[...] Im Mittelpunkt der Arbeit soll jedoch nicht der Vergleich zwischen Präsident und
Kongress stehen, es wird vielmehr versucht, die Rolle des Kongresses in der
Außenpolitik zu beleuchten. Dazu ist es notwendig, anfangs die Organisation und
Arbeitsweise der beiden Kammern darzustellen, obwohl dies nur sehr
oberflächlich erfolgen kann. Aus Platzgründen mussten leider einige
charakteristische Eigenarten des amerikanischen Systems im Dunkeln bleiben (so
etwa der kuriose Vorgang des „filibuster“ oder die Bedeutung der Parteien im
System), da diese nicht zum unmittelbaren Verständnis der außenpolitischen
Entscheidungsprozesse vonnöten waren. Der Haup tteil der Arbeit wird darin
bestehen, die Verfassungsgrundlagen darzustellen, die für die außenpolitischen Kompetenzen verantwortlich sind. Um zu einer Bewertung zu kommen, müssen
auch die Einflussfaktoren der Öffentlichkeit betrachtet werden, zumindest am
Rande.
Unbeachtet bleiben musste die historische Entwicklung und eine nähere
Betrachtung des Konflikts zwischen Kongress und Präsident, insbesondere im
Hinblick auf die Nicaragua-Politik in der interessanten Dissertation von Ute
Meyer.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Organisation und Arbeitsweise des Kongresses
2.1 Der Senat
2.2 Das Repräsentantenhaus
2.3 Die Ausschüsse
2.4 Parteien und Fraktionen
2.5 Arbeitsweise
3. Verfassungsgrundlagen
3.1 Krieg
3.2 Verträge
3.3 Finanzen
4. Der Einfluss der Öffentlichkeit
4.1 Der Wähler
4.2 Die Medien
4.3 Die Interessengruppen
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Die formale Konstruktion der Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive hat wesentlich dazu beigetragen, dass der Kongress heute noch als effektiver Widerpart des Präsidenten und als das vergleichsweise mächtigste Parlament der westlichen Demokratien betrachtet werden kann.“ (Hübner 2001, S. 111)
Dass der amerikanische Kongress als mächtigstes Parlament der Welt gilt, zeigt sich vor allem in seinen einzigartigen Kompetenzen in der Außenpolitik. Das System der checks and balances greift hier beispielhaft. Beide Akteure, Präsident und Kongress, haben Kompetenzen in der Außenpolitik, sind aber aufeinander angewiesen. In der Geschichte der Vereinigten Staaten ringen Exekutive und Legislative immer wieder um die Vormachtstellung in der Außenpolitik. Bis zum Vietnam-Krieg war der Präsident der unangefochtene Akteur in diesem Politikfeld. Nicht von ungefähr sprach man von zwei Präsidentschaften: der Präsidentschaft der Innenpolitik und der Präsidentschaft der Außenpolitik. Der ehemalige Präsident Jimmy Carter meinte dazu: „Ich war etwas überrascht über die Grenzen der Autorität und Macht des Präsidenten in innenpolitischen Angelegenheiten...Ich war jedoch positiv überrascht über die Autorität des Präsidenten in außen- und verteidigungspolitischen Fragen.“ (zit. nach Hübner 2001, S. 147) Seit der Präsidentschaft Nixons hat sich der Kongress jedoch „emanzipiert“: er versucht seitdem, seine verfassungsrechtlichen Kompetenzen auszuschöpfen und befindet sich in einem stetigen Kampf mit dem Präsidenten um außenpolitischen Einfluss.
Im Mittelpunkt der Arbeit soll jedoch nicht der Vergleich zwischen Präsident und Kongress stehen, es wird vielmehr versucht, die Rolle des Kongresses in der Außenpolitik zu beleuchten. Dazu ist es notwendig, anfangs die Organisation und Arbeitsweise der beiden Kammern darzustellen, obwohl dies nur sehr oberflächlich erfolgen kann. Aus Platzgründen mussten leider einige charakteristische Eigenarten des amerikanischen Systems im Dunkeln bleiben (so etwa der kuriose Vorgang des „filibuster“ oder die Bedeutung der Parteien im System), da diese nicht zum unmittelbaren Verständnis der außenpolitischen Entscheidungsprozesse vonnöten waren. Der Hauptteil der Arbeit wird darin bestehen, die Verfassungsgrundlagen darzustellen, die für die außenpolitischen Kompetenzen verantwortlich sind. Um zu einer Bewertung zu kommen, müssen auch die Einflussfaktoren der Öffentlichkeit betrachtet werden, zumindest am Rande.
Unbeachtet bleiben musste die historische Entwicklung und eine nähere Betrachtung des Konflikts zwischen Kongress und Präsident, insbesondere im Hinblick auf die Nicaragua-Politik in der interessanten Dissertation von Ute Meyer.
2. Organisation und Arbeitsweise des Kongresses
Der Kongress ist im System der checks and balances die gesetzgebende Gewalt (Legislative). Er setzt sich aus zwei Kammern zusammen: dem Senat und dem Repräsentantenhaus.
Der Kongress kann nicht aufgelöst werden und besitzt auch kein Selbstauflösungsrecht. Da der Präsident nicht vom Parlament, sondern von der Bevölkerung gewählt wird, kann der Kongress den Präsidenten auch nicht durch ein Misstrauensvotum abwählen. Der Kongress hat nur die Möglichkeit, durch ein impeachement (Amtsenthebungsverfahren) den Präsidenten seines Amtes zu entheben.[1]
Die beiden Kammern stehen sich verfassungsrechtlich gleichberechtigt gegenüber, doch lassen sich in Organisation, Arbeitsweise und Atmosphäre einige Unterschiede erkennen. (Shell 2001, S. 207)
Vorab möchte ich jedoch eine Gemeinsamkeit der beiden Häuser herausstellen, die von elementarer Bedeutung für die Politik des Kongresses ist: den Lokalismus (locality rule). Die locality rule besagt, dass die Abgeordneten in den Staaten oder in den Kongressbezirken, die sie repräsentieren, wohnhaft sein müssen. Dies führt dazu, dass der Abgeordnete, um gewählt zu werden, in seinem Wahlkreis populär sein muss und, um wiedergewählt zu werden, einen sehr engen Kontakt zu seinen Wählern halten muss. (Helms 1981, S. 33 f.) Dass dies eine enorme Bedeutung für die Entscheidungsfindung der Abgeordneten hat, wird in Kapitel 4.1 näher erläutert.
2.1 Der Senat
Der Senat besteht aus 100 Abgeordneten, wovon jeweils zwei aus jedem der 50 amerikanischen Bundesstaaten darin vertreten sind, unabhängig von der Einwohnerzahl der Staaten. Somit soll der Grundsatz der prinzipiellen Gleichberechtigung aller Bundesstaaten gewährleistet werden. (Steffani 1998, S. 111) „Die Verfassungsgründer erwarteten, dass der Senat seine Hauptaufgabe darin sehen würde, den permanenten Nationalcharakter der USA zum Ausdruck zu bringen und eine zentrale Rolle in der Außenpolitik der neuen Nation zu spielen.“ (Mewes 1990, S. 187)
Der Senat wird von der Bevölkerung direkt gewählt. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre, wobei jeweils 1/3 der Abgeordneten im zweijährigen Rhythmus gewählt werden, so dass eine kontinuierliche Arbeit gewährleistet werden soll.
Der Vorsitzende des Senats ist der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, momentan also Richard Cheney. Er hat allerdings kein Stimmrecht, es sei denn bei Stimmengleichheit (Art. I, Abs. 3)[2]. Ihm untersteht der Interimspräsident (president pro tempore) (Steffani 1998, S. 110), der in Abwesenheit des Vizepräsidenten die Amtsgeschäfte übernimmt.
Da die Senatoren durch die lange Amtszeit oft sehr viele Jahre zusammen arbeiten (müssen), pflegen sie untereinander einen kollegialen und informellen Stil. Auf die Interessen des anderen wird Rücksicht genommen und die Führungsstruktur ist weniger autoritär. (Shell 1998, S. 207).
2.2 Das Repräsentantenhaus
Das Repräsentantenhaus besteht aus 435 Abgeordneten, die von der Bevölkerung direkt gewählt werden. Die Amtszeit beträgt lediglich zwei Jahre. Dies hat zur Folge, dass der einzelne Abgeordnete sich ständig im Wahlkampf befindet (vgl. Kremp 1991, S. 77) und somit langfristige oder unpopuläre politische Entscheidungen erschwert werden. Da die meisten jedoch mit Wiederwahl rechnen können, ist die Diskontinuität im Gremium nicht so hoch, wie vielleicht zu erwarten wäre. (Kremp 1991, S. 77) Die Zahl der Abgeordneten errechnet sich proportional zur Einwohnerzahl des Staates. Je mehr Einwohner ein Staat hat, desto mehr Abgeordnete schickt er auch nach Washington, mindestens jedoch einen.
Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses ist der vom Haus zu wählende Speaker. Das Repräsentantenhaus gibt sich selbst eine Geschäftsordnung, ebenso wie der Senat.
2.3 Die Ausschüsse
Die Kongressausschüsse spielen bei der Gesetzgebung eine wichtige Rolle, obwohl sie in der Verfassung nicht verankert sind. Wie in den meisten westlichen Parlamenten wird auch im amerikanischen Kongress die meiste Arbeit in den Ausschüssen verrichtet. Hier werden Gesetzesvorhaben vorbereitet, bearbeitet, verändert oder blockiert. Die Ausschüsse bilden somit „das Herzstück im politischen Willensbildungs- und Entscheidungskreislauf des Kongresses“ (Steffani 1998, S.121).
Es ist zwischen ständigen Ausschüssen und Sonderausschüssen zu unterscheiden. Letztere werden nur für eine bestimmte Aufgabe (meist Untersuchungen) gebildet und nach deren Erledigung wieder aufgelöst. In den Jahren 1993 / 94 existierten 22 ständige Ausschüsse und 128 Unterausschüsse (Steffani 1998, S. 121). Zu einem der wichtigsten ständigen Ausschüssen gehört der Geldbewilligungsausschuss des Repräsentantenhauses. Er entscheidet über die Finanzierung einzelner Posten „der von der Exekutive durchzuführenden Tätigkeiten“ (Shell 1998, S. 208).
Durch das Gewicht der Ausschüsse obliegt den Vorsitzenden eine große Machtfülle. Sie berufen die Sitzungen ein, stellen die Tagesordnung auf und bestimmen über die Zeitplanung. So können die Ausschussvorsitzenden ein Gesetzesvorhaben entscheidend beschleunigen oder blockieren (Wasser 1997, S. 15). Nur die Mehrheitsfraktion im Kongress kann die Ausschussvorsitzenden stellen, das sind nach den Wahlen des vergangenen Jahres in beiden Häusern die Republikaner[3]. Es herrscht das Anciennitätenprinzip (seniority rule): das älteste Ausschussmitglied der Mehrheitsfraktion wird von der Partei zum Vorsitzenden ernannt. Allerdings wurde die zentrale Rolle der Ausschussvorsitzenden Mitte der 70er Jahre etwas vermindert.[4] Durch die hohe Anzahl an Ausschüssen existieren auch viele Ausschussvorsitzende. Dies führt zu einer Fragmentierung der Politik (Mewes 1990, S. 198), und es „kann generell von einer dezentralisierten und fragmentierten außenpolitischen Autorität im Kongress gesprochen werden.“ (Dittgen 1998/1, S. 105). Die institutionellen Strukturen hindern den Kongress an direkter, entschlossener Handlung.
[...]
[1] Dieses Recht obliegt alleine dem Senat
[2] Die Verfassung der Vereinigten Staaten wird zitiert nach: Helms 1981, S. 177ff.
[3] Congress Report 11/2002
[4] Vgl. hierzu: Shell 1998, S.209f., Wasser 1997, S. 15.
- Quote paper
- Sinan Beygo (Author), 2003, Mitreden, Mitgestalten oder Mitentscheiden - Wie der amerikanische Kongress die Außenpolitik beeinflusst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30424
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.