Die in der Bundesrepublik wenig beachteten Auseinandersetzungen in der Westsahara zwischen Marokko und der Frente Popular para la Liberación de Saguía el-Hamra y del Río de Oro1, kurz Frente POLISARIO, stellen einen der letzten Dekolonialisierungskonflikte der Welt dar. Seit 1988 sind auch die Vereinten Nationen in die Suche nach einer Lösung involviert. Im Verlaufe der Entwicklung eines Friedensplanes und seiner Umsetzung sind seither zahlreiche Hindernisse aufgetreten und die Positionen der beiden direkten Konfliktparteien wirken oft unversöhnlich. Eine Vielzahl von Aktionen und Initiativen von mittlerweile vier UN-Generalsekretären, ihren Sonderbeauftragten und persönlichen Gesandten haben immer wieder Brücken geschlagen, um schnell mit neuen Widerständen konfrontiert zu werden. Im Kern dieser Auseinandersetzungen steht vor allem die Feststellung der Stimmberechtigten im angestrebten Referendum. In dieser Arbeit wird zunächst kurz die Entwicklung des Konfliktes seit dem Rückzug Spaniens aus seiner ehemaligen Kolonie skizziert. Im Anschluß daran werden überblicksartig die Initiativen der UNO, im wesentlichen die Inhalte des Friedensplanes von 1990/91 und seine Fort- und Umschreibungen sowie die UN-Mission MINURSO, dargestellt. Im Zentrum der Untersuchung steht das Herausarbeiten der Kritikpunkte seitens der Konfliktparteien mit ihren Auswirkungen für den Prozeß. Dabei werden die Frente POLISARIO und Marokko parallel betrachtet, da ihre Aktionen so direkt aufeinander bezogen sind, daß eine Trennung in zwei Kapitel nicht sinnvoll erschien. Im Anschluß daran werden noch die Standpunkte Frankreichs, Spaniens und der USA, die immer wieder Einfluß auf die Entwicklung hatten, in ihren wichtigsten Aspekten ebenfalls kurz geschildert. Insgesamt wird daraus im Fazit eine Bewertung der kurzfristigen Perspektiven für die Konfliktbeilegung gewonnen. Auf Grund der geringen Beachtung, die die Westsahara in Deutschland genießt, umfaßt die gedruckte Literatur zu diesem Konflikt im wesentlichen Aufsätze aus fremdsprachlichen Zeitschriften. Außerdem steht natürlich das Material der Vereinten Nationen (hier sind v. a. die Berichte des Generalsekretärs an den Sicherheitsrat zu nennen) zur Verfügung, das ebenfalls herangezogen wurde.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Entwicklung des Konfliktes
3 Akteure und Grundprobleme im Friedensprozeß
3.1 Die Initiativen der United Nations
3.2 Die Aktionen der Frente POLISARIO und Marokkos
3.3 Die Standpunkte wichtiger Drittländer
4 Fazit
Anhang: Karte der Westsahara
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die in der Bundesrepublik wenig beachteten Auseinandersetzungen in der Westsahara zwischen Marokko und der Frente Popular para la Liberación de Saguía el-Hamra y del Río de Oro[1], kurz Frente POLISARIO, stellen einen der letzten Dekolonialisierungskonflikte der Welt dar. Seit 1988 sind auch die Vereinten Nationen in die Suche nach einer Lösung involviert. Im Verlaufe der Entwicklung eines Friedensplanes und seiner Umsetzung sind seither zahlreiche Hindernisse aufgetreten und die Positionen der beiden direkten Konfliktparteien wirken oft unversöhnlich. Eine Vielzahl von Aktionen und Initiativen von mittlerweile vier UN-Generalsekretären, ihren Sonderbeauftragten und persönlichen Gesandten haben immer wieder Brücken geschlagen, um schnell mit neuen Widerständen konfrontiert zu werden. Im Kern dieser Auseinandersetzungen steht vor allem die Feststellung der Stimmberechtigten im angestrebten Referendum.
In dieser Arbeit wird zunächst kurz die Entwicklung des Konfliktes seit dem Rückzug Spaniens aus seiner ehemaligen Kolonie skizziert. Im Anschluß daran werden überblicksartig die Initiativen der UNO, im wesentlichen die Inhalte des Friedensplanes von 1990/91 und seine Fort- und Umschreibungen sowie die UN-Mission MINURSO, dargestellt. Im Zentrum der Untersuchung steht das Herausarbeiten der Kritikpunkte seitens der Konfliktparteien mit ihren Auswirkungen für den Prozeß. Dabei werden die Frente POLISARIO und Marokko parallel betrachtet, da ihre Aktionen so direkt aufeinander bezogen sind, daß eine Trennung in zwei Kapitel nicht sinnvoll erschien. Im Anschluß daran werden noch die Standpunkte Frankreichs, Spaniens und der USA, die immer wieder Einfluß auf die Entwicklung hatten, in ihren wichtigsten Aspekten ebenfalls kurz geschildert. Insgesamt wird daraus im Fazit eine Bewertung der kurzfristigen Perspektiven für die Konfliktbeilegung gewonnen.
Auf Grund der geringen Beachtung, die die Westsahara in Deutschland genießt, umfaßt die gedruckte Literatur zu diesem Konflikt im wesentlichen Aufsätze aus fremdsprachlichen Zeitschriften. Außerdem steht natürlich das Material der Vereinten Nationen (hier sind v. a. die Berichte des Generalsekretärs an den Sicherheitsrat zu nennen) zur Verfügung, das ebenfalls herangezogen wurde.
2 Die Entwicklung des Konfliktes
Bei der Westsahara handelt es sich um ein etwa 266.000 km² großes Gebiet an der Nordwestküste Afrikas zwischen Marokko im Norden und Mauretanien im Süden und Osten, unterbrochen von ca. 45 km Grenze zu Algerien.[2] Es besteht aus zwei Regionen: das nördliche Drittel umfaßt Saguía el-Hamra mit der westsaharischen Hauptstadt El-Aaiún (Laayoune) sowie der drittgrößten Stadt Smara und Río de Oro im Süden mit dem Hauptort Dakhla. Auf Grund des ausgeprägten Wüstenklimas ist kaum Landwirtschaft möglich. Allerdings entdeckte man 1963 große Phospatlagerstätten im sog. „nützlichen Dreieck“ zwischen Bu Craa, El-Aaiún und Smara. Mitte 2001 wurde die Bevölkerung mit etwa 250.000 Menschen angegeben (vgl. CIA 2001), darunter zehntausende marokkanische Siedler.
Erst im 19. Jahrhundert erhoben Frankreich und Spanien Anspruch auf die politische Kontrolle. 1884 gründete Spanien an der Küste ein Protektorat, das bis 1934 schrittweise erweitert wurde. Bis zur Erhebung zur Provinz unter dem Namen Spanisch-Sahara 1958 unterstand es einer eigenständigen Kolonialbehörde.
Bereits 1973 hatte sich die Frente POLISARIO, gegründet, um - mit Unterstützung Algeriens und Libyens - die Unabhängigkeit von Spanien zu erkämpfen und gleichzeitig den seit Mitte der 1950er Jahre von Marokko und Mauretanien erhobenen Ansprüchen entgegenzutreten. Nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag vom 16. Oktober 1975, mit der die Forderungen dieser beiden Länder zurückgewiesen wurden, rief Marokkos König Hassan II. zum sog. „grünen Marsch“ vom 6. November 1975 auf, der zahlreiche Marokkaner in das Land führte, um die marokkanischen Ansprüche zu untermauern (vgl. Durch 1993, 155). Am 14. November unterzeichneten Spanien, Marokko und Mauretanien das „Abkommen von Madrid“, mit dem Spanien Marokko die Administration der nördlichen zwei Drittel und Mauretanien diejenige des verbleibenden Drittels übertrug. Am 26. Februar 1976 zogen die Spanier ab und Westsahara wurde gemäß des Abkommens von seinen Nachbarn annektiert. Am folgenden Tag rief ein provisorischer sahraouischer Nationalrat die „Demokratische Arabische Republik Sahara“ (DARS, engl. SADR) aus, die Algerien schon im März anerkannte (vgl. Zoubir 1990, 226).
In den folgenden Jahren führte die Frente POLISARIO einen Guerillakrieg gegen die Streitkräfte Marokkos und Mauretaniens im besetzten Landstrich. Dabei konzentrierte sie sich zunächst auf Mauretanien, das am 5. August 1979 einen Friedensvertrag mit der Befreiungsbewegung schloß und auf alle Ansprüche verzichtete. Daraufhin annektierte Marokko auch das letzte Drittel der Westsahara. Die kriegerischen Auseinandersetzungen der Jahre veranlaßten viele Sahraouis nach Algerien in die Nähe von Tindouf nahe der westsaharischen Grenze zu flüchten. 1996 sollen in den Lagern ca. 170.000 Sahraouis gelebt haben (vgl. Zunes 1996, 228).
Anfang der 1980er Jahre drängte die Frente POLISARIO die marokkanischen Truppen auf weniger als ein Viertel des Gebietes zurück. Daraufhin baute Marokko zwischen 1980 und 1987 in sechs Abschnitten Verteidigungswälle („berm“), beginnend mit dem Einschluß des „nützlichen Dreiecks“ und der Bevölkerungszentren, bei den Erweiterungen nach Süd und Ost ausgreifend. Diese Wälle sind heute ca. 3300 km lang, umfassen etwa 80 Prozent des Landes und sind mit Radar, Minen und anderen Anlagen gesichert (vgl. Durch 1993, 156). In dieser Zeit profitierte Marokko maßgeblich von der (militärischen) Unterstützung Frankreichs, der USA und Spaniens, die an guten bilateralen Beziehungen interessiert waren. 1982 nahm die Organization of African Unity (OAU) die inzwischen von über 70 Ländern anerkannte DARS auf. Als diese im November 1984 erstmals ihr Stimmrecht wahrnahm, verließ Marokko aus Protest die OAU kurz darauf (vgl. Zoubir/Pazzanita 1995, 615).
Im August 1988 gab es den ersten Waffenstillstand zwischen Marokko und der Frente POLISARIO, parallel zu einer Entspannung des marokkanisch-algerischen Verhältnisses. Nach 14 Monaten nahm die Frente POLISARIO die Kämpfe wieder auf, die durch den Waffenstillstand vom 6. September 1991 beendet wurden. Diesem lag die erste Formulierung eines Friedensplans durch die Vereinten Nationen zugrunde, dessen Kern ein Referendum über Unabhängigkeit bzw. dauerhaften Anschluß der Westsahara an Marokko darstellte. Zur Überwachung des Waffenstillstandes und für die Organisation der Abstimmung wurde die „Misión de las Naciones Unidas para el Referendum en el Sáhara Occidental“ (MINURSO) entsandt. Das Referendum war ursprünglich für 1992 geplant, wurde aber immer wieder verschoben, weil Marokko und Frente POLISARIO keine Einigung über die Wählerlisten erzielen konnten. Unter der Vermittlung des früheren amerikanischen Außenministers James Baker wurden 1997 im sog. Houston-Abkommen die Rahmenbedingungen der Abstimmung gemeinsam festgelegt. Trotz aller Bemühungen hat diese bis heute nicht stattgefunden, da beide Seiten, wenn auch in unterschiedlichem Maße, die erforderlichen Vorbereitungen behindern. Die im letzten Jahr vorgeschlagene Autonomielösung ist aus Prestigegründen weder für die Frente POLISARIO noch für Marokko annehmbar.
3 Akteure und Grundprobleme im Friedensprozeß
3.1 Die Initiativen der United Nations
Bereits am 11. August 1988 präsentierten die Vereinten Nationen und die OAU den beiden Konfliktparteien einen Schlichtungsvorschlag (vgl. UN 1990, Abs. 4 ff.)[3], den diese am 30. August auch im Prinzip akzeptierten. Dieser sah vor, einem Sonderbeauftragten, der in Abstimmung mit der OAU und den Konfliktparteien ernannt werden sollte, sämtliche erforderlichen Vollmachten in der Westsahara zur Vorbereitung und Durchführung des Referendums zu übertragen. Außerdem enthielt der Plan detaillierte Regelungen zur Inkraftsetzung eines Waffenstillstandes, der ebenso wie der Kriegsgefangenenaustausch von einer Beobachtergruppe der UN überwacht werden sollte. Weiterhin sollte eine Identifizierungskommission, ausgehend vom 1974 durch Spanien erhobenen Zensus der saharischen Bevölkerung, die Stimmberechtigten für das Referendum ermitteln. Die Abstimmung selbst sollte die freie Wahl zwischen Unabhängigkeit oder Anschluß an Marokko erlauben, auch für politisch Verfolgte und Flüchtlinge. Beide Parteien sollten auf Akzeptanz des Ergebnisses verpflichtet und die Nachbarländer Algerien und Mauretanien um Unterstützung des Prozesses gebeten werden.
Der Umsetzungsplan (vgl. UN 1990, Abs. 47 ff., UN 1991a)[4] definierte schließlich eine Übergangsphase, in der im wesentlichen folgende Punkte geregelt werden sollten: Waffenstillstand, Kriegsgefangenenaustausch unter Aufsicht des Internationalen Roten Kreuzes, deutliche Truppenreduzierung auf marokkanischer Seite von etwa 120.000 auf 65.000 Mann, Rückzug der Verbände beider Seiten in spezifizierte Gebiete, Organisation des Referendums, Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung durch die UN, Freilassung politischer Gefangener, Rückkehr der sahraouischen Flüchtlinge, Organisation des Referendums 20 bis 24 Wochen nach Inkrafttreten des Waffenstillstandes und Bekanntgabe des Ergebnisses spätestens nach 72 Stunden. Breiten Raum nahm schon hier die Frage nach Feststellung der Stimmberechtigten im Referendum ein. Für das Zusammenstellen der Listen durch die Identifizierungskommission wurden erste Regelungen getroffen (Ermittlung der Verstorbenen aus dem 1974er Zensus, Ergänzung von Personen, die ihre Wahlberechtigung glaubhaft machen können), die Mitarbeit der Stammesführer bereits eingeplant. Dem gesamten Umsetzungsplan lag ein Zeitplan zugrunde, der eine Vorbereitungsphase von mindestens 16 Wochen vor dem Inkrafttreten des Waffenstillstandes sowie die Durchführungsphase von mindestens 24 Wochen danach umfaßte.
[...]
[1] Zwar heißt es im Spanischen „el frente“, aber in dieser Arbeit wird die Artikelsetzung gemäß der deutschen Bezeichnung „die Befreiungsfront“ gehandhabt.
[2] Die allgemeinen Informationen zur Westsahara stammen im wesentlichen aus: Clausen 1994. Außerdem wurden die einleitenden Bemerkungen zu Region und Konfliktgeschichte in den einzelnen Aufsätzen benutzt. Einzelnachweise bezeichnen Informationen, die nur in dem jeweiligen Artikel enthalten waren.
[3] Das Dokument S/21360 vom 18. Juni 1990 enthält neben dem Umsetzungsplan auch den Wortlaut der Schlichtungsvorschläge von 1988.
[4] Die grundlegenden Aufgaben und Vorgehensweisen enthält bereits der 1990er Bericht. Nach Entsendung einer technischen Mission im August 1990, die vor Ort mit allen beteiligten Parteien die konkreten Gegebenheiten und Einschränkungen diskutiert und untersucht hatte, wurden im Bericht vom April 1991 weitere Einzelheiten spezifiziert.
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