Diese empirische Arbeit untersucht die Kategorien von Classroom-Managment (CM) hinsichtlich ihrer störungsreduktiven Wirkung auf Grundlage von Unterrichtsvideos dreier Lehrkräfte. Insgesamt werden 6 Sequenzen transkribiert und analysiert, indem ihre Wirkung auf die Störungen Abschalten, Unruhe und Aggression untersucht wird. Dabei wird CM als Konstrukt mit behavioristischen, kognitiven, verhaltenskontrollierenden, beziehungsfördernden und die Unterrichtsvorbereitung betreffenden Kategorien im Sinne eines modernen Konzepts von CM verstanden. Unterrichtsstörungen werden insbesondere als durch die Lehrkraft zu bewältigende Erscheinungen verstanden. Auch wenn der Einfluss der Lehrkraft mit Verweis auf Helmkes Angebots-Nutzungs-Modell im Theorieteil relativiert wird, ist dieser mit 30% laut Forschungen als überaus hoch zu betrachten. Wichtige Kategorien von CM sind auf die Forschungen von Kounin und Evertson zurückzuführen, die einen präventiven Ansatz zur Störungsreduktion vertreten und traditionell als für die Störungsreduktion besonders wichtig gelten. In den gegenwärtigen Forschungen durch Mayr scheinen diese Kategorien vernachlässigbar und durch andere Kategorien kompensierbar. Diese Arbeit vertritt den Ansatz, dass effektive Störungsreduktion sich durch bestimmte nicht vernachlässigbare Kategorien auszeichnet. Dies wird im Empirischen Teil der Arbeit auf Grundlage der einzelnen Sequenzen analysiert, indem die Berücksichtigung der Kategorien von CM aufgrund ihres störungsreduktiven Einflusses im Unterrichtsgeschehen untersucht wird und schließlich im Diskussionsteil mit den in Mayrs Studie als störungsreduktivste ermittelten Kategorien verglichen. Dabei wird im Theorieteil zunächst auf die Entwicklung von CM eingegangen, insbesondere der damit zusammenhängenden Herausbildung der Kategorien und ihrer Funktionsweise. Darüber hinaus werden auch theoretische Ansätze in Bezug auf die Vorgehensweise zur Videoanalyse im Allgemeinen erläutert inklusive formaler Dokumentation und Transkription der Sequenzen und des Analysevorgehens. Durch die im Empirischen Teil vorgenommene Analyse der Unterrichtsvideos werden schließlich die wichtigsten Kategorien zur Störungsreduktion definiert, wobei diese nur teilweise mit den Ergebnissen von Mayr übereinstimmen und die Arbeit insgesamt zu dem Ergebnis kommt, dass bestimmte Kategorien, zu denen auch jene Kounins und Evertsons gehören, für die Störungsreduktion weitaus größere Bedeutung haben als aus Mayrs Studien hervorgeht.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I Theorie
1 Classroom-Management als reaktiver Umgang mit Störungen
1.1 Klassisches Konditionieren
1.2 Operante Konditionierung
1.3 Zusammenfassung
2 Classroom-Management als präventiver Umgang mit Störungen
2.1 Kounins Techniken der Klassenführung
2.2 Die Ergänzung von Kounins Prinzipien
2.3 Zusammenfassung
3 Unterrichtsstörungen im mehrdimensionalen Verständnis von Classroom-Management
3.1 Evertsons elf Punkte effektiven Classroom-Managements
3.2 HelmkesAngebots-Nutzungs-Modell
3.3 Mayr und das Handlungsspektrum erfolgreicher Lehrkräfte
3.4 Zusammenfassung
4 Forschungsfrage
II Empirie
1 Methode
1.1 Stichprobe
1.2 Analyseverfahren
1.3 Transkriptionsmethode
2 Analyse ausgewählter Unterrichtssequenzen
2.1 Analyse der Unterrichtsstunde HS 7 („Rationale Zahlen“)
2.1.1 Zusammenfassung und Transkription der Sequenz 1
2.1.2 Analyse der Sequenz 1
2.1.3 Zusammenfassung und Transkription der Sequenz II
2.1.4 Analyse der Sequenz II
2.1.5 Zusammenfassung und Transkription der Sequenz III
2.1.6 Analyse der Sequenz III
2.2 Analyse der Unterrichtsstunde HS 43 („Rolltreppe abwärts“)
2.2.1 Zusammenfassung und Transkription der Sequenz 1
2.2.2 Analyse der Sequenz 1
2.2.3 Zusammenfassung und Transkription der Sequenz II
2.2.4 Analyse der Sequenz II
2.3 Analyse der Unterrichtsstunde GY14 („Romeo und Julia“)
2.3.1 Zusammenfassung und Transkription der Sequenz 1
2.3.2 Analyseder SequenzI
3 Diskussion
III Ausblick
Literatur
Einleitung
„Unsere Schulen sind von einem ernsthaften Problem betroffen, das bezogen auf Lehren und Lernen verheerenden Schaden anrichtet. Dieses Problem ist Schülerfehlverhalten. Wenn Sie heute unterrichten, haben Sie vielfältige Erfahrungen damit. Wenn Sie sich darauf vorbereiten zu unterrichten, seien Sie gewarnt: Es ist das wesentlichste Hindernis zu Ihrem Erfolg und hat das Potential, Ihre Karriere zu zerstören.“ (Charles 2002, S. 1, übers. v. Mägdefrau 2010, S. 49)
Diese Worte mögen vielen Lehrerinnen und Lehrern aus dem Herzen sprechen, die sich täglich mit unangemessenem Schülerverhalten konfrontiert sehen. Dabei entsteht schnell der Eindruck, dass das Fehlverhalten von Schülerinnen und Schülern im 21. Jahrhundert ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht hat. Bilder, wie sie während der Ausschreitungen an der Berliner Rütli Schule im Jahr 2005 durch die Medien gingen, bekräftigen diese Vorstellung. In einem Beschwerdebrief der Lehrerinnen und Lehrer der Rütlischule an die Schulleitung heißt es:
„Unsere Bemühungen, die Einhaltung der Regeln durchzusetzen, treffen auf starken Widerstand der Schüler/innen. Diesen Widerstand zu überwinden wird immer schwieriger. In vielen Klassen ist das Verhalten im Unterricht geprägt durch totale Ablehnung des Unterrichtsstoffes und menschenverachtendes Auftreten. Lehrkräfte werden gar nicht wahrgenommen, Gegenstände fliegen zielgerichtet gegen Lehrkräfte durch die Klassen, Anweisungen werden ignoriert.“ (Keller 2008, S. 9)
Allerdings wird Schülerverhalten nicht erst in der heutigen Zeit kritisiert. Bereits vor über 2000 Jahren soll das Verhalten der Jugend von Sokrates wenig positiv beschrieben worden sein, indem er beklagte, „die Jugend verachtet die Autorität und hat keinen Respekt vor den älteren Leuten. Sie widersprechen ihren Eltern (...) legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer“ (Sokrates 470-399 v. Chr.). Keller gibt einen Rückblick auf die Schulgeschichte von den Anfängen bei den Sumerern 3000 v. Chr. bis ins 21. Jahrhundert und erläutert exemplarisch einige Überlieferungen, welche die Schwierigkeiten von Lehrpersonen im Umgang mit den Disziplinproblemen der Schülerschaft - von Desinteresse bis zu schweren Übergriffen auf Lehrpersonen - über die gesamte Schulgeschichte hinweg belegen (vgl. Keller 2008, S. 9-17). Keller hält schließlich fest, dass „es ein Schulparadies nie gegeben hat. Die Schülerinnen und Schüler scheinen seit 5000 Jahren Probleme zu haben mit Schuldisziplin“ (Keller 2008, S. 17). Der Begriff der Disziplin ist in den letzten Jahren wieder verstärkt in das Zentrum der (erziehungswissenschaftlichen) Diskussion gerückt. So habe das 2007 erschienene Buch Lob der Disziplin des Pädagogen und langjährigem Leiter des Internats Salem, Bernhard Bueb, in dem er wieder für mehr Ordnung, Disziplin und Autorität in der Erziehung plädiert, ebenso zahlreiche Befürworter wie Kritiker gefunden (vgl. Hoffmann 2009, S. 21). Keller verdeutlicht, dass auch wenn mit dem Begriff Disziplin Schlagwörter wie Unterwerfung, Drill, Zucht und Gehorsam assoziiert werden, dieser Begriff im heutigen Diskurs zunehmend als Schaffung einer hilfreichen Ordnung, die gemeinsames und wirksames Lernen ermöglicht, verstanden werde, also keinen Selbstzweck darstelle, sondern einen wohltuenden lernförderlichen Unterricht ermögliche (vgl. Keller 2008, S. 19f.). Dennoch gehe von dem Begriff der Disziplin beziehungsweise seinen zahlreichen Kompositionen, wie etwa Disziplinstörungen, Disziplinkonflikte oder Disziplinschwierigkeiten, die häufig zur Bezeichnung von Störungen des Unterrichts Verwendung fänden, eine bestimmte Betrachtungsweise aus, welche die Störungsursache dem Schülerverhalten zugrunde lege und die Verantwortlichkeit zur Wahrung der Disziplin durch entsprechende Lehrermaßnahmen impliziere, ähnlich wie von Begriffen wie abweichendes Schülerverhalten, Lernstörung, Leistungsstörung oder Erziehungsschwierigkeiten der Einfluss der Lehrkraft relativiert und die Störungsursache auf die Lernenden, deren kognitive Fähigkeiten, oder familiären Hintergründe gelenkt werde (vgl. Eberhard 2010, S. 36f.). Ein neutral und weitgefasster Terminus hingegen ist der Begriff der Unterrichtsstörung. Lohmann definiert Unterrichtsstörungen als:
„Ereignisse, die den Lehr-Lern-Prozess beeinträchtigen, unterbrechen oder unmöglich machen, indem sie die Voraussetzungen, unter denen Lehren und Lernen erst stattfinden kann, teilweise oder ganz außer Kraft setzten. Zu den Voraussetzungen zählen äußere und innere, das Lernen ermöglichende Bedingungen, wie physische und psychische Sicherheit, Ruhe, Aufmerksamkeit, Konzentration. Die Störungen können von Schülern oder Lehrern verursacht oder von außen hereingetragen werden, z. B. Laute Zwischenrufe, verbale oder physische Attacken, Herumlaufen von Schülern; Hektik, Herumbrüllen oder Sarkasmus von Lehrern, Durchsagen, Baustellenlärm, Tiefflieger, plötzlicher Schneefall usw.“ (Lohmann 2011, S. 13)
Die Liste von Unterrichtsstörungen scheint endlos lang und was sich als schülerbezogene Störung äußert, kann wohl unterschiedlichste Ursachen haben. Außerdem seien Unterrichtsstörungen ein in hohem Maße subjektives Phänomen und letztlich von den Normen und Wahrnehmungen der einzelnen Lehrpersonen abhängig (vgl. Gonszcz 2013, S. 5). Wie jeder sicher aus seiner eigenen Schulzeit belegen wird, kann eine bestimmte Verhaltensweise bei manchen Lehrern zu Konsequenzen führen, bei anderen nicht. Oder sogar beim gleichen Lehrer scheint das ein oder andere Mal ein bestimmtes Verhalten eines Schülers zur Ermahnung zu führen, während dies bei einem anderen Schüler, der das gleiche oder ein ähnliches Verhalten zeigt, ausbleibt. Die zahlreichen Ursachen von Unterrichtsstörungen, die bei einem Störverhalten auch zusammenwirken können und das hohe Maß an Subjektivität bezüglich der Störungswahrnehmung, erschweren es sicherlich, Unterrichtsstörungen einzudämmen. Dabei ist es offensichtlich, dass übermäßigen und intensiven Unterrichtsstörungen entgegengewirkt werden muss, da sie die Lehr- und Lernprozesse im Unterricht beeinträchtigen. Offensichtlich ist jedoch auch, dass ein westlich und demokratisch ausgerichtetes Lernverständnis im21. Jahrhundert Unterrichtsstörungen beinhaltet.
„Disziplinkonflikte und Unterrichtsstörungen sind ... [bereits] aufgrund der vielfältigen Widersprüche in der Schulpraxis unausweichliche und bis zu einem gewissen Grad normale Begleiterscheinungen vonUnterricht.“ (Lohmann2011,S. 14)
Meine Arbeit soll nicht die Ursachen von Unterrichtsstörungen vor einem allgemeinen schulischen oder gesellschaftlichen Hintergrund untersuchen, indem es diese in den institutionellen Rahmenbedingungen oder dem Lehrplan verortet und für eine Reform dieser Faktoren plädiert. Genauso wenig sollen diagnostische Ansätze gewagt werden, welche bestimmte familiäre oder kognitive Ursachen in einer Unterrichtsstörung suchen. Außerdem werden Unterrichtsstörungen wie Baulärm oder unbeheizte Klassenzimmer als Randphänomene betrachtet. Unterrichtsstörungen sollen in dieser Arbeit auf der Basis eines schulpraktischen Ansatzes beleuchtet werden, als zu einem gewissen Grad normale Erscheinungsformen in der Unterrichtspraxis, die akzeptiert aber auf ein gesundes Maß reduziert werden müssen und deren Reduktion insbesondere durch die Lehrkraft und ihren Unterricht herbeigeführt werden kann, unabhängig von den Kontextbedingungen. Denn Lohmann weist darauf hin, dass Unterrichtsstörungen aus Lehrersicht oftmals in Bezug auf die Persönlichkeitsstrukturen der Schülerinnen und Schüler erklärt werden und nicht auf Grundlage der Interaktionen im unterrichtlichen Kontext, wobei Forschungsergebnisse zeigen würden, dass Lehrer Verhaltensstörungen sowie die Bedeutung von außerschulischen Bedingungsfaktoren als Störungsursachen überschätzen (vgl. Lohmann 2011, S. 15f.). Lohmann verdeutlicht auch, dass der wichtigste und am leichtesten zu verändernde Einflussfaktor Unterrichtsstörungen entgegenzuwirken, die sich im Verhalten der Schülerinnen und Schüler äußern, das Lehrerverhalten ist (vgl. Lohmann 2011, S. 15). Dass das Lehrerhandeln im Rahmen des Unterrichts eine entscheidende Einflussgröße in der Reduktion von schülerbezogenen Unterrichtsstörungen darstellt, lässt sich wohl auch daran erkennen, dass die gleiche Klasse bei einer bestimmten Lehrperson durch übermäßiges Störverhalten auffallen kann und bei einer anderen durch gute Mitarbeit und das bei gleichem Fach und Unterrichtsthema. Es scheint also einen Handlungsspielraum zu geben, der von der Lehrperson ausgeht, bei dem die Berücksichtigung bestimmter Faktoren im Lehrerhandeln zu einem störungsarmen Unterricht führen kann. Genau hier soll diese Arbeit ansetzen und die Faktoren untersuchen, die sich durch eine gezielte Berücksichtigung durch die Lehrkraft, strörungsreduktiv auf den Unterricht auswirken. Denn die Berücksichtigung bestimmter Faktoren im Lehrerhandeln scheint einen potentiellen Unterschied zwischen einem störungsarmen und störungsreichen Unterricht auszumachen. Dabei soll jedoch nicht vergessen werden, dass Unterrichtsstörungen auch von Faktoren abhängen können, welche sich dem direkten Einfluss der Lehrkraft entziehen und daher auch nicht durch eine gute Klassenführung bewältigt werden können. Dabei wird eine gute und effektive Klassenführung verstanden als:
„Das Sicherstellen und Aufrechterhalten eines dem Lernen förderlichen Klimas in der Klasse sowie das Einüben adäquater Arbeitshaltungen und Verhaltensweisen der Lernenden, damit ist Klassenführung instruktionsstützendes Mittel zum Bereitstellen optimaler Lerngelegenheiten.“ (Mägdefrau2010, S. 50)
Seethaler weist darauf hin, dass der Begriff „Klassenführung“ eine Ableitung des anglo- amerikanischen „classroom-management“ sei und sich auf die Führungsqualitäten von Lehrkräften beziehe, deren wissenschaftliche Untersuchung im anglo-amerikansichen Raum bereits um 1900 begonnen habe und dass mit der Einführung des Themas und des Begriffes in den deutschsprachigen Raum unterschiedliche Übersetzungen eingeführt wurden, wobei „Klassenführung“ und „Klassenmanagement“ wohl am häufigsten seien (vgl. Seethaler 2012, S. 74). Syring und Kollegen erklären, dass Classroom-Management zunächst stark auf Regeln und Maßnahmen zur Führung einer Klasse reduziert worden sei, wobei sie betonen, dass Classroom-Management mittlerweile eine starke Erweiterung erfahren habe und insbesondere verschiedene Faktoren in den Bereichen der Unterrichtsgestaltung, Beziehungsförderung und Verhaltenskontrolle umfasse, so dass Classroom-Management als komplexes Konstrukt eine Unterrichtsqualitätsdimension darstelle (vgl. Syring et al. 2013, S. 4-6).
Auch Seibert hebt den Unterschied zwischen Klassenführung und Classroom-Management hervor, da dem Konzept von Classroom-Management ein aktives Schülerbild zugrunde liege, in welchem Lernen als weitgehend individueller Konstruktionsprozess verstanden werde. Hinzu komme, das neben kognitiven Lernzielen auch soziale, affektive und psychomotorische Ziele verflogt werden, die die Verantwortung des Lehrers mit der Verantwortung des Schülers und der der Erziehungsberechtigten teilen würden, so dass aus einem einst geschlossenen Unterrichtskonzept sich allmählich eine Öffnung des Unterrichts entwickelt habe, wodurch auch Störungen als Lernchancen gedeutet würden. Die Klassenführung bleibe dabei als ein Teil von Classroom-Management erhalten. (vgl. Seibert2012, S. 237f.)
Obwohl auf die Differenzierung von Klassenführung und Classroom-Management im erziehungswissenschaftlichen Diskurs Wert gelegt wird, ist auffällig, dass die Begriffe Klassenführung und Classroom-Management aufgrund ihrer geringen Trennschärfe oft synonym verwendet werden. Auch in meiner Arbeit sollen diese Begriffe als synonym gelten. Die Begriffe Klassenführung, Classroom-Management oder auch Klassenmanagement beziehen sich in meiner Arbeit auf Konzepte, die aus unterschiedlichsten Merkmalen bestehen, von denen angenommen wird, dass eine entsprechende Berücksichtigung dieser Merkmale durch die Lehrkraft im Unterricht mit einer geringen Störungsrate einhergeht und eine aktive Mitarbeit der Lernenden fördert. Allerdings soll im Folgenden überwiegend der Begriff Classroom-Management zur Bezeichnung eines solchen Konzeptes verwendet werden. Meine Arbeit soll die unterschiedlichen Merkmale, die sich im Laufe der langjährigen Forschung auf diesem Gebiet als für effektives Classroom-Management relevante Komponenten herausgestellt haben, hinsichtlich ihrer störungsreduktiven Wirkung auf Grundlage von videografiertem Unterricht verschiedener Lehrkräfte und Klassen untersuchen. Dabei sollen Erkenntnisse über die Wirkungsmacht bestimmter Faktoren in Bezug auf ihren störungsreduktiven Einfluss gewonnen werden. Dafür soll zunächst auf die Entwicklung von Classroom-Management eingegangen werden, um die unterschiedlichen Merkmale und ihre Wirkung sowie ihre zunehmende Ausdifferenzierung, Erweiterung und Integration in das Konzept von Classroom-Management nachvollziehbar zu machen. Zunächst erfolgt eine Darlegung des frühen behavioristischen Ansatzes, der sich auf reaktive Maßnahmen zur Störungsreduktion beschränkt. Dann erfolgt ein Einblick in Kounins Studien, die als Ansatz zum präventivem Umgang mit Störungen die Klassenführung revolutioniert haben und schließlich ausdifferenziert und erweitert wurden, woran insbesondere die Forschergruppe um Evertson maßgeblich beteiligt war. Der Einfluss von Classroom-Management in Bezug auf die Störungsreduktion wird dann im Rahmen der Unterrichtsqualitätsforschung anhand von Helmkes Angebots-Nutzungs-Modell erklärt und dabei einerseits relativiert, andererseits als wirkungsmächtige Dimension von Unterrichtsqualität bekräftigt. Schließlich soll an den neueren Forschungsstand im deutschen Sprachraum, der Forschergruppe um Mayr, angeknüpft werden. Deren Forschungen haben auf Grundlage von umfangreichen Fragebogenerhebungen ergeben, dass effektives Classroom-Management sich in bestimmten Mustern abzeichnet, die auf eine unterschiedlich starke Berücksichtigung verschiedenster Merkmale durch die Lehrkräfte zurückzuführen sind und dabei auch den Zusammenhang zwischen der Berücksichtigung dieser Merkmale und dem Auftreten bestimmter Störungen ermittelt. In meiner Arbeit soll eine Beobachtungsstudie auf Grundlage von videografiertem Unterricht vorgenommen werden, um zu analysieren, von welchen Merkmalen von Classroom-Management eine entscheidende störungsreduktive Wirkung ausgeht, um so die Merkmale mit den günstigsten störungsreduktiven Effekten vor dem Hintergrund der Ergebnisse aus Mayrs Forschung zu untersuchen.
I Theorie
1 Classroom-Management als reaktiver Umgang mit Störungen
Mägdefrau verdeutlicht, dass die Forschungen zur Klassenführung bis in die 1970er Jahre überwiegend vom Behaviorismus geprägt waren. Ihren Fokus richteten diese Forschungen insbesondere auf die Untersuchung der Funktionsweise bezüglich der Etablierung von Regelsystemen auf Grundlage der Verhaltensmodifikation durch Hinweisreize, die dem Schüler mitteilen, dass bestimmte Verhaltensweisen in bestimmten Unterrichtssituationen erwünscht sind oder nicht. (vgl. Mägdefrau 2010, S. 51)
„Wenn der Schüler das erwünschte Verhalten zeigt, wird es augenblicklich verstärkt, was die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens des Verhaltens erhöht. Ist das erwünschte Verhalten in ausreichendem Maße stabilisiert, wird es nur noch ab und zu verstärkt. Unerwünschtes Verhalten soll verhindert werden, indem es keine Verstärkung erfährt, also ignoriert bzw. in schlimmeren Fällen bestraft wird.“ (MägdefTau2010, S. 51f.)
Unterrichtsstörungen lassen sich nach dieser Auffassung somit im Rahmen der Modifikation von Verhaltensweisen entgegenwirken. Dieser behavioristische Ansatz habe sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt und beschreibe Lernen in Bezug auf beobachtbares Verhalten, so habe Lernen beispielsweise stattgefunden, wenn ein Schüler, der seine Hausaufgaben bisher nicht gemacht habe, diese nun regelmäßig erledige (vgl. Tulodziecki et. al. 2009, S. 18). Dabei ist die Auffassung entscheidend, dass die gewünschten Verhaltensweisen auf Grundlage externer Einflüsse erzielbar sind.
„[Denn] Verhaltensweisen werden ... als beobachtbare Reaktionen auf auslösende Reize oder als beobachtbare Aktivitäten in einer gegebenen Situation mit bestimmten Konsequenzen aufgefasst. Die Strukturen und Prozesse im Gehirn, die möglichen Veränderungen zugrunde liegen - so genannte Kognitionen - blendet der Behaviorismus aus. Ein Lernender bzw. eine Lernende wird in behavioristischen Lerntheorien als Black Box angesehen. Zugleich wird angenommen, dass das Verhalten eines Individuums durch äußere Reize, die einem Verhalten vorausgehen und/oder folgen, gesteuertwerdenkann.“ (Tulodziecki et. al. 2009, S. 18)
Tatsächlich scheint eine gezielte und wissenschaftlich fundierte Modifikation von Verhaltensweisen im Kontext von effektiven Lehr- und Lernprozessen aus behavioristischer Sicht ausschließlich über die Einwirkung äußerer Reize steuerbar. Seel und Hanke sprechen von dem Begriff der Black Box als metaphorischer Verdeutlichung der behavioristischen Denkweise, welche dem Modell eines Systems zur Verarbeitung innerer und äußerer Reize mit unbekanntem Aufbau entspreche, eine Box, die einen Eingang hat und einen Ausgang, deren Vorgänge im Inneren jedoch im Dunkeln ablaufen würden und nicht erklärbar seien, was für Behavioristen auch unerheblich sei, da Phänomene wie Lernen, Denken, Behalten, Motivation und Emotion der wissenschaftlichen Untersuchung nicht zugänglich seien (vgl. Seel/Hanke 2014, S. 31).
„Experimentell gewonnene Erkenntnisse und Gesetzmäßigkeiten über das Lernen wurden systematisch auf menschliches Lernen übertragen und damit auch in den Schulkontext getragen. Ein klares Regelwerk, Lehrerlob und Ignorieren wurden zu Schlagwörtern verhaltenstheoretisch begründeter Klassenführung. Positive und negative Verstärkung, Löschung und Bestrafung, d.h. entweder ein Entzug von etwas Positivem oder Zuführung von etwas Negativem, sind empirisch bewährte Mittel der Steuerung im Klassenzimmer.“ (Haag/Streber 2012, S. 64)
Entsprechend ergibt sich aus einem auf den behavioristischen Ansatz reduzierten Verständnis von Classroom-Management ein Lehrerhandeln, das darauf ausgelegt ist, Schülerverhalten reaktiv durch entsprechende Maßnahmen zu beeinflussen, das heißt durch entsprechende Reizsteuerung, ungewünschtes Verhalten (Unterrichtsstörungen) zu neutralisieren sowie gewünschtes Verhalten hervorzurufen. Tulodziecki verweist auf das Prinzip der Konditionierung als die Grundlage behavioristischer Lerntheorien, wobei sich zwei Varianten unterscheiden ließen, die jeweils zur Verhaltenssteuerung genutzt werden könnten: das klassische und das operante Konditionieren (vgl. Tulodziecki et. al. 2009, S. 18). Die Umsetzung des behavioristischen Ansatzes sei in der Praxis jedoch nicht unproblematisch, da ein Lehrer nicht permanent in der Lage sei bei zwanzig Kindern und mehr in einer Klasse, alle Verhaltensweisen zur Kenntnis zu nehmen und die Lernenden nicht nur durch Reize des Lehrers gesteuert würden, sondern auch durch die der Mitschüler (vgl. Mägdefrau 2010, S. 52). Verstärkung und Bestrafung könnten zudem ganz verschiedene zum Teil unerwünschte Reaktionen bei unterschiedlichen Schülerinnen und Schülern hervorrufen und seien daher nicht generalisierbar, vor allem sei für eine erfolgreiche Verhaltensmodifikation durch Hinweisreize eine sehr konsistente und bedachte Vorgehensweise der Lehrkraft nötig, damit die gezielt eingesetzten Hinweisreize nicht an Bedeutung und damit an Wirkung verlieren, was passieren könne, wenn sie den Lernenden als willkürlich eingesetzt erscheinen (vgl. Tulodziecki et. al. 2009, S. 20). Seethaler bestätigt die Problematik der Konditionierung, verweist aber auch auf die Unterrichtspraxis, indem sie einerseits einräumt, dass behavioristische Ansätze die komplexen Verstehensprozesse des Lernens ausblenden würden und mit einigen Problemen verbunden seien, andererseits jedoch hervorhebt, dass auch heute noch gewisse Lernprozesse der Konditionierung unterworfen sind und daher behavioristische Ansätze in Klassenzimmern nach wir vor eine Rolle spielen würden (vgl. Seethaler 2012,S.91).
1.1 Klassisches Konditionieren
„Beim klassischen Konditionieren [Pavlov 1927/1974] wird ein vorher neutraler Reiz (Stimulus) wiederholt gepaart mit einem Stimulus, der automatisch eine emotionale oder physiologische Reaktion hervorruft. Später ruft dann der ehemals neutrale Reiz die Reaktion hervor - das heißt, der neutrale Reiz wurde auf die Reaktion konditioniert.“ (Woolfolk 2008, S. 298)
Als Beispiel einer klassischen Konditionierung im Unterrichtsalltag kann das Anvisieren eines Schülers betrachtet werden, auf welche eine Zurechtweisung durch die Lehrkraft erfolgt und dadurch der Lehrerblick fortan ein Unwohlsein in diesem Schüler auslöst. Denn die Lernenden werden bei wiederholter Anwendung dieses Blickes, gepaart mit einer Zurechtweisung, diesen Blick mit einer bevorstehenden Zurechtweisung verbinden. Das Zurechtweisen an sich löst in den meisten Fällen bei den Lernenden ein natürliches Unwohlsein hervor. Diese emotionale Reaktion des Unwohlseins kann nun dadurch hervorgerufen werden, dass die Lehrkraft die Lernenden nur mit diesem bestimmten Blick anvisiert, das heißt eine Zurechtweisung nicht mehr nötig ist, um ein Unwohlsein bei den Lernenden hervorzurufen, da der Blick als neutraler Reiz auf diese Reaktion konditioniert wurde. Derartige Verhaltensmodifikationen der Lernenden durch die Lehrkraft scheinen durchaus praktikabel und können schülerbezogene Störungen wohl effektiv beseitigen. Allerdings sollte beachtet werden, dass behavioristische Handlungsstrategien dieser Art, insbesondere in Bezug auf die Gefühlswelt der Lernenden, nie eindeutig abgeschätzt werden können. Es könnte Lernende geben, die eine Zurechtweisung mit einem positiven Gefühl verbinden, weil ihnen Aufmerksamkeit widerfahrt und ein entsprechender Blick dadurch nicht die von der Lehrkraft gewünschte Verhaltensweise erzielt, still zu sein, sondern das Gegenteil. Die klassische Konditionierung kann außerdem schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, denn „sobald ein Mensch gelernt hat, auf einen ursprünglich neutralen Reiz [beispielsweise] mit Furcht zu reagieren, bedarf es aufwendiger Verfahren, um den Konditionierungsprozess wieder rückgängig zu machen“ (Mietzel 2007, S. 199). Der Blick des Lehrers könnte somit ein permanentes Gefühl des Unwohlseins oder der Furcht hervorrufen, so dass dadurch zwar ein effektiver Umgang mit Störungen erreicht wird, aber ein aktives und erfolgreiches Lernen durch das verinnerlichte Unwohlsein nur schwer vorstellbar scheint.
1.2 Operante Konditionierung
„Eine zweite Spielart des Behaviorismus ist die operante Konditionierung [Skinner 1938/ 1974]. Ausgangspunkt der klassischen Konditionierung sind ausgelöste, d.h. „unfreiwillige“, „automatische“ Reaktionen aufgrund unkonditionierter Stimuli. Dieser Ausgangspunkt ändert sich bei der operanten Konditionierung. Hier wird ein Verhalten 'erzeugt', d.h. das Verhalten operiert mit Blick aufKonsequenzen.“ (Wilbers 2013, S. 349)
Allgemein lasse sich sagen, dass Menschen dazu neigen würden, ein Verhalten, das zur Befriedigung, Lustgewinn und Erfolg führe, zu wiederholen, ein Verhalten mit unangenehmen Konsequenzen aber zu vermeiden und abzustellen (vgl. Tulodziecki et. al. 2009, S. 42). Dieser behavioristische Ansatz lässt sich sicherlich auf verschiedenste Weise im Unterricht integrieren und zum effektiven Umgang mit schülerbezogenen Störungen nutzen.
Die operante Konditionierung sei als Strategie in der Schule vielfach anwendbar, um das Verhalten der Lernenden zu regulieren. Um Einfluss auf verbal oder aktional inakzeptables Verhalten zu nehmen, würden Lehrkräfte gewünschte Tätigkeiten in Aussicht stellen, Belohnungen und Vergünstigungen aussprechen oder bereits ausgesprochene negative Konsequenzen bei gezeigter Verhaltensbesserung aufheben. Allerdings müsse beim Verstärkungslernen einiges beachtet werden: Die Verstärkung müsse vom Lernenden direkt und unmittelbar im Zusammenhang mit seinem Verhalten stehend erfahren werden und sofort zurückgenommen werden, wenn das erwünschte Verhalten nicht mehr gezeigt werde. Zudem dürfe es eine Verstärkung erst gegeben, wenn das Verhalten tatsächlich gezeigt werde. (vgl. Tulodziecki et. al. 2009, S. 43)
Behavioristische Ansätze zum effektiven Umgang mit Störungen und die damit einhergehende Bereitstellung von aktiv nutzbarer Lernzeit können erfolgreiche Strategien eines effektiven Classroom-Managements sein und sind in dieser Hinsicht empirisch belegt. Mietzel warnt jedoch, dass Lehrer zur Ausübung effektiver Verhaltenskontrolle die verschiedenen Formen von Verstärkern und Bestrafungsreizen kennen müssen und auch wissen sollten, welche Wirkung sich damit erreichen lässt, wobei dem diskriminativen Reiz, der dem Lernenden signalisiert, wann die Gelegenheit besteht, mittels einer Verhaltensweise bestimmte Konsequenzen herbeizuführen oder zu vermeiden, eine entscheidende Bedeutung zu komme (vgl. Mietzel 2007, S. 199). Die Lernenden müssen also in der Lage sein, zwischen mehreren Reizbedingungen und ihren Konsequenzen zu unterscheiden. Wird ein sich meldender Schüler beispielsweise bei einer richtig gegebenen Antwort gelobt und ein die richtige Antwort dazwischenrufender Schüler nicht, sollte dies wohl auch permanent von der Lehrkraft so gehandhabt werden. Denn wenn dieser oder ein anderer Schüler bei der nächsten Gelegenheit ein Lob erhält, obwohl er dazwischenruft, so sind die Reize mit ihren entsprechenden Konsequenzen für die Lernenden nicht differenzierbar und die gewünschte Verhaltensmodifikation bleibt aus, oder das gewünschte Verhalten wird gar ins Gegenteil umgekehrt, weil die Lernenden sich möglicherweise ungerecht behandelt fühlen und der Lehrkraft fortan trotzen. Bei Bestrafung bestehe zudem immer das Problem, dass eine aggressive Reaktion auf Schülerseite oder ein negatives Selbstbild des Schülers hervorgerufen werden könne (vgl. Tulodziecki et. al. 2009, S. 20). Wirkungen und Gefahren eines behavioristischen Lehrerhandelns sollten wohl daher von der Lehrkraft sorgfältig abgeschätzt und geplant werden. Jedoch sind auch dann die Wirkungen der Konditionierung nie eindeutig abschätzbar und können bei Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Reaktionen und Verhaltensweisen hervorrufen. Seethaler weist darauf hin, dass die Generalisierung von Konditionierungsprozessen auf die Klassensituation im Sinne eines erfolgreichen Classroom-Managements durch universell anwendbare Strategien auf Grundlage behavioristischer Ansätze nicht erreicht werden konnte (vgl. Seethaler 2012, S. 91). Die Ansätze des operanten und klassischen Konditionierens seien zwar für das Erlernen von sozialem Verhalten und Emotionen zum Teil mit Erfolgen verbunden, komplexere Formen des Wissenserwerbs und den Erwerb von Problemlösungsfähigkeit würden diese frühen behavioristischen Ansätze dagegen nicht hinreichend erklären, da solche Lernprozesse erst in kognitiven Lerntheorien modelliert werden (vgl. Tulodziecki et. al. 2009, S.21).
Wiater verdeutlicht, dass in kognitiven Ansätzen auffällige Verhaltensweisen des Menschen mit dessen Kognitionen in Zusammenhang gebracht werden, die sowohl im „Was“ des Denkens als auch im „Wie“ des Denkens begründet seien. Entscheidend für das Verhalten eines Menschen sei seine Überzeugung welche sein Tun leite. Deshalb komme es darauf an, die Kognition betroffener zu rekonstruieren und eine kognitive Verhaltensmodifikation durchzuführen, die das unangemessene Verhalten der Lernenden ergründe, um sie von angemessenem Verhalten zu überzeugen. (vgl. Wiater 2009, S. 45)
1.3 Zusammenfassung
Classroom-Management war lange Zeit von behavioristischen Strategien geprägt, wohl auch, weil eine erfolgreiche Modifikation von Verhaltensweisen empirisch belegt ist und sich die Maßnahmen im effektiven Umgang mit Störungen zur Bereitstellung einer aktiv nutzbaren Lernzeit scheinbar einfach umsetzen lassen. Allerdings sind die empirischen Erkenntnisse aufgrund der unterrichtlichen Komplexität in Bezug auf den Schulkontext nicht generalisierbar. Hinweisreize können auf verschiedene Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer Konstitution und ihres Hintergrunds ganz unterschiedliche Wirkungen haben, die nicht die gewünschten Verhaltensweisen hervorrufen. Die klassische Konditionierung kann bei den Lernenden schwerwiegende Folgen hervorrufen, so dass ein neutraler Reiz ständig als konditionierter Reiz aufgefasst wird und dadurch negative Auswirkungen auf das Lernen hat. Auch bei der operanten Konditionierung muss eine bedachte und konsistente Anwendung der Hinweisreize erfolgen, um eine gewünschte Wirkung zu gewährleisten. Die Gefahren der Konditionierung und ihre fehlende Generalisierbarkeit im komplexen Unterrichtsgeschehen, aber vor allem auch das Ausblenden der Funktionsweise komplexer Lernprozesse, haben letztlich zu einer Abkehr vom Behaviorismus im Laufe des ausgehenden 20. Jahrhunderts geführt und eine Hinwendung zu kognitionsorientierten Ansätzen begünstigt. Jedoch schließt ein modernes Verständnis von Classroom-Management behavioristische Ansätze nicht aus, sondern integriert diese zusammen mit weiteren Ansätzen in einem vielschichtigen Modell. Bestimmte dem Behaviorismus zugrundeliegende Merkmale von Classroom-Management, wie beispielsweise Verstärkung des erwünschten Verhaltens oder Bestrafung des unerwünschten Verhaltens, sind grundlegende Strategien zur effektiven Klassenführung, auch in einem modernen Verständnis von Classroom-Management.
2 Classroom-Management als präventiver Umgang mit Störungen
In den 1960er Jahren ist eine neue Denkweise entstanden. Diese fasse Classroom-Management als Prävention von Unterrichtsstörungen auf und gehe mit Konzepten wie dem ökologischen Ansatz und dem Persönlichkeitsparadigma einher. (vgl. Seethaler 2012, S. 266)
„Im Gegensatz zu behavioristischen Ansätzen, denen es um die Modifikation des individueffen Verhaltens geht, steht beim ökologischen Zugang die Frage im Zentrum, wie die Lehrperson das Lerngeschehen von Gruppen als Zusammenspiel von sozial ausgehandelten Verhaltensregeln und Lehr-/Lernaktivitäten organisiert. Insofern widmen sich diese Ansätze eher dem Anforderungsbereich der instruktionsbegleitenden störungsinterventiven und -präventiven Handlungsmöglichkeiten von Lehrpersonen.“ (Mägdefrau 2010, S. 54)
Der Art und Weise wie eine Lehrkraft ihren Unterricht gestaltet und die Klasse führt, wird somit das Potential zuerkannt, Störungen von vornherein zu vermeiden und sie durch ein entsprechendes Lehrerhandeln an ihrer Entstehung zu hindern. Das Persönlichkeitsparadigma widme sich den Fragen typischer Eigenschaften einer positiven Lehrerpersönlichkeit, insbesondere den stabilen, situations- und zeitüberdauernden lernförderlichen Führungs- und Unterrichtsstilen, wie sie beispielhaft für dieses Paradigma in den Arbeiten Kounins ab den 1970ern erforscht wurden, indem Kounin auf Grundlage seiner empirischen Studien Prinzipien effektiver Klassenführung identifiziert habe (vgl. Köller 2008, S. 212). Ophardt und Thiel weisen daraufhin, dass ab den 1980er Jahren die Studien von Evertson einen entscheidenden Beitrag zum störungspräventiven Ansatz geliefert haben, indem ihre Studien einerseits den Einfluss von Kounins Prinzipien bestätigen würden, andererseits die Klassenführung um eine prä-interaktive Ebene erweitert hätten, die vor allem auf Strategien vorausschauenden Lehrerhandelns beruhe, das potentielle Störungsquellen durch die Etablierung von Verhaltenserwartungen und organisatorischen Maßnahmen nachweislich reduziere (vgl. Ophardt/ Thiel 2007, S. 134).
2.1 Kounins Techniken der Klassenftihrung
Kounins Studien widmeten sich zunächst dem reaktiven Umgang mit Unterrichtsstörungen. „Sie waren anfangs noch stark auf die Aspekte Bestrafung und Disziplinierung fokussiert“ (Syring et. al. 2013, S. 6f.). Ausgangspunkt bildete ein Vorfall in einer Vorlesung, in der ein Student wegen Zeitungslesens zurechtgewiesen wurde und dies daraufhin einstellte, wobei nicht die Reaktion des zurechtgewiesenen Studenten das Interesse Kounins weckte, sondern die der übrigen Studenten, die nun zurückhaltend wurden und, schon beinahe ängstlich, nur noch auf ihre Unterlagen starrten, ein Welleneffekt, welcher ein zentraler Untersuchungsgegenstand von Kounins Studien werden sollte (vgl. Kounin 1976/2006, S. 17).
„[Kounin] wollte vor allem herausfinden, ob Zurechtweisungsmethoden Einfluss auf Schülerreaktionen haben und ob sich verschiedenen Zurechtweisungsarten (er unterschied die Dimensionen Klarheit, Verärgerung, Festigkeit, Intensität, Schwerpunkt) (...) in ihrer Wirkung unterscheiden. Die Suche nach einer Art, effektiv zu ermahnen, blieb erfolglos. In den Ergebnissen konnte man keine Zusammenhänge erkennen: Die errechneten Korrelationen waren durchweg nicht signifikant.“ (Haag/Streber 2012, S. 67)
Denn „was bei Lehrer A Erfolg zeigte, erwies sich bei Lehrer B wirkungslos und Ermahnungen, die in einer Klasse für Ruhe sorgten, misslangen in den Parallelklassen“ (Gonszcz 2013, S. 11). Aufgrund der Ergebnisse wurde klar, dass „keine Zusammenhänge bestehen zwischen Qualitäten der Zurechtweisungsmethoden eines Lehrers und dem Erfolg dieses Lehrers im Umgang mit Fehlverhalten“ (Kounin 1976/2006, S. 81).
Gonszcz betrachtet dies als entscheidende Erkenntnis und Schwerpunktverlagerung in Bezug auf Kounins Studien. Denn aufgrund der Erkenntnis über die geringe Bedeutsamkeit der Reaktionsart auf die Störung verlagerten die Forscher den Fokus durch Videoanalysen verschiedener Klassen auf das Geschehen vor der Störung und kamen so zu nützlichen Ergebnissen, wonach der angestrebte Effekt weniger in Abhängigkeit der Art der Zurechtweisung als vielmehr in Abhängigkeit anderer Merkmale des Lehrerverhaltens eine mit dem gewünschten Schülerverhalten belegbare Korrelation aufweist. (vgl. Gonszcz 2013,S. 11) „So kam [Kounin] zu der Einsicht, dass es sinnvoller sei, Störungen zu vermeiden, als am Fehlverhalten der Schüler/innen anzusetzen. Klassenführung wurde definiert als die Beschäftigung des Lehrers mit dem äußerlich sichtbaren Verhalten von Schüler/innen, für welches offene Anzeichen von Mitarbeit und Fehlverhalten maßgeblich waren. Erfolgreiche Führung ist folglich definiert als die Fähigkeit, eine hohe Arbeitsrate bei niedriger Fehlverhaltensrate im Unterricht zu erzielen. Eine Analyse seiner Videoaufzeichnungen ergab, dass ganz bestimmte Verhaltensweisen von Lehrer/innen existieren, die mit dem Führungserfolg korrelieren. In der Studie zeigte sich: Je besser es den Lehrkräften gelang ... [bestimmte] Merkmale umzusetzen, umso besser arbeiteten die Schüler/innen mit und umso weniger Fehlverhalten zeigten sie. Die von Kounin beschriebenen „Techniken“ sind also präventive Verhaltensdimensionen, d.h Handlungsweisen, die Störungen schon vor ihrem Auftreten verhindern sollen.“ (Haag/Streber 2012, S. 67)
Syring und Kollegen betrachten Kounins Techniken der Klassenführung, die sie als Lehrstildimensionen bezeichnen, als das wesentlichste Ergebnis von Kounins Forschungsarbeit, da sie eine signifikante Relation mit dem Schülerverhalten hervorbrachten (vgl. Syring et. al. 2013, S. 7) und im aktuellen Verständnis von Classroom-Management eine entscheidende Rolle spielen (vgl. Haag/Streber 2012, S. 90). Aufgrund ihrer großen Bedeutung für das Verständnis von Classroom- Management soll im Folgenden ein Überblick über Kounins Techniken der effektiven Klassenführung erfolgen, indem die einzelnen Techniken aufgeführt und erläutert werden. Dafür soll die nachstehende Tabelle verwendet werden (Tab. n. Köller 2008, S. 213), da sie Kounins Techniken (Prinzipien) der effektiven Klassenführung in übersichtlicher Weise zusammenfasst und verdeutlicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle n. Köller 2008, S. 213
2.2 Die Ergänzung von Kounins Prinzipien
Kounins Studien und die daraus resultierenden Prinzipien sind in ihrer Wichtigkeit für das Verständnis von Classroom-Management wohl kaum überzubewerten und haben die moderne Unterrichtsforschung nachhaltig geprägt.
Nolting hebt hervor, dass aufgrund von zahlreichen Forschungen kaum ein Zweifel an Kounins Prinzipien bestehe, dass aber auch die Wichtigkeit der Erweiterung relevanter Prinzipien zu beachten sei. Die wichtigste Ergänzung liege in der Herstellung beständiger Ordnungsstrukturen, insbesondere durch die Einführung von Regeln. (vgl. Nolting 2002, S.38)
Ein empirischer Beleg über die Korrelation einer nachhaltigen Etablierung eines funktionierenden Regelsystems und einer geringen Störungsrate konnte in Studien (Emmer et. al. 1980) der Forschergruppe um Evertson belegt werden.
„Im Unterschied zu den Studien Kounins, die insbesondere die situationale Regulation des Unterrichts untersuchen, wird hier der Fokus darauf gerichtet, dass effektive Lehrkräfte zu Beginn des Schuljahres in ihren Lerngruppen ein System bestimmter Verhaltensregeln sowie ein Set von sozial geteilten Prozeduren und Routinen etablieren. Klassenmanagement wird aus dieser Sicht vor allem als vorausschauendes Lehrerhandeln begriffen, das potenzielle Störungsquellen durch die Etablierung von Verhaltenserwartungen und durch organisatorische Maßnahmen minimiert.“ (Ophardt/Thiel 2007, S. 134)
Es solltejedoch betont werden, dass auch die „interaktiven“ Prinzipien Kounins nicht ohne Planung auskommen, da selbst für eine interaktive Dimension wie zum Beispiel die der Allgegenwärtigkeit (siehe S. 13) mit Sicherheit Vorüberlegungen und geplante Verhaltensweisen seitens der Lehrkraft nötig sind, um diese erfolgreich umzusetzen, so dass die Trennschärfe zwischen prä-interaktiven und interaktiven Merkmalen nicht immer gegeben zu sein scheint. Dennoch sind Kounins Prinzipien wohl insbesondere im interaktiven Unterrichtsgeschehen erkennbare Einflussgrößen und lassen sich von grundlegenden prä-interaktiven Strategien abgrenzen. Kounins Prinzipien scheinen ein im Vorfeld festgelegtes Regelwerk und weitere organisatorische Aspekte zu implizieren, ohne sie dabei eigenständig hervorzuheben und zu untersuchen. Um so wichtiger scheint es in einem mehrdimensionalen Konzept von Classroom-Management, den Versuch einer sorgfältigen Differenzierung von interaktiven und prä-interaktiven Merkmalen vorzunehmen, auch wenn dies aufgrund der geringen Trennschärfe nicht immer ganz einfach ist. Ebenso fließend sei in manchen Fällen der Übergang zwischen Prävention und Reaktion, denn frühzeitiges Stoppen von Unterrichtsstörungen, verbal oder nichtverbal, liege im Übergangsbereich zwischen Prävention und Intervention (vgl. Nolting 2002, S. 76). Classroom-Management, als auf Störungsprävention ausgerichteter Umgang mit Störungen, ist ohne die Prinzipien Kounins nicht vorstellbar und sie sind nach wie vor ein integraler Bestandteil von Classroom-Management. Ebenso wichtig istjedoch auch die Erweiterung von Classroom-Management um prä-interaktive Merkmale, die für einen präventiven Ansatz im Umgang mit Störungen ebenso entscheidend sind. Auch wenn es wohl naheliegend ist, dass ein präventiver Ansatz im Umgang mit Unterrichtsstörungen durch interaktive und prä-interaktive Merkmale zu bevorzugen ist, weil so Unterrichtsstörungen von vornherein vermieden werden, so scheint es dennoch, dass Classroom-Management als effektiver Umgang mit Unterrichtsstörungen nicht auf eine reaktive Dimension verzichten kann. Zum einen können die Übergänge zwischen präventiven und reaktiven Strategien fließend sein, zum anderen wird ein gezielter Einsatz von reaktiven Strategien immer nötig sein, wenn ein auf Störungsprävention ausgerichtetes Lehrerhandeln die Entstehung von schülerbezogenen Unterrichtsstörungen nicht verhindern kann.
2.3 Zusammenfassung
Das behavioristische Verständnis von Classroom-Management wurde wesentlich von Kounins Studien verdrängt, der in seinen Studien belegen konnte, dass zwischen der Art zurechtzuweisen, also Störungen reaktiv entgegenzuwirken und dem Erfolg im Umgang mit Fehlverhalten, kein wesentlicher Zusammenhang besteht. Daher verlagerte Kounin den Fokus seiner Forschung durch videografierten Unterricht auf das Geschehen vor der Störung und konnte durch diesen Ansatz Prinzipien (Techniken) der effektiven Klassenführung ermitteln, die ein interaktives Handlungsrepertoire darstellen, um Störungen präventiv entgegenzuwirken. Kounins Prinzipien verdeutlichen den Einfluss der Lehrkraft, Störungen gar nicht erst entstehen zu lassen, so dass der Zusammenhang zwischen Lehrhandeln und Störungsentstehung in Kounins Studien aufgezeigt wird. Störungen sind keine vom Unterricht losgelösten Verhaltensauffälligkeiten, denen man nur reaktiv (verhaltensmodifizierend) entgegenwirken kann, sondern hängen auch mit dem Lehrerhandeln zusammen und können durch Kounins Prinzipien effektiver Klassenführung minimiert werden. Obwohl auch Kounins Prinzipien nicht als bloße interaktive Verhaltensweisen unterrichtlichen Handelns begriffen werden sollten, da deren professionelle Umsetzung wohl auch einer guten Vorausplanung bedarf, so scheinen sie dennoch insbesondere den situationalen Unterrichtsablauf zu betreffen. Unterrichtsorganisation und Regelsysteme werden zwar impliziert, aber nicht direkt als eigene Prinzipien hervorgehoben und untersucht. Eine Entscheidende Ergänzung von Kounins Studien durch die sorgfältige Differenzierung zwischen interaktiven Merkmalen und prä-interaktiven Merkmalen zur Störungsprävention wurde für ein umfassenderes Konzept von Classroom-Management entscheidend. Die Forschungsgruppe um Evertson konnte in ihren Studien eine signifikante Korrelation zwischen der Berücksichtigung von prä-interaktiven Merkmalen, insbesondere der Etablierung von Regelsystemen und einer geringen Störungsrate nachweisen. Außerdem wurde durch die sorgfältige Ausdifferenzierung der Merkmale von Classroom-Management und deren
Wirkungsweise ebenfalls deutlich, dass auch die Übergänge von Störungsprävention und -intervention fließend sein können, so dass eine Störungsprävention in manchen Situationen eine frühzeitige subtile Störungsintervention darstellen kann. Ein mehrdimensionales Verständnis von Classroom-Management ist entscheidend von den Studien Kounins und Evertsons geprägt. Kounins Techniken der Klassenführung und die gezielte Erweiterung um vorausplanende (prä-interaktive) Strategien zum effektiven Umgang mit Unterrichtsstörungen sind feste Bestandteile eines modernen Verständnisses von Classroom-Management und verdeutlichen die Wichtigkeit von interaktiven, prä-interaktiven sowie reaktiven Merkmalen hinsichtlich eines effektiven Umgangs mit Unterrichtsstörungen.
3 Unterrichtsstörungen im mehrdimensionalen Verständnis von Classroom-Management
Die Entwicklung von Classroom-Management von einem reaktiven zu einem zunehmend präventiven Verständnis im Umgang mit Unterrichtsstörungen und die Erkenntnis über die Notwendigkeit einer sorgfältigen Differenzierung und Integration der einzelnen Merkmale in ein umfassenderes Konzept von Classroom-Management zur Gewährleistung eines effektiveren Umgangs mit Störungen haben einen sehr wichtigen Beitrag zu einem mehrdimensionalen Verständnis von Classroom-Management geleistet. Jedoch spielt auch der Wandel des Lernverständnisses an sich eine entscheidende Rolle. Haag und Streber verweisen auf die kognitive Wende in den 1960/70 Jahren, welche das Verständnis eines selbstgesteuerten, durch kognitive Verstehensprozesse lernenden Menschen geprägt und das Lernen seitdem zunehmend zu einem sozialen Aushandeln mit der Umgebung gewandelt habe, in dem die Lernenden unabhängig von den Lehrerinnen und Lehrern zur Selbständigkeit erzogen werden sollen, die für ihr Lernen selbst verantwortlich sind (vgl. Haag/Streber 2012, S. 77). Gutes Classroom-Management ist nicht mehr auf einen effektiven Umgang mit Störungen reduziert, sondern betrifft auch Strategien zur Erziehung von selbständigen und selbstmotivierten Schülerinnen und Schülern. Selbstmotiviertes und selbstständiges Lernen beziehungsweise ein Lehrerhandeln, das bestimmte Merkmale berücksichtigt, um dieses zu fördern, geht mit der Umsetzung eines modernen Lernverständnisses einher. Folglich kommt es zu einer Erweiterung der entsprechenden für diese Fähigkeiten förderlichen Merkmale im Konzept von Classroom-Management, wobei anzunehmen ist, dass die Berücksichtigung bestimmter Merkmale im unterrichtlichen Handeln der Lehrkraft zu Gunsten einer Erziehung selbstständiger und selbstmotivierter Schülerinnen und Schüler ebenfalls eine Reduktion von Unterrichtsstörungen bewirkt. Wie unter anderem an der Forschungsarbeit Mayrs erkennbar, hat sich die Forschung zu Classroom-Management zunehmend dahingehend entwickelt, empirische Studien in Bezug auf die Wirkungsweise der unterschiedlichen Merkmale von
Classroom-Management durchzuführen und deren Zusammenhang für eine effektive Klassenführung zu untersuchen. Dabei zeichnen sich verschiedene Muster effektiver Klassenführung ab, die bei erfolgreichen Lehrkräften aus einer unterschiedlich starken Berücksichtigung der einzelnen Merkmale resultieren, so dass die Identifizierung eines einzigen Führungsstils und die Forderung nach dessen Umsetzung für eine erfolgreiche Klassenführung mit den Ergebnissen modernerer Studien (Mayr et al. 1991, Mayr 2006) unvereinbar scheinen. Die Komplexität der Wirkungsweise der einzelnen Faktoren effektiven Unterrichts spiegelt sich auch im Rahmen der Unterrichtsqualitätsforschung in Helmkes Angebots-Nutzungs-Modell der Unterrichtswirksamkeit (Helmke 2012) wider, in dem die Dimensionen einer effektiven Klassenführung mit einer Vielzahl weiterer Faktoren, wie Lernpotential, Familie und weiteren Kontextbedingungen, die sich auf die Unterrichtsqualität auswirken, sich aber einer direkten Einflussnahme der Lehrkraft entziehen, zusammengeführt werden. Trotz des komplexen Zusammenspiels der verschiedenen Faktoren, welche sich auf die Unterrichtsqualität auswirken, liege ein erheblicher Einfluss bei der Klassenführung der Lehrkraft und somit im Konstrukt von Classroom-Management als besonders wirkungsmächtige Unterrichtsqualitätsdimension (vgl. Haag/Streber 2012, S. 21f.). Dabei bestehe Konsens darüber, dass Lehrkräfte ihre Klassen so führen sollten, dass sich die Schülerinnen und Schüler im Unterricht intensiv dem Lernen widmen und dass die Lehr- und Lernprozesse daher möglichst wenig durch Störungen beeinträchtigt werden (vgl. Mayr 2006, S. 227). Auch wenn der Komplexität der Wirkungsweise von Unterricht auf Grundlage verschiedenster Faktoren in der modernen Unterrichtsforschung Rechnung getragen wird, scheint sich dennoch Klassenführung als Basisdimension guten Unterrichts abzuzeichnen. Dabei ist und bleibt die Störungsreduktion ein integraler Bestandteil, wobei diese sich aufgrund eines mehrdimensionalen Verständnisses von Classroom-Management und dessen empirischer Erforschung in unterschiedlichen Mustern erfolgreichen Lehrerhandelns manifestiert.
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- Citation du texte
- Sandro Alibrandi (Auteur), 2015, Der Umgang mit Unterrichtsstörungen in Theorie und Praxis, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299167
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