Die Berliner Zeitung schrieb am 12. 12. 1996: „Gregor Gysi tut es: ,Weil das mit Heitmann hat schon seinen Grund.’ Björn Engholm hat es auch getan: ,Weil ein totaler Ausstieg aus der Politik wäre sehr schmerzvoll.’ […]“ Was wird den beiden Politikern hier unterstellt? Der Tageszeitung fällt auf, dass sie eine grammatische Konstruktion benutzen, die offenbar in dieser Form nicht üblich ist: die Verbzweitstellung nach weil. Das Thema dieser Arbeit sind genau solche grammatischen Konstruktionen, denen ein nebensatzeinleitendes Element vorausgeht und anschließend das finite Verb an zweiter Stelle steht. Dass solche Verbzweitnebensätze im mündlichen Sprachgebrauch gehäuft auftreten, beweisen bereits die obigen Zitate und auch im Verlauf der vorliegenden Arbeit wird sich zeigen, dass dieses Phänomen keine Ausnahme ist. Oft wird diese sprachliche Konstruktion erst einmal als Regelbruch oder Normwidrigkeit deklariert. Das ist nachvollziehbar, da man bereits im Deutschunterricht in der Schule lernt, dass das Verb in Hauptsätzen an zweiter Stelle steht und es in Nebensätzen an die letzte Position rückt. Wenn sogar hochrangige Politiker Verbzweitkonstruktionen benutzen, scheint diese Ausdrucksmöglichkeit unter Sprechern der deutschen Sprache weit verbreitet zu sein. Deshalb stellt sich die Frage: Ist dann noch immer von einer Normwidrigkeit zu sprechen?
Zahlreiche Beiträge zu den Verbzweitstellungsnebensätzen untersuchen die Funktionalität und/oder die Gründe für die offenbar zunehmende Verwendung. Keine Arbeit jedoch beschäftigte sich bisher hinsichtlich der sprachlichen Norm mit den Verbzweitstellungskonstruktionen. Demnach ist es das Ziel dieser Arbeit festzustellen, ob es sich bei dem Nebensatz mit Verbzweitstellung um einen Normverstoß handelt oder ob diese grammatische Erscheinung als Norm in der gesprochenen Sprache gelten kann. Die Verbzweitstellung findet sich häufig nach weil, obwohl und wobei, daher beschränkt sich die Untersuchung auf die Verbzweitstellungssätze, die mit diesen Einleitewörtern auftreten. Außerdem soll die Untersuchung zeigen, ob die Verbzweitstellungssätze lediglich eine alternative Form zu den Verbendstellungssätzen bilden und somit funktional äquivalent sein müssten.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zielstellung und Aufbau der Arbeit
- 2 Theoretische Grundlagen
- 2.1 Ausgangspunkte der Untersuchung
- 2.1.1 Sprachnorm - Definitionsversuch
- 2.1.2 Definition von Nebensätzen
- 2.1.3 Norm der Verbstellung in Nebensätzen
- 2.1.4 Weil als kausaler Subjunktor
- 2.1.5 Obwohl als konzessiver Subjunktor
- 2.1.6 Wobei als Präpositionaladverb
- 2.2 Theoretische Erklärungsmodelle
- 2.2.1 Normenmodell nach Ammon
- 2.2.2 Erweitertes Normenmodell nach Hundt
- 2.3 Forschungstendenzen
- 2.3.1 Verfall der Verbletztstellung
- 2.3.2 Bestehen der Verbletzt- und der Verbzweitstellung
- 2.3.3 Bestehen der Verbzweitstellung als historische Kontinuität
- 2.4 Theoretische Problembereiche
- 2.5 Synthese
- 3 Praktische Untersuchung zur Verbstellung in Nebensätzen
- 3.1 Annahmen und Prämissen
- 3.2 Untersuchungskonzept und Auswahl des Untersuchungsgegenstandes
- 3.3 Umfang der Datenbasis
- 3.4 Analyse
- 3.4.1 Kommunikativer Vorteil von Verbzweitsätzen
- 3.4.2 Regularität der Verbzweitsätze
- 3.4.3 Akzeptabilität der Verbzweitsätze/Verbreitung durch den Sprachsouverän
- 3.4.4 Auftauchen der Verbzweitsätze in Modelltexten
- 3.4.5 Reaktion der Sprachnormautoritäten
- 3.4.6 Erwähnung/Aufnahme im Sprachkodex
- 3.5 Darstellung der Ergebnisse
- 4 Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit untersucht die Verbstellung in Nebensätzen der gesprochenen Sprache und analysiert, ob Abweichungen von der Standardnorm als "Normverstoß" zu betrachten sind. Die Arbeit beleuchtet die theoretischen Grundlagen der Sprachnorm und deren Anwendung auf die Verbstellung, untersucht verschiedene Erklärungsmodelle und analysiert empirische Daten zur Verbstellung in gesprochenen Nebensätzen.
- Definition und Anwendung von Sprachnormen
- Theoretische Modelle zur Beschreibung von Sprachvariation
- Empirische Analyse der Verbstellung in gesprochenen Nebensätzen
- Bewertung der Abweichungen von der Standardnorm
- Bedeutung von Sprachwandelprozessen
Zusammenfassung der Kapitel
1 Zielstellung und Aufbau der Arbeit: Diese Einleitung beschreibt den Forschungsgegenstand, die Zielsetzung der Arbeit und gibt einen Überblick über den Aufbau. Sie skizziert den methodischen Ansatz und die zu erwartenden Ergebnisse.
2 Theoretische Grundlagen: Dieses Kapitel legt die theoretischen Grundlagen der Arbeit dar. Es definiert den Begriff der Sprachnorm, beschreibt die verschiedenen Arten von Nebensätzen und analysiert die gängige Norm der Verbstellung in diesen. Es werden verschiedene theoretische Modelle vorgestellt, die zur Erklärung von Sprachvariation und Norm verwendet werden können, wie z.B. das Normenmodell nach Ammon und das erweiterte Modell nach Hundt. Schließlich werden relevante Forschungstendenzen und theoretische Problembereiche diskutiert, die für die Untersuchung relevant sind.
3 Praktische Untersuchung zur Verbstellung in Nebensätzen: Dieses Kapitel beschreibt die praktische Untersuchung zur Verbstellung in Nebensätzen. Es erläutert die Annahmen und Prämissen der Untersuchung, das gewählte Untersuchungsdesign und die Datenbasis. Die Analyse der Daten fokussiert auf den kommunikativen Vorteil von Verbzweitsätzen, die Regularität der Verbzweitsätze, die Akzeptabilität und Verbreitung durch den Sprachsouverän, das Auftauchen in Modelltexten, die Reaktion der Sprachnormautoritäten und die Aufnahme im Sprachkodex. Die Ergebnisse dieser Analyse werden anschließend dargestellt.
Schlüsselwörter
Sprachnorm, Verbstellung, Nebensatz, gesprochene Sprache, Sprachvariation, Sprachwandel, Normenmodelle (Ammon, Hundt), empirische Analyse, Akzeptabilität, Sprachkodex.
Häufig gestellte Fragen zur Masterarbeit: Verbstellung in Nebensätzen der gesprochenen Sprache
Was ist der Gegenstand dieser Masterarbeit?
Die Masterarbeit untersucht die Verbstellung in Nebensätzen der gesprochenen Sprache und analysiert, ob Abweichungen von der Standardnorm als „Normverstoß“ zu betrachten sind. Der Fokus liegt auf der theoretischen Fundierung des Themas und der empirischen Analyse von Daten aus der gesprochenen Sprache.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt die Definition und Anwendung von Sprachnormen, theoretische Modelle zur Beschreibung von Sprachvariation, eine empirische Analyse der Verbstellung in gesprochenen Nebensätzen, die Bewertung von Abweichungen von der Standardnorm und die Bedeutung von Sprachwandelprozessen. Es werden verschiedene Normenmodelle, insbesondere die Modelle von Ammon und Hundt, diskutiert.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: Kapitel 1 beschreibt die Zielstellung und den Aufbau der Arbeit. Kapitel 2 behandelt die theoretischen Grundlagen, einschließlich der Definition von Sprachnormen, Nebensätzen und der Verbstellung, sowie verschiedener Erklärungsmodelle. Kapitel 3 präsentiert die praktische Untersuchung mit der Beschreibung des Untersuchungsdesigns, der Datenbasis und der Analyse der Ergebnisse. Kapitel 4 fasst die Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick.
Welche Methoden werden in der Arbeit verwendet?
Die Arbeit verwendet eine Kombination aus theoretischer Literaturanalyse und empirischer Datenanalyse. Die empirische Analyse konzentriert sich auf die Untersuchung der Verbstellung in gesprochenen Nebensätzen und berücksichtigt Aspekte wie den kommunikativen Vorteil von Verbzweitsätzen, die Regularität, Akzeptabilität und Verbreitung dieser Konstruktionen.
Welche Ergebnisse werden in der Arbeit vorgestellt?
Die Ergebnisse der empirischen Analyse konzentrieren sich auf die Häufigkeit und Akzeptabilität von Verbzweitsätzen in gesprochenen Nebensätzen. Die Arbeit untersucht, ob und wie diese Konstruktionen in verschiedenen Kontexten verwendet werden und wie Sprachnormautoritäten darauf reagieren. Die Ergebnisse werden im Hinblick auf die Frage diskutiert, ob Abweichungen von der Standardnorm als „Normverstoß“ einzustufen sind.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Sprachnorm, Verbstellung, Nebensatz, gesprochene Sprache, Sprachvariation, Sprachwandel, Normenmodelle (Ammon, Hundt), empirische Analyse, Akzeptabilität, Sprachkodex.
Welche theoretischen Modelle werden in der Arbeit herangezogen?
Die Arbeit stützt sich auf verschiedene theoretische Modelle zur Beschreibung von Sprachvariation und Sprachnormen, insbesondere das Normenmodell nach Ammon und das erweiterte Modell nach Hundt. Diese Modelle dienen als Grundlage für die Interpretation der empirischen Ergebnisse.
Welche Art von Daten wurde in der empirischen Analyse verwendet?
Die Art der Daten, die in der empirischen Analyse verwendet wurden, wird im Kapitel 3 detailliert beschrieben. Es handelt sich um Daten aus der gesprochenen Sprache, die auf die Verbstellung in Nebensätzen untersucht wurden.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Schlussfolgerungen der Arbeit werden in Kapitel 4 zusammengefasst. Sie betreffen die Bewertung der Abweichungen von der Standardnorm in der Verbstellung von Nebensätzen in der gesprochenen Sprache und die Implikationen für das Verständnis von Sprachwandel und Sprachvariation.
- Citar trabajo
- Sophie Thümmrich (Autor), 2013, Normverstoß? Untersuchungen zur Verbstellung in Nebensätzen der gesprochenen Sprache, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303490