Im Zuge einer immer stärker durch die modernen Medien geprägten Gesellschaft ist in den letzten Jahren häufiger die Entwicklung zu beobachten, dass aufsehenerregende Gerichtsverfahren, und insbesondere Strafverfahren, immer öfter in den Fokus der Bericht erstattenden Massenmedien gelangt sind.
Durch das besondere Interesse der Öffentlichkeit an solchen Verfahren, bzw an den betroffenen Personen, lässt sich vermehrt erkennen, dass, unter rechtswissenschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, relativ unspektakuläre Verfahren derart aufgebauscht werden, dass bisweilen der Eindruck einer Abhängigkeit zwischen Ausgang des Verfahrens und dem Fortbestehen der gesellschaftlichen Ordnung entsteht.
Literaturverzeichnis
Fechner, Frank: Zeugenbeeinflussung durch Medien - Philosophische, psychologische und juristische Gedanken zu einem Aspekt der "Litigation-PR" Medienrechtliche Schriften Band 9, Ilmenau 2012.
Friedrichsen, Gisela: Zwischenruf "Litigation-PR" - Prozessführung über Medien, in ZRP 2010, S. 263.
Gostomyk, Tobias: Mars und Venus Hand in Hand, in Kommunikation und Recht 2009 Heft 9 Editorial.
Gounalakis, Georgios: Verdachtsberichterstattung durch den Staatsanwalt, in NJW 2012, S. 1473.
Herrmann, Simone: Kommunikation bei Krisenausbruch, Wiesbaden, 2012.
Roxin, Claus & Schünemann, Bernd: Strafverfahrensrecht. München, 26. Auflage 2009.
Schroers, Jochen: Versteckte Problem bei der Zusammenarbeit zwischen Staatsanwälten und Medien, in NJW 1996, S. 969.
Im Zuge einer immer stärker durch die modernen Medien geprägten Gesellschaft ist in den letzten Jahren häufiger die Entwicklung zu beobachten, dass aufsehenerregende Gerichtsverfahren, und insbesondere Strafverfahren, immer öfter in den Fokus der Bericht erstattenden Massenmedien gelangt sind. Durch das besondere Interesse der Öffentlichkeit an solchen Verfahren, bzw. an den betroffenen Personen, lässt sich vermehrt erkennen, dass, unter rechtswissenschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, relativ unspektakuläre Verfahren derart aufgebauscht werden, dass bisweilen der Eindruck einer Abhängigkeit zwischen Ausgang des Verfahrens und dem Fortbestehen der gesellschaftlichen Ordnung entsteht.
War es beispielsweise vor etwa 40 Jahren allenfalls üblich, dass Gerichtsverfahren vom Ausmaß wie sie gegen Mitglieder der Roten-Armee Fraktion oder der Bewegung 2. Juni oder ähnlich prominente Personen (Kriegsverbrecher-Prozesse in der BRD in den 60er Jahren) und Organisationen geführt wurden, eine bundesweite Beachtung fanden, so wird die mutmaßliche Bedeutung von Prozessen heute selbst heraufbeschworen, um den geneigten Leser zum Ausgang eines Strafverfahrens gegen Fernsehmoderatoren und oder Würstchenfabrikanten zu informieren, bei denen sogar nur über etwaige, zum Teil noch nicht bewiesene, Taten berichtet werden. (Schroers Versteckte Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaften und Medien in NJW 1996, S. 969).
Aufgrund der immer weiterzunehmenden technischen Möglichkeiten hat sich auch die Arbeitsweise der Medien grundlegend geändert. Waren die Bürger vor nicht einmal 30 Jahren noch dazu gezwungen, aktuelle Nachrichten klassisch über Print, TV und Radio zu beziehen, um ihr Informationsbedürfnis zu b6efriedigen, so haben wir heute die Möglichkeit Informationen mithilfe der Neuen Medien in millionenfach und in sekundenschnelle via SMS, E-Mail, Twitter und Co. an interessierte und uninteressierte Personen weiterzuleiten.
Die neu gewonnene Medienvielfalt und die gestiegene Nutzung der Medien hat dafür gesorgt, dass auch die Ansprüche an die Personen gestiegen sind, welche als Akteure in einem Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren eine durch das Gesetz zugewiesene Rolle einnehmen. Grundsätzlich können die mit dem Verfahren befassten Personen in zwei Kategorien aufgeteilt werden:
Die erste Kategorie, welche auch den Obertitel “Laien” tragen könnte, besteht aus Personengruppen, die üblicherweise keine feste Rolle in einem gerichtlichen Verfahren spielen. Zu ihnen zählen die Zeugen, Tatopfer und die Angeklagten (bzw. im Rahmen des Ermittlungsverfahrens noch Beschuldigte). Die genannten Personen genießen durch die Strafprozessordnung unterschiedliche Rechte- und Pflichten, die in erster Linie von dem Status abhängen, welcher ihnen durch die Prozessordnung verliehen wird. Damit klar wird, inwieweit Öffentlichkeitsarbeit für und durch diese Statusgruppen überhaupt sinnvoll erscheint, soll zunächst erläutert werden, wo für diese bei Äußerungen gegenüber der Presse bestimmte Risiken liegen könnten, die ihnen im weiteren Verfahrensverlauf Probleme bereiten könnten.
Der Großteil der Personen, die unter den Begriff "Laien" subsumiert werden kann, hat vor Gericht, anders als gegenüber den Ermittlungsbehörden, die Pflicht, wahrheitsgemäß auszusagen, es sei denn, der "Laie" würde sich selbst oder einen nahen Angehörigen bzw. Verlobten mit seiner Aussage belasten oder einer Straftat verdächtig machen. Im Gegensatz dazu hat die Person, welche den Status des Beschuldigten oder des Angeklagten verliehen bekommen hat, ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht, da sich nach dem "nemo tenetur-Grundsatz"[1] (Roxin Strafverfahrensrecht § 25 Rn.1. S. 173) niemand selbst belasten muss.
Darüber hinaus besteht für den nicht rechtskundigen Verfahrensteilnehmer auch die unterschätzte, bzw. sogar unbekannte Gefahr, sich selbst strafbar oder schadensersatzpflichtig zu machen. Die Gefahr, unwissentlich eine kriminelle Handlung zu begehen, liegt vor allem in den im Vierzehnten Abschnitt, §§ 185ff. StGB des Strafgesetzbuchs verankerten Normen, die auf der zivilrechtlichen Seite einen deliktischen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung in Verbindung mit einer Schutznormverletzung gem. § 823 II BGB begründen können. Aufgrund dieser Risiken ist die beste Art für den Umgang mit den Medien und der Öffentlichkeit wohl mit dem allseits bekannten Sprichwort "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" zusammenfassen. Dies liegt vor allem darin, dass unbedachte Äußerungen durch Zeugen, Opfer oder Täter nicht absehbare Folgen für das Verfahren haben können. Eine dieser Folgen könnte beispielsweise daraus resultieren, dass sich die Aussage eines Zeugen, inhaltlich nicht mit dem deckt, was dieser beispielsweise in einem Zeitungsinterview geäußert hat. In diesem Fall würde ein möglicher Belastungszeuge unglaubwürdig werden, und unter Umständen zur Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten führen. Außerdem wird die zuständige Staatsanwaltschaft mit fast 100%er Sicherheit strafrechtliche Ermittlungen anstellen, da in diesem Fall das Entstehen eines Anfangsverdacht hinsichtlich einer möglichen uneidlichen Falschaussage, § 153 StGB, nicht mehr ausgeschlossen werden könnte.
Die zweite Kategorie, welche unter dem Titel “Profis” geführt werden kann, fasst diejenigen Personengruppen zusammen, die sich von Berufs wegen mit dem Strafrecht beschäftigen müssen. Dazu zählen auf der Seite die staatlichen Akteure. Zu diesen zählen naturgemäß die Richter, Staatsanwälte einschließlich der ihnen zur Verfügung stehenden Ermittlungspersonen. Dem gegenüber stehen auf der Seite des mutmaßlichen Täters die Strafverteidiger und in einigen Sonderfällen weitere Rechtsanwälte, die im jeweiligen Verfahren als Zeugenbeistände oder Nebenklagevertreter auftreten.
Die Richter werden im Regelfall selbst keine eigene PR-Arbeit leisten, allein schon, um sich nicht dem Verdacht der Befangenheit auszusetzen, und damit der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung einen Ablehnungsgrund zu geben, bzw. um keinen Grund zu liefern, warum das gefasste Urteil in der Rechtsmittelinstanz aufgehoben und zurückverwiesen werden könnte. Im Regelfall wird die PR-Arbeit der Richter durch den Justizpressesprecher oder denjenigen Richter im Kollegium übernommen. der, nach dem gültigen Geschäftsverteilungsplan oder der Anweisung des Disziplinarvorgesetzten, dafür ausgewählt wurde. Die Öffentlichkeitsarbeit der Rechtsprechenden Gewalt ist in ihrer Art und Weise allerdings nicht mit den Vorgehensweisen der anderen Prozessbeteiligten zu vergleichen. Während sich die Justizpressesprecher im Regelfall vergleichsweise passiv agieren, und sich darauf beschränken werden, die Medienvertreter über Einzelheiten des Verfahrensablaufs und den Prozessstoff zu informieren, werden sich die Bestrebungen der Polizei, Staatsanwaltschaften und der Anwaltschaft eher von einer aktiveren Natur sein.
Gleichwohl können die Richter und Schöffen in einem durch die Öffentlichkeit vielbeachteten Strafverfahren ebenfalls Gegenstand der Berichterstattung und Ziel von PR-Kampagnen sein. Bei besonders spektakulären Verfahren wie etwa dem Prozess gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe, oder den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff werden die Richter in den Medien vorgestellt (Drebes in http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Zschaepes-Richter-hart-aber-fair-101499914 Datum des Zugriffs: 01.04.2014 14.33 Uhr), und unter Berücksichtigung der öffentlich zugängigen Informationen, Spekulationen über den möglichen Verfahrensverlauf oder eine möglicherweise zu erwartende Einstellung oder Verurteilung angestellt. Aufgrund der Konzentration der Berichterstattung auf spektakuläre Prozesse ist es nicht unwahrscheinlich, das einer breiteren Öffentlichkeit der Vorsitzende Richter am Bayrischen Oberlandesgericht Manfred Götzl durch dessen Vorsitz im NSU-Verfahren eher bekannt sein dürfte, als beispielsweise die Richter am Bundesgerichtshof. Die Gefahr in dieser Art der Berichterstattung liegt darin, dass bei der Bevölkerung eine Erwartungshaltung erzeugt wird, dass das Verfahren tatsächlich so ablaufen wird, wie es durch die professionellen journalistischen Kaffeesatzleser prognostiziert wurde. Das Problem dabei ist, dass jegliche Abweichung von den Vorhersagen, unter Umständen dazu geeignet sind, das Vertrauen in die Strafjustiz nachhaltig zu erschüttern. Zudem wird durch die Prozessberichterstattung der Eindruck erweckt, dass es das vordringliche Ziel des Strafprozesses sei, die Gerechtigkeit wiederherzustellen und alle noch möglicherweise verbleibenden Fragen zu beantworten. Diese fahrlässig erschaffene Erwartungshaltung ist allerdings unzutreffend. Aufgabe des Strafverfahrens ist es eben gerade nicht, ein etwaiges Gerechtigkeitsdefizit zu beheben. Die Aufgabe des Strafprozesses ist lediglich die Erforschung der Wahrheit hinsichtlich des Tathergangs und der Motivation des Täters und die Subsumtion der gewonnenen Erkenntnisse unter die infrage kommenden Normen des Strafgesetzbuchs seiner Nebengesetze.
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[1] nemo tenetur se ipsum accusare(bzw. procedere) - lat. niemand ist verpflichtet sich selbst anzuklagen
- Citation du texte
- Michael Meißner (Auteur), 2014, Litigation-PR. Prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit im Strafverfahren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304212
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