In dieser Arbeit soll Christian Fürchtegott Gellerts Auffassung von der Komödie verdeutlicht werden. Es gilt zu klären, wie sein „rührendes Lustspiel“ in der Theorie aufgebaut war und welchen Zweck es verfolgte. Dabei wird der Essay „Die besten Regeln sind die wenigsten – Gellerts Poetik“ von Werner Jung sowie die Ansicht von Eckehard Catholy in seinem Werk „Das deutsche Lustspiel“ besonders berücksichtigt. Außerdem wird auf das Nachwort von Horst Steinmetz in Gellerts „Lustspiele“ eingegangen. Fraglich ist, ob es sich bei Gellerts Komödie um eine Mischgattung handelt oder nicht – und, ob das rührende Lustspiel tatsächlich noch als Komödie bezeichnet werden kann.
„Will man das Mißvergnügen als eine Vermischung von Lust und Unlust ansehen, wo bald das eine das andre überwiegt, bald beides einander gleich ist: so darf man sich nicht wundern, warum wir zuweilen eine mißvergnügte Gemüthsbeschaffenheit nicht gegen eine vergnügte vertauschen mögen. Eine gemischte Empfindung hat, gegen ein einfache gehalten, etwas neues und etwas sehr rührendes, weil eine Regung die andre durch ihren Widerstand erhöht; und darum gefällt sie uns. Finden wir nicht zuweilen mehr Geschmack an einer Mischung des Süßen und Sauern, als an dem Süßen allein? Eben so stelle ich mir auch vor, daß eine gemischte freudige und traurige Regung dem Herzen oft willkommener seyn kann, als eine freudige allein.“ (Christian Fürchtegott Gellert)
„Will man das Mißvergnügen als eine Vermischung von Lust und Unlust ansehen, wo bald das eine das andre überwiegt, bald beides einander gleich ist: so darf man sich nicht wundern, warum wir zuweilen eine mißvergnügte Gemüthsbeschaffenheit nicht gegen eine vergnügte vertauschen mögen. Eine gemischte Empfindung hat, gegen ein einfache gehalten, etwas neues und etwas sehr rührendes, weil eine Regung die andre durch ihren Widerstand erhöht; und darum gefällt sie uns. Finden wir nicht zuweilen mehr Geschmack an einer Mischung des Süßen und Sauern, als an dem Süßen allein? Eben so stelle ich mir auch vor, daß eine gemischte freudige und traurige Regung dem Herzen oft willkommener seyn kann, als eine freudige allein.“[1]
Ausgehend vom oben zitierten Standpunkt Christian Fürchtegott Gellerts, soll im Folgenden seine Auffassung von der Komödie verdeutlicht werden. Es gilt zu klären, wie sein „rührendes Lustspiel“ in der Theorie aufgebaut war und welchen Zweck es verfolgte. Dabei wird der Essay „Die besten Regeln sind die wenigsten – Gellerts Poetik“ von Werner Jung sowie die Ansicht von Eckehard Catholy in seinem Werk „Das deutsche Lustspiel“ besonders berücksichtigt. Außerdem wird auf das Nachwort von Horst Steinmetz in Gellerts „Lustspiele“ eingegangen. Fraglich ist, ob es sich bei Gellerts Komödie um eine Mischgattung handelt oder nicht – und, ob das rührende Lustspiel tatsächlich noch als Komödie bezeichnet werden kann.
Gellert hat keine systematische Poetik verfasst wie beispielsweise Johann Christoph Gottsched mit seinem „Versuch einer Critischen Dichtkunst“.[2] Jedoch geben die Aufzeichnungen, Briefe und Reden Gellerts Aufschluss über seine Ansichten über das rührende Lustspiel, welches auch vereinzelt mit „weinerlichem Lustspiel“ übersetzt wird. In seiner Antrittsvorlesung „pro comoedia commovente“ plädierte Gellert 1751, vier Jahre nachdem seine „Lustspiele“ veröffentlicht wurden, an der Leipziger Universität für die comédie lamoryante von Nivelle de la Chaussée. Diese französische Form wurde Grundlage für Gellert, jedoch keine buchstäbliche Übernahme. Das bürgerliche Trauerspiel von Lessing war von Gellerts Darstellungen maßgeblich beeinflusst. Dieser übersetzte 1754 die lateinische Schrift für seine „Theatralische Bibliothek“ ins Deutsche.[3] Das rührende Lustspiel Gellerts war im Unterschied zu Frankreich nicht für den Hof, sondern für ein bürgerliches Publikum geschrieben.[4] Dies ist auch an der Prosasprache zu erkennen.
Die Grundidee des rührenden Lustspiels ist eine Gegenüberstellung von einerseits Lastern und Schwächen, andererseits die Darstellung tugendhafter Charaktere. Es agieren neben tadelhaften und lachhaften auch gute, liebenswürdige Personen. So kommt der Komödie eine doppelte katharische Funktion zu: Es soll den Zuschauer nicht nur amüsieren, sondern das Lustspiel soll auch nützlich sein und belehren.[5] Die satirische Komik ist dabei zurückgestellt. An deren Stelle tritt die Tugend, die das Publikum rühren soll und so zu rationalem Handeln bewegen soll. Neben der Umsetzung der aufklärerischen Idee entspricht dies, laut Gellert, dennoch den Forderungen Gottscheds. Denn die Rührung ist in seinem Sinne eine andere Form der Belehrung, sodass Horazʼ Grundsatz „aut prodesse aut delectare“ eingehalten wird.[6] Des Weiteren wird die Ständeklausel gewahrt. Gellert stellt keine großen Helden dar, sondern greift auf ordentliche Bürger und Leute von niederem Adel zurück.[7] Im Gegensatz zur klassischen Verlachkomödie, in der lasterhafte Charaktere satirisch dargestellt werden und vom Publikum verspottet werden, werden in der rührenden Komödie großmütige, selbstlose, sympathische, beispielhafte Figuren und Handlungen gezeigt. Wesentlich ist demnach die Wirkung auf den Zuschauer.[8] Durch Mitleiden und innere Anteilnahme soll der Zuschauer unterhalten und zugleich zu positivem Verhalten geführt werden. Das vernunftorientierte Empfinden steht über dem Erkennen.
Steinmetz führt drei für Gellert typische Leitgedanken an, die in seinen rührenden Komödien am besten hervortreten: Erstens wird eine bürgerlich einfache Sprache verwendet, zweitens ist eine mit religiösem Hintergrund verbundene Tugendauffassung zentral und drittens ist alles mit rührenden und empfindsamen Gefühlen verbunden.[9]
Jung betont außerdem Gellerts Wichtigkeit des poetischen Genies. Dieser sehe sich als deutscher „Originalautor“, der eine besondere Stellung in der Literatur einnehme. Gellert verwerfe nicht alle Regeln, jedoch sei die Genialität und Originalität eines Autors von großer Bedeutung.[10]
Hauptgegenstand im rührenden Lustspiel ist die Liebe. Es wird, im Unterschied zur Tragödie, wo sich eine heroische, pathetische Liebe eher im Hintergrund offenbart, eine tugendhafte, außerordentliche Liebe dargestellt, die im Mittelpunkt steht.
[...]
[1] Christian Fürchtegott Gellert: Sämmtliche Schriften, nach der Ausgabe von 1769-1774, hrsg. von Julius Ludwig Klee, Leipzig 1839, Thl. 5, S. 148-149.
[2] Vgl. Werner Jung: Die besten Regeln sind die wenigsten. Gellerts Poetik“, in: Bernd Witte (Hrsg.): Ein Lehrer der ganzen Nation. Leben und Werk Christian Fürchtegott Gellerts, München 1990, S. 116.
[3] Vgl. ebd., S. 120.
[4] Vgl. Eckehard Catholy: Das deutsche Lustspiel. Von der Aufklärung bis zur Romantik, Darmstadt 1982, S. 47.
[5] Vgl. Jung: Gellerts Poetik, S. 120.
[6] Vgl. Horst Steinmetz: Nachwort, in: Christian Fürchtegott Gellert: Lustspiele, Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1747, hrsg. von Karl Stackmann/ Erich Trunz/ Paul Böckmann / e.a., Stuttgart 1966, S. 8*; Catholy: Das deutsche Lustspiel, S. 41.
[7] Vgl. ebd., S. 43.
[8] Vgl. Jung: Gellerts Poetik, S. 120.
[9] Vgl. Steinmetz: Nachwort, S. 9*.
[10] Vgl. Jung: Gellerts Poetik, S. 121, 123-124.
- Quote paper
- Sophie Thümmrich (Author), 2011, Gellerts Komödienauffassung unter Einbezug des rührenden Lustspiels „Die Betschwester“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304308
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