Minecraft ist ein bekanntes und beliebtes Computerspiel. Aus bildungswissenschaftlicher Perspektive wird ein Blick auf dieses Spiel als virtuelle Lernwelt geworfen und untersucht, welche Kompetenzen in dem Spiel gefördert werden können.
Es wurden drei Interviews mit Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren geführt und anhand einer Inhaltsanalyse entscheidende Kompetenzen erfasst. Interessant für Eltern, Pädagogen und Spielinteressierte!
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhangsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Vorüberlegungen
2.1. Medienpädagogik als wissenschaftliche Disziplin
2.2. Medienkompetenz und Medienbildung
2.3. Begriffsklärung: Medien, Bildung und Lernen
2.4. Mediennutzung und Medienwirkung
2.5. Lebensphase Kindheit und Medienalltag
2.6. Was unter Kompetenzen verstanden wird
2.7. Beschreibung des Computerspiels 'Minecraft'
3. Die strukturelle Koppelung von Spiel und Spieler und der Lernprozess aus subjektwissenschaftlicher Perspektive
4. Hypothesenbildung: Mögliche Kompetenzförderung durch Computerspiele
5. Praktischer Teil
5.1. Qualitative Sozialforschung
5.2. Das Experteninterview und seine Anwendung
5.3. Die Zusammenfassende Inhaltsanalyse und ihre Anwendung
5.4. Die Interpretation der Ergebnisse
6. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Dimensionen von Medienkompetenz nach Baacke (1997), eigene Darstellung
Abbildung 2 Entwicklungsaufgaben von Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren nach Hurrelmann & Bründel 2003, S. 73Ff, eigene Darstellung
Abbildung 3 Mögliche Bedürfnisse, die Kinder im Alter von 10 bis 12 Jahren an Medien richten können, eigene Darstellung
Abbildung 4 Begriffsabgrenzung von Kompetenzen (Erpenbeck & Rosenstiel 2007, S. XII)
Abbildung 5 Kompetenz-Modell (nach Lehmann & Nieke 2001, S. 2)
Abbildung 6 Strukturelle Koppelung zwischen Spiel und Spieler (nah an Fritz 2011b, S. 21)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Bedürfnisgruppen in Anlehnung an Maslow (1981) & Tulodziecki (2013)
Anhangsverzeichnis
Anhang 1: Fächerunabhängige Kompetenzen von Schülern, nach Lehmann & Nieke (2001)
Anhang 2: Zuordnung der theoretischen Erkenntnisse zu den Kompetenzdimensionen nach Lehmann & Nieke (2001)
Anhang 3: Mögliche Kompetenzen, die beim Computerspielen gefördert werden können
Anhang 4: Leitfragebogen
Anhang 5: Kompetenzen, auf die das Computerspiel 'Minecraft' Auswirkungen hat
1. Einleitung
Medien spielen in der heutigen Gesellschaft eine zentrale Rolle in allen Lebensbereichen. Besonders Kinder wachsen in einer mediatisierten Welt auf und kommen schon früh mit unterschiedlichen Medien, unter anderem auch mit Computerspielen, in Berührung. „Derzeit nutzen 66 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen mindestens einmal pro Woche Computer-, Konsolen- und Onlinespiele, 22 Prozent täglich“ (KIM-Studie 2012, S. 46). So wie beispielsweise das familiäre und soziale Umfeld die Kinder in ihrer Entwicklung prägen, haben auch die genutzten Medien Auswirkungen auf die Kinder. Es gibt Computerspiele, die ganz gezielt pädagogisch eingesetzt werden, um bestimmte Fähigkeiten zu fördern, aber auch Computerspiele, die von den Kindern meistens in ihrer Freizeit genutzt werden. Um Letzteres soll es im Rahmen dieser Arbeit gehen. Dabei wird das Computerspiel 'Minecraft' als Medium betrachtet, in dem „[...] Anreize entstehen, wo Situationen bewältigt werden müssen, wo Anforderungen gestellt werden" (Fritz 2009, S. 42). Das Computerspiel 'Minecraft' wird, in Anlehnung an Jürgen Fritz (2011b), hier als „virtuelle Spielwelt“ (S. 15) betrachtet, in der die Kinder ganz spezifische Situationen und Probleme bewältigen. So ist es nicht nur für Eltern interessant, zu verstehen, welche Auswirkungen ein solches Spiel auf ihre Kinder haben kann, auch Pädagogen könnten aus den Erkenntnissen Ideen entwickeln, wie sich ein solches Spiel pädagogisch sinnvoll beispielsweise im Unterricht einsetzen ließe. Die Forschungsfrage dieser Arbeit lautet: Welche Auswirkungen hat das Computerspiel 'Minecraft' auf die Kompetenzen aus Sicht von Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren?
Die Arbeit beginnt mit theoretischen Vorüberlegungen. Zum einen wird der Gegenstand der Medienpädagogik und deren Teilgebiete näher beleuchtet (Kapitel 2.1) und im nächsten Kapitel deren zentrale Grundbegriffe 'Medienbildung' und 'Medienkompetenz' vorstellt (Kapitel 2.2). Nachfolgend werden die Begriffe 'Medien', 'Bildung' und 'Lernen' näher beschrieben (Kapitel 2.3). Im nachfolgenden Kapitel werden die Begriffe 'Mediennutzung' und 'Medienwirkung' genauer erläutert, um Abgrenzungen aber auch Gemeinsamkeiten dieser beiden Perspektiven im Rahmen der Fragestellung aufzuzeigen (Kapitel 2.4). Um die Sichtweise der zu Untersuchenden (Kinder im Alter von 10 bis 12 Jahren) mit in die Überlegungen einzubeziehen, wird im darauffolgenden Kapitel die Lebensphase Kindheit und der Medienumgang der Kinder erläutert (Kapitel 2.5). Der Begriff der 'Kompetenz' wird anschließend zu oftmals synonym verwendeten Begriffen, wie Fertigkeiten und Qualifikationen, in Beziehung gesetzt und die für den Kontext relevanten Kompetenzdimensionen dargestellt (Kapitel 2.6). Die theoretischen Überlegungen schließen mit einer Beschreibung des Computerspiels 'Minecraft' ab, die einen prägnanten Überblick über die wesentlichen Elemente des Spiels geben soll (Kapitel 2.7). Als theoretischer Rahmen wird im nächsten Kapitel das Computerspielen als Handlung betrachtet und in Anlehnung an Fritz (2009, 2011) der Prozess der strukturellen Koppelung zwischen Spiel und Spieler beschrieben. Der Lernprozess an sich innerhalb einer gestellten Aufgabe wird dann zusätzlich mittels zentraler Annahmen der subjektwissenschaftlichen Lerntheorie nach Holzkamp (1993) näher beleuchtet (Kapitel 3). Das nachfolgende Kapitel soll dann die wesentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Kompetenzförderlichkeit von Computerspielen zusammenfassen, um die Hypothesen zu der eingangs formulierten Forschungsfrage vorzustellen (Kapitel 4). Im praktischen Teil wird zuerst die Forschungsrichtung qualitative Sozialforschung näher erläutert (Kapitel 5.1), danach die Erhebungsmethode, das Experteninterview, und seine Anwendung beschrieben (Kapitel 5.2) und die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) als Auswertungsmethode vorgestellt und deren Anwendung beispielhaft erläutert (Kapitel 5.3). Es werden drei Interviews mit Kindern in dem genannten Alter geführt und ausgewertet. Abschließend werden die Ergebnisse interpretiert (Kapitel 5.4). Die theoretisch entwickelten Hypothesen werden in Anlehnung an die Ergebnisse modifiziert und abschließend resümiert, welche Kompetenzen durch das Spiel 'Minecraft' aus Sicht der befragten Kinder gefördert werden. Das Fazit fasst die wesentlichen Erkenntnisse noch einmal präzise zusammen und gibt einen kurzen Ausblick auf die Thematik (Kapitel 6). Im Rahmen der Arbeit wird der Einfachheit halber keine durchgehende Trennung der Geschlechter vorgenommen.
2. Theoretische Vorüberlegungen
2.1. Medienpädagogik als wissenschaftliche Disziplin
Wie eingangs deutlich geworden ist, nutzen Heranwachsende in der heutigen Gesellschaft eine Vielzahl von Medien. Unter Medien werden in Anlehnung an Tulodziecki (1997) „[...] Mittler [verstanden], durch die in kommunikativen Zusammenhängen bestimmte Zeichen mit technischer Unterstützung übertragen, gespeichert, wiedergegeben oder verarbeitet und in abbildhafter oder symbolischer Form präsentiert werden“ (S. 37). Diese Definition von 'Medien' soll an dieser Stelle ausreichen, um ein vorläufiges Verständnis von dem Begriff zu haben (genauere Darlegung siehe Kapitel 2.3). Medien haben einen deutlichen Bedeutungswandel erhalten, „[…] insbesondere der omnipräsente => Computer, das weltumspannende => Internet, die allzeit und überall verfügbare => Mobilkommunikation greifen zentral in alle Lebensbereiche ein, sofern sie diese nicht schon steuern.“ (Hüther & Schorb 2005, S. 273, Hervorhebung im Original). Die Menschen kommen also in allen Lebensbereichen, in der Arbeit und Freizeit, mit verschiedenen Medien in Kontakt. Sie sind Bestandteil der Gesellschaft geworden, prägen diese und verändern sich stetig mit ihr. Wenn nun die Kinder heute in diese stark mediatisierte Welt hineinwachsen, stellt sich anschließend die Frage, was einzelne Medien vermitteln, wie sie etwas vermitteln und wie dieses Vermittelte pädagogisch einzuschätzen ist. Unter anderem mit diesen Fragen beschäftigt sich die wissenschaftliche Disziplin Medienpädagogik. „Medienpädagogik ist […] grenzüberschreitend, weil sie in der Familie beginnt, sich aber in der Schule fortsetzt, aber auch das Selbstlernen der Peers oder des sich allein bildenden Subjekts einbeziehen muß, Erwachsene und alte Menschen nicht zu vergessen [...]“ (Baacke 1997, S. 98). Sie bezieht sich also grundsätzlich auf den gesamten Lebenslauf und vielfältige Rahmenbedingungen. Kinder nutzen Medien beispielsweise im familiären und privaten Umfeld, aber auch in der Schule und in außerschulischen Einrichtungen. Somit umfasst „Medienpädagogik […] alle pädagogisch relevanten und potenziell handlungsanleitenden Sätze mit Medienbezug und deren Reflexion unter Einbezug empirischer Forschungsergebnisse und normativer Vorstellungen bzw. medienkundlicher und medientheoretischer, lern- und lehrtheoretischer sowie sozialisations-, erziehungs- und bildungstheoretischer Grundlagen“ (Tulodziecki 2011, S. 13). Damit wird deutlich, dass sich die Medienpädagogik als interdisziplinäre Wissenschaft versteht. In Bezug auf Heranwachsende geht es also „[...] um Fragen der Sozialisation, Erziehung, Bildung und Entwicklung in mediatisierten Lebenswelten sowie um das Lernen mit neuen Medien in unterschiedlichen informellen und institutionellen Kontexten“ (Bauer & Aufenanger 2010, S. 13). Zu dem heutigen medienpädagogischen Denken habe laut Baacke (1997) die „'handlungsorientierte' Medienpädagogik“ entscheidend beigetragen (S. 50). Diese Handlungsorientierung wird laut Schäfer (2001) in zwei Formen deutlich: zum einen werde davon ausgegangen, dass für den Umgang mit technischen Geräten „medientechnische Fertigkeiten“ (S. 31) erlernt werden müssen, zum anderen unterscheide die handlungsorientierte Medienpädagogik produktionsorientierte und rezeptionsorientierte Formen des Medienumgangs (ebd., S. 50). Die Medienpädagogik hat also zum Ziel, die Heranwachsenden in ihrem Umgang mit den medientechnischen Geräten zu fördern, sie darin zu unterstützen Medien bzw. Medieninhalte aktiv zu produzieren und die Medienrezeption an sich als inneren, verarbeitenden Prozess zu verstehen. Der Blick richtet sich nicht nur von außen auf die Mediennutzer, vor allem die innere Verarbeitung während der Mediennutzung stellt einen wesentlichen Blickwinkel der modernen Medienpädagogik dar. Die Medienpädagogik enthält verschiedene Teilgebiete, die jeweils ganz spezifische Vorstellungen und Ziele beinhalten. In Anlehnung an Tulodziecki (1997) gibt es zum einen die Mediendidaktik, die danach fragt, „[...] wie Medien […] zur Erreichung pädagogisch gerechtfertigter Ziele gestaltet und verwendet werden können bzw. sollen“ (S. 45). Hier geht es insbesondere darum, Lernen mittels Medien hinsichtlich spezifischer Lernziele 'pädagogisch sinnvoll' zu verwenden. Das Medium gilt hier als Mittel, um gezielt Wissen zu vermitteln. „[...] Welche erziehungs- und bildungsrelevanten Ziele […] angestrebt werden sollen und wie diese in pädagogisch angemessener Form erreicht werden können“ (Tulodziecki 1997, S. 45) hat die Medienerziehungstheorie als zentrales Untersuchungsfeld. Sie leistet also gewissermaßen theoretisches Rüstzeug für die Mediendidaktik. „In der Medientechnik werden technische Bedingungen und Voraussetzungen für medienpädagogisches Handeln dargestellt.“ (ebd., S. 45). Medien werden hier in ihrer technischen Ausstattung genau erfasst, um diese dann beispielsweise für den schulischen Unterricht zielgerichtet einsetzen zu können. Somit leistet die Medientechnik unter anderem Erkenntnisse für die Mediendidaktik und Medienerziehungstheorie. „Die Medientheorie stellt ein System von Aussagen zu soziologischen, psychologischen, rechtlichen, politischen o.ä. Zusammenhängen im Medienbereich dar“ (ebd., S. 45). Sie leistet also auch theoretisches Rüstzeug für die Mediendidaktik und die Medienerziehungstheorie. „Die Aufgabe, […] deskriptive [...] Aussagen und Hypothesen im Bereich der Medien zu finden und/oder zu prüfen, kommt der Medienforschung zu“ (ebd., S. 45). Die Medienforschung bringt vorwiegend wichtige Ergebnisse für die Medientheorie und die Medienpraxis hervor (ebd., S. 45). „[…] Medienpraxis umfaßt dabei sowohl die Mediengestaltung und die Medienverwendung als auch die Medienerziehung.“ (ebd., S. 45, Hervorhebung im Original). In der Medienpraxis steht demnach der praktische Umgang mit Medien im Zentrum der Betrachtung. Im Rahmen dieser Arbeit wird von den Teilgebieten Mediendidaktik und Medienerziehungstheorie ganz gezielt Abstand genommen. Das zu betrachtende Medium soll hier nicht als didaktisches Instrument betrachtet werden. Denn nicht die pädagogische Verwendung des Mediums steht im Zentrum der Betrachtung, es geht darum, die Auswirkungen der informellen Nutzung des Mediums zu betrachten. Hierzu haben Bauer und Aufenanger (2010) folgende treffende Frage formuliert: „Wie lernen Kinder, Jugendliche mit Medien außerhalb von Bildungsinstitutionen und unter welchen Bedingungen kommen dabei Bildungsprozesse in Gang?“ (S. 30). Mit der außerschulischen, beiläufigen Nutzung ist also in erster Linie hier eine selbstbestimmte, pädagogisch ungeplante Nutzung des Mediums in der Freizeit von Kindern gemeint. Dieser Blickwinkel entspricht in erster Linie den Teilgebieten der Medienpraxis und der Medienforschung. Es werden Hypothesen entwickelt, welche Auswirkungen das Medium auf die Kompetenzen von Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren hat (Medienforschung), und diese Hypothesen in Auseinandersetzung mit dem praktischen Umgang der Kinder modifiziert (Medienpraxis). Als Ziel medien-pädagogischer Bemühungen nennt Baacke (1997) „Medienkompetenz, die an Kinder und Jugendliche zu vermitteln sei“ (S. 98). Doch zusätzlich habe der Begriff der Medienbildung in den 1990er Jahren Eingang in die medienpädagogischen Diskussion gefunden (Hüther & Schorb 2005, S. 274). Was genau unter diesen beiden Begriffen verstanden wird und was sie unterscheidet soll im folgenden Kapitel erläutert werden.
2.2. Medienkompetenz und Medienbildung
Die beiden Begriffe "Medienkompetenz" und "Medienbildung" stellen die wesentlichen Grundbegriffe der Medienpädagogik dar. Hugger (2008) beschreibt Medienkompetenz als „[...] die Wissensbestände über Medien sowie die Fähigkeit, Medien souverän bedienen, kritisch beurteilen und kreativ gestalten zu können“ (S. 93). Medienkompetenz als medienpädagogisches Ziel bezieht sich also in erster Linie auf die Fähigkeit mit Medien kompetent handeln zu können. In dieser Definition wird deutlich, dass der Begriff Medienkompetenz in verschiedenen Dimensionen beschrieben wird. Baacke (1997) beschreibt vier Dimensionen des Begriffs Medienkompetenz. Zum einen gehe es um die „[...] Fähigkeit zu Medienkritik, und dies in dreifacher Weise: a Analytisch sollten problematische gesellschaftliche Prozesse […] angemessen erfaßt werden können; b reflexiv sollte jeder Mensch in der Lage sein, das analytische Wissen auf sich selbst und sein Handeln anwenden zu können; c ethisch ist die Dimension, die analytisches Denken und reflexiven Rückbezug als sozialverantwortet abstimmt und definiert.“ (Baacke 1997, S. 98, Hervorhebung im Original). Medienkompetenz beinhaltet also die Fähigkeit Medien gesellschaftskritisch und sozialverantwortet zu betrachten und dieses Wissen auf das eigene Handeln zu beziehen. Als zweite Dimension des Medienkompetenz-Begriffs nennt Baacke die „[...] Medienkunde, die das Wissen über heutige Medien und Mediensysteme umfaßt.“ (ebd., S. 99, Hervorhebung im Original). Innerhalb der Medienkunde unterscheidet er zwei Dimensionen: „Die informative Dimension umfaßt klassische Wissensbestände [...]; die [zweite] instrumentell-qualifikatorische Dimension meint die Fähigkeit, die neuen Geräte auch bedienen zu können [...]“ (ebd., S. 99, Hervorhebung im Original). Medienkunde bezieht sich also auf Kenntnisse über die Medien an sich und ihre Bedienung. Diese beiden Dimensionen der Medienkompetenz (Medienkritik und Medienkunde) ordnet Baacke der Dimension „Vermittlung" zu (ebd., S. 99). Es geht hier also in erster Linie um das vermittelnde Verhältnis zwischen Medien und den Mediennutzern. Die beiden folgenden Dimensionen dagegen folgen der zweiten oberen Dimension, der „Zielorientierung" (ebd,, S. 99). Es geht hier um die Dimensionen von Medienkompetenz, die sich auf das Handeln mit den Medien beziehen. Hier nennt Baacke (1997) zum einen die „Mediennutzung, die in doppelter Weise gelernt werden muß: a Rezeptiv, anwendend (Programm-Nutzungskompetenz); b interaktiv, anbietend (antworten können kommt vom Tele-Banken bis zum Tele-Shopping oder zum Tele-Diskurs)“ (S. 99, Hervorhebung im Original). Es geht hier also um die direkte Anwendung und interaktive Nutzung von Medien. Zum anderen die „Mediengestaltung“ (ebd., S. 99, Hervorhebung im Original), als vierte Medienkompetenz-Dimension. Hier sei die „innovative“ (ebd., S. 99), also verändernde, weiterentwickelnde Mediengestaltung und zum anderen die „kreativ[e]“ (ebd., S. 99) zu unterscheiden, in der es um den Ausdruck von Ästhetik gehe. Die folgende Abbildung stellt die wesentlichen Dimensionen von Medienkompetenz in Anlehnung an Baacke (1997) dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Dimensionen von Medienkompetenz nach Baacke (1997), eigene Darstellung
Das Konzept der Medienkompetenz hat lange Zeit die medienpädagogische Diskussion beherrscht. Doch Hüther und Schorb (2005) machen deutlich, dass die Medienpädagogik „[...] derzeit dabei [ist], die überkommenen Muster von medialer Kommunikation und Medienhandeln zu überdenken, um zu einem erweiterten Selbstverständnis zu finden“ (S. 274). Der schon lange etablierte Begriff Medienkompetenz gerate den Autoren zu Folge in ein Konkurrenzverhältnis zu dem neuen Begriff der Medienbildung (Hüther & Schorb 2005, S. 274). Auch Spanhel (2011) weist darauf hin, dass es aufgrund der rasanten Entwicklung in einer mediatisierten Gesellschaft nicht genüge „[...] Medienkompetenz fraglos als Ziel medienpädagogischen Handelns zu unterstellen, als Bildungsstandard zu bestimmen und dessen Erreichung durch die Beschreibung von Kompetenzniveaus zu sichern“ (S. 95). Erfolgs-versprechender sei der Begriff der Medienbildung (Spanhel 2011, S. 95). Die genannten Dimensionen von Medienkompetenz beschreiben beobachtbare Fähigkeiten, normativ festgelegte Anforderungen. Medienbildung dagegen wird verstanden als ein „lebenslanger Prozess der aktiven Auseinandersetzung mit Medien, in dessen Verlauf eine kritische Haltung gegenüber Medien und deren Verwendung eingenommen wird“ (Tenorth & Tippelt 2007, S 495). Damit beinhaltet der Begriff der Medienbildung eine subjektivistische Betrachtungsweise, es geht besonders um die individuelle Bildung mittels Medien in Auseinandersetzung mit den jeweiligen Umgebungsbedingungen. Somit bezieht sich Medienbildung auf den gesamten Lebenslauf, Medienkompetenz beschreibt eher einen situativ erfassten Bestand an Fähigkeiten. Auch Pietraß (2009) macht deutlich, dass somit „[...] prinzipiell alle sozialisierenden Einflüsse von Medien, finden sie außerhalb oder innerhalb organisierter Lernumgebungen statt“ (S. 501), in die Betrachtung der Medienbildung einbezogen werden müssen. Damit wird im Zusammenhang mit Medienbildung der Begriff der Mediensozialisation bedeutend. Mediensozialisation ist „[...] als Prozess [zu] verstehen, in dem sich das sich entwickelnde Subjekt aktiv mit seiner mediengeprägten Umwelt auseinandersetzt, diese interpretiert sowie aktiv in ihr wirkt und zugleich aber auch von Medien in vielen Persönlichkeitsbereichen beeinflusst wird“ (Aufenanger 2008, S. 88). Es wird also eine andere Betrachtungsweise im Bereich der Medienbildung bedeutsam, indem davon ausgegangen wird, dass die Medien Einfluss auf die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit nehmen und das ein Leben lang. Die vorgestellten Grundbegriffe der Medienpädagogik 'Medienkompetenz' und 'Medienbildung' dürfen aber nicht verkürzt als gegensätzliche Termini verstanden werden. Vielmehr sollte Medienkompetenz im Rahmen von Medienbildung gedacht werden. Innerhalb der aktiven, lebenslangen Medienbildung bildet sich Medienkompetenz aus, die „[...] die Fähigkeit zur aktiven, selbstbestimmten und sozial-verantwortlichen Auseinandersetzung mit Medien beschreibt“ (Aufenanger 2008, S. 88). Der Terminus Medienbildung erweitert also den Blick für die aktive, selbstbestimmte und lebenslange Nutzung von Medienrezipienten. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Nutzung eines Mediums aus bildungstheoretischer Perspektive untersucht, was bedeutet, dass der Medienrezipient in enger Anlehnung an den Medienbildungsbegriff als aktiv handelndes Subjekt verstanden wird. Die lebenslange Dimension von Medienbildung kann dagegen im Rahmen dieser Arbeit aufgrund des Umfangs nicht untersucht werden. Dafür müsste eine quantitative, langfristige Forschung betrieben werden, z. B. Biographieforschung. Das Konzept der Medien-kompetenz wird in die Überlegungen einbezogen, indem diese als eine mögliche Folge der Mediennutzung betrachtet wird (Kapitel 4). Im folgenden Kapitel werden die für diese Arbeit wesentlichen Begriffe 'Medium', 'Bildung' und 'Lernen' näher erläutert.
2.3. Begriffsklärung: Medien, Bildung und Lernen
Um eine genaue Auseinandersetzung mit dem hier behandelten Medium Computerspiel zu gewährleisten sollen zunächst allgemeine Merkmale von Medien beschrieben werden. Dabei werden insbesondere die drei Medienmerkmale Codierungsarten, Sinnesmodalitäten, Darstellungsformen nach Tulodzieki (2013) näher betrachtet (S. 38). Zuallererst macht Tulodziecki deutlich, dass „[...] Inhalte nicht unmittelbar, sondern durch Zeichen bzw. Codes dargestellt“ (ebd., S. 38) werden. Ein Medium bildet also Inhalte immer in Form von Zeichen ab. Diese Zeichen, beziehungsweise Codierungsarten, differenziert er zum einen in abbildhafte und zum anderen in symbolische Codierungsarten (ebd., S. 38). „Die abbildhafte Codierung läßt sich noch einmal in realgetreue und schematische bzw. typisierende Darstellungen unterscheiden“ (ebd., S. 38). Medien können also Inhalte realgetreu (z.B. in Form eines Fotos) wiedergeben oder aber in einer nachbildenden Art (z.B. Zeichnung). „Bei den symbolischen Codierungen lassen sich verbale von nicht-verbalen Symbolen unterscheiden“ (ebd., S. 38). Inhalte können verbal ausgesprochen werden oder nicht-verbal, in Form von indirekten Bedeutungsinhalten, wiedergegeben werden. „Codierungsarten sind bei ihrer Realisierung immer mit bestimmten Sinnesmodalitäten verknüpft“ (ebd., S. 38). Dabei wird zwischen auditiven und visuellen Medien unterschieden (ebd., S. 38). Auditive Medien präsentieren hörbare Medieninhalte, wie z.B. Geräusche, die visuellen Medien ein statisches (z.B. Foto) oder ein dynamisches (z.B. Film) Medienbild (ebd., S. 38). „Durch die Verbindung von Codierungsarten und Sinnesmodalitäten ergeben sich bestimmte Darstellungsformen“ (ebd., S. 39). Das bedeutet, dass die abbildhaften bzw. symbolischen Codierungsarten in Kombination mit den auditiven bzw. visuellen Sinnesmodalitäten dargestellt werden. Das Foto beispielsweise ist eine realgetreue Abbildung und visuell statisch, wohingegen ein Zeichentrickfilm visuell dynamisch präsentiert wird und eine typisierende Abbildung darstellt, denn die Figuren werden künstlich erzeugt, z.B. gezeichnet oder mit Hilfe eines Computerprogramms erstellt. An spätere Stelle werden diese prinzipiellen Merkmale von Medien auf das hier behandelte Computerspiel bezogen und die dem Medium inhärenten Codierungsarten, Sinnesmodalitäten und Darstellungsformen vorgestellt (Kapitel 2.7). Mit dem Begriff der Medienbildung ist bereits ein wesentlicher Begriff in der medienpädagogischen Diskussion eingeführt worden. In ihm enthalten ist der Begriff 'Bildung', der einen „[...] Zentralbegriff der erziehungs-wissenschaftlichen Fachsprache“ (Tenorth & Tippelt 2007, S. 92) darstellt. Da der Rahmen der Arbeit nicht ausreicht, die geschichtliche Entwicklung dieses sehr vielfältig betrachteten Begriffes darzustellen, soll an dieser Stelle eine in diesem Kontext zentrale Darstellung ausreichen, um den Begriff Bildung inhaltlich zu füllen. Mit diesem Grundbegriff der Bildungswissenschaft ist „[...] eine sehr komplexe systematische und historische Reflexion auf das menschliche Zur-Welt-Sein verbunden" (Dörpinghaus & Uphoff 2010, S. 61). Aufgrund dieser Komplexität des Bildungsbegriffs führen Dörpinghaus und Uphoff (2010) sechs Dimensionen von Bildung an (S. 67). „Bildung ist nicht Ausbildung“ (ebd., S. 67). Es greift also zu kurz Bildung mit Ausbildung gleichzusetzen. „Der Mensch wird nicht gebildet, sondern er bildet sich, und zwar ausschließlich in der reflexiven Auseinandersetzung mit sich, der Welt und in den wechselseitigen Bezügen zu anderen Menschen und Kulturen" (ebd., S. 67, Hervorhebungen im Original). Bildung stellt folglich einen aktiven, selbst gesteuerten und lebenslangen Prozess dar und ist nur in wechselseitiger Auseinandersetzung mit der dem Subjekt umgebende Umwelt möglich. Die zweite Dimension von Bildung nennen Dörpinghaus und Uphoff (2010) „Bildung ist die Sorge um sich“ (S. 67). Es gehe darum, das eigene Leben mündig, also selbstbestimmt, zu gestalten, und das immer in Berücksichtigung des sozialen Zusammenlebens (ebd., S. 68). Drittens meint Bildung „[...] die Suche nach der Erkenntnis“ (ebd., S. 69). Diese besondere Form von Bildung habe Platon sehr anschaulich, metaphorisch in seinem Höhlengleichnis zu Zeiten der Antike beschrieben (ebd., S. 69). Die Suche nach Erkenntnis bedeutet eine kritische Auseinandersetzung mit der wahrgenommenen Welt und die anschließende, erkenntnisleitende Handlung. Zusätzlich ist Bildung „[...] ein Sichfremdwerden“ (ebd., S. 69). „Sich von etwas in Frage stellen zu lassen, dem Nicht-Wissen den Primat einzuräumen und den Irrtum als menschlich zu betrachten, sind daher unverzichtbare Momente" (ebd., S. 69). Damit sich Menschen bilden, benötigen sie also eine Welt, durch die sie Widerstände erfahren, innerhalb der sie die Erfahrung machen, dass das eigene Wissen nicht ausreicht, um diese Welt gänzlich zu verstehen. Bildung bedeutet aber auch „[...] ein Wartenkönnen und eine Verzögerung“ (ebd., S. 70). Hier werden Menschen „[...] als Wesen [betrachtet], die Gründe haben für ihr Handeln, nicht bloße Reize und im Rahmen einer Welt des Sinns und der Bedeutung eben nicht reagieren, sondern antworten" (ebd., S. 70). Bildung enthält also immer eine Verzögerung, da der Mensch sich reflexiv mit den gemachten Erfahrungen auseinandersetzt und diese individuell verarbeitet. Zudem ist Bildung „[...] als kulturelles Gedächtnis“ (ebd., S. 70) zu verstehen. Menschen wachsen zum einen in einer kulturell spezifisch geprägten Gesellschaft auf, sie werden also mit Kulturgütern der jeweiligen Gesellschaft in Kontakt kommen, zudem entwickelt jeder Mensch auch seine eigene Geschichtlichkeit (ebd., S. 70f). Somit findet Bildung als Entwicklung eines eigenen Gedächtnisses statt, indem der Mensch im Laufe seines Lebens eine ganz individuelle Lebensgeschichte erlebt. Unter Bildung wird also zusammenfassend ein aktiver, selbst gesteuerter, zur Umwelt wechselseitiger, auf Mündigkeit zielender, nach Erkenntnis strebender, reflexiver (verzögernder) und kulturell geprägter Prozess verstanden. Neben den Begriffen 'Medium' und 'Bildung' stellt auch das 'Lernen' einen zentralen Begriff in dieser Arbeit dar. Hier wird besonders die Form des Lernens betrachtet. In der wissenschaftlichen Diskussion unterscheidet man hauptsächlich das formale Lernen, das non-formale Lernen und das informelle Lernen (Stegemann 2008, S. 7ff). „Formales Lernen ist zielgerichtet, planmäßig und es erfolgt bewusst auf den Grundlagen angebotsorientierter curricularer Vorgaben unter den Rahmenbedingungen des formalen Bildungssystems“ (ebd., S. 7). Es handelt sich also um eine institutionalisierte, vorgegebene Form des Lernens mit dem Ziel festgelegte Fähigkeiten zu erwerben. Non-formales Lernen dagegen ist „[...] sowohl fremd- als auch selbstgesteuert – [und ereignet sich] zielgerichtet und systematisch außerhalb der formalen Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung […]“ (ebd., S. 9). Der entscheidende Unterschied zum formalen Lernen liege also darin, dass die Ergebnisse des Lernprozesses nicht in Form von Zeugnissen bzw. Zertifikaten bescheinigt werden (ebd., S. 9). Somit findet beispielsweise formales Lernen in Schulen, beruflichen Schulen und Hochschulen statt, wohingegen non-formales Lernen in außerschulischen Einrichtungen, wie beispielsweise der Volkshochschule, stattfindet. Als dritte Form des Lernens wird das „informelle Lernen“ (ebd., S. 9) genannt. Dohmen (2001) bezieht das informelle Lernen „[...] auf alles Selbstlernen [...], das sich in unmittelbaren Lebens- und Erfahrungszusammenhängen außerhalb des formalen Bildungswesens entwickelt" (S. 25). Das informelle Lernen hebt sich insbesondere durch die völlig ungeplante, beiläufige Form des Lernens vom formalen und non-formalen Lernen ab. Aufgrund der Komplexität dieser Form des Lernens differenziert Dohmen (2001) sechs Formen des informellen Lernens (ebd., S. 27ff). Als eine dieser Formen von Lernen ist in diesem Kontext das „implizite Lernen“ (ebd., S. 35) von besonderer Bedeutung. Implizites Lernen zeichnet sich laut Dohmen (2001) dadurch aus, „[...] dass es sich im unmittelbaren Lebensvollzug außerhalb der formalisierten Bildungsstrukturen entwickelt und dass dabei die Aufmerksamkeit der Lernenden weniger auf das Lernen als auf jeweils mit Hilfe des Lernens angestrebte Handlungsziele und Situationsbewältigungen gerichtet ist" (S. 35). Beim impliziten Lernen ist dem Mensch das Lernen also nicht direkt bewusst, es wird durch eine „[...] relativ direkte Bewältigung komplexer Umwelt-anforderungen ermöglicht bzw. erleichtert“ (Dohmen 2001, S. 35). Im Rahmen dieser Arbeit wird Lernen als implizites Lernen aufgefasst, da angenommen wird, dass innerhalb der Nutzung eines Computerspiels das Lernen nicht bewusst abläuft, aber durch die gestellten Aufgaben bzw. Spielanforderungen innerhalb des Computerspiels implizit gelernt wird. So plädieren Fromme, Jörissen und Unger (2008) dafür, „[...] die enge instrumentelle Perspektive auf Computerspiele erheblich zu erweitern und ein besseres Verständnis informeller Lern- und Bildungsprozesse in digitalen Computerspiel(er)-Kulturen anzustreben“ (S. 2). Es soll also in dieser Arbeit darum gehen, die informellen, impliziten Lernpotenziale des hier behandelten Computerspiels zu untersuchen. Dabei wird die Mediennutzung subjektorientiert betrachtet, die Menschen bilden sich in wechselseitiger Beziehung zu dem genutzten Medien. Doch was genau bedeutet eigentlich Mediennutzung und was wird unter Medienwirkung verstanden?
2.4. Mediennutzung und Medienwirkung
„Der Begriff der Mediennutzung umfasst die Medienrezeption, die aktive Auswahl und gezielte Verwendung von Medien“ (Tenorth & Tippelt 2007, S. 501). Die Mediennutzungsforschung fragt laut Schweiger (2007) insbesondere „[...] nach den Gründen der Mediennutzung und analysiert den Prozess der Medienzuwendung“ (S. 24) und weist drei Hauptgruppen auf, die funktionale, prozessuale und strukturelle Perspektive (ebd., S. 20). Die funktionale Perspektive beschäftigt sich mit den individuellen Gründen für die Nutzung eines bestimmten Medienprodukts (ebd., S. 20). Ein im wissenschaftlichen Diskurs vielfach betrachteter Ansatz ist der „Uses-and-Gratifications-Ansatz“ (ebd., S. 60). In ihrem Buch „The Uses of Mass Communications“ (1974) stellen Blumbler und Katz fünf Kernaussagen des Uses-and-Gratification-Ansatzes vor (S. 21), von denen die wesentlichen vier nur ganz kurz vorgestellt werden sollen. Es wird angenommen, dass
die Muster von Mediennutzung von mehr oder weniger eindeutigen Erwartungen geprägt seien (Übersetzung, Katz u.a. 1974, S. 21).
die Initiative Bedürfnisbefriedigung und Medien zu verknüpfen bei dem Rezipienten liege (Übersetzung, Katz u.a. 1974, S. 21).
die Medien mit Alternativen der Bedürfnisbefriedigung konkurrieren (ebd., S. 22).
und die Menschen dazu in der Lage sind, ihre Interessen und Beweggründe verbal zu formulieren (ebd., S. 22).
Kritisch anzumerken ist hier, dass nicht immer davon auszugehen ist, dass dem Menschen seine Bedürfnisse stets bewusst sind und er diese auch in verbalisierter Form mitteilen kann. Zudem wird von einer situationsabhängigen Mediennutzung auf allgemeines Mediennutzungsverhalten geschlossen, was inhaltlich problematisch ist. Trotz der angeführten Kritikpunkte dieses Ansatzes wird die für diesen Kontext relevante bedürfnisorientierte Mediennutzung erläutert, da sie zumindest theoretisch erklären kann, welche Bedürfnisse Kinder an Medien herantragen können. Maslow (1981) unterscheidet ganz grob grundlegende, physiologische Bedürfnisse (z.B. Hunger und Durst), Sicherheitsbedürfnisse (z.B. Geborgenheit, Schutz, Struktur, Ordnung), Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Liebe, das Bedürfnis nach Achtung (z.B. Stärke und Leistung, sowie nach Anerkennung und Wertschätzung) und das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (S. 62ff). Zu den grundlegenden (physischen) Bedürfnissen zählt Tulodziecki (2013) im Medienzusammenhang zusätzlich „psychische Bedürfnisse bzw. kognitive Antriebe, z.B. das Bedürfnis nach Sinneserregung sowie das Bedürfnis nach Erkundung der Umwelt [...]“ (S. 22). Somit wird der Ansatz von Maslow erweitert um eine psychische Dimension. Grundsätzlich stellt Maslow (1981) die Bedürfnisse in ein hierarchisches Verhältnis, denn nach der Befriedigung grundlegender physiologischer Bedürfnisse „[...] tauchen andere (und höhere) Bedürfnisse auf, und diese, mehr als physiologischer Hunger, beherrschen den Organismus“ (S. 65). Hier weist Tulodziecki (2013) zu Recht darauf hin, dass die Befriedigung eines Bedürfnisses nicht zwingend zu einem nächst höheren Bedürfnis führen muss, sondern dass „[...] Bedürfnisbefriedigung […] auch ein bloß gesteigertes Anspruchsniveau im Rahmen eines bereits befriedigten Bedürfnisses bewirken“ (Tulodziecki 2013, S. 24) kann. Ein Bedürfnis kann in seinem Anspruch eine steigende Entwicklung aufweisen, z.B. wendet man sich an ein Medium in erster Linie aufgrund des Bedürfnisses Kontakt zu einer bestimmten Gruppe zu erhalten (Zugehörigkeitsbedürfnis), dann kann durch die Befriedigung zusätzlich das Bedürfnis entstehen, nicht nur Kontakt zu der Gruppe zu haben, sondern ihr auch anzugehören (als höheres Anspruchsniveau des Zugehörigkeitsbedürfnisses). Die von Maslow herausgearbeiteten Bedürfnisgruppen sind also nicht als rein hierarchisch zu verstehen, werden aber dennoch in die Überlegungen einbezogen, weil sie sich für eine prägnante Darstellung grundlegender Bedürfnisse des Menschen eignen. In Bezug auf Mediennutzung relevant erscheint zusätzlich die Ergänzung, dass eine bestimmte Handlung auch durch mehrere Grundbedürfnisse bedingt sein kann, also ein Medium gewählt wird, um beispielsweise das Bedürfnis nach Sinneserregung und gleichzeitig nach Achtung zu befriedigen (Tulodziecki 2013, S. 24). Es ist also möglich, dass ein Medienrezipient Medien auswählt, die mehrere seiner Bedürfnisse ansprechen. Die folgende Abbildung fasst die von Maslow genannten Bedürfnisgruppen (1981, S. 62ff) und die zusätzlichen Modifizierungen, sowie Ergänzungen von Tulodziecki (2013, S. 22ff) noch einmal zusammen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Bedürfnisgruppen in Anlehnung an Maslow (1981) & Tulodziecki (2013)
Es ist deutlich geworden, dass Menschen Medien aufgrund individueller Bedürfnisse auswählen und sich ihnen aktiv zuwenden. Dennoch muss hier eine Einschränkung vorgenommen werden, denn es wird davon ausgegangen, dass die Bedürfnisse den Menschen (hier insbesondere den Kindern) in ihrer Komplexität nicht immer bewusst sind, obwohl angenommen wird, dass ein unbewusstes Bedürfnis trotzdem die Mediennutzung beeinflussen kann. Daher werden an späterer Stelle (Kapitel 2.5) unter Berücksichtigung der Lebensphase Kindheit mögliche Bedürfnisse herausgestellt, die Kinder schätzungsweise vermehrt an das behandelte Medium herantragen.
Neben der funktionalen Perspektive nennt Schweiger (2007) die „prozessuale Perspektive“ (S. 21). Hier stehe besonders der „Ablauf" (Schweiger 2007, S. 21) der Mediennutzung im Mittelpunkt. In dieser Perspektive wird also die aktive Mediennutzung in den Blick genommen. Der Prozess der Mediennutzung lässt sich "[...] nur unter Berücksichtigung der (a) Beschaffenheit des genutzten Mediums, (b) situativer Rezipienteneigenschaften (Stimmungen, aktuelle Bedürfnisse, Kenntnisse und Erwartungen usw.), und (c) sonstiger Kontextfaktoren (Zeit, Ort, soziales Umfeld, Wetter usw.) beschreiben“ (Schweiger 2007, S. 21). Die prozessuale Perspektive schließt also den Blickwinkel der funktionalen ein, indem die Bedürfnisse mit in die Betrachtung einbezogen werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird also die funktionale Perspektive (Schweiger 2007, S. 20) der Mediennutzung insoweit einbezogen, als dass die, der Lebensphase Kindheit entsprechenden, Bedürfnisse als eine grundlegende Ursache für die Mediennutzung betrachtet werden (Kapitel 2.5). Diese Perspektive dient also eher einem theoretischen Erklärungswissen und stellt nicht direkt den Gegenstand der Untersuchung dar. Mediennutzung wird hier in erster Linie aus der prozessualen Perspektive betrachtet, indem die aktive Mediennutzung als strukturelle Koppelung zwischen Spiel und Spieler betrachtet wird (Kapitel 3).
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- Carina Aust (Author), 2014, "Minecraft" als virtuelle Spiel- und Lernwelt. Potenzielle Kompetenzförderung durch ein Computerspiel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298317
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