Auf den folgenden Seiten beschäftige ich mich mit dem vermutlich meistinterpretierten Konzept moralischer Orientierung: Dem Konzept der Kantischen Ethik, das den kategorischen Imperativ beinhaltet. Ich möchte zum Nachdenken anregen, wie und warum gerade Kant zu einer Ethik unter dem Primat der Vernunft findet und, noch grundsätzlicher, ob es keine Ethik ohne ein grundlegendes, kompatibles Menschenbild geben kann. Kants Sicht auf den Menschen enthüllt sich in verschachtelten Sätzen, konstruiert bis in ihr letztes grammatikalisches Glied, gleichsam einer Sprache der reinen Vernunft. Und doch vergisst Kant nicht die Menschen, die er mit seinen Ansprüchen bedenkt. Er weiß um die Wirklichkeit ihrer Fähigkeiten, die neben dem Potential ihrer Möglichkeiten bestehen. Aus diesem Grunde möchte ich zum Abschluss meiner Betrachtungen, deren Hauptteil eine Untersuchung über den kategorischen und den praktischen Imperativ darstellt, der Frage widmen, ob Butlers Kritik an Kant gerechtfertigt ist. Enthebt Kant den Menschen aus seiner Souveränität? Verkennt er das menschliche Wesen?
Inhaltsübersicht
1 Einleitung
1.1 Kant – Persönlichkeit und Philosophie
1.2 Was soll ich tun? – oder die Frage danach, was der Mensch ist
2 Der Kategorische Imperativ
2.1 Der menschliche Wille – Das Gute erkennen
2.2 Der Kategorische Imperativ – Gültigkeit ohne Ziel und Absicht
2.3 Das Pflichtprinzip
3 Der praktische Imperativ
3.1 Zweck und Mittel – Person und Sache
3.2 Von Mensch zu Mensch
4 Abschließende Gedanken
5 Literaturverzeichnis
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmenden Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir. (…) Der erstere Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines tierischen Geschöpfs,(…)Der zweite erhebt dagegen meinen Wert, als einer Intelligenz, unendlich, durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart, wenigstens so viel sich aus der zweckmäßigen Bestimmung meines Daseins durch dieses Gesetz, welche nicht auf Bedingungen und Grenzen dieses Lebens eingeschränkt ist, sondern ins Unendliche geht, abnehmen läßt.“
[Kant: Kritik der praktischen Vernunft (vgl. Kant-W Bd. 7, S. 300)]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Auf den folgenden Seiten beschäftige ich mich mit dem vermutlich meistinterpretierten Konzept moralischer Orientierung: Dem Konzept der Kantischen Ethik, das den kategorischen Imperativ beinhaltet. Ich möchte zum Nachdenken anregen, wie und warum gerade Kant zu einer Ethik unter dem Primat der Vernunft findet und, noch grundsätzlicher, ob es keine Ethik ohne ein grundlegendes, kompatibles Menschenbild geben kann.
Kants Sicht auf den Menschen enthüllt sich in verschachtelten Sätzen, konstruiert bis in ihr letztes grammatikalisches Glied, gleichsam einer Sprache der reinen Vernunft. Und doch vergisst Kant nicht die Menschen, die er mit seinen Ansprüchen bedenkt. Er weiß um die Wirklichkeit ihrer Fähigkeiten, die neben dem Potential ihrer Möglichkeiten bestehen.
Aus diesem Grunde möchte ich zum Abschluss meiner Betrachtungen, deren Hauptteil eine Untersuchung über den kategorischen und den praktischen Imperativ darstellt, der Frage widmen, ob Butlers Kritik an Kant gerechtfertigt ist. Enthebt Kant den Menschen aus seiner Souveränität? Verkennt er das menschliche Wesen?
1.1 Kant – Persönlichkeit und Philosophie
Wenn wir einen Blick zurück auf das Leben des berühmten Königsbergers werfen, so helfen uns eine Reihe von Biographen dabei, das Wesen des Philosophen Kant kennen zu lernen.
Einem menschlichen Uhrwerk gleich, lebte er sein Leben in straffer Organisation und zeitlich exakt festgelegter Routine. Pflichtbewusst arbeitete er zu genau festgelegten Stunden und wurde so zum Fleisch gewordenen Wahrzeichen seiner eigenen Philosophie: Einer Philosophie der menschlichen Vernunft und der Pflicht.
Dem Schnelllebigkeit gewohnten Menschen mag Kants Leben nicht besonders spannend erscheinen, es ist arm an außergewöhnlichen Vorfällen, Ausschweifungen oder großen Ereignissen und es beschränkt sich rein geographisch auf das Gebiet um Königsberg, dennoch ist es aufgrund seines Ausnahmecharakters und der ihm heute anmutenden Skurrilität schon wieder interessant. Interessant auch, dass Kant mit der alles überragenden Regelmäßigkeit seines Lebenswandels seine Ziele erreicht hat: Er erhielt sich geistige und körperliche Gesundheit, erreichte ein hohes Alter und vollendete das, was er unter seiner Lebensarbeit verstand und von der ich in meiner Arbeit einen kleinen Teil beleuchten möchte: Die Kritik der praktischen Vernunft und, im besonderen, die Frage danach, was der Mensch tun soll. Kants Antwort auf diese Frage gibt er uns in zweifacher Ausfertigung an die Hand: Einmal in Form seines Lebenswandels und zum anderen, und dieser Fassung werde ich den Großteil meiner Zeilen widmen, in Form seines „Prinzip[s] der Sittlichkeit“.
1.2 Was soll ich tun? – oder die Frage danach, was der Mensch ist….
Die Frage „Was soll ich tun?“ kann niemand beantworten ohne eine Vorstellung davon zu haben, was dem menschlichen Dasein wesentliches Merkmal und Ziel ist oder sein sollte.
So hält der Hedonist den Menschen in erster Linie für ein sinnliches, lustvolles Wesen, das heißt, der Mensch ist glücklich, wenn er genießt und keinen Mangel an Genuss empfindet. Entsprechend erhebt die hedonistische Ethik den Genuss zum Prinzip des menschlichen Handelns.
Der Utilitarist möchte die Menschheit glücklich machen, indem er das Prinzip der Nützlichkeit zum Handlungsprinzip erhebt – dabei geht er über das Glück es Einzelnen hinaus und macht den Nutzwert einer Handlung am Glück möglichst vieler Menschen auf eine möglichst lange Zeit hin fest.
Beide Modelle philosophischer Ethik haben eines gemeinsam, das sie mit den meisten anderen Modellen teilen: Es geht letztlich darum, als Mensch Glückseligkeit zu erlangen.
Der Begriff der Glückseligkeit wird mit innerhalb der Geschichte der Philosophie mit allen erdenklichen Definitionen versehen. Wann ist der Mensch glücklich? Was macht den Menschen glücklich?
Beide Fragen führen zu einer gemeinsamen Ur-Frage: Was IST der Mensch? Welche Anlagen sind ihm wesentlich und führen zu einem „guten“ Leben?
Im Hinblick auf Kant könnte man vorschnell urteilen, auch er reihe sich in gewisser Weise in diese Reihe von Handlungsmodellen ein. Das Wesentliche am Menschen ist für Kant die Vernunft und entsprechend setzt er sie als gesetzgebende Instanz ein. Doch diese Art der Betrachtung trügt. Kant betont zwar die menschliche Vernunft, enthebt aber ihr Gesetz allen materialen Zwecken, so auch dem Zweck der menschlichen Glückseligkeit. In gewisser Weise begibt er sich damit auf eine Ebene oberhalb der Definitionen gelungenen menschlichen Daseins. Ob und warum alle Bestimmungsgründe menschlichen Handelns seinem Prinzip der Sittlichkeit untergeordnet sind, werde ich in den folgenden Ausführungen zu klären versuchen.
2. Der Kategorische Imperativ
2.1 Der menschliche Wille – Das Gute erkennen
Der Wille ist nach Kant die praktische Vernunft selbst, er ist eine Wirksamkeit des Intellekts, also das Werkzeug der Vernunft. Steht der Wille unter dem Einfluss sinnlicher Motive, so ist er im Kantischen Sinne nicht mehr frei, das heißt, der Wille muss, um frei zu sein, von allen Neigungen und Interessen, kurz materialen Motiven, unabhängig sein. In diesem Falle ist er auch dann, und dann erst recht als frei zu bezeichnen, wenn er sich der praktischen Vernunft entsprechend, den sittlichen Normen unterwirft.
Nachdem ich nun geklärt habe, was Kant unter dem Willen versteht, versuche ich nun den Begriff des „guten Willens“ zu klären.
Kant bezeichnet den Willen auch als „Vermögen, nur dasjenige zu wählen, was die Vernunft, unabhängig von der Neigung, als praktisch notwendig, d.i. als gut erkennt.“
Gut ist also, was als praktisch notwendig erkannt wird und deshalb unabhängig ist von oben erläuterten materialen Motiven. Da der Wille der Vernunft unterliegt, kann er erkennen, was „gut“ in diesem Kantischen Sinne ist.
Der Wille kann aber nicht nur das Gute erkennen, sondern er ist auch an sich gut, wenn er sich der Vernunft zum Werkzeug macht und sich so von allen anderen Zwecken entbindet.
Kant bezeichnet den Willen in diesem Zusammenhang auch als den „reinen Willen“, denn er ist unabhängig aus den eigenen Gesetzen der Vernunft heraus, aufgrund apriorischer Prinzipien:
„Der gute Wille ist durch seine Form, ohne Bezug auf Zwecke gut. Er hat absoluten Wert.“
(Eisler über den Willen, Kant Lexikon)
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- Citation du texte
- Nicole Geilen (Auteur), 2004, Die Kantische Ethik - Im Glauben an die Vernunft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30149
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