„Is it only art or is it really me?”
Ein Satz aus dem Munde der experimentierfreudigen Musikerin Laurie Anderson – ein Satz, bei dem dem Leser viele verschiedene Gedanken im Kopf herumschwirren. Ein Gedanke wäre vielleicht, ob uns das Theater dazu bringt, Dinge zu tun, die wir ohne die Erfahrung des Schauspielens oder ohne die Erfahrung anderer Künste nicht tun würden, ob das Theater uns entwickelt. Ein anderer Gedanke: Blühen wir erst während des Theaterspielens vollkommen auf? Zeigen wir erst dort unser wirkliches Ich?
Theatertherapie? Das ist eine noch heranwachsende Art der Therapie, welche in Großbritannien, den USA und den Niederlanden bereits seit einigen Jahren ein geschätztes Verfahren ist und dort sogar in das staatliche Gesundheitswesen aufgenommen wurde. Die Theatertherapie in Deutschland ist allerdings längst nicht so weit entwickelt und anerkannt wie in den genannten Ländern.
Warum sollte man das Theater zu einer Therapie weiterentwickeln? Und in welcher Hinsicht kann Theater dann eine therapeutische Funktion auf den Menschen haben?
Für die Klärung dieser beiden Fragen müssen zu Beginn folgende Fragen geklärt werden: Wie konnte sich eine Therapie aus dem Theater entwickeln? Gab es schon immer Anzeichen, die diese Verbindung von Therapie und Theater vorhersagten?
Zunächst möchte ich den Unterschied von Drama- und Theatertherapie verdeutlichen, da diese beiden Therapieformen oft gemeinsam verwendet werden, sich aber in einem wesentlichen Punkt unterscheiden.
Den nächsten zu klärenden Aspekt stellen die Ansätze der heilenden Wirkung des Theaters und die Entwicklung der Theatertherapie dar. Dies werde ich in zwei Unterpunkte unterteilen: Ansätze in der frühen Geschichte und die Entwicklung in Westdeutschland.
Darauf folgt die Klärung der Hauptfragen. Das Wissen hierzu ergab sich mir durch das Lesen verschiedener Projekte im Bereich der Theatertherapie . Des Weiteren stelle ich hier dar, welche Vorteile die Theatertherapie gegenüber einer herkömmlichen Therapie mit einem Psychiater hat.
Exemplarisch werde ich auf die Theatertherapie im Maßregelvollzug zurückgreifen, in dem die Therapie unter ganz anderen Gegebenheiten stattfindet als in der „freien Welt“. Ich habe mich auf die Theatertherapie im Maßregelvollzug bezogen, da dieses Beispiel die besonderen Fähigkeiten der Theatertherapie gegenüber einer herkömmlichen Therapie zeigt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition von Drama- und Theatertherapie
3. Theatertherapie
3.1 Geschichte der Theatertherapie
3.1.1 Wurzeln in der Geschichte
3.1.2 Entwicklung zur Therapie in Westdeutschland
3.2 Theater als Therapie
3.2.1 Therapeutische Funktionen und Wirkungsweise der Theatertherapie
3.2.2 Ein Beispiel: Theatertherapie im Maßregelvollzug
4. Schlusswort
5. Literaturverzeichnis
Literaturquellen
Internetquellen
1. Einleitung
„Is it only art or is it really me?”[1]
Ein Satz aus dem Munde der experimentierfreudigen Musikerin Laurie Anderson – ein Satz, bei dem dem Leser viele verschiedene Gedanken im Kopf herumschwirren. Ein Gedanke wäre vielleicht, ob uns das Theater dazu bringt, Dinge zu tun, die wir ohne die Erfahrung des Schauspielens oder ohne die Erfahrung anderer Künste nicht tun würden, ob das Theater uns entwickelt. Ein anderer Gedanke: Blühen wir erst während des Theaterspielens vollkommen auf? Zeigen wir erst dort unser wirkliches Ich?
Eins steht jedenfalls fest: Kunst, das Theater, verändert uns Menschen. Es beeinflusst uns, es entwickelt uns.
Theater hat viele Facetten – Einige denken in Bezug auf Theater vielleicht an ein langweiliges, uninteressantes Rollenspiel mit wenig Handlung und mit schlechter Schauspielbesetzung. Andere denken an Shakespeare oder an Spannung und ganz verschiedene Theaterformen, wie zum Beispiel das Puppentheater oder das Tanztheater. Nur den Wenigsten kommt beim Gedanken an das Theater die Theatertherapie in den Sinn.
Theatertherapie? Diese ist eine noch heranwachsende Art der Therapie, welche in Großbritannien, den USA und den Niederlanden bereits seit einigen Jahren ein geschätztes Verfahren ist und dort sogar in das staatliche Gesundheitswesen aufgenommen wurde. Die Theatertherapie in Deutschland ist allerdings längst nicht so weit entwickelt und anerkannt wie in den genannten Ländern. Im Zusammenhang mit dem Begriff ‚Theatertherapie‘ stößt man sehr oft auf die Namen von Sue Jennings und Robert Landy[2]. Die Engländerin und der Amerikaner sind bekannte Drama- und Theatertherapeuten und geben in ihrem Fach regelmäßig Seminare zu Fortbildungszwecken.
Aber Theater allein kann doch auch schon die Persönlichkeit entwickeln – warum sollte man das Theater zu einer Therapie weiterentwickeln? Und in welcher Hinsicht kann Theater dann eine therapeutische Funktion auf den Menschen haben?
Für die Klärung dieser beiden Fragen müssen zu Beginn folgende Fragen geklärt werden: Wie konnte sich eine Therapie aus dem Theater entwickeln? Gab es schon immer Anzeichen, die diese Verbindung von Therapie und Theater vorhersagten?
Zunächst möchte ich den Unterschied von Drama- und Theatertherapie verdeutlichen, da diese beiden Therapieformen oft gemeinsam verwendet werden, sich aber in einem wesentlichen Punkt unterscheiden.
Den nächsten zu klärenden Aspekt stellen die Ansätze der heilenden Wirkung des Theaters und die Entwicklung der Theatertherapie dar. Dies werde ich in zwei Unterpunkte unterteilen: Ansätze in der frühen Geschichte und die Entwicklung in Westdeutschland.
Darauf folgt die Klärung der Hauptfragen. Das Wissen hierzu ergab sich mir durch das Lesen verschiedener Projekte im Bereich der Theatertherapie . Des Weiteren stelle ich hier dar, welche Vorteile die Theatertherapie gegenüber einer herkömmlichen Therapie mit einem Psychiater hat.
Exemplarisch werde ich auf die Theatertherapie im Maßregelvollzug zurückgreifen, in dem die Therapie unter ganz anderen Gegebenheiten stattfindet als in der „freien Welt“. Ich habe mich auf die Theatertherapie im Maßregelvollzug bezogen, da dieses Beispiel die besonderen Fähigkeiten der Theatertherapie gegenüber einer herkömmlichen Therapie zeigt.
2. Definition von Drama- und Theatertherapie
Im Zusammenhang mit der Theatertherapie wird oft auch von Dramatherapie gesprochen. In Großbritannien und in den USA wird der Begriff „ Dramatherapy“ verwendet, welcher eigentlich irreführend ist, da sich der Ablauf Therapie nicht immer auf die Behandlung von dramatischer Literatur stützt[3].
Drama- und Theatertherapie haben einige gemeinsame Punkte, müssen aber auch unterschieden werden.
Beide Therapiearten sind noch relativ unbewanderte Formen der Kunsttherapie.
„Die Drama- und Theatertherapie ist eine handlungsorientierte, künstlerische Therapieform, die eine fruchtbare Verbindung zwischen der ursprünglichen Heilfunktion des Theaters und den Verfahren moderner Psycho- und Sozialtherapien[4] herstellt“, heißt es auf der Homepage der „Deutschen Gesellschaft für Theatertherapie“ über die Gemeinsamkeiten von Drama- und Theatertherapie[5].
Ein gravierender Unterschied der beiden Therapiearten ist jedoch, dass die Dramatherapie eher die prozessorientierte Arbeit anstrebt, und bei der Theatertherapie wird produktorientiert[6] auf die Vorführung eines Theaterstücks hingearbeitet, was als ein Teil der Therapie gezählt wird.
Diese Differenz wird auch deutlich, wenn etwas auf die Details geachtet wird:
Das Wort „Theater“ stammt von dem altgriechischen Wort „theatron“ ab und bedeutet übersetzt „schauen/betrachten“. Drama hingegen, ebenfalls aus dem Griechischen stammend, bedeutet „handeln“[7].
Bei der Dramatherapie geht es also einzig um das Spielen und die Darstellung der Handlung, was letztendlich nicht – wie bei der Theatertherapie – in Form einer Aufführung enden muss[8]. Die Dramatherapie kann im Vergleich zur Theatertherapie für einige PatientInnen daher auch eine entspanntere Variante der Therapie sein, da der Druck zur Erarbeitung einer Aufführung nicht besteht.
3. Theatertherapie
3.1 Geschichte der Theatertherapie
3.1.1 Wurzeln in der Geschichte
Um zu klären, weshalb und wie eine Verbindung von Theater und Therapie möglich wurde, folgen ein paar historische Aspekte über die Wirkung des Theaters auf den Menschen[9].
Inhaltliches und zeitliches Zusammenkommen, also die Gemeinschaft, war bereits früher Grundlage des Theaters: Bei Höhlenforschungen in Frankreich wurde nachgewiesen, dass dort eine Art Gruppentanz stattfand, welcher als theatraler Vorgang eingeordnet wird.
Auch damals waren die heilenden, entwickelnden Wirkungen des Theaters weit bekannt. Damit Theater noch fördernder wirkte, orientierten sich die Menschen in späterer Zeit vor allem am griechischen Theater, um die Verbesserung der gesellschaftlichen oder persönlichen Kenntnisse, wie der der Kontaktfähigkeit und der Persönlichkeit selber, herbeizuführen.
Die frühgriechische Tragödie beinhaltete „die einmalige Wiederaufnahme eines tragischen Prozesses in höherer Instanz“[10]. Das heißt, dass die Darstellung eines Stücks nie auf die gleiche Weise wiederholt wurde. Dies galt als eine gesellschafts-therapeutische Veranstaltung für die SchauspielerInnen, denn sie mussten sich so für jeden Auftritt neue Gedanken über die dargestellten Situationen machen. Sie mussten verschiedene Emotionen darstellen, differenziert handeln und sich so immer Gedanken darüber machen, welche Folgen diese Handlungen haben und wie die Situation in diesem Augenblick wirkt.
Mitte des 17. Jahrhunderts wurden im venezianischen Volkstheater Alltagssituationen in der Öffentlichkeit, wie Straßen oder Marktplätzen, dargestellt. Hieraus entwickelte sich in Frankreich das dem heutigen Boulevardtheater ähnelnden ‚Vaudeville‘, bei dem normale Bürger satirisch dargestellt werden. Aus ‚Vaudeville‘ entwickelte Bertolt Brecht das ‚Epische Theater‘, welches Gesellschaftskonflikte darstellte. Genau wie die Theatertherapie wird auch im Epischen Theater auf die gesellschaftlichen Bindungen geachtet.
Die uns heute bekannte Umsetzung des heilenden Theaters begann zeitgleich mit dem „Theateroktober“[11] in den 1920er Jahren, in denen eine Revolution und Renaissance des Theaters stattfand.
[...]
[1] Anderson, zitiert nach Neumann, 2008, S. 227
[2] vgl. Institut für Theatertherapie, Was ist Theatertherapie, http://www.theatertherapie.org/201,,Was_ist_Theatertherapie [Stand: 15.03.2012]
[3] vgl. Willems, 2008, S. 541
[4] „Unter Psychotherapie versteht man die Behandlung seelischer Probleme mit Hilfe anerkannter psychotherapeutischer Verfahren. Es gibt unterschiedliche Therapieformen. […] In der Verhaltenstherapie werden ergänzende Verfahren wie etwa Rollenspiele, Verhaltensübungen [und] Vorstellungsübungen […] eingesetzt. “
Lebensberatung, Psychotests und Ratgeber erfahrener Psychotherapeuten, http://www.palverlag.de/Psychotherapie.html [Stand: 04.03.2012]
[5] Deutsche Gesellschaft für Theatertherapie, http://www.dgft.de/index [Stand: 05.03.2012]
[6] vgl. Lutz, 2008, S. 53.
[7] vgl. Amacker, 2004, S. 11, http://www.dramatherapie.ch/pdf/loesungen-0904ma.pdf [Stand: 15.03.2012]
[8] vgl. ebd. S 11.
[9] In dem folgenden Abschnitt beziehe ich mich auf: Schlage, 2008
[10] ebd. S. 21
[11] „Im THEATEROKTOBER Anfang des 20. Jahrhunderts stand das Gemeinschaftsereignis als Basis für ein autonomes, persönliches und politisches Selbstbewusstsein im Mittelpunkt des Interesses von Theatermachern.“, Ebd. S. 21
- Quote paper
- Julia Exner (Author), 2012, Theatertherapie im Maßregelvollzug. Therapeutische Funktionen und Wirkungsweise des Theaters, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303150
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