Seit einigen Jahren schon ist die politische, aber auch die betriebliche Agenda von mittleren und großen Unternehmen von der Forderung gesellschaftlicher Akteure geprägt, dass die Wirtschaft ihren Teil der sozialen Verantwortung tragen muss. Auch in der Rechtsprechung „zeichnet sich indes bereits jetzt eine Tendenz ab, über eine Erweiterung von menschenrechtsbezogenen Sorgfaltspflichten von (Mutter-)Unternehmen die extraterritoriale Reichweite nationaler Gerichte auszudehnen und eine Verantwortung europäischer Unternehmen für riskantes Verhalten rechtlich selbstständiger Dritter- Tochterunterunternehmen wie auch Zulieferer oder Lieferkettenunternehmen- zu begründen.“ (Spießhöfer, 2014)
Ein verbundenes Risiko der Unwirtschaftlichkeit in Folge eines Reputationsverlustes verdeutlicht zudem den marktwirtschaftlichen Bezug. Die normativen Grundlagen und basiskonzeptionellen Realisierungswege der unternehmerischen sozialen Verantwortung begründeten die mittlerweile etablierte Corporate Social Responsibility (CSR) -Forschung und -Praxis.
Es stellt sich die grundsätzliche Frage, inwieweit Dienstleistungen des Facility Managements geeignet sind, Organisationen bei der Umsetzung ihrer individuellen CSR-Strategie zu unterstützen.
Diese Ausarbeitung soll in Form einer Entwicklung von typologischen FM-Dienstleitungen als CSR-unterstützende Leistungsangebote für Organisationen zur Klärung dieser Fragestellung einen Beitrag leisten.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Corporate Social Responsibility (CSR) und Facility Management (FM)
2 Grundlagen
2.1 Grundlagen CSR
2.2 Grundlagen FM
3 FM-relevante Unterstützungsbedarfe im Rahmen der CSR-Strategie von
Unternehmen ermitteln
3.1 Definition von CSR-Aufgaben
3.2 Klassifikation von FM-Leistungen
3.3 Ermittlung von CSR-unterstützenden FM-Leistungen (CSR-Support)
4 CSR-Support von FM-Dienstleistern am Beispiel der GRI-Leitlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
4.1 Allgemeine Standardangaben
4.2 Spezifische Standardangaben
4.2.1 Kategorie: Wirtschaftlich
4.2.2 Kategorie: Ökologisch
4.2.3 Kategorie: Gesellschaftlich
5 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 CSR Instrumente in europäischen Unternehmen(Schimanski, 2013, S. 7)
Abbildung 2 Nachhaltige Kapitalanlagen im deutschsprachigen Raum (SBI, oekom research AG, 2014)
Abbildung 3 Qualität der Nachhaltigkeitsberichtserstattung ausgewählter Branchen (oekom research AG, 2014)
Abbildung 4 Einfluss von Nachhaltigkeitsanalysten / -ratings in den Unternehmen (oekom research AG, 2014)
Abbildung 5 Reife des FM für die CSR, eigene Darstellung
Abbildung 6 CSR-FM-Konzept Landschaft, eigene Darstellung
Abbildung 7 CSR- Reifegradpyramide (Schneider, 2012, S. 29)
Abbildung 8 Mehrstufiger Ansatz und Funktionen im REIM(Teichmann, 2009, S. 63)
Abbildung 9 FM-Modell DIN EN 15221 (Deutsches Institut für Normung e. V., 2011, S. 4)
Abbildung 10 Die sieben Kernthemen der DIN ISO 26000 (Deutsches Institut für Normung e. V., 2011, S. 37)
Abbildung 11 Prozesslandschaft nach DIN EN 15221 (Nävy & Schröter, 2013)
Abbildung 12 Ermittlung CSR-Support, eigene Darstellung
Abbildung 13 Einbezug FM-Dienstleister für CSR-Berichtswesen in Anlehnung an (Global Reporting Initiative, 2013, S. 32), Hervorhebung durch den Verfasser
Abbildung 14 Tätigkeit der Arbeitsgerichte Deutschland nach Herkunft der Klagen, eigene Darstellung
Abbildung 15 Wettbewerbsrecht, eigene Darstellung in Anlehnung an (Heße, 2011)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Definitionen FM
Tabelle 2 Übersicht von CSR-Instrumenten
Tabelle 3 Klassifizierung der FM-Leistungen
Tabelle 4 Aufbau zur Ermittlung des CSR-Support
Tabelle 5 GRI G4-12 „Lieferkette in der Organisation beschreiben“
Tabelle 6 GRI G4-13 „Veränderungen in der Lieferkette“
Tabelle 7 GRI G4-18 „Festlegung des Berichts und Abgrenzungen“
Tabelle 8 GRI G4-26 „Ansatz zur Einbindung von Stakeholdern“
Tabelle 9 GRI G4-EC9: „Anteil an Ausgaben für lokale Lieferanten an Hauptgeschäftsstandorten“
Tabelle 10 GRI G4-EN6: „Verringerung des Energieverbrauchs“
Tabelle 11 GRI G4-EN19 "Reduzierung der THG-Emissionen"
Tabelle 12 G4-EN31 „Aufwendungen und Investitionen für Umweltschutz nach Art“
Tabelle 13 G4-LA15 „Erhebliche tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen auf Arbeitspraktiken in der Lieferkette und ergriffene Maßnahmen"
Tabelle 14 G4-SO10 „Signifikante aktuelle und potenzielle negative Auswirkungen auf die Gesellschaft in der Lieferkette sowie ergriffene Maßnahmen“
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Im Jahr 2013 trat die internationale Bekleidungsbranche negativ in den Fokus der Öffentlichkeit: In der Stadt Sabhar in Bangladesch stürzte am 24.04.2013 ein mehrgeschossiges Fabrikgebäude ein. 1.127 Menschen wurden getötet und 2.438 verletzt. Gründe hierfür waren die illegale Gebäudeerrichtung, die Nutzung des Gebäudes ohne Einbezug der statischen Anforderungen, mangelnder Brandschutz, mangelnde Arbeitssicherheit und allgemeine Verletzung der Menschenrechte. (Bundesrat, 2013) Populäre Unternehmen wie Adler Modemärkte, Benetton, C&A, Kids Fashion Group, Mango, die in diesem Gebäude produzieren ließen, sahen sich daraufhin der Kritik ausgesetzt, die soziale Verantwortung in der eigenen Unternehmung missachtet zu haben. (Kampagne für saubere Kleidung, 2014) Über die Grenzen des eigenen Unternehmensstandorts hinaus wird als Reaktion auf diese tragischen Ereignisse u.a. gefordert, dass alle mit der Unternehmung verknüpften Geschäftsprozesse in der Wahrnehmung der sozialen Verantwortung eingeschlossen sein sollen. So auch das Ziel des Bündnis für nachhaltige Textilien, mit der „wirksam die Nachhaltigkeit entlang der gesamten Lieferkette…“ verbessert werden soll. (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2014)
Seit einigen Jahren schon ist damit die politische, aber auch die betriebliche Agenda von mittleren und großen Unternehmen von der Forderung gesellschaftlicher Akteure geprägt, dass die Wirtschaft ihren Teil der sozialen Verantwortung tragen muss. Auch in der Rechtsprechung „zeichnet sich indes bereits jetzt eine Tendenz ab, über eine Erweiterung von menschenrechtsbezogenen Sorgfaltspflichten von (Mutter-)Unternehmen die extraterritoriale Reichweite nationaler Gerichte auszudehnen und eine Verantwortung europäischer Unternehmen für riskantes Verhalten rechtlich selbstständiger Dritter- Tochterunterunternehmen wie auch Zulieferer oder Lieferkettenunternehmen- zu begründen.“ (Spießhöfer, 2014)
Ein an obiges Beispiel verbundenes Risiko der Unwirtschaftlichkeit in Folge eines Reputationsverlustes verdeutlicht zudem den marktwirtschaftlichen Bezug. Die normativen Grundlagen und basiskonzeptionellen Realisierungswege der unternehmerischen sozialen Verantwortung begründeten die mittlerweile etablierte Corporate Social Responsibility (CSR) -Forschung und -Praxis.
Interessant für vorliegende Ausarbeitung ist, dass die Gründe des zuvor genannten Einsturzes Teilen des Facility Managements zugeordnet wurden. So stellt sich abgeleitet von obigem exemplarischem Beispiel die grundsätzliche Frage, inwieweit Dienstleistungen des Facility Managements geeignet sind, Organisationen bei der Umsetzung ihrer individuellen CSR-Strategie zu unterstützen.
Diese Ausarbeitung soll in Form einer Entwicklung von typologischen FM-Dienstleitungen als CSR-unterstützende Leistungsangebote für Organisationen zur Klärung dieser Fragestellung einen Beitrag leisten.
1.2 Corporate Social Responsibility (CSR) und Facility Management (FM)
Die CSR ist in immer mehr Organisationen als ein Wirtschaftsinstrument bekannt. Im Rahmen einer ausgeschickten Nachhaltigkeit findet die Thematisierung der eigenen gesellschaftlichen Verantwortung zunehmend statt. Dabei werden nicht nur Standards nach außen getragen, sondern vielmehr auch Image pflegende Botschaften, die als direkte Werbung verstanden werden können. Jedoch hat sich in diesem Zuge ein Umstand entwickelt, der auch politisch mit regem Interesse verfolgt wird: „Policy statements are not an end in themselves. Ultimately what an enterprise does matters far more than what it may say in a policy statement“. (Schimanski, 2013, S. 2)
Derzeitig tritt insbesondere die EU als „CSR-Motor“ (Glöckner, 2014) auf und gestaltet das für Europa geltende CSR aus. In Organisationen innerhalb Europas findet sich die CSR überwiegend auf Websites erwähnt, eine tatsächliche Anwendung bereits entwickelter CSR-Instrumente erfolgt hingegen weitaus seltener, wie die folgende Abbildung zeigt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 CSR Instrumente in europäischen Unternehmen (Schimanski, 2013, S. 7)
Auch in Deutschland wird nach dieser Studie mehr geworben, als tatsächlich umgesetzt, wenn „none of the German companies in the sample refers to the OECD Guidelines, ISO 26000, the UN Guiding Principles on Business and Human Rights, or the ILO MNE Declaration.“ (Schimanski, 2013, S. 12). Dies mag verdeutlichen, dass einige Unternehmen insbesondere das „Promotional CSR“ anwenden, demnach das „CSR is seen mainly as a public relations opportunity to enhance the brand, image and reputation of the company. Promotional CSR may draw on the practices of Charitable and Strategic CSR and turn them into PR spin, which is often characterized as “greenwash.” (Visser, 2011, S. 29) Ebenso herrschen noch missverständliche Interpretationen der CSR in Organisationen vor, so z.B. die Gleichstellung des CSR mit Kulturaktivitäten. (Heusser, Wittig, & Stahl, 2004, S. 8) Für einzelne Unternehmenssparten, wie die IT-Branche[1] oder Drogerieketten[2] und der Autoindustrie[3] sind jedoch einige individuelle Konzepte unter der Berücksichtigung ihres spezifischen Unternehmensumfeldes und deren Ziele in der Literatur öffentlich zugänglich.
Auf dem Finanzmärkten werden nachhaltige Kapitalanlagen zunehmend attraktiver, wenn man für den deutschsprachigen Raum das Volumen (in Mrd. €) und die Anzahl nachhaltiger Publikumsfonds in Deutschland, Österreich und der Schweiz betrachtet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Nachhaltige Kapitalanlagen im deutschsprachigen Raum (SBI, oekom research AG, 2014)
Grundsätzlich sind Beschäftigte im FM mit Aspekten der Nachhaltigkeit bereits bekannt, z.B. mit den Themen vorausschauende Instandhaltung, Lebenszykluskosten, Gebäudezertifizierungen, ergebnisorientierte Leistungen oder beispielsweise durch die durch die EU/ den Bund angestoßenen Vorgaben zur Einhaltung des Umweltschutzes, des Bauens[4].
Dienstleister des FM könnten jedoch weiter insbesondere durch den Bedarf ihrer Anspruchsgruppen dazu angeregt sein, FM-Dienstleistungen auf ihre Leistungsinhalte hin mit Themen der CSR hinterfragend aufzugreifen. Denn Auftraggeber bestimmter Branchen besitzen beispielsweise nach der folgenden Grafik ein erhöhtes Interesse an eine Nachhaltigkeitsberichtserstattung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Qualität der Nachhaltigkeitsberichtserstattung ausgewählter Branchen (oekom research AG, 2014)
Dies bedeutet für Dienstleister des FM, dass Kunden aus diesen Branchen ihren eigenen Anspruch der Nachhaltigkeitsberichtserstattung im Sinne der Empfehlungen etablierter Nachhaltigkeitsleitbilder und –prinzipien ebenso an ihre Lieferanten[5] weitergeben wollen bzw. könnten. Für diese Nachfrage sollte das FM Antworten bzw. Lösungen vorhalten, zumal ein Einfluss der Nachhaltigkeitsberichtserstattung auf die Unternehmensstrategie bereits besteht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 Einfluss von Nachhaltigkeitsanalysten / -ratings in den Unternehmen (oekom research AG, 2014)
Einige Facility-Service-Unternehmen veröffentlichen Nachhaltigkeits-Berichte und werben mit dem darin angezeigten sozialen Engagement, z.B. im Personalmanagement und im Umweltschutz. Im Rahmen einer Studie zu den 25 umsetzungstärksten FM-Unternehmen wies „die Hälfte der Berichte Nachhaltigkeit durch individuell zusammengestellte Kriterien bzw. Berichtsinhalte aus.“ (Pelzeter) Eine einheitliche Ausweisung ist demnach nicht vorhanden. Im Weiteren möchte sich diese Ausführung dann auch nicht nur mit den unternehmenseigenen CSR-Aktivitäten von Facility Management oder / und Facility-Service-Unternehmen beschäftigen, sondern vielmehr der Frage nachgehen, wie die Leistungsbilder des FM als Dienstleistung eine konzeptionelle Anwendung im Rahmen der CSR-Strategien finden können.
Für Anbieter des Facility Managements und -Services ist es von Vorteil einen Überblick darin zu besitzen, welche Verknüpfungen es in relevanten Nachhaltigkeitssystemen von Auftraggebern zu den unternehmenseigenen FM-Leistungsbildern gibt. Da bereits vorhandene CSR-Instrumente wie oben genannt eine allgemein eher noch übersichtliche Anwendung finden und FM-Unternehmen in den Anfängen der Anwendung und Berichterstattung der CSR stecken, ist dieser Schritt besonders geeignet, da er einen Zwischenschritt zur vollständigen Entwicklung eines eigenen CSR-(Management-)Systems bilden kann: Ein „CSR-Support“. Dieser befindet sich zwischen dem anfänglichen unternehmenseigenen „CSR-Leitbild“ des Facility Managements, welches zunächst grundsätzlich aufzeigt, wie das Unternehmen die Interpretation, Bedeutung und Relevanz der CSR versteht und auch verfolgen will und dem „CSR-(Management-)System“, welches die umfangreichen Facetten des CSR betrachtet und das gesamte FM-Unternehmen mit konkreten Handlungen darin einbettet. Der „CSR-Support“ versteht sich als Management-Unterstützungsleistung, etablierte CSR-Managementsysteme des Auftraggebers / Kunden in relevanten Aspekten zu fördern, ohne selbst ein CSR-Managementsystem besitzen zu müssen. So ist eine Zwischenstufe des FM-Anbieters möglich, mit dem Fortschritt der CSR im Kundenkreis entsprechend zu reagieren und gleichzeitig eigene Organisationsstrukturen sukzessive darauf anzupassen. Die folgende Abbildung zeigt den hiermit gemeinten konzeptionellen Denkansatz für FM-Anbieter zur Entwicklung bzw. Reife des CSR:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 Reife des FM für die CSR, eigene Darstellung
In der FM-Fachliteratur war über diese Idee einer sukzessiven Verfolgung von CSR nach Literaturrecherche des Verfassers keine Information auffindbar. Dieser Gedanke eines Zwischenschritts als „CSR-Support“ soll deshalb Kern dieser Ausarbeitung sein, dessen Begrifflichkeit in Folge nun auch weiter verwendet wird. Folgende Abbildung soll in diesem Zusammenhang den Fokus dieser Ausarbeitung verdeutlichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 CSR-FM-Konzept Landschaft, eigene Darstellung
Die Abbildung zeigt auf, dass die Nebenprozesse des Facility Managements ebenfalls in die Betrachtung einfließen, der Fokus jedoch auf die Hauptprozesse des FM, im Besonderen die angebotenen Dienstleistungen gerichtet ist, die sich wiederum zu den Nebenprozessen des Nachfragers zählen lassen. In Form dieser angebotenen Dienstleistungen unterstützt das Facility-Management die CSR in ihren drei Themen „wirtschaftlich“, „sozial“ und „umweltbezogen“.
2 Grundlagen
2.1 Grundlagen CSR
Der Blick in die Geschichte zeigt, dass die Ideologie der CSR schon seit einiger Zeit existiert. Um ca. 1450-1410 v.Chr. gab es bereits folgenden Grundsatz für das frühzeitliche israelische Volk:
„תִקְצֹר קְצִירְךָ בְשָׂדֶךָ וְשָׁכַחְתָּ עֹמֶר בַּשָּׂדֶה לֹא תָשׁוּב לְקַחְתּוֹ לַגֵּר לַיָּתוֹם וְלָאַלְמָנָה יִהְיֶה לְמַעַן יְבָרֶכְךָ יְהוָה אֱלֹהֶיךָ בְּכֹל מַעֲשֵׂה יָדֶיךָ“ (Biblia Hebraica Stuttgartensia, 1967, S. Dtn 24,20)
„Wenn du deine Olebaum hast geschüttelt / so soltu nicht nachschütteln / Es sol des Frembdlingen / des Waisen / vnd der Widwen sein.“ (Luther, 1545, S. Dtn. 24,20)
Mit dem oben zitierten Bibeltext liegt ein aus der frühen Menschheitsgeschichte einfacher Grundsatz der Verantwortung des Einzelnen für die Gemeinschaft vor, nämlich die Verantwortung zur Teilung eines in seiner Menge nicht genau verpflichteten Ertrags an das Gemeinwohl. Dieses Phänomen trat mit dem dokumentierten Verlauf der Menschheitsgeschichte in unterschiedlichen Formen auf: Waren es zu Beginn unterschiedliche Arten von Spendern, typisierte sich sodann mit dem Griechenland der klassischen Zeit der Euergetismus. (Cramme, 2001, S. 24) Auch in den darauffolgenden Kulturen sind derartige Formen dokumentiert. Über das 16.Jahrhundert schreibt Wagner „Nicht nur die Fugger und Welser als die beiden großen international agierenden Handelscompagnien in der Frühen Neuzeit waren als Mäzene tätig, sondern ebenso die Besitzer lokaler Handelshäuser, kleiner Banken und frühkapitalistischer Manufakturen.“ (Wagner, 2010, S. 145)
Mit einem Sprung in unsere Zeit wurden in den 1970er Jahren „die Schwächen des Manager-Regimes vor allem in den USA offenkundig: Massenproduktion, Fordismus und die damit verbundenen extremen Formen der Arbeitsteilung und Entqualifizierung waren an eine Grenze gestoßen.“ (Windolf, 2010, S. 28) Ebenso provozierte multinationales, unternehmerisches Handeln ein Umdenken: „In the 1960s and 1970s, the activities of multinational enterprises (MNEs) provoked intense discussions that resulted in efforts to draw up international instruments for regulating their conduct and defining the terms of their relations with host countries, mostly in the developing world.“ (International Labour Office, 2006, S. V) Die Wissenschaft suchte nach Erklärungen, die ebenfalls wieder die Verantwortung Einzelner, jetzt insbesondere die von Unternehmen betrafen. Der Begriff „social responsibility“ wurde nun intensiv diskutiert.
Genau genommen ist für die deutsche Übersetzung des Begriffs eine Unterscheidung von „sozialer“ und „gesellschaftlicher“ Verantwortung wichtig, da mit dem Begriff „sozial“ nicht alle gesellschaftlichen Einflussfaktoren berücksichtigt werden. „Social“ wäre somit mit „societal“ gleichzusetzen. (Andriof & MCIntosch, 2001, S. 13-24 in Anlehnung an Raith, 2013, S. 89) Aktuelle Übersetzungen der Leitbilder, wie das der Europäischen Union, schließen den gesellschaftlichen Einflussfaktor mit dem Terminus „sozial“ mit ein. Das Deutsche Institut für Normung übersetzt „social responsibility“ jedoch mit „gesellschaftliche Verantwortung“ (Deutsches Institut für Normung e. V., 2011). Dieser weiter gefassten Übersetzung wird in dieser Ausarbeitung gefolgt und damit keine Unterscheidung des Terminus „gesellschaftlich“ zu „sozial“ vorgenommen, zumal die jeweiligen Definitionen im Grunde übereinstimmen wie in Folge noch dargestellt wird.
Friedmann schloss sich der wissenschafltichen Diskussion wie folgt an: „there is one and only one social responsibility of business– to use it resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game, which is to say, engages in open and free competition without deception or fraud." (Friedmann, 1970)
Ist jedoch die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen wirklich die Gewinnsteigerung unter Einbezug der sozialen Normen, die Bestandteil der „rules of the game“ (Friedmann, 1970) sind? So widmet sich Friedmann im Zusammenhang seiner Argumentation mit dem Problem der mit der gesellschaftlichen Verantwortung verbundenen sinkenden Akzeptanz des marktwirtschaftlichen Systems, „that the pursuit of profits is wicked and immoral and must be curbed and controlled by external forces.“ (Friedmann, 1970, S. 126) Für Friedmann „unterterminiert die Vorstellung einer über die Gewinnmaximierung hinausgehenden Verantwortung von Unternehmen die Grundlagen der Marktwirtschaft und damit zugleich die Grundlagen freiheitlicher Gesellschaft.“ (Lin-Hi, 2009, S. 35) Jedoch hindert dieser oft missinterpretierte Zusammenhang von Friedmann nicht unbedingt davor, die These zu hinterfragen. „Die Gleichsetzung von Unternehmensverantwortung mit Gewinnsteigerung per se ist unangemessen, denn es gibt unverantwortliche Formen von Gewinnerzielung und man kann keineswegs davon ausgehen, dass die Rahmenordnung(en) und der Marktwettbewerb immer schon dafür sorgen, dass diese unverantwortlichen Formen von vornherein für Entscheidungsträger in Unternehmen hinreichend unattraktiv sind.“ (Suchanek, 2010, S. 45) Neben den Eigenkräften der Marktwirtschaft bedürfte es demnach einer gesonderten Regulierung.
Die Öffentlichkeit - aber auch die Unternehmen bzw. Institutionen selbst[6] - gehen vielleicht aufgrund dieses Trends, der durch Negativschlagzeilen über den Missbrauch von Unternehmerkompetenzen in einem steigenden globalen Zusammenhang genährt wird, mittlerweile nicht nunmehr der Frage nach, ob es eine gesellschaftliche Unternehmensverantwortung gibt, sondern wie diese denn ausgestaltet sein sollte; Porter und Kramer schlugen z.B. erst 2006 vor, CSR vermehrt in das Kerngeschäft einfließen zu lassen. (Porter & Kramer, 2006)
In jüngster Zeit wird in diesem Kontext zunehmend auch in Deutschland wie selbstverständlich die Begrifflichkeit „CSR“ in Politik und Wirtschaft verwendet und gefordert. Weltweit gesehen gibt es jedoch keine einheitliche Definition für die CSR. Dahlsrud hat im Jahre 2006 37 Definitionen von CSR analysiert und kam zu folgendem Fazit: „Therefore, the challenge for business is not so much to define CSR, as it is to understand how CSR is socially constructed in a specific context and how to take this into account when business strategies are developed.“ (Dahlsrud, 2006). Überhaupt sind bereits existierende Arbeiten zum Thema CSR nur schwer umfassend zu ergründen sowie eindeutig zu deklarieren. „Aufgrund der Vielzahl von Perspektiven, Disziplinen mit unterschiedlichen Fragestellungen und Methodiken sehen Autoren CSR … mal als Managementmode, oder als Möglichkeit der Beteiligung an sozialen Belangen, als Rahmenmodell für sanfte Regulierung oder als Konzept, Konstrukt, Theorie oder Forschungsfeld.“ (Schultz, 2010)
Trotz dieses Fazits bleibt es zunächst jedoch notwendig, eine für den deutschsprachigen Raum mögliche Definition der CSR festzulegen, worauf die folgende Ausarbeitung aufbaut. Die Anfänge der heutigen Diskussion zur Definition bilden die Ausführungen von Bowen aus dem Jahre 1953, nachdem die CSR wie folgt beschrieben wird: „It refers to the obligations of businessmen to pursue those policies, to make those decisions, or to follow those lines of action which are desirable in terms of the objectives and values of our society“ (Bowen, 1953, S. 6)
Neben weiteren wissenschaftlichen Definitionen (vgl. Carroll, 1999) hat sich die Europäische Union besonders im letzten Jahrzehnt rege an der Bestimmung einer Definition und damit verbundene Leistungsbereiche der CSR eingesetzt, wo in den letzten Jahrzenten das Verlangen der Bürger nach verbesserten gesellschaftlichen Verhaltensregeln doch eher insbesondere durch andere multinationale Organisationen[7] und durch Qualitätsnormen[8] aufgenommen wurden.
Da für diese Ausarbeit das Begriffsverständnis Europas wesentlich ist, da sich die dort angesiedelten Unternehmen daran geopolitisch orientieren werden, wird nun eine neuere Definition von CSR der Europäischen Kommission betrachtet, die aus dem „Grünbuch“ stammt. Sie definiert CSR
„ als Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehung mit den Stakeholdern zu integrieren. Sozial verantwortlich handeln heißt nicht nur, die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, sondern über die bloße Gesetzeskonformität hinaus „mehr“ investieren in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehungen zu anderen Stakeholdern.“ (Kommission der europäischen Gemeinschaften, 2001, S. 7)
Mit dieser Definition können folgende Prinzipien über die CSR abgeleitet werden:
a. CSR ist freiwillig.
b. Die gesamte Unternehmenstätigkeit wird durch die CSR angesprochen.
c. Der Stakeholder-Ansatz soll beachtet werden.
d. Auch Geschäftstätigkeiten, die in rechtlich autarken Organisationseinheiten stattfinden, aber dem Einflussbereich der Unternehmenstätigkeit unterliegen, sollen eingeschlossen sein.
e. Ein „mehr“ im Sinne der Nachhaltigkeit bindet in die unternehmerischen Ziele im Sinne eines Drei-Säulen-Modells (vgl. Bundestag, 1998, S. 218) neben ökonomischen und ökologischen auch soziale, bzw. gesellschaftliche Belange ein.
Zu Prinzip a) ist zu ergänzen, dass hierzu ein aktueller wissenschaftlicher als auch politischer Diskurs stattfindet. Eine Freiwilligkeit zur CSR wird aus wirtschaftsethischer Sicht hinterfragt, die Beliebigkeit der Beachtung der CSR und die hiermit auch verbundene Möglichkeit der Instrumentalisierung als Marketinginstrument steht in der Kritik.[9] Als eine Erweiterung des vorherrschenden „return on invest“ (Raith, 2013, S. 91) für Wirtschaftlichkeitsberechnungen soll ein zusammengefasster „societal return on invest“ (eigene Formulierung in Anlehnung an Raith, 2013) mit einfließen, so dass gesellschaftliche Werte bedingungslos berücksichtigt sind. In diese Thematik ordnet sich der in 2014 von der Europäischen Union vorgeschlagenen „new transparency rules on social responsibility for big companies“ (Council od the European Union, 2014), in der die Offenlegung von sozialen und ökologischen Informationen für bestimmte Unternehmensgruppen verbindlich gefordert wird.[10]
Der unter Prinzip c) genannte Stakeholder-Ansatz berücksichtigt neben den Shareholdern (Anteilseigner) auch Stakeholder (Anspruchsgruppen). Nach Freeman sind dies „any group or individual who can affect, or is affected by, the achievement of a corporation’s purpose“ (Freeman, 1984, S. 46). Als Stakeholder sollten hierbei jedoch nicht nur Anspruchsgruppen betrachtet werden, die „nach Maßgabe ihrer Durchsetzungsmacht und ihres potenziellen (negativen) Einflusses auf das Unternehmen berücksichtigt werden, sondern nach Maßgabe ihrer Betroffenheit und der moralischen Legitimität ihrer Ansprüche“ eine Legitimation erhalten. (Raith, 2013, S. 81) (vgl. Thielemann, 2008)
Die Europäische Kommission hat im Jahr 2011 eine „neue EU-Strategie für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ vorgelegt, in der eine neue Definition für das CSR ausgesprochen wurde:
CSR ist die „Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.“ (EUROPÄISCHE KOMMISSION, 2011, S. 7)
„Damit die Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung in vollem Umfang gerecht werden, sollten sie auf ein Verfahren zurückgreifen können, mit dem soziale, ökologische, ethische, Menschenrechts- und Verbraucherbelange in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsführung und in ihre Kernstrategie integriert werden. Auf diese Weise
- soll die Schaffung gemeinsamer Werte für die Eigentümer/Aktionäre der Unternehmen sowie die übrigen Stakeholder und die gesamte Gesellschaft optimiert werden;
- sollen etwaige negative Auswirkungen aufgezeigt, verhindert und abgefedert werden.“(EUROPÄISCHE KOMMISSION, 2011, S. 7)
Hier bemerkt man den Wandel der Auffassung der CSR in der EU in Verbindung mit dem „Grünbuch“ aus dem Jahre 2001: Neben der Bekräftigung der oben genannten Prinzipien 2 und 3 wurde das Prinzip 1 der Freiwilligkeit aus dem Fokus genommen. Ebenso fehlt das Prinzip 4 des Drei-Säulen-Modells, die sozialen- und ökologischen Belange wurden mit den „ethische(n), Menschenrechts- und Verbraucherbelange“(n) ergänzt.
Eine weitere Definition beinhaltet die internationale Norm ISO 26000, auf die auch noch im folgenden Kapitel näher eingegangen wird, die statt von der „CSR“ von einer „social responsibility“ (International Organization for Standardization, 2010) spricht. Diese gesellschaftliche Verantwortung bedeutet eine:
„Verantwortung einer Organisation (2.12) für die Auswirkungen (2.9) ihrer Entscheidungen und Aktivitäten auf die Gesellschaft und die Umwelt (2.6) durch transparentes und ethisches Verhalten (2.7), das
- zur nachhaltigen Entwicklung (2.23), Gesundheit und Gemeinwohl eingeschlossen, beiträgt;
- die Erwartungen der Anspruchsgruppen (2.20) berücksichtigt,
- anwendbares Recht einhält und im Einklang mit internationalen Verhaltensstandards (2.11) steht ; und
- in der gesamten Organisation (2.12) integriert ist und in ihren Beziehungen gelebt wird
ANMERKUNG 1 Aktivitäten umfassen Produkte, Dienstleistungen und Prozesse.
ANMERKUNG 2 Mit Beziehungen sind solche gemeint, die im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Organisation innerhalb ihres Einflussbereichs (2.19) entstehen.“ (Deutsches Institut für Normung e. V., 2011)
Im Grunde deckt sich diese Begrifflichkeit mit der Beschreibung des CSR der Europäischen Kommission. Die Initiativen der Europäischen Kommission zum Thema CSR - wodurch „ der weltweite Einfluss der EU im Bereich CSR bekräftigt werden (soll), damit die EU im Rahmen ihrer Beziehungen zu anderen Regionen und Ländern besser für ihre Interessen und Werte eintreten kann “ (EUROPÄISCHE KOMMISSION, 2011, S. 7) - wirken sich auf deren Mitgliedstaaten entsprechend aus: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales[11] aber auch einzelne Bundesländer[12] als Vertreter der öffentlichen Hand rufen ebenfalls CSR-Initiativen ins Leben, welche das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach mehr Verantwortung seitens der Unternehmen befriedigen sollen.
Hilfreich zur Erkennung einer Organisationsentwicklung in Hinblick auf die CSR ist das Reifemodell von Schneider. (Schneider, 2012) Hier werden folgende Entwicklungsstufen genannt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7 CSR- Reifegradpyramide (Schneider, 2012, S. 29)
Zu Beginn besteht mit CSR 0.0 gesellschaftliches Engagement durch eigene Produkte der Organisation bzw. aufgrund Gutdünken. Mit CSR 1.0 existiert ein philanthropisches CSR, bei der mehr oder weniger willkürlich Gewinne gemeinnützig verwertet werden. Die Stufe CSR 2.0 verschiebt das CSR ins Kerngeschäft als Managementdisziplin. In der letzten Stufe CSR 3.0 gestaltet die Organisation die CSR-Landschaft zudem proaktiv mit. Je nach dem Reifegrad des Nachfragers von FM-Dienstleistungen werden damit auch unterschiedliche Anforderungen an FM-Leistungen für die CSR gestellt werden. Das folgende Unterkapitel geht hierzu näher ein.
Weiterhin ist es für die Grundlagen der CSR wegen der in der Literatur vorhandenen Verwechslungsgefahr relevant, dass sich „Nachhaltigkeit“ bzw. „nachhaltige Entwicklung“[13] gemäß der DIN 26000 von der CSR wie folgt unterscheidet: „Nachhaltige Entwicklung (als Nachhaltigkeit) im Sinne beschäftigt sich mit der Frage, wie die Bedürfnisse der Gesellschaft innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten erfüllt werden können, ohne dabei die Bedürfnisse zukünftiger Generationen zu gefährden. Nachhaltige Entwicklung hat drei Dimensionen – eine wirtschaftliche, eine soziale und eine umweltbezogene – die voneinander abhängig sind… Gesellschaftliche Verantwortung (bzw. CSR) stellt die Organisation in den Mittelpunkt und beschäftigt sich mit der Verantwortung einer Organisation für Gesellschaft und Umwelt.“ (Deutsches Institut für Normung e. V., 2011, S. 24, Ergänzung in Klammern durch den Verfasser.) So sollte „zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen … demzufolge ein übergeordnetes Ziel der Organisation der Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung sein.“ (Deutsches Institut für Normung e. V., 2011, S. 24)
Diese Ausarbeitung grenzt ausdrücklich eine umfangreiche, philosophische Betrachtung der CSR in Bezug auf ihre Bedeutung und Inhalte mit Hilfe von Begrifflichkeiten wie „Philanthropie“, „Integrität“, „Reputation“, „Institution“, „Wirtschaft, Moral, Ethik“, „Isomorphismus“ aus.
2.2 Grundlagen FM
Die Branche des Facilities[14] - bzw. Facility Managements ist ein relativ junges Geschäftsfeld, wenn man bedenkt, dass die Facility Management- Verbände, wie die German Facility Management Association (GEFMA) und International Facility Management Association (IFMA), erst in den Jahren 1989 (GEFMA) und 1980 (IFMA) ins Leben gerufen wurden. Als die Begrifflichkeit vor ungefähr 20 Jahren aus dem angelsächsischen Sprachraum in Deutschland zunehmend beachtet wurde, war jenem Absatzmarkt noch sehr unklar, was eigentlich unter dem Facility Management zu verstehen sei. Erste Unternehmen sahen in der neuartigen Managementmethode neue Geschäftsfelder und boten Facility Management Dienstleistungen, je nach eigener Herkunft des Unternehmens mehr oder weniger vollständig, an. Neben Beratungen, die Kostenoptimierungen in der Gebäudebewirtschaftung versprachen, waren es in den 1990er einzelne oder gebündelte technische- und infrastrukturelle Dienstleistungen, die unter dem Namen „Facility Management“ angeboten wurden. Teilweise findet sich dieses Bild auch noch heute in der Praxis wieder, wenn z.B. Leistungen des Hausmeisters als das Facility Management deklariert werden.
Die Zahl der (Fach-)Hochschulen in Deutschland, die zertifizierte Studiengänge in Facility Management anbieten, hat sich mittlerweile auf 16 erhöht. (GEFMA) Das statistische Bundesamt verzeichnet erst seit dem Jahre 2005 Absolventen des Studiengangs Facility Management (Statistisches Bundesamt, 2014), so dass deutlich wird, dass die Berufslandschaft des Facility Managements noch von vielen Quereinsteigern aus anderen Berufsfeldern, wie Architekten, Bauingenieuren geprägt sein muss.
Allein in Deutschland wollen mindestens 3.315.000.000 m² Gewerbe- und Industriefläche (Statistisches Bundesamt, 2012) sinnvoll bewirtschaftet werden. Das Facility Management beinhaltet Leistungen, die selbstredend eine eigene lange Historie haben, wenn man z.B. an die Services Instandhaltung, Bewachung oder Reinigung denkt. So ist eine Zusammenfassung aller Leistungen, die das Facility Management ausmacht, gesamtwirtschaftlich nicht einfach. Das Facility Management ist damit der vielleicht noch immer unentdeckte Riese der Wirtschaft, denn mit 130 Mrd. € sollen mehr als 5% des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands durch das Geschäft des Facility Management erwirtschaftet werden. (GEFMA / Institut für angewandte Innovationsforschung e.V) Durch jüngste Marketingkampagnen möchte die FM-Branche die Aufmerksamkeit auf sich lenken.[15]
Eine einheitliche Definition des Facility Managements gibt es bislang noch nicht. In diesem Zusammenhang ist der Ausgang der aktuellen Arbeit des technischen Ausschusses „ISO/TC 267 - Facilities Management“ interessant, welcher mit der Veröffentlichung der ISO/CD 18480-1 eine weltweit gültige Begriffsdefinition des Facility Managements bestimmen will. (International Organization for Standardization) Zur Definition des Facility Managements werden die bereits veröffentlichen Interpretationen der Norm DIN EN 15221 sowie der Verbände GEFMA und der IFMA vorgestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 Definitionen FM
Im Vergleich berücksichtigt die DIN EN 15221-1 besonders den prozessualen Charakter der neben den Hauptaktivitäten zugehörigen Nebenaktivitäten. Auch die GEFMA betrachtet die Prozesse der nicht zum Kerngeschäft gehören Leistungen und formuliert zudem die Ziele „Grundbedürfnisbefriedigung der Menschen am Arbeitsplatz“ und „Erhöhung der Kapitalrentabilität[16] “. Die IFMA macht auf die Interdisziplinarität aufmerksam, die für die Sicherstellung der Funktionalität der Gebäudelandschaft notwendig ist und betont die Integration von Mensch, Ort, Prozess und Technologie.
Anhand der obigen Definitionen abgeleitet ist das Facility Management eine Tätigkeit, die
- die Nebengeschäfte bzw. Sekundärgeschäfte eines Unternehmens führt,
- in Form eines prozessorientierten Managements zudem die Effektivität bzw. die Rentabilität des Hauptgeschäfts einer Organisation unterstützen muss, die Grundbedürfnisbefriedigung der Menschen am Arbeitsplatz fördert.
Nun gibt es auf dem Markt jedoch weitere Managementdisziplinen, die das Bild des Immobilienmanagement erweitern, und aufgrund ihrer uneinheitlichen Interpretation ein komplexeres Verständnis verlangen. Gemeint sind hiermit weitere Anglizismen wie z.B. Real Estate Management, Property Management, etc. In welchem Verhältnis das Facility Management zu diesen steht, wird jetzt genauer betrachtet.
In der Ausübung des Immobilienmanagements treten zunächst zwei Marktakteure auf: Zum einen jene, die das Immobilienmanagement zu ihrem Sekundärgeschäft und somit als einen betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktor (vgl. Gutenberg, 1982) zählen, wobei dann die Disziplin als Corporate Real Estate Management (CREM) für die Privatwirtschaft und als Puplic Real Estate Management (PREM) für die öffentliche Hand bezeichnet werden kann. Und zum anderen jene, welche das Immobilienmanagement als ihr Kerngeschäft betrachten und damit auch als Investition: dem Real Estate Investment Management (REIM). (Teichmann, 2009, S. 291)
Ein genaues Leistungsbild des in der Praxis angewandten Facility Managements kann dabei nur dann im Einzelnen spezifiziert werden, wenn eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen der Akteure stattfindet. Diese können sich aus einem unterschiedlichen Mix von Nutzungsorientierten-, Immobilientechnologischen- und Finanzwirtschaftlichen Interessen bilden. (vgl. Kämpf-Dern, 2009, S. 4)
In der Literatur finden sich deshalb unterschiedliche Ansätze, das Facility Management im Rahmen des Immobilienmanagement je nach Berücksichtigung der Interessen oben genannter Akteure einzuordnen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8 Mehrstufiger Ansatz und Funktionen im REIM (Teichmann, 2009, S. 63)
In der Abbildung 8 wird das Modell der gif-Richtlinie (Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V., 2004, S. 5), das aus der Sicht des Investors insbesondere das finanzwirtschaftliche Interesse beachtet, durch die Klassifizierung von Managementdisziplinen und einer Anpassung der Ebenen durch die Objekt- und Portfolie-Ebene von Teichmann ergänzt. So erhält das Model einen allgemeingültigeren Charakter aufgrund der zusätzlichen Berücksichtigung von immobilientechnologischen Interessen.
Käpf-Dern orientiert sich mit ihrem Modell hingegen auf ein anlage- und ein nutzungsorientiertes Immobilienmanagement. Alle Managementleistungen sind hierbei dem Real Estate Management zugeordnet. (Kämpf-Dern, 2009, S. 17) Hierbei fällt jedoch auf, dass der mit den Verbänden IFMA (vgl. IFMA, 2012), GEFMA (vgl. GEFMA, 2004, S. 9) und DIN (vgl. Deutsches Institut für Normung e.V., 2007, S. 9) ausgeschickte strategische Teil des Facility Managements ausgenommen wird.
Aufgrund der zuvor bereits sehr unterschiedlichen Betrachtungsweise des Facility Managements in der Forschung und seiner Anwendung in der Praxis wird für diese Ausarbeitung aufgrund der Notwendigkeit eines einheitlichen Verständnisses auf das theoretische Modell des Facility Management der europäischen Norm DIN EN 15221 zurück gegriffen. Dieses beschreibt hiernach „den Rahmen, wie Facility Management die Hauptaktivitäten einer Organisation unterstützt, umfasst die Beziehung zwischen Bedarf und Lieferung und zeigt wie die unterschiedlichen Ebenen des Facility Managements zusammen wirken können.“ (Deutsches Institut für Normung e. V., 2011, S. 4):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9 FM-Modell DIN EN 15221 (Deutsches Institut für Normung e. V., 2011, S. 4)
Das Facility Management handelt demnach strategisch, taktisch und operativ. Es unterstützt die Hauptaktivitäten einer Organisation mit Unterstützungsprozessen in Form von sogenannten Facility Services. Gemäß der DIN EN 15221-1 sind Facility Services “Dienstleistungen zur Unterstützung der Hauptaktivitäten einer Organisation, die von einem internen oder externen Leistungserbringer erbracht werden.“ (Deutsches Institut für Normung e.V., 2007) Die Facility Services können hierzu aufgrund des interdisziplinären Charakters sehr umfassend sein.
Facility Management soll als eine von den Kernprozessen einer Organisation abhängige Führungsaufgabe verstanden werden. Jedoch werden nur wenige Ansätze der Nachhaltigkeit in den genannten Definitionen bislang berücksichtigt. So wird weder die ökologische-, noch die soziale Umwelt angeführt. Die aktuelle Interpretation des Facility Managements auf Normenebene sieht demnach maximal nur einen kleinen Beitrag zum nachhaltigen Handeln vor, in weiterer aktueller Literatur hauptsächlich unter ökonomischen und ökologischen Aspekten für Immobilien, beispielsweise mit „Life-Cycle-Cost“ oder „Green Building“ als Beispiele aus dem amerikanischen Raum. (Roper & Payant, 2014, S. 201-210).
Da mit Sekundärprozessen neben den Primärprozessen die gesellschaftliche Verantwortung ebenfalls unterstützt werden kann, besitzt das Facility Management damit ein erhebliches Potenzial einen Beitrag zum Wahrnehmung der CSR zu leisten. Dieser Aspekt bleibt mit den Ergebnissen der Normenarbeit von den zuvor angeführten FM-Verbänden DIN, GEFMA und IFMA bislang noch unberücksichtigt. Vielmehr konzentriert sich beispielsweise die GEFMA auf die Ergänzung durch Facility Management- Dienstleistungen von „gebäudebezogenen Zertifizierungssystemen“ (GEFMA e.V., 2014, S. 4) wie BNB, DGNB, BREEAM, LEED, jedoch nicht auf bereits etablierte Leitprinzipien oder Managementsysteme zur gesellschaftlichen Verantwortung.
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der dahingehend aufkommenden Frage, wie der Bezug von CSR zum FM beispielhaft hergestellt werden kann.
3 FM-relevante Unterstützungsbedarfe im Rahmen der CSR-Strategie von Unternehmen ermitteln
3.1 Definition von CSR-Aufgaben
Wie bereits in Kapitel 2 beschrieben, definiert die Europäische Kommission in ihrer „neue(n) EU-Strategie für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ CSR als die „Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.“ (EUROPÄISCHE KOMMISSION, 2011, S. 7, Ergänzung in Klammern durch den Verfasser). „Damit die Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung in vollem Umfang gerecht werden, sollten sie auf ein Verfahren zurückgreifen können, mit dem soziale, ökologische, ethische, Menschenrechts- und Verbraucherbelange in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsführung und in ihre Kernstrategie integriert werden.“ (EUROPÄISCHE KOMMISSION, 2011, S. 7, Hervorhebung durch den Verfasser).
Für die Klassifikation von FM-Dienstleistungen in das Gedankengut von CSR ist es demnach sinnvoll, die durch die Europäische Kommission angesprochenen und bereits existierenden Verfahren einzubeziehen. Die oben beschriebene Definition zum Verfahren „stützt sich im Wesentlichen auf international anerkannte Grundsätze und Leitlinien verantwortungsvoller Unternehmensführung, vor allem auf die 2011 überarbeiteten OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die zehn Prinzipien des Global Compacts der Vereinten Nationen, den ISO-26000-Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung, die Dreigliedrige Grundsatzerklärung der International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation) und die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Unternehmen und Menschenrechte von 2011.“ (BMUB, 2014, S. 13).
Mit der Menge der veröffentlichten Instrumente zur gesellschaftlichen Verantwortung[17] stellt sich jedoch für diese Ausarbeitung die Frage, auf welche(s) CSR-Instrument(e) zurückgegriffen werden kann, um eine Identifizierung und Typisierung von FM-Dienstleistungen für das CSR zu erleichtern. Eine erste Übersicht anhand einer Auswahl existierender CSR-Instrumente liefert die folgende Tabelle. Diese umfasst allgemein anerkannte Standards und berücksichtigt zudem die Ausrichtung auf die Gebäudewirtschaft:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[18] [19]
Tabelle 2 Übersicht von CSR-Instrumenten[20]
[...]
[1] Siehe z.B. (Lukatsch, 2010) als Beispiel für die Drogeriekette dm
[2] Siehe z.B. (Meyer & Waßmann, 2011) als Beispiel für dell, HP, ACER.
[3] Siehe hierzu (Kirstein, 2009)
[4] Siehe hierzu (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, 2014)
[5] Für die Definition von „Lieferant“ siehe Kapitel 3.3.
[6] Siehe z.B. die Verbandsinitiative „CSR Germany“ oder das Wirtschaftsnetzwerk „CSR Europe“
[7] Beispiele finden sich in Beiträgen der OECD oder der UNO mit dem „United Nations Global Compact“: http://www.oecd.org/daf/inv/corporateresponsibility/ , https://www.unglobalcompact.org/
[8] Beispiele für solche Normen sind SA 8000, EMAS, ISO 14000, OHSAS 18001, ISO 26000.
[9] Siehe hierzu z.B. (Raupp, Jarolimek, & Schultz, 2011, S. 14) und (Burckhardt, Corporate Social Responsibility- Mythen und Maßnahmen - Unternehmen verantwortungsvoll führen, Regulierungslücken schließen, 2011, 2013, S. V)
[10] Siehe hierzu auch den Antrag vom 12.06.2013 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im zur Verbesserung des Rechtsschutzes bei Menschenrechtsverletzungen im Ausland durch Unternehmen, ihre Tochtergesellschaften und Zulieferer, Deutscher Bundestag, Drucksache 17/13916
[11] Siehe hierzu http://www.csr-in-deutschland.de/
[12] Vergleiche beispielsweise die Nachhaltigkeitsstrategie Hessen: http://www.hessen-nachhaltig.de/ oder die CSR Strategie des Wirtschaftsministeriums NRW: http://www.wirtschaft.nrw.de/wirtschaft/verantwortung_csr/
[13] Nachhaltige Entwicklung wird gemäß der DIN 26000 als „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Deutsches Institut für Normung e. V., 2011, S. 18) definiert.
[14] Diese Schreibweise aus dem englischen Sprachraum wird durch das weltweite Normungsinstitut International Organization for Standardization (ISO) nicht durchgängig verwendet, so dass an der allgemein geläufigeren Variante des deutschsprachigen Raums mit „Facility“ von nun an im Text festgehalten wird.
[15] Siehe hierzu z.B. das Marketing mit der Website http://www.fm-die-moeglichmacher.de/ eines Unternehmenszusammenschlusses unter Beteiligung einiger Top-Branchenvertreter des FM.
[16] Die Gesamtkapitalrentabilität ist gemäß dem Gabler Wirtschaftslexikon der „Einzahlungsüberschuss des Unternehmens in Relation zum gesamten eingesetzten Kapital“. (Springer Gabler Verlag ) Der Einzahlungs-überschuss wird durch das Facility Management nur in wenigen Fällen beeinflusst werden, so dass das Hauptinteresse der Optimierung des eingesetzten Kapitals gelten sollte.
[17] Das „Kurzgutachten zur Systematik bestehender CSR-Instrumente“ für Bundesministerium für Arbeit und Soziales erfasste 97 existierende CSR-Instrumente. (imug Beratungsgesellschaft mbH, 2012)
[18] In Anlehnung an die die Unterlage der Bertelsmann Stiftung vom 05.06.12 mit dem Titel: „AG Möglichkeiten und Grenzen der Evaluierung verantwortungsvoller Unternehmensführung 4. Sitzung“.
[19] „EMAS erfüllt auch die Normanforderungen der ISO 14001, geht aber darüber hinaus. Nur das öffentlich-rechtliche EMAS-System deckt alle Umweltaspekte von CSR zuverlässig ab: Angefangen von der Legal Compliance über den offenen Stakeholder-Dialog bis hin zum systematischen Einsparen von Energie- und Ressourcenkosten“. (UGA) Aufgrund dieses Umstandes wurde die ISO 14001 in der Tabelle nicht aufgenommen.
[20] Unter Einbezug von (imug Beratungsgesellschaft mbH, 2012) und (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, 2014)
- Citar trabajo
- Anónimo,, 2015, Corporate Social Responsibility (CSR) und Facility Management (FM), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299734
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