Das Wort vom Kreuz war den griechischen und jüdischen Zeitgenossen des Paulus ein Ärgernis und eine Torheit (1 Kor 1,23). Was könnte ärgerlicher und anstößiger sein, als die »Frohbotschaft« vom gekreuzigten Gott?
Bis in heutige Zeit hinein scheint sich das Wort vom Kreuz in innertheologischen Kontroversen einer dogmatischen oder moralistischen Engführung erfolgreich zu widersetzen. Unabhängig vom Streit um bestimmte Interpretamente des historischen Kreuzestodes Jesu möchte diese Arbeit das Wort vom Kreuz als eine Dynamik betrachten, die einer Dynamik zwischen Gott und Mensch entspricht. Daher liegt der Ausgangspunkt dieser Arbeit in Martin Luthers Kreuzestheologie, da diese versucht, mithilfe der Deutungskategorien von Kreuz und Auferstehung ein relationales Geschehen zwischen Gott und Mensch in Worte zu fassen. Das Wort vom Kreuz hat für Luther Verweischarakter und transzendiert in metaphorischer Sprache vorfindliche Wirklichkeit. Dabei liegt die Bedeutung des Wortes für Luther allein in seiner Relationalität begründet. Nur durch den kontingent entstehenden Glauben erhält das Wort vom Kreuz Bedeutsamkeit im Subjekt, weil es dann existenziell wird. Durch den Glauben nämlich wird eine Beziehung des Subjekts zu Gott möglich, die außersubjektiv konstituiert, aber mit der subjektiv erfahrbaren, durch das Kreuz deutbaren Lebenswirklichkeit untrennbar verbunden ist. Der Fokus dieser Arbeit liegt in der Untersuchung einer Möglichkeit, das Wort vom Kreuz im Sinne Luthers als existenzielles Deutungsmuster, als Schnittstelle zwischen Christologie und Anthropologie zu begreifen und zu artikulieren. Diese Möglichkeit liegt in Bachs Kantaten, die heutzutage allein schon in Leipzig wöchentlich bei vielen Menschen Gehör finden und in denen sich Luthers Kreuzestheologie in musikalischer Form niedergeschlagen hat. Womöglich vermag es Musik in besonderer Weise, die existenziellen Gehalte der Theologie Luther zu transportieren, da sie als kognitives und sinnliches Medium die anthropologische Ganzheitlichkeit des Glaubens bedient. Da Bachs Musik nicht nur Ausdruck, sondern auch Interpretation theologischer Inhalte darstellt, gilt es, eben diesen bestimmten Interpretationen in Wort und Ton nachzuspüren. Insofern wird zu fragen sein, ob und inwiefern wesentliche Aspekte der Kreuzestheologie Luthers in Bachs Kantaten nachweisbar sind.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Luthers theologia crucis
- Forschungsgeschichtliche Einführung
- Quellen und Grundzüge der theologia crucis Luthers
- Luthers Sünden- und Bußverständnis als Grundlage seiner theologia crucis
- Epistemologischer und anthropologischer Aspekt der theologia crucis
- Christologischer Aspekt der theologia crucis - Christus als exemplum und sacramentum
- „Eyn Sermon von der Betrachtung des heyligen leydens Christi“ – die Verknüpfung von Passionsbetrachtung und theologischer Anthropologie
- Glaube und Hoffnung als maßgebliche Korrelate innerhalb der theologia crucis
- Das Kreuz als Schnittstelle zwischen Christologie und Anthropologie in den Kantaten Johann Sebastian Bachs
- Ziel, Gegenstand und Grundlegung der Untersuchung
- >>Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu dir« - Buße in Bezug auf das Kreuz Christi
- >>Ärgre dich, o Seele, nicht«< - Die Offenbarung Gottes sub contrario specie
- »Die das Zeichen Jesu tragen«< - Christus als exemplum
- >>Christ lag in Todesbanden«< - Christus als sacramentum
- Kritische Würdigung und Ausblick
- Thesen
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Wort vom Kreuz als einer Dynamik zwischen Gott und Mensch, ausgehend von Martin Luthers Kreuzestheologie. Sie untersucht die Möglichkeit, das Wort vom Kreuz als existenzielles Deutungsmuster, als Schnittstelle zwischen Christologie und Anthropologie in Bachs Kantaten zu begreifen und zu artikulieren. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, ob und inwiefern wesentliche Aspekte der Kreuzestheologie Luthers in Bachs Kantaten nachweisbar sind.
- Die Bedeutung von Luthers Kreuzestheologie als relationales Geschehen zwischen Gott und Mensch
- Die Rolle des Wortes vom Kreuz als existenzielles Deutungsmuster
- Die Verbindung von Christologie und Anthropologie in Bachs Kantaten
- Die Untersuchung der Präsenz von Luthers Kreuzestheologie in Bachs musikalischer Umsetzung
- Die Relevanz von Bachs Kantaten als Ausdruck und Interpretation theologischer Inhalte
Zusammenfassung der Kapitel
- Vorwort: Das Vorwort stellt das Thema der Arbeit vor und erklärt die Bedeutung des Wortes vom Kreuz als Dynamik zwischen Gott und Mensch. Es betont die Bedeutung von Luthers Kreuzestheologie als Ausgangspunkt für die Untersuchung.
- 1 Luthers theologia crucis: Dieses Kapitel bietet eine Einführung in Luthers Kreuzestheologie, beleuchtet ihre Forschungsgeschichte, Quellen und Grundzüge. Es analysiert Luthers Sünden- und Bußverständnis, den epistemologischen und anthropologischen Aspekt der theologia crucis sowie den christologischen Aspekt, wobei Christus als exemplum und sacramentum betrachtet wird. Des Weiteren wird die Verknüpfung von Passionsbetrachtung und theologischer Anthropologie in Luthers Werk untersucht, sowie die Rolle von Glaube und Hoffnung innerhalb seiner theologia crucis.
- 2 Das Kreuz als Schnittstelle zwischen Christologie und Anthropologie in den Kantaten Johann Sebastian Bachs: Dieses Kapitel untersucht, wie Bachs Kantaten Luthers Kreuzestheologie in musikalischer Form darstellen. Es analysiert verschiedene Kantaten und beleuchtet, wie Bachs Musik den Dialog zwischen biblischen und dichterischen Texten und Luthers Theologie widerspiegelt. Es analysiert unter anderem Kantaten wie „Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu dir“, „Ärgre dich, o Seele, nicht“, „Die das Zeichen Jesu tragen“ und „Christ lag in Todesbanden“.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter dieser Arbeit sind Kreuzestheologie, theologia crucis, Martin Luther, Johann Sebastian Bach, Kantaten, Christologie, Anthropologie, Glaube, Hoffnung, Buße, Offenbarung, Christus als exemplum, Christus als sacramentum, Musik, Theologie, Liturgie.
- Citation du texte
- Clemens Schneider (Auteur), 2015, "Die das Zeichen Jesu tragen". Das Kreuz als Schnittstelle zwischen Christologie und Anthropologie in den Kantaten Johann Sebastian Bachs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301249