich nur auf den Lernfortschritt beschränkt. Daraus ergibt sich die Empfehlung, über die „Häkchen“-Praxis der Lehrer/-innen nachzudenken und möglicherweise neue Formen der Rückmeldung anzudenken.“ (Schwetz & Swoboda, 2013, S. 121–122)
Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, ob Classroom Response Systeme eine dieser neuen Formen der Rückmeldung sein können.
1.3 Überblick über die Arbeit
Ausgehend von einer Begriffserklärung wird im ersten Teil auf die Entwicklung der Classroom Response Systeme hin zu webbasierten Systemen und den damit verbundenen Vorteilen eingegangen. Aufgrund der hohen Kosten und des großen Wartungsaufwands haben sich herkömmliche CRS im Schulbereich ja bisher nicht etablieren können, weshalb die technischen Voraussetzungen kurz beleuchtet und die Möglichkeit der Verwendung vorhandener mobiler Geräte der Schülerinnen und Schüler behandelt werden.
Im Anschluss daran werden die Erfahrungen mit dem Einsatz von CRS in vor allem naturwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen an Universitäten geschildert. Diese Erfahrungen werden in einem modellhaften Unterrichtsverlauf zusammengefasst, der den meisten Einsatzszenarien zugrunde liegt.
Die Verwendung von Klickern macht nur Sinn, wenn die richtigen Fragen gestellt werden, weshalb den Fragen und den speziellen Anforderungen eines CRS ein ganzes Kapitel gewidmet wird. Auch Quizspiele werden aufgrund ihrer Beliebtheit bei Schülerinnen und Schülern in einem eigenen Kapitel behandelt und ihre Möglichkeiten diskutiert. Vorhandene Ressourcen und Best-Practice-Beispiele aus dem universitären Bereich, die für die Sekundarstufe geeignet scheinen, bilden die Überleitung zu Anregungen für den Physik- und Chemieunterricht. Zusammenfassend werden zum Abschluss dieses allgemeinen Teils noch grundsätzliche Vor- und Nachteile von CRS diskutiert.
Einige webbasierte CRS, ihre Funktionen und etwaige Alleinstellungsmerkmale werden näher vorgestellt, wobei bei der Auswahl darauf geachtet wurde, dass die technischen Voraussetzungen möglichst gering sind und keine Anschaffungskosten anfallen, vorausgesetzt Computer und Beamer sind vorhanden.
2 Classroom Response Systeme
„Man kann selbst in Lernumgebungen, die aufgrund einer völlig anderen pädagogischen Konzeption entwickelt wurden, moderne Elemente und Konstruktionsprinzipien neuerer didaktischer Richtungen einbringen und sie auf diese Weise soz. gegen den Strich ‚bürsten‘".
(Schulmeister & Wessner, 2001, S. 310)
Was versteht man unter Classroom Response Systemen, wie und wo wurden diese eingesetzt und was prädestiniert gerade die heute zur Verfügung stehenden webbasierten Lösungen für einen Einsatz in Schulklassen? Dieses Kapitel soll einen Überblick über die grundsätzliche Funktionsweise, Anwendungsgebiete und unterschiedliche Realisierungen von CRS geben sowie Vor- und Nachteile eines Einsatzes und mögliche Auswahlkriterien beleuchten.
2.1 Begriffserklärung
Unter Classroom Response Systemen (CRS) versteht man technisch-elektronische Geräte, die es Vortragenden im Rahmen von Lehrveranstaltungen mit vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ermöglichen, diese aktiver und kooperativer in den Unterricht einzubinden.
Ein solches System besteht aus einem Empfänger – ein Computer in einem Funk-, Infrarot- oder WLAN-Netzwerk – und vielen Sendern, meist in Form von sogenannten Klickern (andere Schreibweise: Clicker), die über das jeweilige Netzwerk Rückmeldungen übermitteln. Moderne, webbasierte Lösungen verwenden dazu internetfähige Mobilgeräte der Befragten. Diese Rückmeldungen werden von der Empfängersoftware ausgewertet und können unmittelbar nach Beendigung der Befragung z.B. als Balkendiagramm über einen Beamer visualisiert und von der Lehrperson kommentiert werden und/oder können die weitere Vorgangsweise bestimmen. Die Antworten sind in der Regel anonym, einige Systeme erlauben es aber auch, nach einer Registrierung der Klickergeräte, die Antworten bestimmten Schülerinnen und Schülern zuzuordnen. Außerdem werden die Ergebnisse meist in Tabellenform in einer Datei abgespeichert und zur Verfügung gestellt. Abb. 2-1 zeigt die grundsätzlichen Komponenten eines Classroom Response Systems wie sie in einem US Patentantrag (2010/0235854 A1) beschrieben werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2-1 Patentantrag (http://www.faqs.org/patents/imgfull/20100235854_02)
Die Bezeichnung Classroom Response System wurde in Anlehnung an Bruff (2009, S. 5) und Kundisch (2013) gewählt, da diese dem in der vorliegenden Arbeit behandelten Klassenunterricht in Schulen am ehesten entspricht. Obwohl der Schwerpunkt ihrer Forschung zu diesem Thema auf Vorlesungen in großen Hörsälen liegt, verwenden auch Bruff und Kundisch in ihren Untersuchungen die Bezeichnung Classroom Response System, um die direkte Interaktion mit den Hörerinnen und Hörern zu unterstreichen.
Andere gängige aus dem englischen Sprachraum übernommene Bezeichnungen sind: Audience Response System (ARS), Student Response System, Personal Response System (PRS), Live Feedback System, Classroom Communication System, Classroom Feedback System, Audience Paced Feedback, Electronic Response System, Electronic Voting System, Klickersystem oder TED-System.
Abseits technischer Details ist all diesen Systemen laut Magenheim (Magenheim et al., 2012, S. 16–17) und Kundisch (Kundisch et al., 2013, S. 389) gemein, dass die Studierenden während einer Präsenzveranstaltung hinsichtlich einer themenbezogenen Problemstellung befragt und entweder sofort eine unmittelbare Rückmeldung mit der korrekten Antwort erhalten können oder vorher zur Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand sowie zur Diskussion mit Kommilitonen und dem Lehrenden angeregt werden. Ein CRS ist also ein Tool, das bidirektionales Feedback sowie aktivierende, selbstgesteuerte und kooperative Lernphasen ermöglicht.
2.2 Auswahl eines Classroom Response Systems
2.2.1 Technik, Wartung und Kosten
Die Entwicklung von Classroom Response Systemen geht zurück bis in die 1950er-Jahre. Noch in den 1990er-Jahren handelte es sich bei den kommerziell vertriebenen CRS um aufwändig verkabelte Systeme; der Wechsel zu kostengünstigeren infrarot- oder funkbasierten Lösungen nahm damals aber seinen Anfang. Ein weiterer Entwicklungsschritt und damit einhergehend eine große Vereinfachung wurde durch die Verbreitung von Internettechnologie und WLAN in Verbindung mit der mittlerweile fast flächendeckenden Ausstattung von Studierenden mit internetfähigen Endgeräten (Laptops, Tablets, Smartphones etc.) vollzogen.
„Durch die stetig voranschreitenden technischen Möglichkeiten, bessere Konnektivität, sinkende Kosten und optimierte Usability werden Mobiltelefone, Smartphones und Tablet PCs nicht nur für die private Nutzung attraktiv, sondern bieten großes Potenzial für die Integration und Erweiterung von Lernprozessen in der Aus- und Weiterbildung.“ (Witt & Sieber, 2013, S. 7)
Heute können Studierende und Lehrende ein CRS auch als App oder als Software as a Service (SaaS) über das Web nutzen. Das Austeilen, Einsammeln und Warten von Klickern entfällt damit. (Kundisch et al., 2013, S. 391)
Diese neue Situation, die durch heutige webbasierte Lösungen den Aufwand und die Kosten für ein CRS auf ein Minimum reduziert, macht den Einsatz solcher Systeme außerhalb großer universitärer Lehrveranstaltungen überhaupt erst interessant und an Schulen mit oft beschränkten Ressourcen umsetzbar. In dieser Arbeit wird deshalb der Fokus auf webbasierte CRS gelegt, die wiederum auf kostenlos zur Verfügung stehende Dienste eingeschränkt wurden, um einen möglichst niederschwelligen Zugang zu dieser Technologie vorzustellen. Bei der Auswahl der im Folgenden kurz betrachteten Dienste wurde darauf geachtet, dass zumindest die von Magenheim (Magenheim et al., 2012, S. 25) genannten Anforderungen an ein CRS erfüllt sind:
- Kosteneffizienz,
- Authentifizierung,
- Echtzeitfähigkeit,
- Gebrauchstauglichkeit,
- Skalierbarkeit,
- Unterstützung mobiler Endgeräte,
- leichte Installation,
- Unterstützung unterschiedlicher Betriebssysteme
Die Ausgangslage bei der Einführung eines CRS ist natürlich vielschichtiger, als dass sie durch eine rein auf die Hardware gerichtete Problemminimierung allein in den Griff zu bekommen wäre. Die Gründe für die technischen Neuerungen entgegengebrachte Skepsis gehen tiefer und die Befürchtungen scheinen sich nicht nur auf das österreichische Schulsystem zu beschränken, wie das folgende Statement zeigt.
“Unfortunately, formal educational environments pose several barriers to the use of participatory media in schools. The hallmarks of the new technology - active creation of personalized online content and fluid communication networks - don’t fit well with a traditional school’s authoritative control of learning objectives, chronic lack of time, inadequate access to highend technology, and the limited range of effective use of technology found in most classrooms.” (Gibson, 2010, S. 85)
Es gilt, dieser Zurückhaltung im Umgang mit digitalen Medien im Unterricht und den Hürden, die den neuen Medien in Schulen (noch) im Weg liegen, den möglichst einfach zu lukrierenden Nutzen und die Vorteile bestimmter Technologien entgegenzusetzen. Ein niederschwelliger Zugang zur damit zum Einsatz kommenden Technik ist dabei sicherlich hilfreich, vor allem aber müssen die eigentlich im Zentrum des Interesses stehenden didaktischen Möglichkeiten, die sich durch die Verwendung neuartiger Tools ergeben, überzeugend sein.
2.2.2 BYOD und die Verwendung von Smartphones an Schulen
Es soll an dieser Stelle kurz darauf eingegangen werden, wie Schulen den mit der Verwendung eines Classroom Response Systems verbundenen Aufwand an fachkundiger Betreuung der benötigten Hardware gering halten können, ohne den Anspruch erheben zu wollen, die dazu stattfindende Diskussion in all ihren Facetten wiederzugeben. Thema dieser Arbeit ist ja nicht das Lernen an einem mobilen Gerät, sondern wie mit einem Gerät und der neuen Technik die Feedbackmöglichkeiten auf möglichst einfache und effektive Art und Weise verbessert werden können.
Bei einem Klickersystem handelt es sich um eine sehr spezielle Anwendung, die mit BYOD (Bring Your Own Device) realisiert werden soll und die sich völlig von anderen Szenarien für den Einsatz neuer Medien im Unterricht unterscheidet, die im Zusammenhang mit E-Learning normalerweise diskutiert werden. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit auch kaum auf kritische Auseinandersetzungen mit dem Einsatz von Computern und Smartphones im Unterricht eingegangen, wie sie z.B. von Manfred Spitzer in seinem Buch „Digitale Demenz“ mahnend auf den Punkt gebracht wurden (Spitzer, 2012).
Es wird deshalb der folgende pragmatische Ansatz digitalen Medien und Technologien in Schulen gegenüber vertreten:
„Digitale Medien haben keinen Selbstzweck: Durch sie sind wir in der Lage, Umgebungen nach unseren Bedürfnissen zu kreieren und für unsere Zwecke in Gebrauch zu nehmen. Sie werden also je nach Kontext mit unterschiedlichen Zielsetzungen eingesetzt und können sowohl eine Erweiterung der Offlinezusammenarbeit als auch eine Plattform für alle gemeinsamen Arbeitsprozesse darstellen.“ (Eisfeld-Reschke, Kretschmer, & Narr, 2013, S. 60)
Die Idee hinter dem BYOD-Ansatz ist zwingend einfach: Man muss die benötigte und zu betreuende Hardware (in unserem Fall Netzwerke mit einem Empfänger pro Klasse und einem Sender für jede Schülerin und jeden Schüler) auf ein Minimum reduzieren.
Bewerkstelligt wird das, indem man den Schülerinnen und Schülern gestattet,
„im Unterricht mit eigenen Geräten, z.B. Smartphones, Tablets oder Netbooks zu arbeiten (Bring your own device = BYOD). Da viele Dienste inzwischen in der Cloud liegen, reduzieren sich trotz der Vielfalt der Endgeräte die Probleme mit Software und entsprechender Inkompatibilität. BYOD würde die Schule/den Schulträger entlasten, da die Geräte nicht angeschafft und gewartet werden müssen, bedeutet aber auch einen Kontrollverlust im Hinblick auf verfügbare Anwendungen und das Nutzerverhalten. Die Bereitstellung von W-LAN wäre unter dieser Prämisse dann wichtiger als ein Laptop/Tablet für jeden Schüler.“ (Ebel, 2013)
Eine WLAN-Umgebung, für deren Funktionieren normalerweise eine externe Firma zuständig ist, wäre damit also die zentrale Anforderung, um ein eigentlich komplexes System wie ein CRS webbasiert implementieren zu können. Die Schülerinnen und Schüler verwenden die Geräte, mit denen sie auch im Alltag umgehen, wobei technologisch versiertere Schülerinnen und Schüler in einer Art Buddy-System den anderen bei Problemen unter die Arme greifen können. (Babnik et al., 2013, S. 2) Die Lehrpersonen selbst müssen also nicht unbedingt eine zentrale Rolle für das Funktionieren des Systems übernehmen.
Dass die dafür benötigte Hardware-Ausstattung bei Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren vorhanden ist, bestätigt die JIM-Studie 2014 eindrucksvoll. „Die seit vielen Jahren zitierte Mediengesellschaft ist mit der inzwischen erreichten Ausstattung fast aller Jugendlichen mit Smartphones Wirklichkeit geworden, zumindest wenn man darunter die Durchdringung aller Lebensbereiche mit Informations- und Kommunikationstechnologie versteht.“ (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2014, S. 3) Allerdings macht laut JIM-Studie die Differenz zwischen den Jüngsten und den Ältesten bei Mobiltelefonen lediglich einen Prozentpunkt (12-13 Jahre: 97%, 18-19 Jahre: 98%) und bei Smartphones acht Prozentpunkte (12-13 Jahre: 81%, 18-19 Jahre: 89%) aus. Auch was den Bildungshintergrund anbelangt, zeigen sich keine großen Unterschiede.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2-2 Gerätebesitz Jugendlicher (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2014)
Auch Herzig und Martin (2014, S. 11) gehen davon aus, dass mobile Endgeräte in Form von Smartphones oder Tablets für viele Heranwachsende inzwischen zu einem selbstverständlichen Bestandteil ihres Medienrepertoires geworden sind und dass sich die Schulen dieser Entwicklung nicht durch z.B. strikte Handyverbote verschließen werden können. Vielmehr gilt es, die Potenziale mobiler Endgeräte zu erkennen und zu nützen. „Ziel jeden Medieneinsatzes in der Schule oder anderen Bildungskontexten ist letztlich die Förderung von Unterrichtsqualität.“ (Petko, 2014, S. 111)
Abgesehen von den Möglichkeiten von BYOD im Zusammenhang mit Classroom Response Systemen können z.B. gerade im naturwissenschaftlichen Fachunterricht Smartphones mithilfe entsprechender Apps auch kostspielige Messinstrumente ersetzen.
Zudem können Classroom Response Systeme mediendidaktisch eine Art Brückenfunktion einnehmen und dabei helfen, „Medien-Brüchen“ (Ebel, 2013), die durch die Verwendung analoger Medien in der Schule im Gegensatz zu digitalen im privaten Bereich entstehen, entgegenzuwirken.
„To address the gap between the youth culture’s practices with technology and today’s teaching practices, teacher educators and a new generation of teachers now have an opportunity to work together to study and develop new knowledge and methods for using participatory media and informal learning approaches in schools.” (Gibson, 2010, S. 86)
[...]
- Citation du texte
- Harald March (Auteur), 2015, Webbasierte Classroom Response Systeme (CRS) im Physik- und Chemieunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304603
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