Im ersten Teil ist die Diskussion über das Rechtsgut der Vermögensdelikte im chinesischen Strafrecht darzulegen. Zuerst sind das System der Vermögensdelikte und die einschlägigen Paragrafen in Bezug auf den Vermögensbegriff im chStGB übersichtlich zu erörtern. Dann sind die Standpunkte der Rechtsprechung bzw. der Literatur zu besprechen, insbesondere ist der im Mittelpunkt stehende Meinungsstreit über die Lehre von Eigentumsrecht, die Lehre von Gewahrsam bzw. die Vermittlungslehren auseinanderzusetzen. Als Zwischenergebnis soll der gegenwärtige Meinungsstand zum Vermögensbegriff im chinesischen Strafrecht erfasst werden.
Im zweiten Teil ist der Vermögensbegriff im deutschen Strafrecht darzustellen, nämlich Juristischer Vermögensbegriff, wirtschaftlicher Vermögensbegriff bzw. Juristisch-ökonomische Vermittlungslehre. Als Zwischenergebnis ist die Juristisch-ökonomische Vermittlungslehre zu vertreten. Mit einer problematischen Fallgruppe vom Betrug gegenüber dem Dieb als Beispiel lassen sich im letzten Teil die unterschiedlichen Ergebnisse im chinesischen und deutschen Strafrecht darstellen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
A. Einleitung
I. Grundlage der rechtsvergleichenden Forschung
II. Ziel der Forschung
III. Gang der Forschung
B. Vermögen als Rechtsgut der Vermögensdelikte im chinesischen Strafrecht
I. System der Vermögensdelikte und Vermögensbegriff im chStGB
II. Vermögensbegriff in der chinesischen Rechtsprechung
1. Vermögensbegriff in den judikatorischen Rechtsauslegungen
2. Vermögensbegriff in den gerichtlichen Urteilen
a) Wirtschaftlichkeit des Vermögens
b) Rechtmäßigkeit des Vermögens
III. Vermögensbegriff in der chinesischen Literatur
1. Lehre von Eigentumsrecht
2. Lehre von Gewahrsam
3. Vermittlungslehren
a. Vermittlungslehre aufgrund der Lehre von Eigentumsrecht
b. Vermittlungslehre aufgrund der Lehre von Gewahrsam
4. Zwischenergebnis
IV. Zwischenergebnis
C. Vermögensbegriff im deutschen Strafrecht
I. Allgemeines
II. Juristischer Vermögensbegriff
III. Wirtschaftlicher Vermögensbegriff
IV. Juristisch-ökonomische Vermittlungslehre
D. Rechtsvergleichende Betrachtung und Ergebnis
I. Problematische Fallgruppe
II. Ergebnis im chinesischen Strafrecht
III. Ergebnis im deutschen Strafrecht
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung
I. Grundlage der rechtsvergleichenden Forschung
Die Vermögensdelikte sind die ältesten Straftaten in allen Staaten und Regionen auf der Welt, dementsprechend sind die Paragrafen über die Vermögensdelikte wesentlicher Bestandteil des StGB in jedem Staat, natürlich auch in China und Deutschland. Daneben sind die typischen Straftaten wie Diebstahl, Raub, Unterschlagung, Sachbeschädigung, Betrug, Erpressung usw. unentbehrliche Komponenten der Vermögensdelikte, worüber man den ähnlichen Eindruck hat. Aufgrund dessen ist eine rechtsvergleichende Betrachtung möglich. Daneben sind jedoch sowohl die gesetzlichen Vorschriften als auch der rechtswissenschaftliche Stand insbesondere in Hinsicht auf das Rechtsgut der Vermögensdelikte in China und Deutschland ganz unterschiedlich, daher ist die rechtsvergleichende Forschung notwendig.
II. Ziel der Forschung
In Anbetracht dessen, dass die Gesetzgebung und die Rechtswissenschaft in China hauptsächlich auf die ausländische rechtliche Praxis und Theorie basieren, hat sich folgende Situation ergeben: Die erlassenen Gesetze sind vom Recht in der ehemaligen Sowjetunion tief beeinflusst, während die rechtlichen Gelehrten zurzeit die Rechtsdogmatik in den bedeutendesten Staaten des Kontinental-europäischen Systems wie Deutschland und Japan erlernen, um ein Strafrechtssystem nach kontinentalem Muster fortzubilden.
In Hinblick auf das Rechtsgut der Vermögensdelikte sind die meisten chinesischen strafrechtlichen Gelehrten hiermit der gleicher Meinung, dass diese Problematik von den japanischen Gelehrten in Form von der Lehre von „den eigentlichen Rechten“, die Lehre von „Gewahrsam“ bzw. den Vermittlungslehren erörtert sei, während es diesbezüglich in der deutschen Strafrechtsdogmatik „juristischen Vermögensbegriff“, „wirtschaftlichen Vermögensbegriff“ bzw. „juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff “ gebe.[1] In der chinesischen strafrechtlichen Literatur findet hauptsächlich die Auseinandersetzung zwischen der Lehre von „Eigentumsrecht“ und der Lehre von „Gewahrsam“ statt, was der Diskussion in Japan ähnlich ist. Grundsätzlich handelt es dabei gleichermaßen um den Umfang des Vermögens oder anders gesagt die Grenze der Vermögensdelikte. Dafür ist es unentbehrlich, über den Begriff des Vermögens als ein einheitliches Rechtsgut der Vermögensdelikte nachzudenken, wofür die Entwicklung des Vermögensbegriffs und besonders die h. M. in der deutschen Strafrechtsdogmatik, nämlich die Juristisch-ökonomische Vermittlungslehre von großer Bedeutung sein können.
III. Gang der Forschung
Dem Ziel der Forschung gemäß ist die Forschung wie folgend zu arrangieren: Im ersten Teil ist die Diskussion über das Rechtsgut der Vermögensdelikte im chinesischen Strafrecht darzulegen. Zuerst sind das System der Vermögensdelikte und die einschlägigen Paragrafen in Bezug auf den Vermögensbegriff im chStGB übersichtlich zu erörtern; dann sind die Standpunkte der Rechtsprechung bzw. der Literatur zu besprechen, insbesondere ist der im Mittelpunkt stehende Meinungsstreit über die Lehre von Eigentumsrecht, die Lehre von Gewahrsam bzw. die Vermittlungslehren auseinanderzusetzen. Als Zwischenergebnis soll der gegenwärtige Meinungsstand zum Vermögensbegriff im chinesischen Strafrecht erfasst werden. Im zweiten Teil ist der Vermögensbegriff im deutschen Strafrecht darzustellen, nämlich Juristischer Vermögensbegriff, wirtschaftlicher Vermögensbegriff bzw. Juristisch-ökonomische Vermittlungslehre. Als Zwischenergebnis ist die Juristisch-ökonomische Vermittlungslehre zu vertreten. Mit einer problematischen Fallgruppe vom Betrug gegenüber dem Dieb als Beispiel lassen sich im letzten Teil die unterschiedlichen Ergebnisse im chinesischen und deutschen Strafrecht darstellen.
B. Vermögen als Rechtsgut der Vermögensdelikte im chinesischen Strafrecht
I. System der Vermögensdelikte und Vermögensbegriff im chStGB
Die Vermögensdelikte sind im 5. Abschnitt des Besonderen Teils des chStGB (§§ 263ff. chStGB) angeordnet. Darunter sind die charakteristischen Straftaten wie Raub (§ 263 chStGB), Diebstahl (§ 264 chStGB), Betrug (§ 266 chStGB), gewaltsame Beschlagnahmung (§ 268 chStGB), Unterschlagung (§ 270 chStGB), Erpressung (§ 274 chStGB), Sachschädigung (§ 275 chStGB) usw. eingeschlossen. Anders als die Paragrafen im dStGB, die einschlägigen Paragrafen der Vermögensdelikte im chStGB sind sehr ähnlich formuliert, und zwar „Wer öffentliche oder private Sachen […], wird […] bestraft.“ Demgemäß lassen sich die Vermögensdelikte im chStGB nicht in Hinsicht auf das Tatobjekt, weil die Tatobjekte von den verschiedenen Straftaten identisch sind, und zwar die „Sache“, sondern nur mit der Handlungsweise als Standard systematisch aufgliedern.[2] Folglich ist dennoch die Feststellung des Vermögensbegriffs als einheitliches Rechtsgut der Vermögensdelikte möglich.
Für die Auslegung der „öffentlichen oder privaten Sache“ sind die Definitionen über das öffentliche bzw. private Vermögen in §§ 91, 92 chStGB von signifikanten Bedeutung. Gemäß § 91 chStGB hat das öffentliche Vermögen das Staatsvermögen bzw. das im Kollektivbesitz befindliche Vermögen zum Inhalt; gemäß § 92 chStGB betrifft das private Vermögen: 1. die rechtmäßigen Einkünfte, Ersparnisse, Häuser und andere Mittel des Lebensunterhalts des Bürgers; 2. die gemäß dem Gesetz zur Einzelperson oder Familie gehörenden Produktionsmittel; 3. das rechtmäßig erworbene Vermögen der selbständigen Erwerbstätigen bzw. privaten Unternehmen; 4. die gemäß dem Gesetz zur Einzelperson gehörenden Anlagefondsanteile, Aktien, Anleihen und andere Vermögensgegenstände. Daraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen: erstens, das Vermögen ist nicht nur auf die Sache oder die bewegliche Sache beschränkt, die unbeweglichen Sachen wie Häuser und Produktionsmittel sowie die Wertpapiere gehören auch zum Vermögen; zweitens, der Schutz des Vermögens vom Strafrecht setzt die Rechtmäßigkeit des Vermögens voraus, und zwar, die rechtswidrigen Güter oder Sachen sind nicht als Vermögen anerkannt.
Im Unterschied dazu ist der gemäß § 238 III chStGB wegen widerrechtlicher Freiheitsentziehung zu bestrafen, wer einen Menschen einsperrt, um die Schulden einzufordern, welche auch die gesetzlich ungeschützten Schulden wie Zinswucher, Spielschulden usw. einschließen.[3] Der Grund, warum das Verlangen der Schulden vom Gläubiger mittels der rechtswidrigen Freiheitsentziehung lediglich als Freiheitsberaubung anstatt erpresserisches Menschenraubs beurteilt wird, besteht darin, dass das Vermögen, das der Gläubiger von dem Schulder abverlangt, ursprünglich dem Gläubiger übertragen werden sollte, selbst wenn die zu löschenden Schulden infolge rechtswidriger oder unmoralischer Taten entstanden sind. Gerade zu diesem Punkt wird es behauptet, dass das Eigentumsrecht hauptsächlich als das Rechtsgut der Vermögensdelikte anzusehen sei.[4] Anders gesagt, der Gewahrsam des Geldes von dem Schuldner wird strafrechtlich nicht beschützt. Dieser Standpunkt ist nicht zu vertreten. Der Gläubiger der rechtswidrigen Schulden ist rechtlich nicht in der Lage, das geschuldete Geld von dem Schuldner zu beanspruchen, was bedeutet, dass der Schuldner das Eigentumsrecht an dem Geld besitzt. Selbst wenn ein rechtlich wirksames Schuldverhältnis zustande gekommen ist, bleibt das zu bezahlende Geld das Eigentum des Schuldners, bevor er dem Gläubiger das Geld übereignet. Hierbei wird die Verletzung des Eigentumsrechts nicht als Vermögensdelikte bestraft, was die Einschränkung des Umfangs der Vermögensdelikte zur Folge hat.
Deswegen wird folgende Schlussfolgerung gezogen, dass den Bestimmungen des chStGB gemäß die Sache als Gegenstand der Vermögensdelikte zum Vermögen gehört, dessen strafrechtliche Schutzwürdigkeit die Rechtmäßigkeit voraussetzt.
II. Vermögensbegriff in der chinesischen Rechtsprechung
1. Vermögensbegriff in den judikatorischen Rechtsauslegungen
Über die Fragen der konkreten Anwendung des Gesetzes bezüglich der Vermögensdelikte wie des Diebstahls, Betrugs, Raubs bzw. der gewaltsamen Beschlagnahmung haben der Oberste Volksgerichtshof der Volksrepublik China (OVG) bzw. Generalstaatsanwaltschaft der Volksrepublik China (GSA) mehrere richterliche Auslegungen erlassen.
Gemäß der „Auslegung über mehrere Fragen der konkreten Anwendung des Gesetzes bezüglich des Diebstahls“[5] von OVG sind unter dem Begriff der „öffentlichen oder privaten Sache“ sowohl die körperlichen Gegenstände als auch das unstofflichen wie „Strom, Kohlengas, Erdgas, die wichtigen technischen Errungenschaften“ usw. zu verstehen. „Diebischer Gebrauch der fremden Telefonnummer bzw. des fremden IM-Kontos“, der zum Vermögensschaden führt, ist als Diebstahl zu bestrafen. Daneben sind auch „die illegalen Gewinne“ und „die verbotenen Gegenstände“ strafrechtlich geschützt.
Im Jahre 1997 wird das chStGB umfassend revidiert.[6] Weil der „Diebische Gebrauch der fremden Telefonnummer bzw. des fremden IM-Kontos“ im § 265 chStGB als Diebstahl bzw. der Diebstahl der wichtigen technischen Errungenschaften im § 219 chStGB als „Verletzung der Geschäftsgeheimnisse“ selbstständig angeordnet sind, werden „Strom, Gas, Wasser usw.“ (§ 4 Nr. 3) sowie „die Drogen und andere verbotenen Gegenstände“ (§ 1 IV) nach der „Auslegung über mehrere Fragen der konkreten Anwendung des Gesetzes bezüglich des Diebstahls“[7] von OVG bzw. GSA in den Begriff der Sache eingeschlossen. Im Gegensatz dazu werden „die illegalen Gewinne“ nicht erwähnt.
Nach der „Auslegung über mehrere Fragen der konkreten Anwendung des Gesetzes bezüglich des Raubs bzw. der gewaltsamen Beschlagnahmung“[8] von OVG gehören die verbotenen Gegenstände wie Drogen, Falschgeld, pornografischen Artikel usw. zu tauglichen Objekte des Raubs. (§ 7 I S. 1) Außerdem ist gemäß § 7 II S. 1 das Rauben von den Erträgen aus den Straftaten und Spielgeldern der illegalen Wetten wegen Raubs zu bestrafen. Wer weiter nichts als die verlorenen Spielgelder oder gewonnenen Spielschulden raubt, bleibt dennoch straflos.
Es ist nichts Neues, die illegalen Sachen in den strafrechtlichen Schutzbereich einzuschließen, jedoch ist es beachtenswert, dass das Rauben der verlorenen Spielgelder oder gewonnenen Spielschulden nicht als Raub angesehen wird. Die Behandlung der gewonnenen Spielschulden ist mit der Regelung im § 238 III chStGB (s. o. Teil B I) übereinstimmend, die Verletzung des Vermögensrechts des Schuldners wird nicht bestraft. Die Straflosigkeit des Raubens der verlorenen Spielgelder ist etwas schwierig zu begründen. Angesichts dessen, dass die Spielgelder vom Staat zu entziehen sind, weder der Gläubiger noch Schuldner hat daher das Eigentumsrecht der Spielgelder erworben oder behalten, nachdem der Schuldner das Geld ausgegeben hat. Raubt der Schuldner dem Gläubiger das „eigene“ Geld zurück, wird der tatsächliche Gewahrsam des Gläubigers verletzt, der gegenüber dem Dritten schutzwürdig ist. Das Straflossein des Raubens vom ursprünglichen Eigentümer könnte darauf beruhen, dass das (eigentliche) Eigentumsrecht dem Gewahrsam vorrangig ist.
In Hinblick auf die judikatorischen Rechtsauslegungen besteht der Kern der Sache darin, dass sie einen wirtschaftlichen Wert besitzt, der sich in Geld umwandeln lässt, und zwar ungeachtet dessen, ob sie körperlich oder unstofflich ist, ob sie beweglich oder unbeweglich ist, und sogar ob sie legal und illegal.
2. Vermögensbegriff in den gerichtlichen Urteilen
a) Wirtschaftlichkeit des Vermögens
Im Fall wegen Diebstahls von Zhihan Cheng[9] hat 2. MG Peking drei Eigenschaften der Sache zusammengefaßt: 1. Vorhandensein gewisser wirtschaftlicher Werte, die vom Gesetz anerkannt und geschützt oder unerlaubt und verboten sein können. 2. Verfügbarkeit, nämlich die Sache kann besitzt, benutzt bzw. veräußert werden. 3. Unter Besitz oder Verwaltung der Anderen.[10] Diese drei Merkmale sind nicht nur auf den Diebstahl beschränkt, sondern können auf andere Vermögensdelikte ausgedehnt werden.
[...]
[1] Zhang M., Rechtsgut, S. 504; Zhang M., Strafrecht, S. 834ff; Liu M., Vermögensdelikte, S. 8ff; Zhao B., BT, S. 367ff.
[2] Zhang M., Schulung, S. 299ff; Qu X., Strafrecht, S. 222ff; Gao M./Ma K., Strafrecht, S. 555.
[3] RA [2000] Nr. 19, glt. ab 19. 07. 2000.
[4] Yu Z./Guo X., RW 2010 (08), 63 (68); Fu L., chRW 2011 (06), 133 (137).
[5] Veröff. am 11. 12. 1992.
[6] Erl. und veröff. am 14. 03. 1997, glt. ab 01. 10. 1997.
[7] RA [2013] Nr. 8, glt. ab 04. 04. 2013.
[8] RA [2005] Nr. 8, glt. ab 08. 06. 2005.
[9] RSt. 70, 38ff.
[10] RSt. 70, 38 (41f).
- Quote paper
- Guannan Zhao (Author), 2015, Der Begriff des Vermögens als Rechtsgut der Vermögensdelikte im deutschen und chinesischen Strafrecht. Ein Rechtsvergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303038
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