„… Freispruch für Polizistenkiller“, so titelte eine große Zeitung am 5.11.2011. Zugrunde liegt ein Fall, der kontroverse Diskussionen ausgelöst hat. Weite Teile der Bevölkerung zeigten sich empört, die juristische Literatur reagierte dagegen durchweg positiv. Der BGH hat am 2.11.2011 ein Mitglied der „Hells Angels“, einer Rockergang, die für gewalttätige Ausschreitungen bekannt ist, vom Vorwurf des Todschlags gem. § 212 I StGB freigesprochen , nachdem dieser einen Polizisten durch seine eigene Haustür erschossen hatte.
Bei diesem Urteil tauchen Fragen auf. Kann es richtig sein, sofort zu schießen, ohne dem Angreifer zu zeigen, wie schwer man bewaffnet ist? Wie ist es zu regeln, wenn man sich einen Angriff auf das eigene Leben nur vorstellt? Darf man sich gegen die Polizei überhaupt wehren? Kann man bei „Schurken“ als Angegriffenen das Notwehrrecht einschränken?
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Notwehr gegen Polizeieinsätze und Putativnotwehr unter Bezugnahme auf die Probleme der geschilderten Konstellation. Putativnotwehr liegt vor, wenn sich der Täter tatsächliche Umstände vorstellt, die ihn nach § 32 StGB rechtfertigen würden. Anlässlich des als drastisch empfundenen Urteils muss zunächst abgesteckt werden, welche Verteidigung die Notwehr erlaubt. Ziel dieser Arbeit ist es, klarzustellen, wann Notwehr gegen einen Polizeieinsatz möglich ist und welche Folgen ein Fall der Putativnotwehr nach sich zieht. Anschließend wird diskutiert, ob und wann das Notwehrrecht eingeschränkt werden kann - und ob der Freispruch hier wirklich die richtige Entscheidung war.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Hauptteil
- I. Die Notwehr gem. § 32 StGB- Notwehrlage
- 1. Voraussetzungen
- 2. Objektive ex-post- Beurteilung
- II. Die Notwehrhandlung- Was ist erforderlich gem. § 32 StGB?
- 1. Nur das mildeste Mittel
- 2. Schusswaffeneinsatz- mildestes Mittel?
- 3. Objektive ex ante- Betrachtung der Erforderlichkeit
- 4. Erforderlichkeit des Schusswaffeneinsatzes im „Hells Angels“- Fall
- III. Die Notwehr gegen Polizeieinsätze
- 1. Die Strafbarkeit nach § 113 StGB
- 2. Die Rechtswidrigkeit bei Vollstreckungsakten
- 3. Stellungnahme
- 4. Die Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes im „Hells Angels“- Fall
- IV. Der Irrtum über die Notwehr- Putativnotwehr
- 1. Die strenge Schuldtheorie
- 2. Die eingeschränkten Schuldtheorien
- 3. Stellungnahme
- 4. Die Vermeidbarkeit des Irrtums
- V. Einschränkungsmöglichkeiten
- 1. „geboten“ (§ 32 I StGB) als Anknüpfungspunkt für Einschränkungen?
- 2. Folgen fehlender Gebotenheit
- 3. Fallgruppen der Notwehreinschränkung
- I. Die Notwehr gem. § 32 StGB- Notwehrlage
- C. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert das Urteil des BGH vom 2.11.2011 zum Fall eines „Hells Angels“-Mitglieds, das einen Polizisten erschossen hat. Ziel ist es, die rechtlichen Aspekte der Notwehr gegen Polizeieinsätze und der Putativnotwehr zu klären. Die Arbeit untersucht die Voraussetzungen der Notwehrlage, die Erforderlichkeit der Notwehrhandlung, insbesondere den Schusswaffeneinsatz, und die Problematik des Irrtums über die Notwehrsituation.
- Notwehr gegen Polizeieinsätze
- Putativnotwehr und deren rechtliche Folgen
- Die Erforderlichkeit der Notwehrhandlung
- Einschränkungen des Notwehrrechts
- Rechtliche Bewertung des „Hells Angels“-Falls
Zusammenfassung der Kapitel
A. Einleitung: Die Einleitung stellt den Fall eines „Hells Angels“-Mitglieds vor, das einen Polizisten erschossen und daraufhin freigesprochen wurde. Dieser Fall wird als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit der Notwehr gegen Polizeieinsätze und der Putativnotwehr verwendet. Die Einleitung skizziert die kontroversen Reaktionen auf das Urteil und benennt die zentralen Fragestellungen der Arbeit.
I. Die Notwehr gem. § 32 StGB- Notwehrlage: Dieses Kapitel definiert die Voraussetzungen der Notwehrlage gemäß § 32 StGB. Es erklärt die Begriffe „gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff“ und diskutiert die Notwendigkeit eines Verhaltensunrechts neben dem Erfolgsunrecht, um die Rechtswidrigkeit des Angriffs zu begründen. Anhand eines Beispiels eines unverschuldeten Unfalls wird verdeutlicht, dass nicht jeder drohende Schaden einen rechtswidrigen Angriff darstellt.
II. Die Notwehrhandlung- Was ist erforderlich gem. § 32 StGB?: Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage nach der Erforderlichkeit der Notwehrhandlung. Es thematisiert die Notwendigkeit des mildesten Mittels und diskutiert kritisch den Schusswaffeneinsatz im Kontext der Notwehr. Die objektive ex-ante- Betrachtung der Erforderlichkeit wird erläutert und im Zusammenhang mit dem „Hells Angels“-Fall untersucht.
III. Die Notwehr gegen Polizeieinsätze: Dieses Kapitel analysiert die spezifischen Herausforderungen der Notwehr gegen Polizeieinsätze. Es befasst sich mit der Strafbarkeit nach § 113 StGB und der Frage der Rechtswidrigkeit von Vollstreckungsakten. Es wird eine eigene Stellungnahme zu der Thematik abgegeben, die die Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes im „Hells Angels“-Fall kritisch beleuchtet.
IV. Der Irrtum über die Notwehr- Putativnotwehr: Dieses Kapitel widmet sich dem Thema Putativnotwehr, also dem Irrtum über die Notwehrlage. Es vergleicht die strenge Schuldtheorie mit eingeschränkten Schuldtheorien und bewertet die Vermeidbarkeit des Irrtums. Die Problematik wird im Kontext des „Hells Angels“-Urteils diskutiert.
V. Einschränkungsmöglichkeiten: Dieses Kapitel erörtert mögliche Einschränkungen des Notwehrrechts, insbesondere die Rolle des Gebotenheitskriteriums (§ 32 I StGB). Es analysiert die Folgen fehlender Gebotenheit und präsentiert verschiedene Fallgruppen, in denen das Notwehrrecht eingeschränkt werden könnte.
Schlüsselwörter
Notwehr, § 32 StGB, Putativnotwehr, Polizeieinsatz, Rechtswidrigkeit, Erforderlichkeit, mildestes Mittel, Schusswaffeneinsatz, „Hells Angels“-Fall, Schuldtheorie, Gebotenheit, Rechtsgüterschutz, Rechtsbewährungsprinzip.
Häufig gestellte Fragen zum Gutachten: Notwehr gegen Polizeieinsätze - Der Fall der "Hells Angels"
Was ist der Gegenstand dieses Gutachtens?
Dieses Gutachten analysiert das Urteil des BGH vom 2.11.2011 über einen "Hells Angels"-Mitglied, das einen Polizisten erschoss. Es untersucht die rechtlichen Aspekte der Notwehr gegen Polizeieinsätze und der Putativnotwehr, insbesondere die Voraussetzungen der Notwehrlage, die Erforderlichkeit der Notwehrhandlung (inkl. Schusswaffeneinsatz) und die Problematik des Irrtums über die Notwehrsituation.
Welche Themen werden im Gutachten behandelt?
Das Gutachten behandelt folgende Schwerpunktthemen: Notwehr gegen Polizeieinsätze, Putativnotwehr und deren rechtliche Folgen, die Erforderlichkeit der Notwehrhandlung, Einschränkungen des Notwehrrechts und die rechtliche Bewertung des "Hells Angels"-Falls. Es beleuchtet dabei die Notwehrlage gemäß § 32 StGB, die objektive ex-ante und ex-post Betrachtung der Erforderlichkeit, verschiedene Schuldtheorien zur Putativnotwehr und die Bedeutung des Gebotenheitskriteriums (§ 32 I StGB).
Wie ist das Gutachten strukturiert?
Das Gutachten ist in fünf Hauptteile gegliedert: Einleitung, Notwehrlage (§ 32 StGB), Erforderlichkeit der Notwehrhandlung, Notwehr gegen Polizeieinsätze und Irrtum über die Notwehr (Putativnotwehr), sowie Einschränkungsmöglichkeiten der Notwehr. Jeder Teil beinhaltet eine detaillierte Analyse der relevanten Rechtsfragen und wird durch eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte abgeschlossen.
Welche Schlüsselbegriffe werden im Gutachten verwendet?
Die wichtigsten Schlüsselbegriffe sind: Notwehr, § 32 StGB, Putativnotwehr, Polizeieinsatz, Rechtswidrigkeit, Erforderlichkeit, mildestes Mittel, Schusswaffeneinsatz, "Hells Angels"-Fall, Schuldtheorie, Gebotenheit, Rechtsgüterschutz, Rechtsbewährungsprinzip.
Wie wird der "Hells Angels"-Fall im Gutachten behandelt?
Der "Hells Angels"-Fall dient als Ausgangspunkt und Fallbeispiel für die Analyse der rechtlichen Problematiken rund um Notwehr gegen Polizeieinsätze und Putativnotwehr. Der Fall wird verwendet, um die theoretischen Überlegungen zu konkretisieren und zu veranschaulichen.
Welche Rechtsfragen werden im Zusammenhang mit der Notwehr gegen Polizeieinsätze diskutiert?
Die Rechtsfragen beinhalten die Strafbarkeit nach § 113 StGB, die Frage der Rechtswidrigkeit von Vollstreckungsakten und die Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes im konkreten Fall. Das Gutachten liefert eine kritische Stellungnahme zu diesen Fragen.
Welche Schuldtheorien zur Putativnotwehr werden verglichen?
Das Gutachten vergleicht die strenge Schuldtheorie mit eingeschränkten Schuldtheorien im Kontext des Irrtums über die Notwehrlage. Es wird die Vermeidbarkeit des Irrtums diskutiert und die Problematik im Kontext des "Hells Angels"-Urteils beleuchtet.
Welche Einschränkungen des Notwehrrechts werden untersucht?
Das Gutachten untersucht die Rolle des Gebotenheitskriteriums (§ 32 I StGB) als Anknüpfungspunkt für Einschränkungen des Notwehrrechts. Es analysiert die Folgen fehlender Gebotenheit und präsentiert verschiedene Fallgruppen, in denen das Notwehrrecht eingeschränkt werden könnte.
- Quote paper
- Kerstin Ziegler (Author), 2012, Welche Verteidigung erlaubt die Notwehr? Die Rechtslage bei Putativnotwehr gegen Polizeieinsätze, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303392