Die Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts von Joseph Freiherr von
Eichendorff erschien erstmals im Jahr 1826. Entstanden ist das Werk jedoch
schon einige Jahre vorher. Erste Hinweise auf den Ta ugenichts gab es bereits
1817, sechs Jahre später erschienen die ersten beiden Kapitel als
Zeitschriftenaufsätze. (Vgl. Korte 2000, S. 93) In der Zeit der Entstehung stand
Eichendorff an einem Wendepunkt in seinem Leben: Zwar hatte er sein
Studium mit dem juristischen Staatsexamen beendet, aber das Vermögen der
Eltern ging zur Neige, so dass Eichendorff anfangs nicht wusste, wie er sich
seinen Lebensunterhalt im unbezahlten juristischen Referendariat sichern
sollte. Trotz dieser Probleme entschied sich Eichendorff dafür, das
Referendariat anzutreten. Im Jahre 1819 trat er seine erste Stelle als Beamter
der Königlichen Regierung an, und er blieb bis zu seiner Pensionierung dem
Staatsdienst treu.
Dieser kurze Einblick in die Biographie des Dichters soll verdeutlichen, dass
Eichendorff einen Großteil seines Lebens durchaus sehr bürgerlich verbracht
hat. Dies ist umso erstaunlicher, da die Romantiker, zu denen Eichendorff
gezählt wird, das Bürgertum scharf kritisierten. Das Bürgertum wird in der
Romantik durch den Philister dargestellt1. Konfrontationen mit dem Bürgertum
erlebte Eichendorff vor allem während seiner Studienzeit in Halle und
Heidelberg. Tagebücher berichten von „Anekdoten, Studentenulk, Episoden von
Prügeln und Saufen sowie anhaltenden Konflikten mit Bürgern, die man in der
Studentensprache „Philister“ nannte.“ (Korte 2000, S. 21) Paul Stöcklein
bezeichnet das Verhältnis Eichendorffs zu den Philistern sogar als „Feindschaft,
die sein Blut reizt[e],“ die „aber schließlich eine sehr geistig-klarsichtige
Feindschaft geworden“(Stöcklein 1966, S. 248) war.
Inwieweit nun dieser Konflikt zwischen bürgerlicher Lebensweise und
Ablehnung des Bürgertums in der Welt des Dichters eine Rolle gespielt hat, soll
nicht Thema dieser Arbeit sein. Vielmehr soll geklärt werden, welche
Gegenbilder zum Bürgertum in der Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts
dargestellt werden und welche Rolle dabei der Taugenichts selber einnimmt, denn der „Taugenichts [ist] ein einziger, wenn auch sehr liebenswürdiger
wandernder Prostest [...] gegen die philiströsen Arbeiterversklavungen unserer
Welt.“ (Emrich 1966, S. 60)
1 Vgl. Bormann 1970/71, S. 94 und insbesondere zur Herkunft der Bezeichnung: Schultz 2001,
S. 36f
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bürger
2.1 Der Philister in der Romantik
2.2 Der Philister im Taugenichts
2.2.1 Der Vater des Taugenichts
2.2.2 Der Gärtner und der Portier
2.2.3 Weitere Philister-Figuren
3. Künstler
3.1 Der Gegenentwurf zum Philister in der Romantik
3.2 Der Künstler im Taugenichts
3.2.1 Der Maler in Rom
3.2.2 Maler Eckbrecht
3.2.3 Die Prager Studenten
4. Der Taugenichts als Künstler?
4.1 Der Taugenichts und die bürgerliche Welt
4.2 Der Taugenichts und die Welt der Künstler
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts von Joseph Freiherr von Eichendorff erschien erstmals im Jahr 1826. Entstanden ist das Werk jedoch schon einige Jahre vorher. Erste Hinweise auf den Taugenichts gab es bereits 1817, sechs Jahre später erschienen die ersten beiden Kapitel als Zeitschriftenaufsätze. (Vgl. Korte 2000, S. 93) In der Zeit der Entstehung stand Eichendorff an einem Wendepunkt in seinem Leben: Zwar hatte er sein Studium mit dem juristischen Staatsexamen beendet, aber das Vermögen der Eltern ging zur Neige, so dass Eichendorff anfangs nicht wusste, wie er sich seinen Lebensunterhalt im unbezahlten juristischen Referendariat sichern sollte. Trotz dieser Probleme entschied sich Eichendorff dafür, das Referendariat anzutreten. Im Jahre 1819 trat er seine erste Stelle als Beamter der Königlichen Regierung an, und er blieb bis zu seiner Pensionierung dem Staatsdienst treu.
Dieser kurze Einblick in die Biographie des Dichters soll verdeutlichen, dass Eichendorff einen Großteil seines Lebens durchaus sehr bürgerlich verbracht hat. Dies ist umso erstaunlicher, da die Romantiker, zu denen Eichendorff gezählt wird, das Bürgertum scharf kritisierten. Das Bürgertum wird in der Romantik durch den Philister dargestellt[1]. Konfrontationen mit dem Bürgertum erlebte Eichendorff vor allem während seiner Studienzeit in Halle und Heidelberg. Tagebücher berichten von „Anekdoten, Studentenulk, Episoden von Prügeln und Saufen sowie anhaltenden Konflikten mit Bürgern, die man in der Studentensprache „Philister“ nannte.“ (Korte 2000, S. 21) Paul Stöcklein bezeichnet das Verhältnis Eichendorffs zu den Philistern sogar als „Feindschaft, die sein Blut reizt[e],“ die „aber schließlich eine sehr geistig-klarsichtige Feindschaft geworden“(Stöcklein 1966, S. 248) war.
Inwieweit nun dieser Konflikt zwischen bürgerlicher Lebensweise und Ablehnung des Bürgertums in der Welt des Dichters eine Rolle gespielt hat, soll nicht Thema dieser Arbeit sein. Vielmehr soll geklärt werden, welche Gegenbilder zum Bürgertum in der Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts dargestellt werden und welche Rolle dabei der Taugenichts selber einnimmt, denn der „Taugenichts [ist] ein einziger, wenn auch sehr liebenswürdiger wandernder Prostest [...] gegen die philiströsen Arbeiterversklavungen unserer Welt.“ (Emrich 1966, S. 60)
Die Literatur zu Joseph von Eichendorff im Allgemeinen und zu der Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts im Besonderen ist sehr umfangreich. Dafür sorgt schon allein das seit 1942 jährlich erscheinende Eichendorff-Jahrbuch Aurora, in dem Beiträge zu Eichendorffs Leben und Werk dargestellt sind. Auch weitere Interpretationen zum Werk sind sehr zahlreich, so dass genügend Material für die Herstellung dieser Arbeit zur Verfügung stand. Gerne hätte ich auch Interpretationen von Georg Lukács und Carel ter Haar verwendet, da in der Literatur sehr oft darauf verwiesen wurde und sie diese Arbeit sicherlich noch um einige interessante Aspekte erweitert hätten. Leider waren mir diese Werke trotz intensiver Recherche in der Zeit der Bearbeitung nicht zugänglich, so dass bedauerlicherweise darauf verzichtet werden musste.
2. Bürger
„‘Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt,
Dem will er seine Wunder weisen
In Feld und Wald und Strom und Feld.
Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot,
Sie wissen nur vom Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.’“
(Eichendorff 1982, S. 4)
In diesem Lied, das sich gleich am Anfang der Taugenichts-Erzählung befindet, zeigen sich schon die unterschiedlichen Lebensweisen von Philister und Nicht-Philister aus der Sicht des Taugenichts. Es unterscheidet zwischen den „Trägen, die zu Hause liegen“ und denen, die wie der Taugenichts aufbrechen ins Ungewisse. Eine genauere Untersuchung über die Eigenschaften dieser „Trägen“ wird im folgenden Kapitel vorgenommen.
2.1 Der Philister in der Romantik
In der romantischen Literatur war das Thema der Kritik am Bürgertum stets präsent. Clemens Brentano verfasste sogar eine ganze Abhandlung mit dem Titel Der Philister vor, in und nach der Geschichte. In dieser scherzhaften Abhandlung beschreibt er den Musterphilister: Der Tabak und die Pfeife gehören zur Grundausstattung des Philisters, ebenso wie „seine weiße, baumwollene Schlafmütze, zu welchen diese Ungeheuer große Liebe tragen“ (Brentano 1988, S. 51). Wenn der Philister morgens aufwacht, „denkt er daran, der Welt nützlich zu sein“ (ebd.). Auch in der Liebe verhält sich der Philister nicht sehr romantisch. Um seine zukünftige Braut wirbt er nicht selber, sondern schickt andere vor, für ihn zu werben. Beim Rendezvous erzählt er Anekdoten, die er vorher aus einem französischen Grammatikbuch gelernt hat. Ist seine Werbung nicht von Erfolg gekrönt, ist er zwar pikiert, denkt aber nicht daran, um die Dame zu kämpfen (vgl. ebd., S. 54).
Die Natur ist für die Philister, „was in ihren Gesichtskreis [...] fällt, [...] alles andere ist widernatürlich und Schwärmerei.“ (Ebd., S. 56) Ein weiteres Kennzeichen des Philisters ist die Nachahmung künstlerischer Werke: „Sie können kein ursprüngliches Dichterwerk begreifen, verspotten und parodieren es und schreiben dann doch wässrige Nachahmungen.“ (Ebd., S. 72)
Die Aufklärung, die der Romantik vorausging, wird von Brentano als Werk des Teufels angesehen, das wie „ein ewig glimmender Zündstrick [den Philistern] die Köpfe (Pfeifenköpfe) entzündet“ (ebd., S. 57). Schmitz-Emans merkt allerdings an, dass sich die Romantiker nur dort gegen die Aufklärung wenden, „wo diese zu einer trivialen, allein am Nützlichen interessierten Verstandeskultur degeneriert ist.“ (Schmitz-Emans 2004, S. 26)
Die Satire Brentanos war seinerzeit ein großer Erfolg im Kreise der Romantiker (vgl. Frühwald 1976, S. 7). Dies lässt darauf schließen, dass Brentano das Klischee eines Philisters durchaus treffend dargestellt hat. Auch dem jungen Eichendorff war die Abhandlung bekannt, sie wurde ihm 1811 von Adam Müller vorgestellt (vgl. ebd.). In seiner Satire Krieg den Philistern fügt Eichendorff dem Bild des Philisters einen weiteren Aspekt hinzu: das Sicherheitsdenken. In einem Bürger-Gespräch heißt es dort: „Ich lese erstaunlich gern so was von neuen Erfindungen, Revolutionen, neuen Entdeckungen und Scharmützeln, wo es recht drunter und drüber geht, man fühlt sich dann immer noch eins so wohl, dass man, Gott sei Dank, so ruhig und sicher daheim sitzen kann.“[2]
In der Erzählung Aus dem Leben eines Taugenichts gehören zu der Gruppe der Philister der Vater des Taugenichts, die Bekannten im Heimatdorf, der Portier und der Gärtner des Schlosses, und der Bauer, „deren aller Tun sich in nützlicher Arbeit erschöpft.“ (Poser 1980, S. 107) Die Eigenschaften, welche sie zu Philistern machen, werden im Anschluss erörtert.
2.2 Der Philister im Taugenichts
2.2.1 Der Vater des Taugenichts
Der Vater des Taugenichts tritt als handelnde Person in der Novelle nur ganz am Anfang auf. Er ist derjenige, der den Taugenichts in die Welt hinausschickt: „...geh auch einmal hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot.“ (Eichendorff 1982, S. 3) Er ist auch derjenige, der seinem Sohn den Namen Taugenichts verpasst, der in der ganzen Erzählung beibehalten wird. Äußeres Symbol für einen Philister ist die Schlafmütze, die der Vater auf dem Kopf trägt, obwohl er schon vor einiger Zeit aufgestanden ist. Dass der Vater „schon seit Tagesanbruch in der Mühle rumort“ (ebd.), zeigt, dass es ihm wichtig ist, sich nützlich zu machen. Dies verlangt er auch von seinem Sohn, denn er beschwert sich darüber, dass dieser ihn „alle Arbeit allein tun“ (ebd.) lässt.
Dass der Vater Müller ist, hat für einige Literaturwissenschaftler ebenfalls eine Bedeutung: Alexander von Bormann misst der Mühle symbolischen Wert bei. Das Rumoren der Mühle wird von ihm mit „unbesonnener/sinnloser Arbeit“ (Bormann 1988, S. 357) in Verbindung gebracht. Dies sieht auch Hans Eichner so, wenn er meint, dass das Verb rumoren dafür sorgt, „dass wir nicht so sehr an wirklich sinnvolle Arbeit, als vielmehr an bloße Geschäftigkeit denken.“ (Eichner 1988, S. 309). Auch sei „des Zeichens ‘Mühle’ [...] noch eine weltanschauliche Komponente abzugewinnen“ (Bormann 1988, S. 360), da dort der Austausch aufklärerischer Gedanken stattfand. Der Vater des Taugenichts trägt also eindeutige Kennzeichen der oben genannten Philistersymptome, obwohl er „selbst zu ahnen [scheint], wie es um ihn steht, sonst hätte er den Sohn wohl nachdrücklicher zur Tätigkeit angehalten, statt auf seine Arbeitskraft zu verzichten und ihn, überdies mit einigen Groschen Geld ausgestattet, in die Welt zu schicken.“ (Köhnke 1982, S. 33)
2.2.2 Der Gärtner und der Portier
Im Schloss trifft der Taugenichts auch auf den Gärtner, mit dem er anfangs arbeitet. Auch dieser zeichnet sich durch Arbeitsamkeit aus und dies erwartet er auch vom Taugenichts. Als der Gärtner dem Taugenichts den Garten zeigt, predigt er ihm auch gleich, er solle „nur fein nüchtern und arbeitsam sein, nicht in der Welt herumvagieren, keine brotlosen Künste und unnützes Zeug treiben“ (Eichendorff 1982, S. 6). Schließlich könne der Taugenichts es „mit der Zeit auch einmal zu etwas Rechtem bringen.“ (ebd.) Im Gegensatz zum Taugenichts kann der Gärtner die Schönheit des Gartens kaum genießen, da für ihn die Arbeit im Vordergrund steht.
[...]
[1] Vgl. Bormann 1970/71, S. 94 und insbesondere zur Herkunft der Bezeichnung: Schultz 2001, S. 36f
[2] Eichendorff, Joseph von: Krieg den Philistern. In: Baumann, Gerhart (Hg.) (1957): Joseph Freiherr von Eichendorff. Neue Gesamtausgabe der Werke und Schriften in vier Bänden. Band 1. Stuttgart. S. 532. Zit. nach: Frühwald 1976, S. 16.
- Citation du texte
- Sinan Beygo (Auteur), 2004, Künstler und Bürger in Joseph von Eichendorffs Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30423
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