Auch heute sind es noch immer Frauen, die vorrangig die Verantwortung für die Kindeserziehung tragen, während Männern die Rolle des „Ernährers“ zugeschrieben wird. Durch diesen Umstand, der wohl aus den vermeintlich biologischen Unterschieden und den daraus folgenden naturalisierten Geschlechterkonstruktionen resultiert, ergeben sich in der Berufswelt, die sich an einem männlichen Normalarbeitsverhältnis orientiert, Benachteiligungen für Frauen.
Sie erfahren Zuschreibungen von Eigenschaften, Werten und Normen, die eine verminderte Leistungsfähigkeit suggerieren, und es wird angenommen, sie könnten bedingt aus familiären Gründen im Betrieb ausfallen. Einerseits herrscht noch immer die soziobiologische Vorstellung vom ‚weiblichen Geschlechtswesen’, die wiederum die Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt rechtfertigt und damit fortlaufend reproduziert. Andererseits wird den Frauen dann genau diese Zuständigkeit vorgehalten, z.B. sie seien eben dadurch nicht voll einsatz- und arbeitsfähig, flexibel etc. Aufgrund dieser Zuschreibungen haben es Frauen weitaus schwerer als Männer, sich in der Berufswelt zu bewähren und zu etablieren. Indikatoren dafür sind bspw. unterschiedliche Einkommen von Männern und Frauen für die gleiche Arbeit, das zeigt sich aber auch an der Anzahl von Führungspositionen, die durch Frauen bzw. Männer besetzt sind und an entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen, an denen Frauen in geringerem Maße partizipieren. Frauen sind im Allgemeinen benachteiligt. Sie sind also gewissermaßen gefangen in ihrem als weiblich markierten Körper, der damit verbundenen Idee vom ‚weiblichen Wesen’ und der daran gebundenen Zuständigkeit für die „Familienarbeit“.
Im Zuge der Recherche entwickelte ich die Hypothese, dass der Weg in die Selbstständigkeit eine Strategie ist, um geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt zu überwinden und Arbeits- und Familienleben besser zu vereinbaren; dass die Selbstständigkeit somit als ein weibliches Empowerment verstanden werden kann. Aus diesem Grunde bilden selbstständige Frauen, die in Berlin bzw. Brandenburg ihren Lebensmittelpunkt haben und zum Existenzgründungszeitpunkt schwanger waren oder Kinder im Alter von 0-6 Jahren hatten, den Untersuchungsgegenstand. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die Bedeutung und die Beweggründe für eine Selbstständigkeit und die ganz persönliche Sicht dieser Mütter auf Probleme der Vereinbarkeit ihrer beruflichen Tätigkeit mit ihrer Familie. [...]
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung in die Problemstellung
1.1 Forschungsmotiv und Erkenntnisinteresse
1.2 Ziel der Arbeit und Forschungsfragen
1.3 Vorgehen in der Arbeit
2 Geschlecht und Arbeit(smarkt)
2.1 Die Bedeutung von „Gender“
2.2 Arbeit und Familie
2.2.1 Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
2.2.2 Die geschlechtsspezifische Segregation auf dem Arbeitsmarkt
2.2.3 Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
2.3 Selbstständigkeit
2.3.1 Definition
2.3.2 Tendenzen
2.3.2.1 Quantitative Aspekte
2.3.2.2 Bildung
2.3.2.3 Geschlechtsspezifische Unterschiede
2.3.2.4 Alter
2.3.2.5 Selbstständigkeit von MigrantInnen
2.3.2.6 Selbstständigkeit und Familienstand
2.3.2.7 Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern
2.3.2.8 Förderung der Kultur der Selbstständigkeit
3 Theoretischer Zugang
3.1 Das Konzept des Arbeitskraftunternehmers (AKU)
3.1.1 Der Ausgangstext
3.1.2 Erweiterung und Differenzierung des Konzepts vom Arbeitskraftunternehm er..
3.1.3 Kritik am Konzept des Arbeitskraftunternehmers (AKU)
3.2 Das Motivationsmodell von Maslow
3.3 Zwischenfazit
4 Methodisches Vorgehen
4.1 Thesen
4.2 Analyserahmen
4.3 Qualitatives leitfadengestütztes Interview
4.4 Der Interviewleitfaden als Instrument qualitativer Befragungen
4.5 Auswahl der Interviewpartnerinnen
4.5.1 Selb stständige F rauen
4.5.2 Alter der Kinder zum Existenzgründungszeitpunkt 0-6
4.6 Zugang zum Forschungsfeld
4.7 Die Qualitative Inhaltsanalyse nach Cropley
5 Auswertung und Interpretation der empirischen Forschungsergebnisse
5.1 Vorstellung der Interviewpartnerinnen
5.1.1 Frau Z
5.1.2 Frau B
5.1.3 Frau A
5.1.4 Frau J
5.1.5 Frau S
5.1.6 Frau G
5.1.7 Frau W
5.2 Motive für die Selbstständigkeit: „Karriere, Selbstverwirklichung oder Broterwerb?“
5.3 Bedingungen für die Selbstständigkeit
5.3.1 Vorbilder
5.3.2 Existenzgründungskurse
5.3.3 Finanzierung
5.4 AKU
5.4.1 Eigenschaft des AKU: Selbstkontrolle
5.4.1.1 Berufszufriedenheit = Spaß bei der Arbeit
5.4.1.2.. Freude über Lob
5.4.1.3 Optimierungsprozesse
5.4.2 Eigenschaft des AKU: Selbstökonomisierung
5.4.2.1 Autonomiebestreben
5.4.2.2 Produktion der eigenen Arbeitskraft
5.4.2.2.1 Berufliche Netzwerke
5.4.2.2.2 Entwicklung von Fähigkeiten
5.4.2.3 Vermarktung der eigenen Arbeitskraft
5.4.2.3.1 Inszenierung persönlicher Qualifikationen und Erfahrungen
5.4.2.3.2 Unternehmerisches Denken und Handeln
5.4.2.3.3 Schwierigkeiten und Probleme/ Vorurteile und Diskriminierungen
5.4.2.3.4 Bewältigungsstrategien
5.4.2.3.5 Verantwortungsbewusstsein
5.4.3 Eigenschaft des AKU: Selbstrationalisierung
5.4.3.1 Praxis
5.4.3.1.1 Vereinbarkeit der Selbstständigkeit mit der Kinderbetreuung oder „Private und berufliche Zielvorstellungen: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“
5.4.3.1.2 Hausarbeits-Rationalität
5.4.3.2 Arbeitszeiten und Freizeiten
5.5 Ratschläge an andere Frauen, die sich selbstständig machen wollen
5.6 Wünsche und Verbesserungsvorschläge
5.6.1 Verbesserungsvorschläge für Selbstständige
5.6.2 Wünsche zur Verbesserung der Rolle der Frau
5.6.3 Verbesserungsvorschläge für ein familienfreundliches Deutschland
6 Fazit und Ausblick
7 Literaturverzeichnis
8 Anhang
8.1 Leitfaden
8.2 Transkriptionen
8.2.1 Interview 1: 05.11.2007: Frau G., Kindermöbel aus Zweiter Hand
8.2.2 Interview 2: 6.11.2007: Frau Z., Originalkunst für Kinder
8.2.3 Interview 3: 7.11.2007: Frau A., Rechtsanwältin
8.2.4 Interview 4: 8.11.2007: Frau B., Verlag
8.2.5 Interview 5: 9.11.2007: Frau W., Übersetzerin
8.2.6 Interview 6: 9.11.2007: Frau S., Inkasso-Büro
8.2.7 Interview 7: 15.11.2007: Frau J., Ergotherapeutin
8.3 Inhaltseinheiten, Kategorien und Konzepte
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung in die Problemstellung
Auch heute sind es noch immer Frauen, die vorrangig die Verantwortung für die Kindeserziehung tragen, während Männern die Rolle des „Ernährers“ zugeschrieben wird. Durch diesen Umstand, der wohl aus den vermeintlich biologischen Unterschieden und den daraus folgenden naturalisierten Geschlechterkonstruktionen resultiert, ergeben sich in der Berufswelt, die sich an einem männlichen Normalarbeitsverhältnis orientiert, Benachteiligungen für Frauen. Sie erfahren Zuschreibungen von Eigenschaften, Werten und Normen, die eine verminderte Leistungsfähigkeit suggerieren, und es wird angenommen, sie könnten bedingt aus familiären Gründen im Betrieb ausfallen. Einerseits herrscht noch immer die soziobiologische Vorstellung vom ,weiblichen Geschlechtswesen’, die wiederum die Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt rechtfertigt und damit fortlaufend reproduziert. Andererseits wird den Frauen dann genau diese Zuständigkeit vorgehalten, z.B. sie seien eben dadurch nicht voll einsatz- und arbeitsfähig, flexibel etc. Aufgrund dieser Zuschreibungen haben es Frauen weitaus schwerer als Männer, sich in der Berufswelt zu bewähren und zu etablieren. Indikatoren dafür sind bspw. unterschiedliche Einkommen von Männern und Frauen für die gleiche Arbeit, das zeigt sich aber auch an der Anzahl von Führungspositionen, die durch Frauen bzw. Männer besetzt sind und an entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen, an denen Frauen in geringerem Maße partizipieren. Frauen sind im Allgemeinen benachteiligt. Sie sind also gewissermaßen gefangen in ihrem als weiblich markierten Körper, der damit verbundenen Idee vom ,weiblichen Wesen’ und der daran gebundenen Zuständigkeit für die „Familienarbeit“.
Im Zuge der Recherche entwickelte ich die Hypothese, dass der Weg in die Selbstständigkeit eine Strategie ist, um geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt zu überwinden und Arbeits- und Familienleben besser zu vereinbaren; dass die Selbstständigkeit somit als ein weibliches Empowerment verstanden werden kann. Aus diesem Grunde bilden selbstständige Frauen, die in Berlin bzw. Brandenburg ihren Lebensmittelpunkt haben und zum Existenzgründungszeitpunkt schwanger waren oder Kinder im Alter von 0-6 Jahren hatten, den Untersuchungsgegenstand. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die Bedeutung und die Beweggründe für eine Selbstständigkeit und die ganz persönliche Sicht dieser Mütter auf Probleme der Vereinbarkeit ihrer beruflichen Tätigkeit mit ihrer Familie. Des Weiteren wird geklärt, in welchen Abhängigkeiten sich selbständige Frauen im Unterschied zu Frauen in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen sehen. Das Forschungsvorhaben widmet sich also der empirischen Untersuchung selbstständiger Frauen: Was motivierte diese Frauen, sich selbstständig zu machen, wie lassen sich Selbstständigkeit und Kindererziehung vereinbaren, wel-che Unterstützung erfahren die Frauen und mit welchen Problemen werden sie konfrontiert? Fokus der Arbeit stellen die Lebenszusammenhänge, Handlungsstrategien und Subjektkonstitutionen der Frauen dar: Ist der Weg in die Selbstständigkeit eine Chance und fördert die Erosion traditioneller Geschlechterrollen?
1.1 Forschungsmotiv und Erkenntnisinteresse
Untersucht werden soll, wie selbstständige Mütter ihren Tag strukturieren, um die Vereinbarkeit ihrer beruflichen Tätigkeit mit ihrer Familie bzw. ihrem/n Kind/ern zu regeln. Ihnen gilt nachfolgend die Aufmerksamkeit, da sie oft die Hauptverantwortung für Haushalt und Familie tragen, darüber hinaus aber häufig den Wunsch nach Erwerbsarbeit hegen und somit diese beiden Bereiche in Einklang bringen müssen. Ich verfolge in dieser Arbeit ein emanzipatori- sches Erkenntnisinteresse und befrage deshalb Mütter, da es im Zusammenhang mit Selbstständigkeit diesbezüglich kaum wissenschaftlich aussagekräftige Ergebnisse gibt. Durch den Ausschluss von Männern als Interviewpartner möchte ich jedoch nicht den Anschein erwecken, dass ausschließlich für Frauen dieses Thema von Bedeutung ist. Im Gegenteil - Väter sollten sich im gleichen Maße in die Kinderbetreuung und -erziehung einbringen (Stichwort: aktive Vaterschaft). Für zukünftige Forschungsarbeiten stellt die Befragung von Männern zu diesem Thema also ein relevantes Vorhaben dar und es bleibt die Frage zu klären, wie Arbeitsverhältnisse und -bedingungen sein sollten, um die Familienarbeit zwischen den Eltern zu teilen und damit mehr Egalität und Selbstbestimmung beider Geschlechter zu ermöglichen.
1.2 Ziel der Arbeit und Forschungsfragen
In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, weshalb sich Frauen mit kleinen Kindern im Alter von 0-6 Jahren selbstständig machen. Es soll eruiert werden, was die Motivation der Frauen ist, diesen Schritt zu gehen.
Ziel der Arbeit ist, Handlungsempfehlungen für politische Entscheiderinnen (z.B. Existenzgründungsprogramme, Kreditvermittlungen, aber auch für Arbeitsämter) zu generieren und ich werde den Frauen auch, als Expertinnen der Situation, die Frage danach stellen, welche Wünsche und/oder Verbesserungsvorschläge sie an die Politik richten, um die Vereinbarkeit von Selbstständigkeit und Kindern besser zu gestalten. Sollten sich bei der Beantwortung dieser Frage die Antworten zumindest teilweise decken, also überindividuell-gemeinsame Verbesserungs-/Lösungsvorschläge von den Frauen erbracht werden, wäre es vorstellbar, diese in Beratungsgesprächen bekannt zu machen und aus den gegebenen Antworten Vorschläge zur Novellierung einiger politischer Grundsätze, die sich mit Familie, Frauen und Arbeit (Rollen- und Machtverteilung), befassen, abzuleiten. Es geht also auch um die Frage, ob Selbstständigkeit tatsächlich dazu beiträgt, Geschlechterrollen aufzubrechen und wenn das der Fall ist, wie nach Meinung der Interviewpartnerinnen die Rahmenbedingungen für Selbstständigkeit verbessert werden können. Somit gebührt dieser Frage eine große Relevanz in der vorliegenden Untersuchung.
Zur Beantwortung dieser Fragen ist zu untersuchen, wie sich die Interviewpartnerinnen im bisherigen Verlauf ihrer Selbstständigkeit wahrnehmen und definieren, wie sie sich beschreiben und ihre Erfahrungen deuten und reflektieren. Daneben sollen ihre eigenen Repräsentationen im Zusammenhang mit Fremdzuschreibungen analysiert werden.
1.3 Vorgehen in der Arbeit
Um die oben angeführten Fragen beantworten zu können, werde ich im zweiten Kapitel zuerst den meiner Arbeit zugrunde liegenden Genderbegriff definieren (2.1), um dann die Arbeitsmarktsituation beleuchten zu können (2.2) und anhand von empirischen Befunden zeigen, wie sich die Verteilung von Männern und Frauen in der Selbstständigkeit darstellt (2.3).
Im dritten Kapitel werde ich meinen theoretischen Zugang erläutern, das Konzept des Arbeitskraftunternehmers (AKU) nach Voß und Pongratz (1998) und der (feministischen) Kritik daran (3.1). Da ich die Frage nach der Motivation von Frauen für die Selbstständigkeit anhand eines Modells aus der Psychologie von Abraham H. Maslow auswerten werde, stelle ich im Kapitel 3.2 dieses Motivationsmodell vor. Anschließend erfolgt ein Zwischenfazit, um die Verbindung zwischen der Theorie und meiner Forschung nachvollziehbar zu machen (3.3).
Im darauffolgenden Kapitel 4 stelle ich die meiner Arbeit zugrunde liegenden Thesen, den Analyserahmen und die für meine Arbeit angewandte Methode vor, für die die Erkenntnisse der theoretischen Einbettung des Themas in die wissenschaftliche Literatur als Basis dienen.
Darauf aufbauend schließen sich dann in Kapitel 5 die Auswertung und Interpretation der Forschungsergebnisse mit der Herstellung des Bezuges zwischen den Ergebnissen meiner Forschung und den zentralen Forschungsfragen an.
Im Schlusskapitel (Kapitel 6) werde ich die gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassen und daran anschließend einen Ausblick über weitere Forschungsansätze liefern.
2 Geschlecht und Arbeit(smarkt)
Im folgenden Kapitel wird der dieser Arbeit zugrundeliegende Genderbegriff definiert (2.1), um darauf aufbauend die Arbeits(markt)situation im allgemeinen (2.2) und im Besonderen die von Selbstständigen (2.3) wiedergeben zu können.
2.1 Die Bedeutung von „Gender“
Wie aus den bisherigen Ausführungen und durch das explizierte, dieser Arbeit zugrunde liegende, Erkenntnisinteresse ersichtlich wurde, ist für mich die Kategorie Gender eine übergeordnete. Darüber hinaus ist jedoch bei der Auswahl der Interviewpartnerinnen wichtig, weitere Interdependenzen abzudecken, der Analyse zugänglich zu machen und zu reflektieren. Es ist unübersehbar, dass Kategorien wie class, race, age, disability, sexual orientation etc. ausschlaggebend für Macht, Anerkennung und Verteilungsprozesse sind. Aus diesem Grunde versuche ich möglichst unterschiedliche Frauen für die Interviews zu gewinnen, was durch den Zugriff auf viele verschiedener Netzwerke für selbstständige Frauen erreicht werden soll. So besteht die Möglichkeit festzustellen, in welchem Maße und auf welche Weise die Frauen verschiedenen Benachteiligungen und Diskriminierungen unterliegen.
Ich verstehe Gender somit als soziale Strukturkategorie, als soziale Konstruktion (vgl. Glaser et al. 2004: 12), die jedoch nicht abgelöst von anderen strukturellen Kategorien betrachtet werden kann. Dabei bleibt Gender von zentraler Bedeutung für diese Arbeit, da hier „Widersprüche, Brüche und Konflikte innerhalb einer Geschlechtskategorie [...] untersucht werden.“ (Micus-Loos 2004: 123). Eine geschlechtsspezifische Analyse ist notwendig, „um geschlechtsspezifische Lebensumstände und strukturelle Ungleichheitsverhältnisse zu analysieren“ (Maihofer (1995)1, zitiert nach Micus-Loos 2004: 122). Ich versuche die Zweigeschlechtlichkeit, die meinem Genderbegriff zugrunde liegt, zu reflektieren und nicht „die tief verankerten zweigeschlechtlichen Traditionen fest- und fortzuschreiben“ (Prengel 2004: 95). Das bedeutet, dass ich gezielt von Frauen und Männern und von Müttern und Vätern spreche und somit die Zweigeschlechtlichkeit in gewisser Weise reproduziere; ich jedoch zwangsläufig auf diese Kategorien zurückgreifen muss, da Individuen gemäß dieser dichotomen Zuschreibungen verortet, bewertet und eben benachteiligt werden. Um diese Benachteiligungen und die damit verbundenen Lebenskonzepte und Biographien verstehen zu können, sehe ich keinen anderen Weg, als die Individuen, deren Identitäten Zwangszuschreibungen unterliegen, so zu benennen, wie sie erachtet werden und sich selbst erachten. Die kritische Reflek- tion des naturalisierten Konzeptes der binären Geschlechtswesen, das seinen Ausdruck und seine Reproduktion in Worten, Begriffen und Bezeichnungen findet, ist somit nicht Gegenstand meiner Arbeit, wobei ich an dieser Stelle auf eine kritische Stellungnahme nicht verzichten wollte. Das Motiv meiner Arbeit über selbstständige Frauen soll demnach nicht „der Geschlechterhierarchie verhaftet“, sondern „an einer Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse“ (ebd.: 99) orientiert sein. Das heißt, dass ich die Bedürfnisse der von mir interviewten Frauen nicht an männlich definierten Maßstäben messen will, sondern vielmehr darauf hinzuwirken versuche, „gleiche Rechte und Zugangsmöglichkeiten für differente Menschen und Gruppen [zu] fordern.“ (Micus-Loos 2004: 114).
Im nächsten Kapitel soll anhand der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung dargestellt werden, dass es ein soziales Ungleichheitsverhältnis zwischen Männern und Frauen gibt. Wichtig erscheint es mir, darauf hinzuweisen, dass die Verwendung des Begriffes ,Frauen’ in meiner Arbeit nicht als homogene Gruppe missverstanden werden sollte und damit nicht alle Differenzen nivelliert werden, sondern dass die Zugehörigkeit zur Genusgruppe ,Frau’ trotz aller Differenzen, möglichen Privilegierungen und Statusunterschiede dennoch eine umfassende Benachteiligung nach sich zieht und damit in gewisser Weise alle Angehörige dieser Gruppe erfasst, wenn auch in unterschiedlichem Maße.
2.2 Arbeit und Familie
Die diskriminierende Behandlung von Frauen in unserer Gesellschaft zeigt sich in verschiedenen Bereichen. Die hier für diese Arbeit relevanten Aspekte sollen im Folgenden kurz herausgearbeitet werden. Sie beziehen sich auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und beinhalten insofern die Benachteiligung von Frauen im Bereich der Erwerbsarbeit und die Zuständigkeit der Frauen für die Familie (Haushalt, Kinder).
2.2.1 Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
Aufgrund der biologisierten vermeintlichen Unterschiede und der damit verbundenen Fähigkeit von Frauen, Kinder gebären zu können, wird diese Fähigkeit zum Imperativ. Sie stellt sich als Eigenschaft der Genusgruppe Frau dar und als Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. Wegen dieser Zuschreibung werden Frauen als weniger für die Berufsrolle geeignet abqualifiziert.
Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung basiert zum großen Teil bis heute auf den patriarchalen Strukturen des 19. Jahrhunderts2, die den privaten vom öffentlichen Bereich geschlechtsabhängig voneinander trennte (vgl. Seeg 2000: 111). Frauen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor diejenigen, die vorrangig die Verantwortung für die Kindeserziehung und den Haushalt zu tragen haben und in beruflicher Hinsicht das Nachsehen haben. Während Frauen ohne Kinder in vergleichbar hohem Maß an der Erwerbsarbeit beteiligt sind wie Männer (vgl. Dressel et al. 2005: 306), ändert sich das mit der Geburt des ersten Kindes nachhaltig. Nach der Geburt eines Kindes ist es in der Regel die Frau bzw. Mutter, die zu Hause bleibt, während der Mann bzw. Vater des Kindes seiner Erwerbstätigkeit weiterhin, zumeist sogar in intensivierter Form, nachgeht (vgl. ebd.). Dabei wird die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die sich vor der Geburt des Kindes oft egalitärer darstellte (zumindest, wenn die Frau auch einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachging), reproduziert und das in verstärktem Maße (vgl. Sieverding 1992). Durch die zugewiesene Zuständigkeit der Frau und Mutter für die Kindeserziehung und den Haushalt verfällt sie in ökonomische Abhängigkeit vom Mann. Zudem kommt es durch die Erwerbsunterbrechung bei Geburt eines Kindes zum so genannten „Karriereknick“, was dazu führt, dass Mütter viel geringere Chancen auf höhere Positionen oder Führungsaufgaben und somit auf finanzielle Besserstellung haben (vgl. Dressel et al. 2005: 302).
Aufgrund fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen in Deutschland verzögert sich der Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf mitunter erheblich. Diese oft dreijährige Zwangspause begünstigt zusätzlich den „Karriereknick“ (vgl. ebd. 339). Dabei weisen verschiedene Studien darauf hin, dass Mütter (kleiner) Kinder durchaus einen Erwerbswunsch haben bzw. sofern sie eine Teilzeitstelle haben, diese zeitlich gerne ausweiten würden (vgl. u.a. Büchel/ Spieß 2002: 16)3. Oft gelingt ihnen der (Wieder-)Einstieg nur in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, die in der Regel mit schlechter Bezahlung und ungesicherten, kurzen, prekären Arbeitsverhältnissen usw. verbunden sind4.
Zeitbudgetstudien kommen zu dem Schluss, dass die tägliche Hausarbeit und die aufgewendete Zeit für die Kindererziehung geschlechtsgebunden stark variiert5. Bei einer Trennung oder Scheidung der Eltern verbleibt das Kind meistens bei der Mutter. Hier kommt die größere Verantwortung der Mutter zum Tragen.
Folge dieser geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ist die Entstehung eines geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktes (vgl. Beer 2001: 37), der sich zudem an einem männlichen Normalarbeitsverhältnis6 orientiert. Im Folgenden werde ich kurz auf diesen geschlechtsspezifischen Arbeitsmarkt eingehen.
2.2.2 Die geschlechtsspezifische Segregation auf dem Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarkt ist in doppelter Hinsicht geschlechtsspezifisch differenziert: zum einen horizontal und zum anderen vertikal. Unter horizontaler Segregation7 ist die fachliche Spezialisierung und Fächerwahl zu verstehen. So umfassen Männerberufe ein breites Spektrum, während Frauen vergleichsweise weniger Branchen offenstehen (Frauenberufe8 ). 54 % der jungen Frauen ergreifen von den rund 350 zur Verfügung stehenden Ausbildungsberufen nur zehn, die wiederum dem kaufmännischen Dienstleistungsbereich und dem Frisörhandwerk angehören (vgl. BMFSFJ 2006: 16). Ähnlich verhält es sich bei der Studienfachwahl: Frauen wählen am häufigsten Lehramtsstudiengänge, gefolgt von sprach- und kulturwissenschaftlichen Fächern. Dahingegen sind sie selten in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen anzutreffen, die von Männern dominiert werden (vgl. Fehrenbach et al.2003: 53).
Unter vertikaler Segregation9 wird die Männerdominanz in hierarchisch höheren Positionen verstanden, wohingegen Frauen überwiegend in den hierarchisch niedrigeren Positionen anzutreffen sind (geringer qualifizierte Tätigkeiten) (vgl. Beer 2001: 37, 45)10.
Obwohl junge Frauen heute höhere und bessere Schul- und Bildungsabschlüsse als junge Männer haben, sie die Hälfte aller Studierenden11 ausmachen und im Erwerbsbereich zu 40 % vertreten sind, haben sie auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen (vgl. Seeg 2000: 6): Ihre Entlohnung für die gleiche Arbeit beträgt 20 % weniger als die der Männer (vgl. z.B. Notz 2004a: 425), sie haben seltener Führungspositionen inne12 und partizipieren weniger häufig an entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen13.
Gründe für diese Benachteiligungen sind in Vorurteilen gegenüber Frauen zu sehen, die in „starker Wechselwirkung mit Rollen- und Verhaltensstereotypen [stehen]. Diese Vorurteile sind Symptom und Träger des hierarchischen Geschlechterverhältnisses, dem die traditionelle geschlechtsspezifische Aufgabenteilung zugrunde liegt“ (Seeg 2000: 8).
Jedoch ist die Erwerbsarbeit für Frauen und im Besonderen für Mütter zur Selbstverständlichkeit oder auch zur Notwendigkeit geworden14 und es muss beiden Elternteilen ermöglicht werden, Berufs- und Familienarbeit miteinander zu vereinbaren. Demnach müssen für sie Bedingungen geschaffen werden, die die Vereinbarkeit beider Bereiche miteinander gewährleisten.
Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Notwendigkeit besteht, die Erwerbstätigkeit und das Familienleben aufeinander abstimmen zu können. Da laut verschiedener Untersuchungen die Erwerbsarbeit in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen nur recht begrenzt den privaten Bedürfnissen angepasst werden kann15, „stellt die Abstimmung von Partnerschaft und Familie mit der Erwerbstätigkeit vor allem - jedoch nicht ausschließlich - für Frauen ein zentrales Problem dar.“ (Abraham 2006: 9). Auch Lemmermöhle (2004) hält fest, dass Frauen diesbezüglich in einer besonderen Pflicht zu stehen scheinen, wobei sie die Gründe für die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaft sieht (vgl. Lemmermöhle 2004: 239).
2.2.3 Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht, bezieht sich die Forschung zumeist auf abhängig erwerbstätige Personen. Sie werden als ,Normalfall’, als Regelfall postuliert. Dabei bleiben Selbstständige, „die zur Zeit in westlichen Industriegesellschaften etwa 10 % aller Erwerbstätigen ausmachen“ (Abraham 2006: 9), unbeachtet. Das erstaunt vor der Tatsache, dass Selbstständige mehr Kinder haben als abhängig Erwerbstätige (vgl. Notz 2004a: 425). Deshalb gilt ihnen im Folgenden die Aufmerksamkeit.
2.3 Selbstständigkeit
Es gibt einige Untersuchungen über Frauen in Führungspositionen16 oder abhängig erwerbstätige Frauen (mit Kindern)17, die sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur sind. Studien über selbstständige Frauen18 (mit Kindern) in Deutschland gibt es nur in sehr geringem Umfang und diese sind in der Regel quantitativ angelegt19. Sie sollen hier nicht rezipiert werden.
Deshalb geht es im Folgenden darum, zu zeigen, in welch unterschiedlichem Maß Männer und Frauen am Erwerbsleben in Form von Selbstständigkeit teilhaben. Um dies tun zu können, halte ich es für sinnvoll, zuerst zu definieren, was ich unter Selbstständigkeit fasse (2.3.1), um darauf aufbauend Daten und Fakten (2.3.2) heranziehen zu können.
2.3.1 Definition
In der Selbstständigenforschung existiert keine eindeutige Definition, was unter Selbstständigkeit zu verstehen ist. Darauf wurde u.a. bereits sowohl von Abraham (2006) als auch von Gather et al. (2008) hingewiesen: So berücksichtigen Statistiken und Datenquellen Selbstständige nach unterschiedlichen Kriterien: einige differenzieren nicht nach Geschlecht; andere, die das tun, berücksichtigen nur Einzelunternehmerinnen; der Mikrozensus bezieht alle Frei- beruflerInnen20 mit ein und wird dadurch von der Forschungsliteratur als überhöhte Datenquelle eingeschätzt. In einigen Statistiken bleiben Teilzeit-Selbstständige (Zuarbeit, Nebenverdienst) unberücksichtigt, andere zählen Selbstständige, die zwei oder mehr Unternehmen haben, dementsprechend oft statt nur einmal (vgl. Gather et al. 2008). Als ungefähre Richtlinie kann gelten, dass es, gemessen an allen Erwerbstätigen in Deutschland, ungefähr 10 % Selbstständige gibt (vgl. Abraham 2006: 9).
Für meine Definition von Selbstständigkeit sind folgende Kriterien relevant:
- Die Selbstständigkeit kann sowohl als Teilzeit- als auch als Vollzeittätigkeit ausgeführt werden.
- Die selbstständigen Frauen können sowohl allein selbstständig sein als auch Beschäftigte haben. Dabei ist nur darauf zu achten, dass die Anzahl der Angestellten im Bereich der Klein- und Mittelgroßen Unternehmen bleibt und nicht darüber liegt.
- Die selbstständigen Frauen müssen einen eigenen festen Unternehmenssitz haben, der aber auch ihr eigenes zu Hause sein kann. Ausgeschlossen werden sollen durch dieses Kriterium nur diejenigen, die an ständig wechselnden Orten arbeiten. Das heißt, dass ich auch diejenigen unter Selbstständige fasse, die freiberuflich tätig sind, dabei müssen sie jedoch „immobil“ (Abraham 2006: 147) sein21.
Aufgrund des Definitionsproblems und der Tatsache, dass sich die für mich relevanten Kriterien in keiner Datenquelle genauso wiederfinden lassen, kann ich im Folgenden keine quantitativ untermauerten Statistiken über Selbstständige vorlegen, sondern lediglich Tendenzen aufzeigen. Meine Untersuchung bezieht „sich nicht auf eine eindeutig definierte, von den Probanden repräsentierte Grundgesamtheit, bei der Befunde gelten sollen, sondern auf spezielle Fälle (Akteure [...]), die mit dem Untersuchungsgegenstand vertraut sind.“ (Cropley 2005: 81). Für mich ist also entscheidend, dass meine Interviewpartnerinnen über den Gegenstand Selbstständigkeit und Vereinbarkeit mit Familie informiert sind und die oben aufgestellten Kriterien erfüllen.
2.3.2 Tendenzen
2.3.2.1 Quantitative Aspekte
22 Die Zahl selbstständiger Frauen ist in den letzten Jahren stärker angestiegen23 als die der selbstständigen Männer. Das liegt u.a. daran, dass sich ein Wandel von einer industriell ge-prägten hin zu einer mehr wissensorientierten Wirtschaft entwickelt hat. Dabei sind Frauen jedoch immer noch als Gründerinnen unterrepräsentiert. Ihre Zahl ist nur etwa halb so hoch wie die der Männer (vgl. Leicht 2003: 238)24. Somit hat der Anstieg bislang kaum zu einer Verminderung des so genannten gender gaps in der Selbstständigkeit geführt.
2.3.2.2 Bildung
Gather et al. (2008) weisen darauf hin, dass selbstständige Frauen über ein durchschnittlich höheres Ausbildungsniveau verfügen. Sie haben sowohl auf der Ebene des höchsten Schulabschlusses als auch des höchsten Ausbildungsabschlusses höhere Abschlüsse erreicht als abhängig erwerbstätige Frauen. Darüber hinaus verfügen sie auch über ein durchschnittlich etwas höheres Bildungsniveau als selbstständige Männer, wobei unter den Selbstständigen insgesamt (also Männer und Frauen) besonders viele AkademikerInnen zu finden sind (vgl. Gather et al. 2008: 14, 30f.). Der Befund deckt sich mit dem von Betzelt/ Fachinger (2004), die Selbstständigen insgesamt ebenfalls ein höheres Qualifikationsniveau zuschreiben als Angestellten oder ArbeiterInnen, wobei sie allerdings keine Differenzierung nach Geschlecht vornehmen (vgl. Betzelt/ Fachinger 2004: 322).
2.3.2.3 Geschlechtsspezifische Unterschiede
25 Frauen gründen im Vergleich zu Männern eher Kleinbetriebe, wählen die Einzelselbstständig- keit26, tätigen Gründungen im Zuerwerb und/oder in Teilzeit27 und arbeiten häufiger als Männer von zu Hause aus28. Hauptsächlich gründen Frauen im Dienstleistungsbereich29 (vgl.BMFSFJ 2007), der von Kreibich et al. als „der treibende Bereich moderner Volkswirtschaften“ bezeichnet wird (Kreibich et al. 2004: 1). Kuhlmann/ Betzelt weisen darauf hin, dass besonders der wissensbasierte und personenbezogene Dienstleistungsbereich für Frauen ein bevorzugtes Erwerbsfeld eröffnet und entsprechend häufig von ihnen in Anspruch genommen wird. Dadurch sei es möglich, Veränderungen des traditionellen Geschlechterverhältnisses zu bewirken (vgl. Kuhlmann/ Betzelt 2003: 8). Dieser Dienstleistungsbereich eröffne darüber hinaus besonders für hochqualifizierte Frauen Karrierechancen, speziell innerhalb der Soloselbstständigkeit (vgl. ebd.: 10). Männer hingegen gründen häufiger als Frauen in den Ferti- gungs- und technischen Berufen sowie im Handwerk (vgl. Lauxen-Ulbrich/ Leicht 2005: 47f).
Bei Existenzgründungen benötigen Frauen gar kein oder zumindest weniger Eigenkapital als Männer (vgl. BMFSFJ 2007). Dabei drängt sich mir allerdings die Frage auf, ob Frauen tatsächlich weniger Geld benötigen oder ob sie nicht einfach nur weniger Geld haben und sich deshalb gleich für eine Existenzgründung in einem Bereich entscheiden, in dem ein geringeres Startkapital von Nöten ist; der kausale Zusammenhang scheint nicht eindeutig geklärt. Sie haben weniger Netzwerk- und Geschäftskontakte30, Berufserfahrung und betriebswirtschaftliche Kenntnisse etc. Gründe dafür werden darin gesehen, dass geschlechtsspezifische Stereotype und gesellschaftliche Werthaltungen das Berufswahlverhalten, die Gründungsbereitschaft und das Gründungsverhalten beeinflussen sowie die traditionellen Rollenbilder und sozialpolitischen Regelungen (vgl. ebd.).
Frauen sowie Männer gründen am häufigsten aus der abhängigen Beschäftigung heraus. Nur sehr wenige GründerInnen sind vor der Gründung StudentIn bzw. SchülerIn oder arbeitslos bzw. arbeitssuchend. Allerdings sind Frauen häufiger als Männer vor der Gründung nichterwerbstätig31. Wenn die Gruppe der Gründerinnen mit Kleinkindern bis zu 6 Jahren für sich betrachtet wird, wird das besonders deutlich: die Hälfte aller neu in die Selbständigkeit eingetretenen Mütter mit jüngeren Kindern ist zuvor nicht erwerbstätig und die meisten sind zuvor als Hausfrau tätig. Diese Angaben müssen in Anbetracht geringer Fallzahlen allerdings sehr kritisch bewertet werden (vgl. Lauxen-Ulbrich/ Leicht 2003: 35 und Lauxen-Ulbrich/ Leicht 2005: 41).
2.3.2.4 Alter
In Bezug auf das Alter lassen sich keine geschlechtsspezifischen Differenzen feststellen. So sind sowohl Männer als auch Frauen zum Existenzgründungszeitpunkt zu etwa einem Drittel zwischen 35 und 44, ein weiteres Drittel zwischen 45 und 54 Jahren alt. Nur sehr wenige sind zur Aufnahme einer Selbstständigkeit unter 35 bzw. über 55 Jahren alt (vgl. Lauxen-Ulbrich/ Leicht 2005: 73f.).
2.3.2.5 Selbstständigkeit von MigrantInnen
In Deutschland ist auch die Quote von Frauen mit Migrationshintergrund, die sich selbstständig machen, kontinuierlich gestiegen. Die Gründungsneigung liegt über der der deutschen Frauen, gleichzeitig aber unter der von (migrierten) Männern (vgl. BMFSFJ 2007: 41, Lauxen-Ulbrich/ Leicht 2005: 79)32. Frauen mit Migrationshintergrund stehen laut BMFSFJ 2007 vor größeren Barrieren als deutsche Frauen: die Anerkennung ihrer Bildungsabschlüsse aus dem Herkunftsland erweist sich als schwierig, es könnten Sprachdefizite oder ein traditionell bedingtes Rollenverständnis als Barrieren auftauchen, sie haben nur eine geringe Kenntnis über Förderprogramme und größere Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Finanzmitteln (vgl. BMFSFJ 2007: 42). Diese Aussagen lassen MigrantInnen als unwissend, kommunikativ eingeschränkt, uninformiert und nicht genug assimiliert erscheinen, was jedoch vor dem Hintergrund verwundert, dass sie häufiger als Deutsche eine Existenz gründen. Deshalb sind die Angaben des BMFSFJ differenziert zu betrachten, da sie durchaus vorurteilsbehaftet sein könnten. Als Erklärungsmuster dient evt. auch eine Konstruktion von Anderssein, die bestimmten Gruppen spezielle Fähigkeiten zu- oder abspricht.
2.3.2.6 Selbstständigkeit und Familienstand
Gather et al. (2008) konstatieren, dass soloselbstständige Frauen aus Berlin, deutlich häufiger als andere Frauen ohne Partner leben und keine Kinder haben. Außerdem stellen sie fest, dass selbstständig erwerbstätige Frauen mit Beschäftigten ebenfalls häufig keine Kinder haben, dabei jedoch überdurchschnittlich häufig mit einem Partner zusammen leben (vgl. Gather et al.2008: 31). Werdende Selbstständige sind hingegen, und das gilt für Männer und Frauen, mehrheitlich verheiratet (vgl. Piorkowsky/ Fleißig 2006: 24). Ob dieser Zusammenhang zwischen Selbstständigkeit und einer hohen Scheidungsrate ein Berlin-Spezifikum ist, lässt sich mithilfe der Literatur nicht belegen.
Für Gesamtdeutschland gilt: Unter den selbstständigen Frauen sind etwa zwei Drittel verheiratet, bei den Männern sind es geringfügig mehr (vgl. Lauxen-Ulbrich/ Leicht 2005: 74).
Beim Vorhandensein von Kindern unterscheiden Gather et al. die Frauen in die Kategorien Soloselbstständige, Selbstständige mit Beschäftigten und abhängig Erwerbstätige. Sie halten fest, dass auf Grundlage von Berechnungen des Mikrozensus 2005 die größten Differenzen beim Vorhandensein kleiner Kinder unter drei Jahren festzustellen sind:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Erwerbstätigkeit und Kinder unter 3 oder 18 Jahren im Haushalt (in Prozent), übernommen von Gather et al. (2008): 22.
Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass selbstständig erwerbstätige Frauen mit Beschäftigten am wenigsten Kleinkinder in ihrem Haushalt haben (3,2 %). Soloselbstständige Frauen hingegen haben zu 6 %o Kinder unter drei Jahren (vgl. Gather et al. 2008: 22). Nach Gather et al. könnte dieser Befund damit erklärt werden, dass die allein selbstständigen Frauen es am leichtesten haben, ihre Zeit frei einzuteilen: Möglicherweise wählen sie die Selbstständigkeit, um zeitlich flexibler auf die Bedürfnisse ihrer Kleinkinder eingehen zu können (vgl. ebd.: 23). Leicht (2003) hält spezifizierend fest, dass „[e]twa die Hälfte aller selbstständigen Frauen mit Kindern unter 6 Jahren [Teilzeit arbeiten]“ (250), wobei alleinerziehende Frauen eine Ausnahme bilden, da sie auf ein entsprechendes Einkommen und daher auf höhere Arbeitszeiten angewiesen sind (vgl. Leicht 2003: 250). Lauxen-Ulbrich und Leicht (2003) weisen außerdem darauf hin, dass selbständige Mütter (sowie Gründerinnen mit Kindern) immer noch mehr Zeit in die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit investieren als abhängig beschäftigte Mütter.
Zusammenfassend lässt sich aus obiger Tabelle ableiten, dass selbstständige Frauen mehr Kinder haben als abhängig erwerbstätige Frauen (9,2 %o zu 5,2 %o bei unter drei-jährigen).
Dieser Befund wird auch durch andere Studien bestätigt33. Als ein möglicher Grund dafür könnten die Opportunitätskosten34 angeführt werden, die sich durch die zeitliche Flexibilität und Unabhängigkeit von Vorgesetzten in der Selbstständigkeit verringern dürften, da ein früherer Einstieg in den Beruf möglich ist (sofern Kinderbetreuung vorhanden ist), der darüber hinaus besser mit der Arbeit von zu Hause aus umgesetzt werden kann.
2.3.2.7 Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern
In Ostdeutschland scheint, Lauxen-Ulbrich/ Leicht (2005) zufolge, selbstständige Erwerbsarbeit als Alternative zur Arbeitslosigkeit eine besonders große Bedeutung zuzukommen. Dabei finden sich jedoch auch hier die bekannten Differenzen in der Anzahl an den Selbstständigen im Vergleich zwischen Frauen und Männern wieder. Die Quote ostdeutscher selbstständiger Männer liegt in etwa doppelt so hoch wie die der ostdeutschen selbstständigen Frauen (vgl. Lauxen-Ulbrich/ Leicht 2005: 57). Präzisierend halten Lauxen-Ulbrich/ Leicht (2005) fest, dass in allen Bundesländern Frauen in der Selbstständigkeit unterrepräsentiert sind (vgl. ebd.). Im Westteil Deutschlands schneiden die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bremen mit einem geringen Frauenanteil an den Selbstständigen besonders schlecht ab, während in Hamburg und Berlin35 der Frauenanteil an allen Selbstständigen mit 32 % am höchsten ist (vgl. ebd.). Im Ostteil Deutschlands hingegen ist ein insgesamt höherer Frauenanteil an Selbstständigen zu verzeichnen, wobei die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mit einem Frauenanteil von 34 % bzw. 33 % am „besten“ abschneiden (vgl. ebd.). Gründe für das Ost-West-Gefälle bei der Selbstständigenquote können darin gesehen werden, dass im Ostteil nach der Wiedervereinigung aufgrund wirtschaftlicher Umstrukturierungen die Arbeitslosen-quote, besonders die der Frauen, dramatisch stieg und insgesamt ostdeutsche Frauen eine stärkere Erwerbsneigung aufweisen als westdeutsche Frauen (vgl. ebd.: 60f.).
2.3.2.8 Förderung der Kultur der Selbstständigkeit
Um die Kultur der Selbstständigkeit zu fördern, gibt es mittlerweile verschiedene Projekte, Programme und Wettbewerbe, die bereits SchülerInnen und Studierende für die Selbstständigkeit begeistern und informieren sollen36 (vgl. BMFSFJ 2007: 18ff.). Außerdem gibt es verschiedene Gründungsberatungsstellen37, so zum Beispiel die bundesweite Gründerinnenagentur (bga)38, die zusammen vom BMBF, BMFSFJ und BMWi gefördert wird. Die bga unterstützt Frauen, informiert und berät zu allen Phasen der Unternehmensgründung, -festigung und -nachfolge etc. (vgl. ebd.: 22). Daneben sind auch der Gründerservice Deutschland, das BMWi-Existenzgründungsportal39, das Portal Frau und Beruf und auch, speziell für Berlinerinnen der Verein Weiberwirtschaft e.V. neben vielen anderen als AnsprechpartnerInnen und Anlaufstellen zu nennen. Weiterhin können Mentoring-Programme bei dem Weg in die Selbstständigkeit hilfreich sein (z.B. TWIN-Two Women Win der Käthe-Ahlmann-Stiftung40 ) (vgl. ebd.: 23ff.).
All diese Netzwerke unterstützen gründungswillige Menschen bei der Beantwortung von Fragen, z.B. zur Finanzierung41, zur Rechtsform eines Unternehmens etc.
3 Theoretischer Zugang
Die zwei zentralen Hintergründe der vorliegenden Arbeit stellen das Konzept des Arbeitskraftunternehmers (3.1) und ein Motivationsmodell aus der Psychologie (3.2) dar. Auf diese werde ich in diesem Kapitel Bezug nehmen.
Das Konzept des Arbeitskraftunternehmers erscheint mir für meine Fragestellung als besonders geeignet, da es die Subjektivierung und Entgrenzung von Arbeit sowie das Verhältnis von Arbeit und Leben in den Fokus nimmt, was für mein Untersuchungsvorhaben grundlegend wichtig ist. Andere Konzepte blenden den privaten Bereich der Nicht-Erwerbstätigkeit systematisch aus. Es wird sich zeigen, dass das Konzept dennoch verschiedene Begrenzungen aufweist, die sich jedoch durch diese Untersuchung möglicherweise ausweiten lassen. Für das Konzept ist damit evt. eine inhaltliche Erweiterung denkbar oder aber im Gegenteil, eine empirische Stützung, da durch meine Untersuchung bereits bestehende Annahmen und Grenzen ihre Bestätigung finden. Welche dieser Alternativen erklärungskräftiger ist, wird sich erst am Ende der vorliegenden Arbeit zeigen.
Ein Modell zur Motivation aus der Psychologie heranzuziehen, um die Motive der befragten Frauen für die Selbstständigkeit aufzuspüren, halte ich für sinnvoll, da die Psychologie dazu befähigt, auch unbewusste Motive an die Oberfläche zu bringen und sich somit unter Umständen tiefer liegende Gründe für diesen Schritt auffinden lassen.
3.1 Das Konzept des Arbeitskraftunternehmers (AKU)
Im Folgenden werde ich kurz den Ausgangstext von Voß und Pongratz (1998), der die Grundlage für die AKU-These bildet, vorstellen (3.1.1), danach Erweiterungen und Differenzierungen des Konzeptes aufzeigen (3.1.2) und im Anschluss die bereits geübte Kritik daran darstellen, die u.a. das Konzept um Selbstständigkeit erweitert (3.1.3).
3.1.1 Der Ausgangstext
Das Konzept des AKUs wurde 1998 von den Soziologen Günter Voß und Hans Pongratz vorgeschlagen und postuliert eine generelle Veränderung in der Vergesellschaftung von Arbeitskraft. Dabei stehen in diesem Ansatz Erwerbsarbeit und Leben in einem systematischen Zusammenhang und die These einer Entgrenzung von Arbeit hat einen zentralen Stellenwert.
Verortet wird der AKU in der Zeit des Postfordismus42, die durch Unsicherheiten, Risiken, Bereitschaft zur Flexibilität und Mobilität (vgl. Volpert 2002: 264f.) charakterisiert ist. Der AKU stellt eine neue „Grundform der gesellschaftlichen Verfassung von Arbeitskraft“ (Voß/ Pongratz 1998: 148) dar und ist somit in Ergänzung zum bis heute (noch) dominierenden Typus des „verberuflichte[n] Arbeitnehmer^]“43 (ebd.: 132) zu verstehen, der in die Zeit des Fordismus einzuordnen ist und dem wiederum der Typus des „proletarisierten Lohnarbeiters“44 zur Zeit der Frühindustrialisierung vorausging (vgl. ebd.: 147). Der von Voß/ Pongratz (1998) ins Leben gerufene AKU stellt einen Idealtypus45 dar und ihm werden Eigenschaften zugesprochen, die in der postfordistischen Zeit gefordert sind, nämlich:
[...]
1 Maihofer, Andrea (1995): Geschlecht als Existenzweise. Frankfurt/a. M.: Helmer.
2 Einen historischen Abriss über die Herausbildung der „Geschlechtscharaktere“ hat Hausen (1976) vorgelegt.
3 Zu detaillierten Ost-West-Unterschieden siehe ebenfalls Büchel/ Spieß 2002.
4 Vgl. Heeg 1998: http://www.nadir.org/na dir/archiv/Feminismus/GenderKiller/gender_10.html, letzter Zugriff: 24.04.2008.
5 BMFSFJ (2003): Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverwendung der Bevölkerung in Deutschland 2001/02. Bonn, Wiesbaden: Broschüre: 14, 22).
6 Normalarbeitsverhältnis meint, dass die Beschäftigung die einzige Einkommens- und Versorgungsquelle ist, sie wird in Vollzeit verrichtet, das Arbeitsverhältnis ist unbefristet und flankiert von tariflichen und rechtlichen Normen, die Vertragsbedingungen und soziale Sicherung regeln (vgl. Dressel 2005: 101). Siehe hierzu auch detaillierter Bosch (2002: 108-112), der auch noch einmal besonders betont, dass das Normalarbeitsverhältnis hauptsächlich für männliche Alleinverdiener Gültigkeit besitzt (110). Weiterhin betont Bosch, dass sich das Normalarbeitsverhältnis nicht nur, wie zumeist angenommen, aufgrund paternalistischer Verhältnisse entwickelte, sondern auch ein Wohlstandsphänomen darstellt (111).
7 Dazu ausführlicher: siehe Dressel 2005: 134-138.
8 Als Frauenberufe gelten diejenigen Berufe, „in denen der Frauenanteil mehr als 15 %-Punkte über demjenigen Anteil liegt, den Frauen insgesamt an allen Erwerbstätigen einnehmen“. Zu den „Frauenberufen“ gehören beispielsweise „Sprechstundenhelferin, Sekretärin, Kinderpflegerin, Textilnäherin sowie hauswirtschaftliche Gehilfin. Als Männerberufe gelten dementsprechend solche, in denen der Frauenanteil mehr als 15 %-Punkte unter dem durchschnittlichen Erwerbstätigenanteil von Frauen liegt“. Dazu zählen Berufe wie „Berufsfeuerwehrleute, Kapitäne, Tiefbauberufe, Klempner, Dachdecker, Maurer, Ingenieure, Unternehmensberater [...]“ (Lauxen-Ulb- rich/ Leicht 2005: 66).
9 Dazu ausführlicher: siehe Dressel 2005: 139-145.
10 Dazu auch: glass ceiling-Phänomen (gläserne Decke).
11 Die Fächerwahl von Frauen folgt weiterhin traditionellen Mustern. So dominieren Frauen in den Geisteswissenschaften, besonders in sprachwissenschaftlichen Studiengängen, während sie in Ingenieurswissenschaften und Naturwissenschaften nur gering vertreten sind (vgl. BMFSFJ 2006: 18).
12 In Deutschland sind laut Seeg (2000) nur etwa 3-5 % der Macht- und Führungspositionen von Frauen besetzt (Seeg 2000: 6).
13 Beer (2001) erklärt die geringere Teilnahme von Frauen an Weiterbildungsmaßnahmen damit, dass bei ihnen die Fluktuationswahrscheinlichkeit aufgrund familiärer Bindungen höher ist als bei Männern und deshalb weniger in sie und ihre (Weiter-)Qualifikation investiert wird. Männer hingegen werden durch Weiterbildungsmaßnahmen an das Unternehmen gebunden (vgl. Beer 2001: 20).
14 Brüderl (1992) weist darauf hin, dass die verstärkte Teilnahme von Frauen an der Berufstätigkeit nicht aufgrund ökonomischer Zwänge erfolgt(e), sondern vor allem aufgrund intrinsischer Berufsmotivation.
15 So zum Beispiel Abraham (2006), der aufgrund empirischer Ergebnisse festhält, dass die „berufliche Selbstständigkeit in höherem Maße als abhängige Erwerbstätigkeit mit der Partnerschaft und Familie verknüpft werden kann“ (Abraham 2006: 11).
16 So z.B. Seeg (2000).
17 Hierunter fällt z.B. die Studie von Gliedner-Simon/ Jansen (1995), die zwar auch Nicht-Erwerbstätige in ihrem Sample hatten, aber doch einen starken Fokus auf erwerbstätige Männer und besonders Frauen legten.
18 Dazu zählt z.B. die empirische Studie von Bannuscher/ Wahl (2000), die auch qualitativ angelegt ist, jedoch nicht die Situation von selbstständigen Müttern betrachtet.
19 Dies stellt auch schon Abraham (2006: 6) heraus.
20 Freiberuflerlnnen gehören einer Berufsgruppe an, die sich dadurch auszeichnet, dass die selbstständige (wie auch abhängige) Berufsausübung an eine formale Qualifikation gebunden ist (vgl. Abraham 2006: 75).
21 Aufgrund dieser zugrunde gelegten Kriterien wird deutlich, dass es für meine Fragestellung irrelevant ist, welcher Rechtsform die selbstständigen Frauen zuzuordnen sind. Ebenso ist es nicht nötig, Einschränkungen vorzunehmen, was den Zu- oder Nebenerwerb anbelangt. Ich beschränke mich auch nicht auf bestimmte Branchen.
22 Siehe hierzu auch die Studie von Dangel et al. (2006), die Genderaspekte in der Existenzgründung und Selbstständigkeit untersuchen und dabei auch einen Vergleich zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern anstellen.
23 Der Mikrozensus 2005 weist die Zahl selbstständig erwerbstätiger Frauen in Berlin mit 79.537 aus. Davon waren 77 % allein selbständig und 23 % mit Mitarbeiterinnen. Für das Jahr 1996 wurde die Anzahl der selbstständigen Frauen mit 53.325 angegeben, davon 63 % als allein Selbständige und 37 % als Arbeitgeberinnen (vgl. Gather et al. 2008: 29).
24 Lauxen-Ulbrich/Leicht (2005) identifizieren auf Grundlage des Mikrozensus für das Jahr 2000 ca. 1 Million selbstständige Frauen und 2,6 Millionen selbstständige Männer in Deutschland (vgl. Lauxen-Ulbrich/Leicht 2005: 39). Hier stellt sich die Differenz zwischen männlichen und weiblichen Gründerinnen noch größer dar.
25 Siehe dazu auch Piorkowsky (2002: 9, 20).
26 Auch Soloselbstständigkeit genannt oder Mikrounternehmen. Sie decken alle Unternehmensfunktionen ab: Werbung und Akquisition, Planung und Leistungserstellung, Buchführung und Bilanzierung, Strategie- und Produktentwicklung (vgl. Beer 2004).
27 Unter ihnen befinden sich besonders häufig Mütter kleiner Kinder (0-6 Jahre: 38 %, 6-10 Jahre: 33 %) (vgl. Lauxen-Ulbrich/ Leicht 2005: 82).
28 Familiäre Verpflichtungen können für diese Situation als möglicher Grund angesehen werden (vgl. Dressel 2005: 149). Stichwort: Work-Life-Balance.
29 gesundheitliche (ÄrztInnen und ApothekerInnen) und künstlerische Dienstleistungen (Foto, Kunst) (vgl. ebd.). Aufgrund der starken Beteiligung von Frauen im Dienstleistungsbereich ist auch in der Selbstständigkeit folglich von einer horizontalen Segregation zu sprechen (vgl. Dressel 2005: 147).
30 Viele Untersuchungen weisen darauf hin, dass besonders Soloselbstständige auf Kooperationen angewiesen sind, um Erfolg haben zu können. Mithilfe von Unterstützungsnetzwerken können sie umfangreichere Aufträge bearbeiten, Marktinformationen austauschen, sich fachlich weiterbilden etc. (vgl. z.B. Beer 2004).
31 Nicht erwerbstätig meint im Unterschied zu arbeitslos bzw. arbeitssuchend, dass diese Menschen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung standen bzw. stehen wollten.
32 Gather et al. (2008) weisen darauf hin, „dass Frauen anderer Nationalitäten im Vergleich zu Frauen mit deutscher Nationalität häufiger selbstständig erwerbstätig sind (17,2 % gegenüber 10,7 %).“ (28f.). Ein möglicher Grund, dem ich in vorliegender Arbeit jedoch nicht weiter nachgehen kann, könnte die (nicht anstrebenswerte) Alternative der Arbeitslosigkeit darstellen oder aber auch ein geringeres Einkommen in abhängiger Beschäftigung als Deutsche.
33 Dass Selbstständigkeit mit einer höheren Kinderanzahl einhergeht als die abhängige Beschäftigung, unterstreicht auch Abraham (2006). Bischoff (www.frau-und-arbeit.de/angebot/existenzgruendung/gruenderinnen_re den/sbischoff.html.) macht es noch deutlicher: „Frauen, die selbstständig sind, haben deutlich häufiger und mehr Kinder als Frauen im Angestelltenverhältnis. Von den Frauen im Unternehmerinnenstatus haben 80 % Kinder, am häufigsten zwei; von den Frauen im Angestelltenstatus haben 52 % Kinder, am häufigsten eins.“
34 Darunter versteht man - im Gegensatz zu direkten Kosten, die für Kleidung, Ausbildung, Wohnraum und Nahrung für das Kind/die Kinder anfallen, - indirekte Kosten, die durch Einkommensverlust entstehen, wenn ein Elternteil zur Kinderbetreuung zumindest zeitweise seine Berufstätigkeit aufgibt. Die Opportunitätskosten sind umso höher, je mehr der die Berufstätigkeit aufgebende Elternteil, also in der Regel die Mutter, vor der Geburt verdient hat. Dies bedeutet, dass die Kosten von Kindern für hochqualifizierte Mütter höher sind als für niedrig qualifizierte, weil sie auf mehr Einkommen verzichten, wenn sie nach der Geburt nicht mehr arbeiten und sich der Kindererziehung widmen. Ebenso ist ihr Humankapitalverlust höher, wenn sie einige Jahre aus dem Berufsleben ausscheiden. Opportunitätskosten beeinflussen also die grundsätzliche Entscheidung, Kinder zu bekommen (Robert-Bosch-Stiftung 2005: 20).
35 Berlin wird komplett als westdeutsches Bundesland subsumiert.
36 Dazu gehören z.B. das Projekt JUNIOR, das Programm EXIST, die Wettbewerbe „Jugend gründet“ und IdeeFix, aber auch der Girls' Day (vgl. BMFSFJ 2007: 18ff.). Informationen dazu auf den jeweiligen Homepages: www.juniorprojekt.de,www.exist.de,www.jugend-gruendet.de,www.ideefix-wettbewerb.de,www.girls-day.de.
37 Sperling und May (2001) geben einen bundesweiten, sehr umfassenden Überblick über Ansprechpartnerinnen für Unternehmerinnen und Existenzgründerinnen.
38 Weitere Informationen unter: www.gruenderinnenagentur.de
39 www.existenzgruender.de: hier gibt es gründungsrelevante Basisinformationen in vier Sprachen (türkisch, russisch, französisch und englisch) (vgl. BMFSFJ 2007: 42).
40 TWIN richtet sich an junge Unternehmerinnen, die zwischen 1 und 3 Jahren am Markt existieren und expandieren wollen: www.kaethe-ahlmann-stiftung.de.
41 Spezialisiert auf Verbesserung des Kapitalzugangs sind u.a. die KfW-Bank und die Förderdatenbank: www.kfw.de (Kreditanstalt für Wiederaufbau), www.foerderdatenbank.de.
42 Die Zeit des Postfordismus wird ab 1974/75 angesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Jahr 1974/75 wird vom Fordismus gesprochen, der als eine stabile gesellschaftliche Konstellation beschrieben wird. Die Bezeichnung Fordismus geht auf den Namensgeber Ford zurück, dessen Betriebspolitik als Vorbild diente (vgl. Voß/ Pongratz 1998: 148).
43 Der „verberuflichte Arbeitnehmer“ ist gekennzeichnet durch eine „beruflich standardisierte Qualifikation, tendenziell reaktive Arbeitsausführung und geschlechtlich segregierte Trennung von Arbeits- und Lebenssphäre“ (Gottschall/ Betzelt 2003: 215).
44 Kennzeichen des proletarisierten Lohnarbeiters der Frühindustrialisierung sind rohes Arbeitsvermögen, rigide direkte Kontrolle der Arbeit und harte Ausbeutung ohne sozialen Schutz (vgl. Pongratz/ Voß 2003: 26).
45 Idealtypus meint, „dass es sich hier um ein theoretisches Konstrukt handelt“: an ihm können „empirische Phänomene abgeglichen und auf ihre Näherung hin geprüft werden“ (Wilz 2005: 201). Insofern ist es völlig unklar, ob der Arbeitskraftunternehmer bereits vorkommt oder nicht und falls ja, ob er ergänzungsbedürftig ist (vgl. Wilz 2005: 201).
- Quote paper
- Stefanie Nordmann (Author), 2008, Unternehmen Selbstständigkeit. Eine Chance für Frauen mit Kindern auf dem Arbeitsmarkt?!, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300063
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