In dem behandelten Abschnitt aus "Gorgias" bekommt der Leser eine Einführung in die Figuren, welche im Werk aufgeführt werden. Dem Leser wird verdeutlicht, dass es sich hier um zwei Streitgruppen handelt. Zunächst wird dies durch die ironische Einleitung herbeigeführt, im Anschluss daran durch die Konversation zwischen den Schülern Chairephon und Polos und zuletzt dann mit dem Auftritt der beiden Meister Gorgias und Sokrates. Die wesentlichen Punkte in diesem Abschnitt sind die unterschiedlichen Ansichten über die Kunst des Redens (Gorgias bevorzugt Monologe, Sokrates bevorzugt Dialoge), der Hierarchiegedanke, sowie die Frage nach Gorgias` Tätigkeit. .
Protokoll zum Seminar „Platon: Gorgias“
Einleitung
Im heutigen Pro-Seminar haben wir zunächst noch einmal die wesentlichen Grundlagen der Organisation geklärt. So wurde erneut darauf hingewiesen, was man für die Bearbeitung eines Stundenprotokolls beachten muss und welche Bedingungen für den Erwerb eines Scheines in diesem Pro-Seminar erfüllt werden müssen.
Als alle organisatorischen Punkte geklärt waren, widmeten wir uns dem Werk „Gorgias“, welcher der letzte Dialog aus Platons Frühwerk ist.
Einteilung der fünf Interakten
Dieser Dialog besteht aus fünf Interakten, welche Kallikles, Sokrates, Chairephon, Gorgias und Polos sind.
Diese fünf Interakten lassen sich in zwei Gruppen zergliedern. Auf der einen Seite Sokrates mit seinem Schüler Chairephon und auf der anderen Seite Gorgias mit seinem Schüler namens Polos und seinem Gastgeber Kallikles.
Kurzbiographie der genannten Personen, sowie Personenkonstellation
Sokrates lebte im Jahre 469-399 v.Chr. und ist auch bekannt als Platons Lehrer, welcher „Gorgias“ aufzeichnete. Er lebte und wirkte in Athen als bekannter Philosoph, hinterließ jedoch nichts Schriftliches seiner Gedankengänge. Insofern ist es auch fraglich, ob Sokrates tatsächlich so auftrat, wie er von Platon dargestellt wird, oder ob Platon Sokrates nicht einfach als eine Figur benutzt, mit welcher er sich selbst identifiziert. Doch dies sei zunächst einmal irrelevant, da der Textinhalt von Bedeutung ist und nicht, wer inwieweit für diesen zuständig ist.
Ebenso wie Platon, war auch Chairephon ein fleißiger Schüler von Sokrates. Er lebte um 469-402 v.Chr. und hörte sich neben Sokrates Reden auch solche des Redners Gorgias an.
Als Kontrahent zu Sokrates betrachten wir nun Gorgias, welcher etwa 480-380 v.Chr. lebte. Dieser gehört zu den Hauptvertretern der Sophistik und zog als Redner durch Griechenland. Er war für seine Reden vor allem dadurch bekannt, dass er stark die rhetorische Kunstprosa vertrat. Wichtig für ihn war vor allem die poetische Ausdrucksweise, sowie die Anwendung von bestimmten stilistischen Mitteln, mit welchen wir uns in einer späteren Stunde befassen wollen.
Auch Gorgias präsentierte sich nicht nur als bekannter Vortragskünstler, sondern übte sich zudem fleißig als Mentor.
So werden Gorgias auch in dem Werk „Gorgias“ zwei Schüler zugeteilt, von welchen jedoch nur einer durch das Werk bekannt ist. Gorgias` zweiter Schüler nennt sich Kallikles und soll Ende des 5. Jahrhunderts gelebt haben. Er ist in dem Werk der Gastgeber des Gorgias und, wie er sich anmerken lässt, auch sehr stolz darauf.
Über seinen anderen Schüler, namens Polos gibt es dagegen etwas mehr Informationen. So weiß man, dass er von 469 bis 399 v.Chr. gelebt hat und auch in Athen zur Zeit des Sokrates als Sophist und Rhetor tätig war.
Der ironische Einstieg in das Werk Gorgias
Kallikles: „Zum Kriege und zur Schlacht, heißt es, o Sokrates, muß man so zurechtkommen.“ Sokrates: „Also sind wir wohl, was man nennt, nach dem Fest gekommen und verspätet?“ (447a)
Eingeleitet wird das Werk „Gorgias“ mit einer ironischen Konversation zwischen Kallikles, Chairephon und Sokrates. Sie befinden sich auf dem Weg zu Gorgias öffentlicher Veranstaltung. Dieser ist in dieser Szene zwar noch nicht anwesend, jedoch wird dem Leser schon einiges über ihn bekannt gegeben, da er und seine Tätigkeit als Hauptgesprächsthema verwendet werden.
Ironisch ist der Einstieg deswegen, weil sich die drei Personen zu Gorgias öffentlicher Veranstaltung verspäten und diese von Kallikles mit den Worten „Krieg und Schlacht“ in Verbindung gesetzt wird. Bei Kriegen und Schlachten wäre es normalerweise positiv, wenn man zu spät auftauchen würde, jedoch handelt es sich hier um einen öffentlichen Vortrag, bei welchem es wiederum schade sein sollte sich zu verspäten.
Gorgias – der Redestar
Gorgias gilt als der Redestar schlechthin und die Menschen kommen zu seinen Darbietungen, um seine Worte genießen zu können. Sein Ziel ist es, andere von seinem Standpunkt zu überzeugen, was er jedoch nicht durch Diskussionen erreicht, sondern lediglich durch lange Monologe seinerseits. Als Redestar ist es seine Aufgabe, seinen Ruf zu verteidigen und sich stets zu rechtfertigen. Er ist auf sein Publikum angewiesen.
Analyse der bereits erwähnten Verspatung zu Gorgias Symposion
Durch den bereits erwähnten ironischen Einstieg in das Werk, welcher die Verspätung zu der öffentlichen Veranstaltung beinhaltet, kann man sich hier die Frage stellen, ob es eventuell von den drei Interakten beabsichtigt war, sich zu verspäten.
Sokrates sagt selbst, dass er keinen großen Wert darauf legt, sich dich üblichen Reden von Gorgias anzuhören. „Was er uns sonst zeigen will, mag er, wie du auch sagst, ein andermal tun.“ (447 c, Zeile 2)
Ebenso stellten wir die Vermutung auf, dass Sokrates Gorgias vorübergehend bei Kallikles zu Besuch ist und somit für die genannten Personen die Möglichkeit besteht, sich persönlich mit dem Redestar treffen und ihn insofern mit diversen Fragen konfrontieren zu können. „[…], denn bei mir wohnt Gorgias: so wird er sich vor euch hören lassen.“ (447 b, Zeile 8)
Wir kamen aufgrund dieser Anhaltspunkte zu dem Ergebnis, dass die Frage nach einer beabsichtigten Verspätung berechtigt und auch zutreffend ist.
2 Streitgruppen, verbunden mit dem Hierarchiegedanken
Doch nicht nur das „persönliche Interesse“ der Streitgruppe des Gorgias wird hier vorgeführt, sondern auch ein gewisser Hierarchiegedanke wird geltend gemacht.
Kallikles: „Wie doch, Chairephon, hat Sokrates Lust, den Gorgias zu hören?“
Chairephon: „Eben dazu ja sind wir gekommen.“
Kallikles: „Also wenn ihr zu mir kommen wollt nach Hause, denn bei mir wohnt Gorgias: so wird er sich vor euch hören lassen.“
Sokrates: „[…] Denn ich will gern von ihm erfahren, was doch die Kunst des Mannes eigentlich vermag und was das ist, was er ausbietet und lehr. Was er uns sonst zeigen will, mag er, wie du auch sagst, ein andermal tun.“ (447 b,c)
Sokrates wird von Kallikles gefragt, ob er überhaupt Lust habe, sich mit dem Redestar zu unterhalten, woraufhin dieser nur antwortet, dass ihm dies lieber sei, als die üblichen Prunkreden.
Hier wird verdeutlicht, dass Sokrates sich keineswegs dem Redekünstler unterordnet und auch andere Vorstellungen von der Redekunst besitzt.
Statt für seiner Meinung nach einseitige und langweilige Monologe, interessiert er sich mehr für Dialoge.
Durch die tendenzielle Abwertung des Redestars von Seiten der Streitgruppe des Sokrates, wird Sokrates für den Zuschauer hier in einem besseren Blickwinkel dargestellt.
Sokrates Auftrag – Chairephons Frage nach Gorgias Tätigkeit
Um herauszufinden, wozu Gorgias fähig ist, also was speziell seine Aufgabe sei, schickt Sokrates zunächst seinen Schüler Chairephon vor. Hierzu haben wir die wesentlichen Begründungen herausgearbeitet.
Ein wesentlicher Punkt (nach momentanem Wissensstand) könnte sein, dass es ganz einfach nicht Sokrates Stil ist Fragen zu stellen. Ein weiterer Aspekt wäre jedoch auch, dass er mit dem Gedanken spielt, Gorgias könnte ihn zurückweisen, da er ihn nicht kennt. Durch seinen Schüler, welcher ein freundschaftliches Verhältnis zu Gorgias pflegt, würde er schon mal über eine Brücke zu diesem verfügen.
Erneuter Aufgriff des Hierarchiegedankens – Streitgespräch
Als es letztendlich zu einem Gespräch von Seiten Chairephons mit Gorgias kommt, betont dieser gleich, dass er seit langem keine originellen Fragen mehr gehört habe. Polos mischt sich ein, als der Schüler das Angebot bekommt, zu testen, ob Chairephon wahrhaftig einfache Antworten auf Fragen gibt. Er unterbricht die Unterhaltung mit den Worten: „Beim Zeus, wenn du irgend willst, Chairephon, lieber mit mir. Denn Gorgias, dünkt mich, ist wohl müde, da er nur eben gar vieles vorgetragen hat.“ (448 a) Hier wird erneut der Hierarchiegedanke aufgegriffen, denn Polos stellt sich somit über Chairephon und wertet diesen ab, in dem er anzudeuten pflegt, dass dieser nicht gut genug für Gorgias sei.
Durch die aufkommende Frage, wer wen was fragen darf, wird ein Streitgespräch erzeugt, welches zuletzt von den beiden Meistern Sokrates und Gorgias fortgesetzt wird.
Das Gegenspiel – Sokrates mischt sich ein
Polos konnte Chairephon keine überzeugende Antwort auf die Frage des Sokrates, was Gorgias Tätigkeit sei, liefern. Er konnte lediglich erfahren, was die Redekunst wert ist und nicht, was die Redekunst ausmacht.
Daraufhin mischte Sokrates sich selbst in das Streitgespräch ein und erzwingt einen Dialog mit Gorgias. Dieser Dialog soll so ablaufen, dass er selbst die Fragen stellt und Gorgias lediglich mit kurzen und präzisen Aussagen antwortet.
Wo zu Beginn Sokrates seinen Schüler vorgeschickt hat, schickt Gorgias nun seinen Schüler Polos vor, wodurch ein Gegenspiel erzeugt wird. „So frage du ihn, wenn du willst.“ (448 d)
Sokrates Ziel ist es jedoch, von Gorgias selbst das zu erfahren, worauf Polos Sokrates Schüler keine vernünftige Antwort liefern konnte. „[…], Gorgias, sage du uns selbst, wie wir dich nennen müssen, als Meister welcher Kunst?“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hinführung zu einer Bühne der Kritik
Durch Sokrates Fragen nach der Praxis des Redens, stellt er Gorgias Tätigkeit in Frage und bereitet eine Bühne für seine Kritik vor.
Begonnen wird der Dialog schon damit, dass Sokrates den Redekünstler auffordert kurze und präzise Antworten zu liefern. „Eben hiervor gib mir ein Meisterstück, von der Kürze, vom Langreden aber ein andermal.“ (449 c)
Der Spielraum für den Redestar und seinen Schüler wird somit immer kleiner und Gorgias wird in gewisse Widersprüche verstrickt, welche laut Beitrag eines Kommilitonen, welcher schon weitergelesen hatte, im Laufe des Textes hervorgehoben werden sollen.
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- Quote paper
- Jessica Krüger (Author), 2008, Protokoll zum Seminar „Platon: Gorgias“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302685