[...] Trotz der Erkenntnis, dass auf zahlreichen internationalen Märkten Überrenditen vorliegen, wird in den meisten Studien deren Ursache nicht weiter hinterfragt oder erforscht. An dieses Forschungsdefizit soll diese Arbeit ebenfalls anknüpfen und mögliche Erklärungsansätze für das Auftreten von Überrenditen herleiten und ggf. empirisch überprüfen. Außerdem soll in dieser Studie die Existenz von Überrenditen unter dem Aspekt informationseffizienter Märkte betrachtet werden. Die Möglichkeit, als Investor systematisch Überrenditen nach Insidertransaktionen zu erzielen, steht im Widerspruch zur Informationseffizienz eines Marktes. In Abhängigkeit der Ergebnisse der empirischen Untersuchung sollen Aussagen zur Informationseffizienz des deutschen Marktes im Zusammenhang mit meldepflichtigen Geschäften gemäß §15a WpHG gemacht werden. Die Arbeit ist wie folgt gegliedert: Abschnitt 2 behandelt zunächst theoretische Aspekte des Insiderhandels. Es wird auf die Notwendigkeit einer Insiderregulierung eingegangen und ein Überblick über die Entwicklung des deutschen Insiderrechts von der freiwilligen Selbstkontrolle bis zur gesetzlichen Regelung gegeben. Der Abschnitt endet mit einer ausführlichen Analyse der Regelungsinhalte des §15a WpHG.
Abschnitt 3 gibt zunächst einen Literaturüberblick über empirische Untersuchungen internationaler Studien zur Existenz von Überrenditen nach Insidertransaktionsmeldungen. Danach wird das Konzept der effizienten Kapitalmärkte nach dem Ansatz von Fama vorgestellt. Im Anschluss werden mögliche Erklärungsansätze für Überrenditen hergeleitet und in Verbindung mit dem Informationseffizienzkonzept gebracht. Dies bildet den Abschluss des theoretischen Teils. In Abschnitt 4 folgt die empirische Untersuchung. Die Untersuchung nach Überrenditen geschieht mit Hilfe einer Ereignisstudie. Die wichtigsten Parameter einer Ereignisstudie werden daher zunächst erläutert. Anschließend erfolgt die Überprüfung der aufgestellten Hypothesen. In Abhängigkeit von den empirischen Ergebnissen werden Untersuchungen zu den Erklärungsansätzen und zur Informationseffizienz durchgeführt. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Schlussfolgerungen in Abschnitt 5.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung und Problemstellung
2 Regelung des Insiderhandels in Deutschland
2.1 Theoretische Aspekte des Insiderhandels
2.1.1 Definition von Insiderhandel
2.1.2 Regulierungsbedarf des Insiderhandels
2.2 Entwicklung des deutschen Insiderrechts
2.2.1 Freiwillige Selbstkontrolle
2.2.2 Gesetzliche Regelungen
2.3 Analyse von §15a WpHG
2.3.1 Ziele des Gesetzes
2.3.2 Meldepflichtige Personen
2.3.3 Meldepflichtige Geschäfte
2.3.4 Ausnahmen von den Meldepflichten
2.3.5 Mitteilung und Veröffentlichung
2.3.6 Überwachung und Ahndung von Verstößen
2.4 Weitere wesentliche Insiderregelungen des WpHG
2.5 Bedeutung von §15a WpHG für die weitere Untersuchung
3 Outsiderrenditen nach §15a und Implikationen für die Markteffizienz
3.1 Überrenditen nach meldepflichtigen Geschäften
3.1.1 Begriffliche Abgrenzung von Insider- und Outsiderrenditen
3.1.2 Ergebnisse empirischer Studien zu Outsiderrenditen
3.2 Informationseffizienz auf Kapitalmärkten
3.2.1 Der Ansatz von Fama
3.2.1.1 Hypothese der effizienten Kapitalmärkte
3.2.1.2 Formen der Informationseffizienz
3.2.2 Outsiderrenditen und halbstrenge Informationseffizienz
3.3 Erklärungsansätze für Outsiderrenditen nach §15a WpHG
3.3.1 Signaling und Unterreaktion des Marktes
3.3.1.1 Asymmetrische Informationsverteilung und Signaling
3.3.1.2 §15a WpHG als Signal und Indikatorwirkung
3.3.1.3 Unterreaktion und halbstrenge Informationseffizienz
3.3.2 Illegaler Insiderhandel und strenge Informationseffizienz
3.4 Zusammenfassung und Implikationen für die empirische Untersuchung
4 Empirische Untersuchung
4.1 Parameter der Ereignisstudie zur Untersuchung von Überrenditen
4.1.1 Daten
4.1.1.1 Datenbasis und Kriterien für die Datenbearbeitung
4.1.1.2 Deskriptive Statistik der Daten
4.1.2 Festlegung von Ereignistag, Schätz- und Testperiode
4.1.3 Berechnung der durchschnittlichen kumulierten Überrendite
4.1.3.1 Ermittlung von täglichen Überrenditen
4.1.3.2 Kumulation täglicher Überrenditen
4.1.4 Hypothesenformulierung zu Überrenditen
4.1.5 Überprüfung der aufgestellten Hypothesen zu Überrenditen
4.2 Überprüfung der Erklärungsansätze für Outsiderrenditen
4.2.1 Signaling und Unterreaktion des Marktes
4.2.2 Illegaler Insiderhandel
4.2.2.1 Datenbasis und Vorgehensweise der Nachrichtenanalyse
4.2.2.2 Ergebnisse der Nachrichtenanalyse
4.2.3 Fazit und Implikationen für die Informationseffizienz
4.3 Indikatorwirkung der Insidertransaktionsmerkmale nach §15a WpHG
4.3.1 Hypothesenformulierung zur Indikatorwirkung
4.3.2 Überprüfung der aufgestellten Hypothesen zur Indikatorwirkung
5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Anhang
Literaturverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Sofortiger Anpassungsprozess der Überrenditen
Abbildung 2: Verzögerter Anpassungsprozess der Überrenditen
Abbildung 3: Zeitreihe der Ereignisstudie
Abbildung 4: Häufigkeitsverteilung der kumulierten Überrenditen KÜRi,20
Abbildung 5: Entwicklung der durchschnittlichen kumulierten Überrendite
Abbildung 6: Häufigkeitsverteilung der Ad-hoc-Meldungsinhalte
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Deskriptive Statistik verschiedener Transaktionsmerkmale
Tabelle 2: Statistische Beschreibung der DKÜR20 und KÜRi,20
Tabelle 3: Verzögerter Kursanpassungsprozess der DKÜR
Tabelle 4: Verteilung der Nachrichten nach Transaktions- und Nachrichtenart
Tabelle 5: Geschichtliche Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland
Tabelle 6: Liste der in die empirische Untersuchung einbezogenen Unternehmen
Tabelle 7: Beispiele zur Datenverarbeitung meldepflichtiger Geschäfte aus Excel
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung und Problemstellung
„Der EM.TV-Unternehmer Thomas Haffa hat möglicherweise gegen die Bestimmungen im Börsenprospekt verstoßen. (..) ermittelt der Staatsanwalt gegen den früheren EM.TV-Finanzvorstand Florian Haffa wegen des Verdachts illegaler Insidergeschäfte.“[1]
Pressemeldungen dieser Art waren in der Hochphase des Börsenbooms im Frühjahr 2000 keine Seltenheit. Der Skandal um den einstigen Börsenfavoriten EM.TV war jedoch nur einer der spektakulären Fälle von illegalem Insiderhandel, da EM.TV bis dahin als eines der Vorzeigeunternehmen galt.[2] Das illegale Verhalten einzelner Marktteilnehmer und andere Gründe, wie z.B. der Beginn eines wirtschaftlichen Abschwungs, führten zu einem großen Vertrauensverlust in den deutschen Aktienmarkt. Die Folge war ein Einbruch der Aktienkurse in allen Marktsegmenten.[3] Darüber hinaus erwies sich die Verfolgung von illegalem Insiderhandel in Deutschland als schwierig. Nachdem die Regulierung des Insiderhandels jahrzehntelang auf freiwilliger Selbstkontrolle basierte, wurde erst im Jahr 1994 eine gesetzliche Regelung eingeführt, die jedoch einfach bei der Absicht des illegalen Insiderhandels umgangen werden konnte.
Um dieser Problematik entgegen zu treten und das Vertrauen in die Integrität des deutschen Finanzmarktes durch die Prävention von Insiderhandel wieder zu stärken, wurde das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) klarer auf diese Ziele ausgerichtet. Durch das im Jahr 2002 in Kraft getretene „Vierte Finanzmarktförderungsgesetz“ wurde das WpHG neben zahlreichen Neuregelungen um den §15a WpHG erweitert. Dieser Paragraph verpflichtet alle Organmitglieder eines Emittenten und deren nahe Angehörige, eigene Geschäfte, die in Verbindung mit den Wertpapieren des Emittenten stehen, unverzüglich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitzuteilen. Solche Geschäfte, die auch als Directors´ Dealings definiert sind, sind mit gesetzlich bestimmten Einzelheiten auf der Internetseite des Emittenten zu veröffentlichen. Diese Veröffentlichung soll die Transparenz erhöhen und erst gar nicht den Verdacht von verbotenem Insiderhandel aufkommen lassen.[4]
Eine weitere vom Gesetzgeber beabsichtigte Eigenschaft der Directors´ Dealings ist deren Indikatorwirkung. Viele Anleger erwarten, aus diesen Meldungen Rückschlüsse auf die zukünftige Unternehmensentwicklung ziehen zu können.[5] In vielen Studien wurde für andere Länder gezeigt, dass Investoren dort Überrenditen durch die Nachahmung der Insidertransaktionen unmittelbar nach der Meldung erzielen können. Als Überrendite wird dabei die Differenz zwischen einer am Markt realisierten Rendite und einer durch ein Gleichgewichtsmodell erwarteten Rendite verstanden.[6] Für den deutschen Markt gibt es diesbezüglich jedoch wenig Ergebnisse, da Insidertransaktionen erst seit dem 1. Juli 2002 gesetzlich gemeldet werden müssen. In einer Studie für den deutschen Markt konnte Stotz (2003) zwar auch dort Überrenditen nach meldepflichtigen Geschäften zeigen, allerdings umfasst diese Studie nur einen einjährigen Untersuchungszeitraum und eine geringe Datenbasis.
Der Mangel an Studien und empirischen Ergebnissen zur Existenz von Überrenditen nach Insidertransaktionsmeldungen auf dem deutschen Markt ist Anlass für diese Arbeit. Es soll überprüft werden, ob Investoren tatsächlich durch die Nachahmung von Insidertransaktionen auch auf diesem Markt Überrenditen erzielen können.
Trotz der Erkenntnis, dass auf zahlreichen internationalen Märkten Überrenditen vorliegen, wird in den meisten Studien deren Ursache nicht weiter hinterfragt oder erforscht. An dieses Forschungsdefizit soll diese Arbeit ebenfalls anknüpfen und mögliche Erklärungsansätze für das Auftreten von Überrenditen herleiten und ggf. empirisch überprüfen.
Außerdem soll in dieser Studie die Existenz von Überrenditen unter dem Aspekt informationseffizienter Märkte betrachtet werden. Die Möglichkeit, als Investor systematisch Überrenditen nach Insidertransaktionen zu erzielen, steht im Widerspruch zur Informationseffizienz eines Marktes.[7] In Abhängigkeit der Ergebnisse der empirischen Untersuchung sollen Aussagen zur Informationseffizienz des deutschen Marktes im Zusammenhang mit meldepflichtigen Geschäften gemäß §15a WpHG gemacht werden.
Die Arbeit ist wie folgt gegliedert:
Abschnitt 2 behandelt zunächst theoretische Aspekte des Insiderhandels. Es wird auf die Notwendigkeit einer Insiderregulierung eingegangen und ein Überblick über die Entwicklung des deutschen Insiderrechts von der freiwilligen Selbstkontrolle bis zur gesetzlichen Regelung gegeben. Der Abschnitt endet mit einer ausführlichen Analyse der Regelungsinhalte des §15a WpHG.
Abschnitt 3 gibt zunächst einen Literaturüberblick über empirische Untersuchungen internationaler Studien zur Existenz von Überrenditen nach Insidertransaktionsmeldungen. Danach wird das Konzept der effizienten Kapitalmärkte nach dem Ansatz von Fama vorgestellt. Im Anschluss werden mögliche Erklärungsansätze für Überrenditen hergeleitet und in Verbindung mit dem Informationseffizienzkonzept gebracht. Dies bildet den Abschluss des theoretischen Teils.
In Abschnitt 4 folgt die empirische Untersuchung. Die Untersuchung nach Überrenditen geschieht mit Hilfe einer Ereignisstudie. Die wichtigsten Parameter einer Ereignisstudie werden daher zunächst erläutert. Anschließend erfolgt die Überprüfung der aufgestellten Hypothesen. In Abhängigkeit von den empirischen Ergebnissen werden Untersuchungen zu den Erklärungsansätzen und zur Informationseffizienz durchgeführt.
Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Schlussfolgerungen in Abschnitt 5.
2 Regelung des Insiderhandels in Deutschland
2.1 Theoretische Aspekte des Insiderhandels
2.1.1 Definition von Insiderhandel
Insiderhandel sind alle Kapitalmarkttransaktionen, die auf Basis von kursrelevanten Informationen, die anderen Marktteilnehmern nicht zur Verfügung stehen, getätigt werden.[8] Dabei wird der Begriff Insiderhandel durch die im Folgenden näher beschriebenen Teilelemente Insiderinformation, Insiderpapiere und Insider erläutert.
Insiderpapiere sind allgemein Wertpapiere, die an einem organisierten Markt zum Handel zugelassen sind. Das sind insb. Aktien börsennotierter Unternehmen. Auch Schuldverschreibungen und derivative Finanzinstrumente wie Aktienoptionen und Futures gehören zu den Insiderpapieren.[9]
Eine Insiderinformation ist „eine nicht öffentlich bekannte Tatsache (...), die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere bezieht und die geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.“[10] Aus dieser Definition leiten sich zwei Bedingungen ab, die für das Vorliegen von Insiderinformationen erfüllt sein müssen. Erstens müssen die Informationen kursrelevant sein, d.h., dass sie bei öffentlicher Bekanntheit den Kurs verändern würden. Zweitens muss eine asymmetrische Informationsverteilung vorliegen. Dies bedeutet, dass bei einem Wertpapiergeschäft eine Seite über Informationen verfügt, die der anderen Seite vorenthalten sind.[11] Beispiele für Insiderinformationen sind veränderte Gewinnerwartungen, Dividendenerhöhungen oder geplante Unternehmensübernahmen. Diese Informationen können bei öffentlicher Bekanntgabe zu Kursreaktionen führen.
Insider sind alle Personen, die Zugang zu Insiderinformationen haben. Dieser Personenkreis teilt sich in zwei Gruppen. Zum einen gibt es Personen, die aufgrund ihres Berufes, ihres Amtes und ihres Status direkten Zugang zu Insiderinformationen haben und in der Literatur auch als Primärinsider bezeichnet werden. Zum anderen gibt es die Gruppe der Sekundärinsider, die nicht unmittelbar Zugang zu Insiderinformationen hat, diesen jedoch über die Gruppe der Primärinsider erhält.[12]
Ein Insider handelt nach allgemeinem Rechtsverständnis zum Nachteil aller übrigen Marktteilnehmer, wenn er auf Basis von Insiderinformationen Wertpapiere kauft oder verkauft, wenn er unbefugt Insiderinformationen an Dritte weitergibt oder wenn er Wertpapiere auf der Grundlage von Insiderinformationen zum Kauf oder Verkauf empfiehlt.[13]
Im Gegensatz zum illegalen Insiderhandel kann ein Insider aber auch Wertpapiere aus seinem Einflussbereich legal kaufen und verkaufen, wenn dies nicht auf Basis von privaten Informationen geschieht. Dies ist z.B. dann gegeben, wenn er aufgrund seiner Stellung im Unternehmen öffentlich bekannte Informationen besser bewerten kann als der Markt und Fehlbewertungen durch seinen Einblick ins Unternehmen eher erkennt als die übrigen Marktteilnehmer.
2.1.2 Regulierungsbedarf des Insiderhandels
Die Diskussion pro und contra Insiderhandel kann auf eine lange Tradition zurückblicken und bildet die Grundlage von Erörterungen zur Insiderhandelsregulierung. Im Folgenden werden die wichtigsten Argumente für und wider Insiderhandel dargestellt, auf deren Basis anschließend eine Bewertung bzgl. der Notwendigkeit einer Insiderregulierung erfolgt.
Befürworter des Insiderhandels argumentieren, dass Kapitalmärkte durch Insiderhandelsaktivitäten eine höhere Informationseffizienz erlangen. Die Kurse spiegeln zunehmend auch private Informationen durch den Insiderhandel wider, wodurch eine wahre Marktpreisfindung unterstützt wird.[14] Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene lässt sich so eine höhere Effizienz erzielen, da im Vergleich zur Situation, in der Insider nicht auf Basis ihrer privaten Information handeln, eine bessere Allokation der Ressourcen entsteht.[15]
Ein weiteres Argument für Insiderhandel basiert auf der „Principal-Agent-Theorie“. Nach dieser Theorie gibt es in einem Unternehmen eine Beziehung zwischen einem Kapitalgeber (Principal) und einem Manager (Agent), der für die Unternehmungsleitung zuständig ist und über das Kapital verfügt. In diesem Zusammenhang wird argumentiert, dass ein marktwirtschaftliches System nur dann funktioniert, wenn der Manager eine entsprechende Entlohnung erfährt.[16] Gehalt und Boni stellen jedoch keine angemessene Entlohnung für den Manager dar.[17] Die einzige adäquate Erfolgsbeteiligung für den Manager ist nach dieser Theorie nur durch Insiderhandelsgewinne zu erreichen.[18]
Diesen Argumenten, die für eine Legitimierung von Insiderhandel sprechen, stehen allerdings auch bedeutende Argumente gegenüber, die dagegen sprechen.
Gegner des Insiderhandels nennen als wichtiges Argument den Schutz des einzelnen Anlegers. Dabei handelt es sich in erster Linie um ein ethisches Argument, denn Insidergeschäfte widersprechen vor allem der Fairness und Gerechtigkeit.[19] Daraus wird die Notwendigkeit eines Individualschutzes abgeleitet, der Anleger vor einer Schädigung und Vermögensumverteilung durch Insiderhandel bewahren soll.[20]
Ein weiteres Argument der Gegner des Insiderhandels ist die Notwendigkeit, die Funktionen des Kapitalmarktes zu schützen. Im Vordergrund stehen Überlegungen zur Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitallenkung.[21] Wenn nicht informierte Marktteilnehmer den besser informierten Insidern systematisch unterlegen sind, verlieren sie das Vertrauen in die Kapitalmärkte und werden sich aus Selbstschutz von den Börsen zurückziehen. Dann besteht die Gefahr, dass die erforderlichen Mittel für Unternehmen mit hohem Kapitalbedarf nicht mehr zur Verfügung stehen.
Eng verbunden mit diesem Argument ist die Auswirkung des Insiderhandels auf die Preisstellung durch Market-Maker. Um einen regen Handel zu gewährleisten, treten Market-Maker auf Anfrage als direkte Marktpartner auf und handeln damit auf eigene Rechnung. Dadurch gehen sie ein Kursrisiko ein, das sie sich durch die Differenz zwischen den von ihnen gestellten Geld- und Briefkursen bezahlen lassen. Unter der Annahme, dass sie bei Geschäften mit den besser informierten Insidern Kursverluste einfahren, werden Market-Maker zur Kompensation die Geld-Brief-Spannen ausweiten. Dies geht zu Lasten der uninformierten Marktteilnehmer, denn für sie stellt eine größere Geld-Brief-Spanne einen Anstieg der Transaktionskosten dar und macht Aktien im Vergleich zu anderen Anlagemöglichkeiten unattraktiver. Die Folge ist auch hier ein Rückzug der Investoren vom Aktienmarkt.[22] Dadurch verringert sich schließlich die Marktliquidität, was zu erhöhten Risikoprämien von Aktien und ansteigenden Kapitalkosten von Unternehmen führt.[23]
Stellt man die Argumente für eine Regelung des Insiderhandels den Argumenten gegen eine Regelung des Insiderhandels gegenüber, kommt man zur Abwägung der Interessen Einzelner gegen die Interessen der Allgemeinheit. Daher entspricht es dem Rechtsverständnis des deutschen Verfassungsrechts, dem Recht auf persönliches Eigentum das Wohl der Allgemeinheit voranzustellen. Die Erörterung der Argumente für und wider Insiderhandel hat gezeigt, dass Insiderhandel die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte in wesentlichen Bereichen stört. Der Insiderhandel beeinträchtigt zum Vorteil Einzelner das Wohl der Allgemeinheit. Deshalb ist es folgerichtig, den Insiderhandel zu regulieren.
2.2 Entwicklung des deutschen Insiderrechts
2.2.1 Freiwillige Selbstkontrolle
Während in den USA die Insiderregulierung bereits auf das „Securites Exchange Act“ von 1934 zurückgeht, begann die Börseninsiderrechtsdiskussion in Deutschland erst Ende der sechziger Jahre. Grund waren immer häufiger auffallende Kursschwankungen und wiederholte Skandalberichte in der Tagespresse. In diesem Zusammenhang stand in Deutschland erstmals die gesetzliche Erfassung des Insiderhandels zur Debatte. Zuvor war das Thema nur vereinzelt aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Kapitalmärkte im Zuge des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg und zunehmender Vermutungen des Ausnutzens von Insiderinformationen aufgekommen.[24]
Während in Europa Bestimmungen über den Insiderhandel im Jahr 1970 ihren ersten gemeinschaftsrechtlich relevanten Niederschlag fanden, schuf am 13. November 1970 eine Börsensachverständigenkommission, bestehend aus Vertretern der Wirtschaft, mit den „Empfehlungen zur Lösung der sogenannten Insiderprobleme“ die ersten Insiderhandelsrichtlinien in Deutschland. Die Empfehlungen, die zusätzlich Händler- und Beraterregeln beinhalteten, wurden im Januar 1972 durch Erläuterungen und Verfahrensordnungen ergänzt und traten im selben Jahr in Kraft.[25] Die Insiderrichtlinien beinhalteten Definitionen, Tätigkeitsverbote, Aufgaben der Prüfungskommissionen sowie Sanktionen. Ihre Wirkung war jedoch beschränkt, da sie keine gesetzliche Regelung darstellten und auf dem Prinzip einer freiwilligen Selbstkontrolle basierten. Unter diese freiwillige Selbstkontrolle fielen nur diejenigen Personen und Unternehmen, die diese Richtlinien vorher akzeptiert hatten. Hierfür war eine privatrechtliche Unterwerfungserklärung der als Insider bezeichneten Personen und eine Anerkennungserklärung erforderlich. Die Insiderrichtlinien begründeten nur Rechte der Vertragsparteien. Rechte Dritter konnten bis auf Ausnahmefälle aus ihnen nicht hergeleitet werden. Im Falle der Nichtanerkennung der Richtlinien gab es aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung keine Sanktionen.[26] Im schlimmsten Falle musste ein verurteiltes Unternehmen den entstandenen Gewinn bzw. den vermiedenen Verlust abführen und die Verfahrenskosten tragen.[27] Die Insiderrichtlinien wurden in der Praxis erstmals im Jahr 1973 angewandt, jedoch konnten keine Verstöße gegen die Insiderhandelsrichtlinien nachgewiesen werden.[28]
Aufgrund der schwierigen Erkennung von illegalem Insiderhandel wurde ein großes Reformbedürfnis festgestellt. Die Börsensachverständigenkommission überarbeitete die Richtlinie daraufhin und veröffentlichte die Neufassung im November 1975.[29] Die Reform blieb aber weiterhin ohne gesetzliche Regelungen.
Am 1. Juli 1976 wurden die Empfehlungen aus dem Jahr 1972 neu gefasst und erfuhren wesentliche Änderungen, weil mit den Richtlinien Insiderhandel weder aufgeklärt noch sanktioniert oder gar verhindert werden konnte.[30] Die Insiderrichtlinien wurden durch eine Empfehlung der EG-Kommission vom 25. Juli 1977 ergänzt. Ziel dieser Ergänzungen war die Einhaltung bestimmter Wohlverhaltensregeln auf dem Wertpapiermarkt.[31] Es wurde bestimmt, dass Insider weder kursrelevante, geheime Informationen ausnutzen noch an Dritte weitergeben durften. Trotz einer weiteren Änderung der Richtlinien im Juni 1988 blieb es bei einer freiwilligen Selbstregulierung in Form eines Wohlverhaltenskodex.[32]
2.2.2 Gesetzliche Regelungen
Die Reputation des Finanzplatzes Deutschland war Ende der 80-er Jahre gefährdet. Den deutschen Kapitalmärkten wurde ein zurückgebliebenes Kapitalmarktaufsichtssystem und vor allem eine unzureichende Insiderhandelskontrolle vorgehalten. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Finanzplatzes abzusichern, war die Schaffung einer gesetzlichen Regelung des Insiderhandels in Deutschland unumgänglich.
Am 13. November 1989 wurde die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte verabschiedet.[33] Diese war bis zum 1. Juni 1992 in nationales Recht umzusetzen. Die Umsetzung erfolgte in Deutschland verspätet durch die Verabschiedung des 2. FMFG und dem darin enthaltenen Wertpapierhandelsgesetz durch den Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats am 26. Juli 1994. Das Gesetz trat am 1. Januar 1995 in Kraft. Zielsetzungen des 2. FMFG waren insb. Chancengleichheit, Transparenz der Wertpapiermärkte und Anlegerschutz.
Das WpHG war gleichzeitig auch rechtliche Grundlage für die Einrichtung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BaWe),[34] mit der erstmals in Deutschland eine Bundesbehörde Zuständigkeiten für die Beaufsichtigung des Wertpapierhandels erhielt. Die BaWe war neben der Börsenaufsicht der Länder sowie der Handelsüberwachung in der Börse selbst Bestandteil eines dreistufigen Systems.
Mit dem Inkrafttreten des 2. FMFG wurden in §14 des WpHG Insidergeschäfte in Deutschland mit den dort definierten Voraussetzungen erstmals durch ein Gesetz verboten. Seitdem wurde das WpHG mehrfach geändert, jedoch blieb der materiell-rechtliche Regelungsgehalt unberührt.[35]
Am 22. Oktober 1997 wurde das WpHG aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften geändert. Das 2. FMFG und damit auch das WpHG wurden am 24. März 1998 durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland, dem 3. FMFG, modifiziert. Weitere Änderungen erfuhr das WpHG durch das Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsübersicht am 22. April 2002 und durch das 4. FMFG am 21. Juni 2002. Eine wesentliche Neuregelung stellt die Pflicht zur Veröffentlichung und Mitteilung von Geschäften von Führungskräften nach §15a WpHG dar. Darauf wird im folgenden Abschnitt ausführlich eingegangen.
In Tab. 5 (Anhang) sind die wichtigsten Schritte auf dem Weg von der freiwilligen Selbstkontrolle bis hin zur gesetzlichen Regelung im Rahmen der deutschen Insiderregulierung dargestellt.
2.3 Analyse von §15a WpHG
Die folgende Analyse von §15a WpHG erfolgt überwiegend in Anlehnung an Assmann/Schneider (2003).[36]
2.3.1 Ziele des Gesetzes
Nach dem Einbruch der weltweiten Aktienmärkte im Jahr 2000 und den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 litten die Börsen unter einem starken Vertrauensverlust, der durch die skandalösen Vorgänge am Neuen Markt und durch das gesetzeswidrige Handeln einzelner Marktteilnehmer noch verstärkt wurde.[37] Diese Ereignisse machten die Einführung einer Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht erforderlich. Zusätzlich sollte eine Reform des Börsen- und Wertpapierrechts die Position der deutschen Börsen im internationalen Wettbewerb stärken und eine Angleichung an internationale Standards erreichen.[38]
Mit der Pflicht zur Veröffentlichung von Directors´ Dealings werden vor allem vier Ziele verfolgt: Markttransparenz, informierte Transaktionsentscheidung, Anlegergleichbehandlung und Marktintegrität.
Eine erhöhte Markttransparenz soll dadurch erreicht werden, dass die Publizitätspflicht sich nicht nur wie bisher auf den Primärmarkt, sondern auch auf den Sekundärmarkt erstreckt und die Veröffentlichung aller meldepflichtigen Geschäfte dadurch zu einer höheren Informationseffizienz führt. Die Transaktionsentscheidung der Organmitglieder soll die Anleger darüber informieren, wie die zukünftige Unternehmensentwicklung gesehen wird.[39] Ihr wird daher eine Art Indikatorwirkung zugesprochen. Die Anlegergleichbehandlung soll dadurch erzielt werden, dass sich der Wissensvorsprung der Organmitglieder durch die zeitnahe Veröffentlichung der Wertpapiergeschäfte verringert und somit zur Chancengleichheit aller Marktteilnehmer führt. §15a WpHG hat schließlich einen präventiven Charakter und soll Insiderhandel vermeiden.[40] Die Marktintegrität kann damit gewahrt werden. Das Gesetz erhöht insgesamt das Entdeckungsrisiko für verbotene Insidergeschäfte und hat somit eine gewisse Vorbeugefunktion.[41]
2.3.2 Meldepflichtige Personen
Zu den meldepflichtigen Personen zählen die Primär- und Sekundärinsider. Die Primärinsider haben aufgrund ihrer Position einen direkten Bezug zum Unternehmen und verfügen direkt über Unternehmensinformationen, während die Sekundärinsider aufgrund ihrer Nähe zu den Primärinsidern indirekt über diese Informationen verfügen.
Nach §15a I WpHG sind alle Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft mitteilungspflichtig. Hierzu zählen auch die stellvertretenden Vorstandsmitglieder, da sie als vollwertige Vorstandsmitglieder gelten. Bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien sind die persönlich haftenden Gesellschafter mitteilungspflichtig, ungeachtet dessen, ob sie die Geschäftsführung oder Vertretung wahrnehmen. Auch fehlerhaft bestellte Organe fallen unter die Mitteilungspflicht, solange sie die Organfunktion tatsächlich ausüben. Die Meldepflicht macht für diese Primärinsider gemäß §13 I Nr. 1 WpHG am meisten Sinn, da es sich beim Vorstand und Aufsichtsrat um die Personen handelt, die aufgrund ihrer Nähe zum Unternehmen über die besten Informationen verfügen.
Neben den Organmitgliedern des Emittenten treten auch diejenigen des Mutterunternehmens eines börsennotierten Emittenten als Primärinsider auf und sind verpflichtet, den Erwerb oder die Veräußerung bestimmter Wertpapiere anzugeben, unabhängig davon, ob sie beim Emittenten eine Funktion wahrnehmen. Diese Regelung macht unter Beachtung der Legaldefinition für das Mutterunternehmen Sinn. Gemäß §290 I HGB ist ein Mutterunternehmen ein solches, das eine einheitliche Leitung gegenüber einem oder mehreren Tochterunternehmen hat und eine Beteiligung i.S.d. §271 I HGB besitzt. Es liegt nahe, dass auch die Organmitglieder des Mutterunternehmens über einen Wissensvorsprung verfügen und die Mitteilungspflicht dadurch begründet werden kann. Als Mutterunternehmen gilt zudem ein solches, das eine absolute Stimmrechtsmehrheit oder eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einem Tochterunternehmen besitzt oder das die Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses, der beständig und umfassend sein muss, hat. Für den umgekehrten Fall, dass Organmitglieder eines Tochterunternehmens Geschäfte in der Muttergesellschaft tätigen, tritt die Mitteilungspflicht nicht in Kraft.[42]
Es gibt eine Reihe von Personengruppen, die nicht mitteilungspflichtig sind, obwohl auch diese Gruppen Insiderwissen haben können. So werden leitende Angestellte von der Melde- und Veröffentlichungspflicht ausgenommen.[43] Auch Großaktionäre sind im Rahmen des §15a WpHG nicht meldepflichtig.[44] Zum Personenkreis der Nichtmeldepflichtigen gehören außerdem die Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats, d.h. die Personen, die bei Wegfall eines Aufsichtsratsmitglieds nachrücken.
Ein Organmitglied ist nur solange meldepflichtig, bis es seine organische Stellung verliert. Ab diesem Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass es seinen Wissensvorsprung nicht mehr hat und damit weder eine Indikatorwirkung entfaltet noch den Verdacht des illegalen Insiderhandels rechtfertigt.
Neben der Meldepflicht von Primärinsidern regelt das Gesetz auch die Meldepflicht von Familienangehörigen als sogenannte Sekundärinsider. Betroffen sind hiervon Personen mit einem bestimmten Näheverhältnis zum Organmitglied. So verpflichtet §15a I 2 WpHG auch die Ehepartner, eingetragenen Lebenspartner und die Verwandten ersten Grades der Organmitglieder des Emittenten oder des Mutterunternehmens, ihre Geschäfte mit Wertpapieren des Unternehmens anzugeben. Diese Ausweitung des mitteilungspflichtigen Personenkreises soll eine Verschleierung meldepflichtiger Geschäfte verhindern. Die Meldepflicht bezieht sich dabei auf den Sekundärinsider selbst und nicht auf das Organmitglied.[45]
Für die Meldepflicht des Ehepartners spielt es keine Rolle, ob beide Ehepartner zusammen oder getrennt leben. Andernfalls könnte durch ein Getrenntleben ein Streit vorgetäuscht und auf dieser Basis eine meldepflichtige Transaktion des Ehepartners abgewickelt werden.
Für den eingetragenen Lebenspartner, bei dem es sich um einen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner handelt, gelten die gleichen Ausführungen wie für den Ehepartner. Bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als bloßem Zusammenleben zweier Personen besteht keine Meldepflicht.
Neben den Eltern und dem leiblichen Kind des Organmitglieds zählt auch ein adoptiertes Kind zur Verwandtschaft ersten Grades und ist damit meldepflichtig, wenn es vom Organmitglied selbst adoptiert wurde.[46] Stiefkinder eines Organmitglieds sind von der Meldepflicht nicht betroffen, denn sie gehören nicht zu dessen Verwandtschaft ersten Grades. Insgesamt zeigt sich, dass die Beschränkung der Meldepflicht auf die Verwandtschaft ersten Grades zu eng gefasst ist, weil auch Geschwister oder verschwägerte Personen ein gleiches Näheverhältnis zum Organmitglied aufweisen können wie die vom Gesetz erfassten Personen.
2.3.3 Meldepflichtige Geschäfte
Meldepflichtig sind nur Geschäfte mit Wertpapieren, die an einer inländischen Börse notiert sind. Eingeschlossen sind aber nur der Amtliche und Geregelte Markt und nicht der Freiverkehr. Diese Abgrenzung ist kritisch zu sehen, denn die Absicht des Gesetzes ist die Vermeidung von Insiderhandel, der auch im Freiverkehr verboten ist. Andererseits wird befürchtet, dass sich viele Unternehmen aus dem Freiverkehr zurückziehen, wenn man die Vorschriften des §15a WpHG auch auf dieses Segment ausweiten würde.[47] Mitteilungspflichtig sind die Geschäfte unabhängig davon, ob sie im In- oder Ausland, an einer Börse oder außerbörslich abgeschlossen werden.[48]
Die Meldepflicht wird ausgelöst, wenn ein zielgerichteter Erwerb bzw. eine zielgerichtete Veräußerung vorliegt, d.h. dass die Übertragung der Wertpapiere nicht nur vorübergehend erfolgt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Meldepflicht ist bereits die Vornahme des schuldrechtlichen Geschäfts und nicht erst der dingliche Übergang der Wertpapiere, was dem Ziel der Verhinderung von Insidergeschäften näher kommt und EU-Richtlinienkonformität darstellt.[49] Zudem wird durch das schuldrechtliche Geschäft die eigentliche Indikatorwirkung entfaltet. Es besteht keine Verpflichtung zur Doppelmitteilung, d.h. das dingliche Geschäft muss nicht gemeldet werden. Für den Fall der Rückabwicklung einer Transaktion gilt die Meldepflicht nur dann, wenn die Leistungsstörung vorsätzlich herbeigeführt worden ist.
§15a I 1 WpHG beschränkt die meldepflichtigen Wertpapiere auf Aktien und aktienbezogene Wertpapiere des Emittenten, denn nur sie stellen in Verbindung mit einer Transaktion des Insiders einen aussagekräftigen Indikator für die Einschätzung der Gesellschaft durch das Management dar. Als wichtiges Kriterium für die Meldepflicht gilt die unmittelbare Abhängigkeit des Wertpapiers vom Börsenpreis der Aktien des Emittenten. Hierzu zählen der Kauf bzw. Verkauf der Aktien des Emittenten, aktienvertretende Zertifikate, aktienähnliche Genussscheine und -rechte sowie Wandelanleihen und Wandelgenussrechte.[50] Die beiden letztgenannten Instrumente gewähren dem Besitzer ein Umtauschrecht auf Aktien des Emittenten und müssen gemeldet werden, unabhängig davon, ob sie vom Emittenten oder von Dritten ausgegeben werden.[51] Auch Pensionsgeschäfte und Wertpapierleihen sind meldepflichtig, da die Überlassung der Wertpapiere nicht nur vorübergehend ist. Im Gegensatz dazu werden Verpfändungen von der Meldepflicht ausgenommen, da hier eine vorübergehende Überlassung unterstellt wird, die keine Gewinnerzielung beabsichtigt und nicht als Indikatorwirkung dient. Die Befriedigung des Pfandgläubigers durch Pfandverkauf löst eine Meldepflicht des Verpfänders aus, da der Erwerber durch die rechtmäßige Veräußerung des Pfandes die gleichen Rechte erlangt, als ob er die Wertpapiere von dem Meldepflichtigen erworben hätte.[52]
Sonstige Rechte zum Erwerb oder zur Veräußerung von Aktien des Emittenten wie Optionsanleihen, Optionsscheine sowie Call- und Put-Optionen sind meldepflichtig. Rechte, die nicht unter §15 I 1 Nr. 1 WpHG fallen, werden ebenfalls vom Gesetz erfasst. Betroffen sind hiervon u.a. Optionen, die auf Barausgleich gerichtet sind und Aktienanleihen.
Wertpapiere, die das Kriterium der direkten Abhängigkeit vom Preis der Aktien nicht erfüllen, sind Investmentanteile, Indexprodukte, Optionen auf Baskets[53], reine Schuldverschreibungen und obligationsähnliche Genussrechte. Hier ist keine Meldung erforderlich, da der Aktienkurs nur ein mittelbarer Faktor für den Kurs des Wertpapiers ist.
Schenkungen unterfallen der Mitteilungsvorschrift. Auch wenn von Schenkungen allein keine Indikatorwirkung ausgeht, macht die Erfassung unter dem Aspekt der Vorbeugefunktion gegen Insiderhandel Sinn, da Umgehungen der Meldepflicht dadurch erschwert werden.[54]
2.3.4 Ausnahmen von den Meldepflichten
Nicht alle Transaktionen von Organmitgliedern oder Angehörigen begründen eine Mitteilungspflicht. Der Hauptgrund für diese Ausnahmen ist in der fehlenden Indikatorwirkung und der geringen Gefahr des Ausnutzens von Insiderwissen zu sehen.[55]
Eine Meldepflicht besteht z.B. dann nicht, wenn der Erwerb auf arbeitsrechtlicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil erfolgt. Während die Einräumung von Aktienoptionen von der Meldepflicht ausgenommen ist, besteht allerdings für die spätere Ausübung der Umtauschrechte und den Verkauf der Aktien eine Mitteilungspflicht.[56] Fraglich ist jedoch, ob die Meldepflicht bei der Ausübung einer Option Sinn macht, denn von ihr geht keine bedeutende Indikatorwirkung für den Markt aus. Die klassische Aktienoption als Vergütungsbestandteil von Führungskräften gibt meist ein begrenztes Zeitfenster für die Ausübung vor, so dass das Organmitglied wenig Spielraum bei der Ausübung hat und die Gefahr des Ausnutzens von Insiderwissen gering ist. Außerdem ist die Ausübung direkt vor bewertungsrelevanten Ereignissen, wie z.B. Hauptversammlungen, untersagt. Nur bei freier Entscheidung des Organmitglieds bzgl. der Ausübung wäre die Mitteilungspflicht gerechtfertigt. Die Meldepflicht des späteren Aktienverkaufs ist aber angebracht, da der Zeitpunkt i.d.R. frei gewählt werden kann.
Anstelle von Aktienoptionsprogrammen werden den Vorständen auch „phantom stock plans“ und „stock appreciation rights“ eingeräumt, welche schuldrechtliche Optionen auf Wertpapiere des Emittenten bzw. Optionen auf Geldzahlungen begründen.[57] Auch hier gilt wie bei Aktienoptionen, dass der Erwerb dieser virtuellen Optionen oder virtuellen Aktien von der Meldepflicht ausgenommen ist, jedoch die Ausübung und ein späterer Verkauf mitteilungspflichtig sind. Der Erwerb von Belegschaftsaktien ist nicht mitteilungspflichtig, da er nicht mit dem Ausnutzen von Insiderwissen assoziiert wird.
Nach §15a I 4 WpHG entfällt die Mitteilungspflicht, wenn der Wert aller Geschäfte eines Meldepflichtigen innerhalb von 30 Kalendertagen 25.000 Euro nicht übersteigt. Die Ausnahme dieser Meldepflicht wird damit begründet, dass die Veröffentlichung jeder Kleinstorder keinen Aussagewert für die Marktteilnehmer hat.[58] Die Frist von 30 Kalendertagen beginnt mit jeder Transaktion von neuem.
Der Betrag von 25.000 Euro beinhaltet keine Gebühren, Steuern und Courtagen, sondern nur den jeweils erzielten oder bezahlten Kurs. Käufe und Verkäufe dürfen nicht saldiert werden und bei Übersteigen der Mindestgrenze sind alle Geschäfte im betreffenden Zeitraum nachzumelden.[59] Der Kritikpunkt der Bagatellegrenze ist die separate Betrachtung jedes einzelnen Meldepflichtigen. Da eine Zusammenfassung der Geschäfte von Organmitgliedern und Angehörigen nicht vorgeschrieben ist, kann die Mitteilungspflicht durch eine Verteilung der Aktiengeschäfte auf mehrere Angehörige umgangen werden.
[...]
[1] Vgl. DER SPIEGEL (2001), S. 92.
[2] EM.TV hatte eine Wertentwicklung von etwa 30.000% seit der Börseneinführung 1997 vorzuweisen.
[3] Während der DAX mehr als 50% seines Wertes verlor, brach der Neue Markt um 90% ein.
[4] Vgl. von Rosen (2002), S. 9.
[5] Vgl. BaFin (2002a) zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten.
[6] Vgl. Leemakdej (1988), S. 5.
[7] Vgl. Stotz (2003), S. 2.
[8] Vgl. Seeger (1998), S. 8.
[9] Vgl. Siebold (1994), S.125 f.
[10] Vgl. §13 I WpHG.
[11] Vgl. Gabisch (1999), S. 23.
[12] Vgl. Behr (2000), S. 25.
[13] Vgl. Gabisch (1999), S. 29.
[14] Vgl. Gabisch (1999), S. 13.
[15] Vgl. Schweizer (1996), S. 38 f.
[16] Vgl. Manne (1966), S.131 ff.
[17] Vgl. Jacob (1992), S. 47 f.
[18] Vgl. Behr (2000), S. 14 f. und Jacob (1992), S. 47 ff. bzgl. einer kritischen Beurteilung dieser Theorie.
[19] Vgl. Weber (1994), S. 9.
[20] Vgl. Seeger (1998), S. 13.
[21] Vgl. Gabisch (1999), S. 19.
[22] Vgl. Seeger (1998), S. 15.
[23] Vgl. Behr (2000), S. 17.
[24] Vgl. Assmann/Schneider (2003), S. 212.
[25] Vgl. Siebold (1994), S. 46 f.
[26] Vgl. Siebold (1994), S. 47 f.
[27] Vgl. Nöth (1998), S. 161.
[28] Begründete Vermutungen über Insidergeschäfte gab es bei der Fusion Rheinstahl AG mit der August- Thyssen-Hütte AG. Vgl. Dingeldey (1983), S. 35.
[29] Vgl. Dingeldey (1983), S. 35.
[30] Vgl. Dickersbach (1995), S. 57.
[31] Vgl. Dingeldey (1983), S. 35.
[32] Vgl. Siebold (1994), S. 48 f.
[33] Vgl. Dickersbach (1995), S. 69 ff. zum Inhalt der Richtlinie.
[34] Aus der BaWe ging im Jahr 2002 die BaFin hervor.
[35] Vgl. Assmann/Schneider (2003), S. 217.
[36] Vgl. Assmann/Schneider (2003), S. 501 ff.
[37] Vgl. Franz (2003), S. 4.
[38] Vgl. Bundestag-Drucksache 14/8601 (2002c), S.1.
[39] Vgl. von Rosen (2002), S. 9.
[40] Vgl. von Rosen (2002), S. 16 f.
[41] Vgl. Assmann/Schneider (2003), S. 505 f. zu einer Diskussion bzgl. der Vorbeugefunktion.
[42] Vgl. BaFin (2002b) zu den mitteilungspflichtigen Personen.
[43] Vgl. von Rosen (2002), S. 20.
[44] Dagegen müssen in den USA Aktionäre mit einem Stimmrechtsanteil von 10% ihre Geschäfte melden.
[45] Vgl. von Rosen (2002), S. 24.
[46] Vgl. Assmann/Schneider (2003), S. 522 zu Einzelheiten bzgl. der Meldepflicht von adoptierten Kindern.
[47] Vgl. Assmann/Schneider (2003), S. 513 f. zu einer Stellungsnahme bzgl. der Nichtmeldepflicht im Freiverkehr.
[48] Vgl. BaFin (2002b) zu den mitteilungspflichtigen Geschäften.
[49] Vgl. Assmann/Schneider (2003), S. 524 f. zu einer Diskussion bzgl. des maßgeblichen Zeitpunktes.
[50] Vgl. BaFin (2002b) zu den mitteilungspflichtigen Geschäften.
[51] Vgl. von Rosen (2003), S. 27.
[52] Vgl. von Rosen (2003), S. 30 f.
[53] Fixe Zusammenstellung von z.B. Aktien einer Branche. Häufig weniger Werte als in einem Fonds.
[54] Vgl. Assmann/Schneider (2003), S.526 f. zur Begründung der Meldepflicht von Schenkungen.
[55] Vgl. Bundestag-Drucksache 14/8601 (2002c), S. 19.
[56] Vgl. BaFin (2002b) zu den Ausnahmen von der Meldepflicht.
[57] Vgl. Hise (2000), S. 2 f. zur Definition und Erklärung beider Instrumente.
[58] Vgl. von Rosen (2003), S. 49.
[59] Vgl. BaFin (2002b) zu den Ausnahmen von der Meldepflicht.
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