Ästhetik ist heute nicht mehr das absolut gesetzte Schöne. Aber auch das Nicht-mehr-Schöne verschwand damit aus dem Brennpunkt der Debatte. Es kam in Ausdrücken wie „dynamisch“, „pathetisch“, „ambivalent“, „abgerissen“, Disharmonie und Schmerz durch die Hintertür wieder herein. Der Begriff des Schönen ist aus der Definition des Ästhetischen verschwunden. Die kontemplative Betrachtung moderner Werke ist die Anbetung des Nicht-mehr-Schönen als das Hässliche, Absurde, Groteske, Triviale und Banale. Das Schöne ist standardisiert nach dem Börsenwert. Das kennzeichnet auch Kunst. In der Vermarktung wird beides über einen Leisten gehauen: Schön, hässlich, banal, kitschig, absurd und grotesk sind definiert durch ihren Marktwert. Hier können alle auf einen Nenner gebracht werden.
Der Schreckenseinbruch des Absurden ist immer ein Einbruch in das Bewusstsein auf das gelebte Selbst in seiner Vergänglichkeit. Die auf den Augenblick fixierte Schönheit lässt den Menschen allein. Hinter den Grenzen, die sich zwischen dem Schönen, Banalen, Absurden, Grotesken und dem Kitsch im Phantastischen der Fiktion und im Realitätsverlust der Modernen im Bewusstsein des Menschen vermischen, grinst auch nur wieder die Einsamkeit des Menschen vor dem Nichts. Was hier als Kitsch erfahren werden kann oder als Realitätsverwischung zwischen gelebter Wirklichkeit und Phantastik bleibt dem einzelnen Individuum überlassen. Das ist nicht mehr an der Objektivierbarkeit des Kunstwerkes auszumachen. Hier wird die Realität des Seins der Kunst als Nicht-Sein manifest. Kunst wird in sich selbst absurd.
Trotzdem bleibt die Faszination vor der Kunst. Im Widerstreit und in der Unvereinbarkeit der Elemente muss Welt immer aufs Neue gefunden, gedeutet und gelebt werden. Hier zeigt sich das Schöne der Kunst als „Sichereignen der Wahrheit“ (Heidegger, 1977, 69) auch in der Postmodernen und Transmodernen Kunst, womit die Schönheit im Absurden und Grotesken als „Wahrheit im Werk und als Werk“ (Heidegger, 1977, 69) sichtbar wird. Das ist ein Schritt, den Heidegger selbst nicht zu gehen wagte, er wagte nicht, das Scheinen des Schönen als Wahrheit in der „Nicht-mehr-schönen-Kunst“ zu erkennen.
Kunst ist nicht in Begriffen zu definieren, moderne Kunst schon gar nicht. Nach Beuys erweitertem Kunstbegriff ist jeder Mensch ein Künstler, ist jedes menschliche Tun als Gestalten Kunst, auch das Banale, Triviale. Der Kunstbegriff ist damit ausgeweitet bis zur Beliebigkeit. Er lässt sich nicht einmal auf seinen Gegenbegriff festlegen.1 Was ist dann die Kunst des Schönen? Weder die Definition der Kunst noch die des Schönen lassen sich auf einen Nenner bringen. Kunst ist das, was die Börse notiert, auch die Kunst des Nicht-mehr-Schönen.
Das Schöne untersteht am Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts den Bedürfnissen und dem Diktat des Marktes, des Kapitals: Schönheitskonkurrenz, Mode, Kosmetik, der Wettlauf mit der Zeit prägen die Schlagzeilen. Hier finden sich die von Hume geforderten Kenner des Schönen. Nach Hume muss man bei der Beurteilung des Schönen einen gewissen Standpunkt einnehmen.2 Im 20. Jahrhundert vertreten die Experten des Schönen in den Schönheitskonkurrenzen und Marketingabteilungen ihren Standpunkt: Das Schöne wird hier auf einen Begriff gebracht. Die Standardisierung des Schönen begann mit Hegel im 19. Jahrhundert. Mit der Standardisierung des Schönen kam auch die Fixierung auf das Nicht-mehr- Schöne ins Bild, indem Hegel Schönheit und Kunst kurzschloss.3 Hegel begrenzte die Diskussion des Schönen auf die Kunst, und die Ästhetik auf eine Philosophie der Kunst. Was sich außerhalb der Kunst befindet, ist für die philosophische Betrachtung unwesentlich, sagte Hegel: „ Der Gegenstand unserer Betrachtung bestimmt sich als das Reich des Schönen, näher als das Gebiet der Kunst.“4
Das unterscheidet Hegel wesentlich von Kant, der zunächst das Schöne in der Natur beurteilte und auf das Schöne in der Kunst erst über Umwegen über das Erhabene und den Geniebegriff zurückkam. In Übereinstimmung mit Kant werden auch bei Hegel die Kunstwerke durch die Sinne wahrgenommen. Wie Kant differenziert auch Hegel in naturschön und kunstschön, aber das Naturschöne hat keinen Verweisungscharakter über sich hinaus auf eine Idee; demgegenüber ist die Schönheit der Kunst ein Weg zum absoluten Geist, der sich als Wahrheit erweist. Hegel geht auch damit über Kant hinaus, dass für ihn die Kunst ein Gegenstand des begreifenden Denkens ist. Von hierher wird das Schöne zum „ sinnlichen Scheinen der Idee “: „ Die Kunst in ihrem Scheinen deutet durch sich selbst auf ein Höheres, auf den Gedanken hin.“5 Von hierher befriedigen Kunstwerke unsere Sehnsucht nach Wahrheit, weil sie uns erlauben, die Vorstellung in einem materiellen Objekt zu begreifen: Kunst „ ist das Mittelglied zwischen dem reinen Gedanken, der ü bersinnlichen Welt, und dem Unmittelbaren “.6 Die Wahrheit in der Kunst ist die Idee, das Ideal. Schönheit und Kunst fallen zusammen in der Idee. Das Schöne ist die „ Verwirklichung des Ideals. (...) das Schöne ist selbst die Idee.“7 Kunst gleich Schönheit wird damit philosophisch zum absoluten Begriff.
Das führte jedoch nicht zu einer einheitlichen Theorie des Schönen, sondern mit der Kunstdebatte kam die Diskussion um das Nichtschöne auf, um das Banale, das Hässliche, das Groteske, das Absurde. Kunst ist immer mehr als nur schön. Hegels Kurzschluss von Schönheit
und Kunst ist die Voraussetzung für „ den Umschlag in eine Nichtigkeitskategorie “8 Hegelnachfolger wie Karl Rosenkranz, Bernard Balzano, Friedrich Theodor Vischer9 setzten die Kehrseite des Schönen, das Nicht-mehr-Schöne in den Fokus ihrer Reflexionen. Was Hegel von der Kunst zu eliminieren versucht hatte, wurde hier aktualisiert und potenziert.
Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert erfolgte ein Paradigmenwechsel in der philosophischen Ästhetik des Schönen und des Nicht-mehr-Schönen. Dieser Paradigmenwechsel geschah gleichzeitig mit verschiedenen Transformationsprozessen in der Kunst: In der Philosophie erfolgte ein Paradigmenwechsel vom Heglianismus zur Phänomenologie. In der Kunst gärte es: vom Impressionismus zum Expressionismus, zum Dadaismus, zum Kubismus, zum Surrealismus, zum Existentialismus und Absurden; von Beethoven zu Schönberg, Bruck und Strawinskij. Die Revolution der auditiven und tonalen Kunst hatte Folgen für den Tanz. Protagonisten dieser neuen Bewegung waren einige zumeist enthusiastische Individualisten. So brach Isadora Duncan auf der Szene tanzend alle Gesetze des Szenentanzes und Diaghilev, Organisator, Entdecker neuer Talente, begeisterte mit immer neuen Formen und Variationen des klassischen Balletts.
Der Umbruch vom klassischen Ballett zum Modernen Tanz war gleichzeitig ein Abschied von der Ästhetik des Schönen, denn am Anfang der Modernen stand der Tabubruch. Die Einheit von Schönheit, Moral, Ethik und Religion wurde zerrissen. Unter der Bruchstelle zeigte sich die Machtpolitik. Die machtpolitische Elite saß im Saal und fühlte sich angegriffen. So geschah es am 29. Mai 1913 im Théâtre des Champs Elysées in Paris zur Uraufführung von “Le Sacre du Printemps“ unter der Leitung von Serge Diaghilev, einem Ballett in zwei Akten. Die Choreographie ist von Waclaw Nijinkij, die Musik ist von Igor Strawinskij, das Manuskript ist von Igor Strawinskij und Nikolas Roerich: “ The first performance of “ Sacre ” ( … ) was a celebrated scandal, the audience booing and shouting for most of the time … voices from the gallery called “ un docteur! ” … “ Un dentiste! ” … “ Deux dentists! ” 10 Die Raserei des Publikums war die empörte Antwort auf die Offenbarung der Kunst des 20. Jahrhunderts: „ On a souvent associ é la premi è re du Sacre à la naissance de la modernit é , la fureur du public é tant la r é ponse outr é e à la r é v é lation de l ’ art du 20e Si è cle, drastique et incommode. “ 11
Am Anfang der Apokalypse des 20. Jahrhunderts stehend, scheint „Le Sacre du Printemps“ in seiner Ablehnung des Barbarischen die humanistische Kultur zu demontieren. Variationen zum Thema der Ästhetik des Hässlichen als „ Deformationsfetichismus “12, Variationen von „ Schmutz, Exkremente, Alter und Tod “,13 wurden zelebriert. Nijinskij präsentiert den Wahnsinn, die Depression, die Nacktheit der Seele, die Obsessionen der Sexualität. Der Skandal von Nijinskij heftete sich besonders an „ le scandale d ’ ordre sexuel “.14 Vier Ballette wurden von Nijinskij choreographiert, drei sind geprägt durch den Sex.
Wie aber ist dieser sexuelle Exzess am Anfang des 20. Jahrhunderts choreographisch präsentiert? Es gibt keine Orgien, keine Pornographie, keine Entkleidungsszenen. Abgesehen von „L’Après Midi d’un Faune“ gibt es nicht einmal ein direktes Anspielen und Ausspielen von Sex. Das Thema von „L’Après Midi d’un Faune“ ist der griechischen Mythologie entnommen: Ein Faun beobachtet in der Mittagshitze Nymphen beim Baden. Durch den Anblick der Nymphen wird er sexuell so gereizt, dass er auf offener Szene ejakuliert. „Jeux“ zeigt in einer abstrakten Choreographie die Schönheit des Körpers in den Spielen am Anfang des 20. Jahrhunderts wie Tennis und Ballspiele. Die Tänzer sind in moderne Sportkostüme gekleidet. Die Hosen sind Knie kurz. Die Figuren sind androgyne. Die Bewegungen sind lässiglasziv-elegant. Figuren, Kleidungen und Bewegungen assoziieren eine Mischung und Verwischung von Männlich und Weiblich. Das war das Äußerste, was man 1912/1913 an Homosexualität zeigen konnte. Dabei war „Jeux“ so stilisiert, so verdeckt in Anspielungen, dass ein offener Skandal nicht ausbrach. Dafür war aber auch die Wirkung, der Ruhm und Nachruhm nicht so eklatant wie in „Le Sacre du Printemp“. Man wagte nicht alles: alles war nur versteckt hinter zwitterhaften Andeutungen. Das war nicht genug.
Warum war aber „Le Sacre du Printemps“ ein unerhörter Skandal? Die Thematik gehört zum konventionellen Bereich von Mythen und Fabeln. Das Thema von „Le Sacre du Printemps“ ist ein heidnisches Ritual, in dem eine ausgewählte Jungfrau sich selbst zu Tode tanzt. Die Choreographie ist abstrakt und modern, denn die Fabel wird in kontrastiven Bewegungsabläufen erzählt. Die Kontraste werden durch den Zusammenhang von Musik und den Körperbewegungen der Tänzer, den Bewegungen der Gruppenformationen und der Szenengestaltung hervorgerufen. Die Szene ist in geometrischen Mustern von Vierkanten, Zirkeln und Rechtecken arrangiert. Auch die Körperbewegungen geben den Eindruck von geometrischen Mustern. Bereits „L’Après Midi d’un Faune“ präsentierte neue Bewegungsmuster: Hier bewegen sich die Füße der Tänzer parallel in einer Richtung, ihre Körper und Arme wenden sich gegen das Publikum, während die Tänzer in einer Linie gehen. Mit dieser Körperbewegung entsteht der Eindruck von archaischen Friesen.15 Die gleichen Bewegungsmuster kennzeichnen auch den Höhepunkt im 2. Akt von „Le Sacre du Printemps“, wo die Ballerina als Anti-Ballerina dargestellt ist: ihre Füße sind inwärts gewendet, introvertiert, die Schultern hängen nach unten, der Kopf ist schräg nach vorne gebeugt. Sie tanzt in krampfhaften Zuckungen, sie hüpft und springt in asymmetrischen Figuren. Ihre Pirouetten sind ein windmühleartiges Taumeln um die eigene Achse. Wie in „L’Aprés Midi d’un Faune“ sind viele ihrer Bewegungen zweidimensional gegen das Publikum gerichtet.
Im Gegensatz zu dieser stilisierten Ekstase stampfen die Männer mit den Beinen. Ihre Füße kratzen auf dem Boden wie Pferdehufe. Die Männer haben gebeugte Oberkörper und heftige Armbewegungen. Die Bewegungen wirken tierisch. Jeder individuelle Eindruck wird verhindert. Die Gruppenformationen bilden einen starken Kontrast zu den individualisierten Solotänzern. Die Bewegungsabläufe der Gruppenformationen sind suggestiv: der Bewegungsfluss und die Rhythmik der Musik sind die sensuelle Suggestion der Themen der Solotänzer. Das sind ein Reiz der Sinne und ein Spiel mit der Imagination. Das ist sinnliche Verführung, die einer Hypnose gleichkommt. In dem Kontrast zwischen Solotänzern und Gruppenformationen zeigt sich der Individualisierungsprozess des Menschen von der Abhängigkeit von tierischen Instinkten zum sozialen Gruppenprozess bis hin zum ethisch verantwortungsbewussten Handeln im Opfertod. Das Ballett zeigt die menschliche Entwicklung vom Tier zum Homo soziologicus und vom sozialen Menschen bis zum Homo sapiens, dem in Übereinstimmung mit seiner Vernunft handelnden Menschen.16
Alle Wertvorstellungen von schön und hässlich scheinen hier aufgehoben. Die „ schöne, heile Welt “17 als stabile etablierte Ordnung ist aufgebrochen. Aus den Bruchstellen grinst das Nichts. Das verschreckte. Mit Schreien und Prügeleien versuchte sich das Publikum über diesen Schock hinweg zu retten. Was war so schockierend in „Le Sacre du Printemps“? Gewiss nicht das heidnische Ritual, wo eine Jungfrau geopfert wird und sich zu Tode tanzt. Dieses Thema war in Romantischen Balletten wie „Giselle“ bewundert worden. Der Tabubruch heftete sich vielmehr an die Bewegungen und die Musik, denn die Ekstase, die wilde tierische Begierde, Leiden und Tod werden sinnlich, das heißt, visuell und auditiv dargestellt. Das klassische Ballett tanzte mit vollkommenen Körpern und in schöner Harmonie über Angst, Tod und Vernichtung hinweg. Kunst war nicht Genuss, sondern genüssliches Vergessen, Verdrängung. In „Le Sacre du Printemps“ wurde der Abgrund aufgedeckt: Die Primaballerina verreckt in verrenkten Verzückungen auf offener Szene.
Die physisch dargestellte Angst, menschliche Schwäche, Alter und Tod versetzten das Publikum in Panik. Die brutale körperlich visuelle Veranschaulichung dieser Thematik war ein Bruch mit allen Idealen, die das Publikum vom klassischen Ballet kannte. Das Nicht-mehr- Schöne heftete sich ans Pathetische, „ so da die Gestaltungsformen des Hässlichen vom Niedrigen und Obszönen bis zum Erhabenen reichen. Phallos und Pathos messen die Spannweite des Hässlichen.“18 Das kennzeichnet den Skandal von „Le Sacre du Printemps“ von 1913: Sexuell Verdrängtes dargestellt in einer hochpathetischen Formgebung zu einer elektrisierenden Musik. Lüstern war das Publikum ins Theater geeilt. Der sexuelle Skandal von „L’Après Midi d’un Faune“ von 1912, die rohen sinnlichen und tierischen Darstellungen hatten Appetit auf mehr Sinnesreizungen gemacht. In „Le Sacre du Printemps“ war es schlimmer, nicht die verdrängte Sexualität wurde angegriffen, sondern die Stereotypie der Bewegungen, falsche Harmonie, klischierte Schönheitsideale, Ekstase, Vergänglichkeit und Tod. Gezeigt wurde dies in Massenbewegungen, abgerissenen Gesten, verkrüppelten Gestalten, in Krümmungen und Bogenlinien19, in tierischer Brutalität, im Opfer des Femininen. Das Publikum fühlte sich in seinem So-Sein angegriffen und verletzt.
Die Grundbedeutung des Pathetischen ist das Hauptthema von „Le Sacre du Printemps“ als „ ein Leiden oder Erleiden “20. Kant umschreibt das Pathetische als das Erhabene. Genau wie das Schöne ist auch das Erhabene keine Qualität der Objekte. Das Erhabene ist kein Objekt der Sinne, sondern der Imagination. Trotzdem teilt Kant es in das mathematisch Erhabene und in das dynamisch Erhabene ein. Das mathematisch Erhabene ist die Idee des Unbegrenzten, das Absolute. Dieses Absolute können wir niemals sinnlich erfahren, es ist für uns nur als Vorstellung zugänglich. Das dynamisch Erhabene beinhaltet demgegenüber die Angst, Angst vor dem Übermächtigen der Natur, vor seiner Zerstörung. Unsere Unterlegenheit gegenüber der Natur kann aber durch ein Gefühl der Freiheit oder auch der menschlichen Überlegenheit über die Natur ausgeglichen werden. Dies erreichen wir in einer Form von Reflexion. Die Freude der Freiheit in der Überlegenheit über die Naturphänomene ist eine moralische Energie in uns. Sie ist kein Element der Objekte. Das moralische Urteil stützt sich jedoch auf Konzepte.
Nicholas Roerich. Premiere: Paris, 29. mai 1913. Var en skandal. Det ble gitt i alt 3 forestillinger. Premiere i London ble ansett som kjedelig og mottatt uten begeistring. Rekonstruksjon av kunstnerisk ledelse: Robert Joffrey.
Gjenskapt og inscenert av Millicent Hodson. Scenografi og kostymer gjenskapt av Kenneth Archer. National theatrets orkester i Prag dirigert av Allan Lewis Es erhält damit allgemeine Gültigkeit. Das ästhetische Urteil ist ohne Konzept und von einer subjektiven Gültigkeit. Beide gehören unterschiedlichen Kategorien an. Wenn wir mit Kunst konfrontiert werden, können wir im Pathetischen die Schönheit zum Moralischen überführen. Denn nur die moralischen Ideen sind sich selbst genug.
Das war die idealisierte Vorstellung des Erhabenen von Kant. In der Vereinigung von Schönheit, Pathos, Erhabenem und stilisiert abstrakten und komischen Elementen ging dieses Ideal verloren. Das Erhabene nach Kant „ als einer idealen Abstraktion (dem Subjekt) innewohnen Vernunftidee von Freiheit und Sittlichkeit “21 verwandelte sich in sein Gegenteil: aus dem Abgrund schaute wieder die Fratze wilder, ungebändigter Körperlichkeit, das Übermächtige, Unbezwungene der Natur hervor. In den Transformationsprozessen der Kunst um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert zeigte sich die Veränderung der Bedeutungsinhalte vom Schönen und Nicht-mehr-Schönen als dem Erhabenen, Pathetischen, Hässlichen und Grotesken, aber auch vom Banalen und Trivialen. Die Kunst demonstrierte, wie beide Begriffe des Schönen und Nicht-mehr-Schönen eben keine Begriffe a priori waren, geschichts-, geschlechts- und zeitlos, sie bezeichnen vielmehr historisch gewordene Anschauungen, geschichtlich ontologisch, moralisch bezogen und ethisch definiert, ausgerichtet nach ihrer sozialen Bestimmbarkeit und eingebettet in den Erfahrungsraum von „ sozialhistorischer Konkretheit “22. Dabei ist das Schöne doppelt fundamentiert: „ zum einen seine Stellvertreterschaft gegen ü ber au ß erästhetischen Inhalten (soziale, ethische, religiöse, machtpolitische, philosophische); zum anderen die Situation, begrifflich fixieren zu m ü ssen, was sich eigentlich der Begrifflichkeit entzieht. “ 23
Die Fragen nach der ontologischen Begrifflichkeit des Schönen, nach den Form- und Kulturelementen, aber auch nach der machtpolitischen Determination verschwanden aus der Philosophiedebatte des 18. Jahrhunderts. Sie blieben latent vorhanden, brachen im 19. Jahrhundert in Andeutungen auf, sind aber bis heute noch nicht zu Ende diskutiert. Das Schöne als „ charismatischer “ Begriff24 wurde im 18. Jahrhundert lanciert. Baumgarten hatte bereits das Schöne als sinnliche Erkenntnis diskutiert. Dies feierte in den Nachfolgern der Phänomenologie eine glorreiche Auferstehung. Aber Baumgartens Zusammenschluss von Schönheit und Ästhetik in der Schönheit des schönen Denkens der sinnlichen Erkenntnis, ist in der Avantgarde des modernen Tanzes als Begriff nicht mehr vorhanden. Demgegenüber kommt die Vereinigung von Sinnlichkeit und Vernunft im Schönen als dem Vollkommenen durch die Hintertür der reinen Sinnlichkeit a priori wieder herein. Nach Fraleigh hat das Ästhetische seinen Ursprung im sinnlichen Leben. Zum Sinnlichen gehören nach Fraleigh nicht nur die Gefühle, sondern auch Intelligenz und Intuition. Das Subjektive beinhaltet die Totalität des Bewusstseins, das von jedem Individuum gelebt wird.25
Die subjektive Bestimmung des Schönen wurde von den englischen Sensualisten des 18. Jahrhunderts verkündet. Kant stimmte mit gewaltiger Stimme in diesen Chor des Schönen als sinnlicher Erkenntnis ein. Im Gegensatz zu Fraleigh hat jedoch bei Kant das Schöne als das Ästhetische nichts mit der logischen Vernunft zu tun: das Schöne kann nicht rationalisiert werden. Kant unterscheidet das „ästhetische Urteil“ vom „logischen Urteil“. Moralische und theoretische Urteile sind nach Kant nicht frei, sie sind an die Gesetze der Logik gebunden. Das Sinnenurteil ist an die subjektive Empfindung gebunden, damit ist es auch unfrei, es ist.
[...]
1 Siehe: Wolfgang Ullrich: Kunst, Künste, System der Künste, S. 556-616 in: Äthetische Grundbegriffe, Bd. 3, hrsg. von Karlheinz Barck, Martin Fontius, Dieter Schlenstadt, Burkhart Steinwachs, Friedrich Wolfzettel, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2001, S. 569
2 siehe: David Hume, The Standard of Taste, S. 132-155 in: Selected Essays, Oxford, New York, 1993
3 siehe: Renate Reschke: Schön/Schönheit, S. 390-436 in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 5, hrsg. von Karlheinz Barck, Martin Fontius, Dieter Schlenstadt, Burkhart Steinwachs, Friedrich Wolfzettel, Wissenschaftliche
Buchgesellschaft Darmstadt, 2003, S. 396
4 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, hrsg. Von Annemarie Gethmann-Seifert, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2003, S. 1
5 Hegel, a.a.O., S. 3
6 Hegel, a.a.O., S. 5
7 Hegel, a.a.O., S. 47
8 Reschke, a.a.O., S. 396
9 siehe: Reschke, a.a.O., S.396ff.
10 Clement Crisp: Marie Rambert and Nijinsky’s Le Sacre du Printemps, S. 3-11 in: Dance Research, The Journal of the Society for Dance Research, Vol. XIX, No. 1, Summer 2001, S.10
11 Acocelle, Garafola, Green, S. 20 in: Pour la Danse, Mai 1989, Paris
12 Carsten Zelle, Ästhetik des Hä lichen: Friedrich Schlegels Theorie und die Schock- und Ekelstrategien der
ästhetischen Moderne, S. 197-234 in: Ästhetische Moderne in Europa. Grundzüge und Problemzusammenhänge
seit der Romantik, hrsg. Von Silvio Vietta und Dirk Kemper, Wilhelm Fink Verlag, München 1998, S. 198
13 Zelle, a.a.O., S.197
14 Acocelle, Garafola, Green, a.a.O., S. 20
15 Siehe Video: „Paris dances Diaghilev”. From the Opéra de Paris Garnier. Orchestra f the Paris Opera doncuted by Michel Tabachnik. Teldec Video. UK. Inneholder 4 balletter: (1) Petrouchka. Music Igor Stravinsky, Choreography Michel Fokine, restaged by Nicolas Beriosoff, scenery and costumes form the designs of Alexander Benois. (2) Le Spectre De La Rose. Music Carl Maria von Weber. Orchestrated by Hector Berlioz. Choreography Michel Fokine, Scenery and Costumes form the designs of Léon Bakst. (3) L’Après-Midi D’Un Faune. Music Claude Debussy. Choreography Vaslav Nijinsky. Original Design Léon Bakst. (4) Noces. Words and music Igor Stravinsky (Chester Music) Original Choreography Bronislava Nijinska. Scenery and Costumes Natalia Gontcharova. Directed for videogram by Colin Nears
16 Siehe: Video: „Le Sacre du Printemps“ ”Le Sacre Du Printemps” (Våroffer): Ballett i 2 akter. Koreografi: Vaslav
Nijinsky. Musikk: Igor Stravinsky. Manuskript: Igor Stravisnky og Nicholas Roerich. Sceneografi og kostymer:
17 Kliche, Kitsch, S. 272-288 in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 3, hrsg. von Karlheinz Barck, Martin Fontius,
Dieter Schlenstadt, Burkhart Steinwachs, Friedrich Wolfzettel, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt,
2001, S. 288
18 Zelle, a.a.O., S. 204
19 siehe: Karine Saporta S. 18 in: Pour la Danse, Mai 1989, Paris
20 Martin Gessmann: Pathos/pathetisch, S. 724-739 in: Äthetische Grundbegriffe, Bd. 4, hrsg. von Karlheinz Barck, Martin Fontius, Dieter Schlenstadt, Burkhart Steinwachs, Friedrich Wolfzettel, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2002, S. 724
21 Jörg Heininger: Erhaben, S. 275-310 in: Äthetische Grundbegriffe, Bd. 2, hrsg. von Karlheinz Barck, Martin Fontius, Dieter Schlenstadt, Burkhart Steinwachs, Friedrich Wolfzettel, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2001, S. 293
22 Reschke, a.a.O., S.393f.
23 Ebenda, S.395
24 siehe: Reschke, a.a.O., S.393
25 Sondra Horton Fraleigh: Dance And The Lived Body, A Descriptive Aesthetics, University of Pittsburg Press, Pittsburg, Pennsylvania, 1987, S. 44
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