Ein Jahr, nachdem der Matrosenaufstand in Kiel den Anfang der Novemberrevolution 1918 und die deutsche Kapitulation eingeleitet hatte, hielt Alfred TIRPITZ (1849-1930) im ersten Satz seiner Erinnerungen fest: „Von der deutschen Flottenbegeisterung der 48er Revolution war in meinen Knabenjahren kaum mehr etwas zu spüren“. Jene Jahre, die der ′Reaktionszeit′ und letztlich auch die sich seit 1858 anschließende ′neue Ära′ in Preußen, standen im wiederhergestellten Deutschen Bund im Zeichen der weitestgehenden Rückkehr zu vorrevolutionären gesellschaftspolitischen Zuständen. Der Kurs Deutschlands lag wieder fest in den Händen der Monarchen. Vor allem zwei Ergebnisse hatte die Revolution von 1848/49 in die Folgejahre eingeschrieben: Die Hoffnungen auf eine liberal-freiheitliche Nationalstaatsgründung waren ebenso untergegangen wie demokratische Zukunftserwartungen Deutschlands. Gerade Preußen und Österreich hatten sich als konservative Mächte behauptet, aber die monarchische Solidarität der beiden Vormächte des Deutschen Bundes überstand die Revolution nur in Brüchen. Der machtpolitische Gegensatz von Berlin und Wien war verstärkt in Bewegung geraten. Sollte dem Militär beider Staaten im Wettlauf um die Führungsrolle im Deutschen Bund für die Folgezeit entscheidende Bedeutung zukommen, so war dies auch schon für die Revolution von 1848/49 der Fall gewesen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Thema und Erkenntnisinteresse
2. Forschungslage
3. Konzeption und Quellen
1. Seemacht und Meeresbewusstsein: Deutschland bis 1848
1.1 Historischer Rahmen: Deutschland als Kontinentalmacht
1.2 Frühe maritime Ambitionen bis zum Deutschen Bund
1.3 Friedrich List: Die Flotte im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik und Kultur
1.4 Seegeltung und Nationalerziehung: Die literarische Flottenpropaganda des Vormärz
1.5 Flottenträume: Poetische Sehnsüchte einer 'Wiedergeburt zur See
1.6 Frühimperialismus: Weltreichs-, Bundesreformgedanken und die Flotte
2. Die Schöpfung der Reichsflotte 1848/49
2.1 Ereignispolitische Vorbedingung: Der Konflikt um Schleswig-Holstein
2.2 Flottendiskussion und die Flottenpolitik: Droysen, Siebzehnerausschuss und Bundesversammlung
2.3 Flottenpolitik im Vorparlament und Fünfzigerausschuss
2.4 Die deutsche Flotte in Gesellschaft und Öffentlichkeit
2.4.1 Flottenvereine und Presseagitation
2.4.2 Die Flotte und 'politisierte Frauenbilder'
2.5 Die Flottenpolitik in den Bundesstaaten vor der Nationalversammlung
2.5.1 Südliche Staaten
2.5.2 Preußen
2.4.3 Nord- und Ostseestaaten
2.6 Die Flottendiskussion in der Nationalversammlung
2.6.1 Die Debatte vom 14. Juni 1848
2.6.2 Die weitere Entwicklung im Parlament: Die Errichtung der Marinebehörden
2.6.3 Die Debatte über die Flagge als 'Reichssinnbild'
2.6.4 Die Flottenentstehung unter Arnold Duckwitz
3. Von der Union zur Reaktion: Das Ende der Flotte
3.1 Die Flotte zwischen preußischer Unionspolitik und dem 'Reich der siebzig Millionen
3.2 Bismarck, der rekonstituierte Bundestag und die Liquidation der Flotte
4. Schlussbetrachtung
Literatur
1. Gedruckte Quellen
2. Literatur und Darstellungen
3. Nachschlagewerke und Lexika
Einleitung
1. Thema und Erkenntnisinteresse
„Die Wiedergeburt Deutschlands muss eine Frucht des Meeres sein“, Flugschrift 1845 Ein Jahr, nachdem der Matrosenaufstand in Kiel den Anfang der Novemberrevolution 1918 und die deutsche Kapitulation eingeleitet hatte, hielt Alfred TIRPITZ1 (1849-1930) im ersten Satz seiner Erinnerungen fest: „Von der deutschen Flottenbegeisterung der 48er Revolution war in meinen Knabenjahren kaum mehr etwas zu spüren“ 2. Jene Jahre, die der 'Reaktionszeit' und letztlich auch die sich seit 1858 anschließende 'neue Ära'3 in Preußen, standen im wiederhergestellten Deutschen Bund im Zeichen der weitestgehenden Rückkehr zu vorrevolutionären gesellschaftspolitischen Zuständen. Der Kurs Deutschlands lag wieder fest in den Händen der Monarchen. Vor allem zwei Ergebnisse hatte die Revolution von 1848/49 in die Folgejahre eingeschrieben: Die Hoffnungen auf eine liberal-freiheitliche Nationalstaatsgründung waren ebenso untergegangen wie demokratische Zukunftserwartungen Deutschlands. Gerade Preußen und Österreich hatten sich als konservative Mächte behauptet, aber die monarchische Solidarität der beiden Vormächte des Deutschen Bundes überstand die Revolution nur in Brüchen. Der machtpolitische Gegensatz von Berlin und Wien war verstärkt in Bewegung geraten. Sollte dem Militär beider Staaten im Wettlauf um die Führungsrolle im Deutschen Bund für die Folgezeit entscheidende Bedeutung zukommen, so war dies auch schon für die Revolution von 1848/49 der Fall gewesen.
Die Verfügungsgewalt über die kontinentale Verteidigungsmacht des Heeres stand traditionellerweise im Zentrum monarchischer Legitimation und Eigenverständnisses. Der Versuch der Frankfurter Nationalversammlung, Deutschland von einem losen Staatenbund in einen Bundesstaat umzuwandeln, scheiterte nicht zuletzt deswegen, weil es misslang, die Kommandogewalt über das Militär auf den zu gründenden Gesamtstaat zu übertragen. Als Zentralbereich prärogativer Macht verblieb die Kontrolle über die Armee bei den einzelnen Landesherren des Bundes. Der frühe Sieg der gegenrevolutionären Kräfte war damit auch ein militärischer, da der das Heer dominierende adelige Konservativismus sich in seiner Identität bedroht sah und der Revolution überwiegend feindlich gesonnen war. Das Heer als Landmacht definierte, so schien es, in Vergangenheit und Zukunft den (geo-)politischen Horizont Deutschlands. So verrät sich in der militärischen Verfassung auch etwas über die Verfasstheit des Staates an sich. Hierin liegt eine Kontinuität, die Geschichtserwartungen formte. Deutschland sei „stark kontinental geprägt, keiner ist sich unserer maritimen Abhängigkeiten bewusst“ 4, stellt noch Gero HOCH, der gegenwärtig stellvertretende Befehlshaber der Bundesmarine fest. Eine Flotte5 oder Marine6 als Teil der Streitmacht eines Landes kann über ihre konkrete militärische Bedeutung hinaus mit einer Änderung der Perspektive, dem Blick zum Meer, die politische Kultur, das Selbstbild und Zukunftserwartung eines Staates grundlegend verändern. Flottenrüstung und Flottenhysterie unter WILHELM II. (1859-1941) („Deutschlands Zukunft liegt auf dem Meer“) sind ebenso bekannt wie die gesellschaftspsychologischen Konsequenzen: Mit der kleindeutschen Reichseinigung unter preußischer Ägide gingen bürgerlich-nationale Träume in Erfüllung und wenig später, zwischen 1880 und 1900, sollte in Deutschland die Wende zur Weltpolitik endgültig fallen. Unter der Regie von TIRPITZ, dem Apologeten des Schlachtflottenbaus, rüstete sich Deutschland in nur wenigen Jahren die zweitgrößte Armada der Welt heran7, begleitet von einem langfristig verankerten Marineenthusiasmus, einer vermeintlichen 'Erziehung zur See'. Durch äußeres Zeremoniell, Matrosenanzug und Flottenverein schien die Gesellschaft bis ins kleinste Glied militarisiert und von einer Aufbruchs- und Zukunftsstimmung durchdrungen, die Visionen von Seemacht8 mit denen einer Weltmacht gleichsetzte. Anders als in TIRPITZ´ Jugend erinnerte man sich hier, in der Atmosphäre des anbrechenden 20. Jahrhunderts, auch an die Geschichte der ersten allgemeinen deutschen Marine von 1848. Sie wurde zum ersten Mal geschrieben oder war Teil historischer Abrisse der Marine des Kaiserreichs9. Freilich hob die zu konstruierende Tradition und das historische Bewusstsein der Kaiserlichen Marine nicht auf die parlamentarisch-demokratische Konnotation der Flottengründung in der Frankfurter Paulskirche ab, anders als die heutige Bundesmarine, deren Selbstverständnis sich ausdrücklich auf eine 150-jährige, ursprünglich demokratische Tradition beruft10. Vielmehr wurde im Kaiserreich unter dem flottenbegeisterten WILHELM II. die Geschichte der ersten 'Reichsflotte' von 1848 als bloße Vorgeschichte der den starken Nationalstaat repräsentierenden Kaiserlichen Flotte interpretiert. Insgesamt wich der politische Bedeutungsgehalt aber einer vorwiegend institutionellen und technischen Beschreibung. Bezeichnenderweise blickte die Historiographie auf die Flotte bis zum Ende des Deutschen Bundes kaum zurück. Ihr erging es wie der Revolution selbst. „Die deutsche Nationalflotte, die, eine gewappnete Minerva, im J. 1848 in die Wirklichkeit treten zu wollen schien, hat sich mit allen andern Hoffnungen jenes Jahres, dem vaterländischen Strome gleich, in den Sand verloren. Ihre Schiffe […] faulen auf der Weser“ 11, hieß es über die verblassende Bedeutsamkeit in einem Lexikonartikel schon 1851. Was hier wie das Sinnbild einer schiffbrüchigen Revolution wirkt, hatte in nur wenigen Jahren eine merkwürdige Geschichte hinter sich gebracht. Tatsächlich überdauerte die 'Reichsflotte' die Revolution von 1848/49 um einige Jahre. Erst mit Beschluss des Bundestages wurde sie im April 1852 aufgelöst. Wenn 1848, wie Dieter LANGEWIESCHE formulierte, nie zu einem Mythos wurde, der Geschichtserwartungen formte12, so scheint das aus heutiger historiographischer Perspektive heraus besonders für die Flotte der 48er Revolution zu gelten, anders als eben für die Marine des Kaiserreichs oder die Kriegsmarine unter Hitler.
Die übergeordnete These der vorliegenden Arbeit ist demgegenüber die, dass eine neuinterpretierende Rekonstruktion des Flottenkapitels „die erstaunlichen Dimensionen dieses Stückes deutscher Geschichte“ 13 (Michael SALEWSKI) offen legen kann. Die im Kaiserreich aufgearbeitete Ereignisgeschichte der ersten 'Nationalflotte' soll hier weniger unter dem Blickwinkel der Militärgeschichte denn als zentrales Kapitel deutscher Einheitsgeschichte auf ihren Bedeutungsgehalt neu befragt und in einen weiteren historischen Kontext eingebettet werden. Dabei soll freilich vermieden werden, Flottenbegeisterung-, Diskussion- und Politik im Vormärz und den Revolutionsjahren zu den bestimmenden Zeitthemen zu überspitzen und damit den geschichtsbildenden Mythos für die 48-er Revolution nachträglich zu konstruieren. Im Kampf um Einheit und Freiheit gab es fraglos wichtigere Bühnen. Absicht ist also nicht, bestimmende Deutungsmodelle abzulehnen, sondern durch den Flottenkomplex eine ergänzende Perspektive auf die ideengeschichtliche Dimension des Geschehens zu entwickeln und im Gegensatz zur neueren Forschung wieder 'die Nation' zu akzentuieren14. Leitend ist dennoch ein pluralisierter und differenzierter Revolutionsbegriff, der auch eine symbolpolitische Ebene reflektiert, die, wie gezeigt werden soll, in der Flottenthematik besonders anschaulich wird. Um obige These der Relevanz für die Einheitsgeschichte zu präzisieren: Das Erkenntnisinteresse der Arbeit besteht darin, inwiefern die Idee einer deutschen Seemacht15 geschichtsmächtig wurde und der Formierung des national-deutschen Bewusstseins vom Vormärz bis in die Revolution hinaus Vorschub leistete. War der Flottengedanke vor und während der Revolution gar der Geburtshelfer einer Gedankenwelt, die mit weltpolitischen Träumereien und frühen globalen Machtsehnsüchten der klassischen Phase des Imperialismus verwandter ist als weithin angenommen? Gingen Flottengedanke und Nationalismus also schon viel früher als bisher vermutet eine folgenreiche Verquickung ein? Vor dem Hintergrund dieser Frage wird entwickelt, wie eine hohe symbolische Integrations- und Identifikationskraft der Flotte in der Vorphase der Revolution Faszination auf alle politischen Lager Faszination ausübte. Wie positionierte sich das Konzept von Seemacht im Verhältnis zur politischen Gedankenwelt bürgerlich-nationaler, demokratischer und konservativer Kultur? Gibt es Konstanten und Entwicklungen im Blick auf Meer und Land, die mit weltanschaulichen Grundbefindlichkeiten, mit Liberalismus16 und einem reagierenden Konservativismus17 zusammenhängen? Auf welchen Ebenen bot sich die Flotte als Brückenfaktor an und wo gab es Differenzen? Hier soll gezeigt werden, wie die Anziehungskraft und Popularität der Flottenidee sich aus einer weiten Motivkette zwischen Idealismus und Ideologie, Wirtschaft und Politik speisten und Anknüpfungspunkte letztlich nicht nur für die politischen 'Bewegungsparteien' boten.
Das Ziel, das Phänomen der Flottenbegeisterung als Synthese auch mentalitätsgeschichtlicher Aspekte der revolutionären Öffentlichkeit umfassend zu behandeln, ist soweit neu18. Unter Anwendung der narrativ-hermeneutischen Methode soll auf relativ weiter Quellengrundlage die Geschichte der Flotte als eine politische Ideengeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts entworfen und dabei SALEWSKIs These ausgebaut werden, dass die Flotte spiegelbildlich für alle Optionen stand, die sich im Hinblick auf die verschiedenen deutschlandpolitischen Konzepte bis zur definitiven Rückkehr zum Deutschen Bund boten19.
2. Forschungslage
Also noch ein Beitrag zur Revolution, obwohl die Forschungsliteratur, zumal nach dem Jubiläumsjahr von 1998, gänzlich uferlos geworden ist? Ja, denn obwohl sich die Perspektive auf die deutsche und europäische 'kurze Epoche' von 1848/49 in 150 Jahren Historiographiegeschichte bis ins Feinste differenziert und so gut wie alle Akteure und Bühnen untersucht hat, wurde und wird die erste deutsche Flottengründung in der Literatur überwiegend verschwiegen. So leitet das Ziel einer Synthese verschiedener Aspekte des Flottenkomplexes seine Berechtigung aus den Defiziten der bisherigen Forschung ab. In den mittlerweile klassischen Handbuchdarstellungen von WEHLER20 und NIPPERDEY21 zum 19. Jahrhundert ist die erste 'Reichsmarine' mit keinem Wort erwähnt; in neueren Einführungen und anderen Standardwerken zur Epoche22 wird die Flotte höchstens als Marginalie der Revolutionsjahre erwähnt23, wenngleich nicht ohne wichtige Thesen24. Aber allein schon das Alter der beiden einzigen Monographien rechtfertigt eine Neudarstellung der Thematik: So muss Max BÄRs bereits 1898 erschienene Arbeit Die deutsche Flotte 1848-1852 25 weiterhin als Standard gelten. Ist die Wichtigkeit der Arbeit durch ihre breite Quellenbasis weiterhin unterstrichen, so liegt auch hier auch eines ihrer Probleme: Sie stützt sich im Wesentlichen auf preußische und hannoversche Staatsakten und lässt die österreichische Perspektive, die über die deutsche Frage mit der Flottenproblematik aufs Engste verbunden war, unberücksichtigt. BÄRs Monographie ist politisch unverdächtig, aber zudem zu sehr auf die institutionelle und auch technische Entwicklungsgeschichte konzentriert, worunter z.B. gerade das Deutungsmoment der Flottendebatte in der Nationalversammlung leidet. Wer sich als Träger eines Flottengedankens erweisen konnte, wird nur unzureichend behandelt. Auch ist der zeitliche Rahmen der Analyse für die Einbettung in einen weiteren historischen Kontext zu eng gezogen, da BÄR, wie auch Waldemar ZILLINGER26, der zweite Monograph der Flotte, die Jahre vor 1848 außer Acht lässt. Die 1954 unter intensiver Nutzung der Akten des Bundesarchivs verfasste Dissertation ZILLINGERs ist bis heute ungedruckt und verfolgt die Flottendiskussion in den verschiedenen parlamentarischen Gremien allein für das Revolutionsjahr. Hier ist vor allem der dünne biographische Hintergrund der Parlamentarier zu bemängeln, den Heinrich BEST und Wilhelm WEEGE 1996 durch ihr wesentliches Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 27 auf eine völlig neue Grundlage gestellt haben. Die Beweggründe der einzelnen Akteure in der Flottendebatte können hierdurch deutlicher konturiert werden. Gleichwohl bietet ZILLINGER eine wichtige Stütze zur Rekonstruktion des Verlaufs von Flottendebatte- und Politik in den parlamentarischen Gremien vor der Nationalversasmmlung.
Weiteres wurde in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts geleistet. Alfred NEUMANN28 und Emil MEISTER29 haben in der Erschließung von Archivmaterialen die öffentliche Bedeutung der Flottenfrage über die Tagespresse und andere Publikationen erschlossen, selbst wenn beide Arbeiten wegen ihres politischen Hintergrundes problematisch bleiben und in der Deutung zu Wünschen übrig lassen. Neumann konzentriert sich zudem zu sehr auf die faktische Entwicklung des Flottenbaus. Möchte man Vorphasen der maritimen Begeisterung von 1848 aufspüren, sind die Arbeiten von NEUMANN und MEISTER jedoch eine wertvolle Ergänzung. Die restlichen Überblicksdarstellungen sind aus zwei Gründen nur bedingt nutzbar: Zum einen durch ihre durch das Alter bedingte ideologische Färbung, zum anderen, weil sie durch den Verzicht auf einen wissenschaftlichen Apparat die Kontrolle erschweren. 1930 legte Veit VALENTIN mit seiner klassischen, bis heute ergiebigen Gesamtdarstellung der Revolution30 gleichzeitig ein bis heute anerkanntes Interpretationsmuster vor. Die Flotte, das „Schmerzenskind der Revolution“ 31, habe den Reichsgedanken auf liberal-demokratischer Grundlage symbolisiert und als Ausdruck einer erhofften politischen und sozialen Neuordnung Deutschlands sei ihr Ende mit der Gegenrevolution auch endgültig besiegelt gewesen. Diese These bedarf der Differenzierung, ist aber, wie Wolfgang PETTER betont32, auch heute noch nicht überholt. Auch Ernst Rudolf HUBER griff sie auf und spricht in seiner Deutschen Verfassungsgeschichte von der „Flottenleidenschaft der deutschen bürgerlichen Bewegung“ 33, hob aber vor allem auf die verfassungspolitische Dimension der Flottenfrage im Revolutionsjahr ab. Die verfassungsbildende Kraft der Flottenschöpfung möchte die vorliegende Arbeit weiter ausbauen und zudem auch die Frage nach den Gründen des Scheiterns neu stellen. Einigkeit herrscht hier bis heute in der Forschung nicht. Zieht man eine Publikation Günter MOLTMANNs34 und die jüngeren zentralen Aufsätze von Michael SALEWSKI hinzu35, lässt sich als gegenwärtiger Stand der Forschung konstatieren, dass die Flottenidee in der Revolution militärisch von sekundärer Bedeutung war und in vielerlei Hinsicht, wie durch VALENTIN angerissen, die liberal-nationalen Hoffnungen36 auf einen umfassenden politisch-kulturellen Neuanfang, auf gesamtgesellschaftliche Modernisierung projektierte. Bei der Frage, wieso die mit dem Faktor Zukunft behaftete Marineschöpfung des Revolutionsjahres scheiterte, lassen sich zwei Positionen identifizieren: 1. die von PETTER vertretene These, dass die Flotte der Paulskirche ein „programmierter Untergang“ deswegen gewesen sei, weil in dem Projekt von Beginn an nationale Hybris lag, eine Selbstüberschätzung imperialer Grundanlage und Fehleinschätzung der innenpolitischen Voraussetzungen des Seemachtsexperiments. 2. SALEWSKI versucht demgegenüber ein differenziertes Bild zu entwickeln, vertritt die Annahme, dass die gedachten Ausmaße der 48-er Flotte keineswegs zu groß waren und stellt für das Ende auch außenpolitische Faktoren in Rechnung37.
3. Konzeption und Quellen
Um den historischen Rahmen des oben skizzierten Fragenkatalogs abzustecken, charakterisiert das erste Kapitel eingangs den klassischen historischen Gegensatz von Land und Meer und die geographische Eigenart deutscher Geschichte. Darauf aufbauend wird Vorphasen des Flottengedankens im deutschen Vormärz (~1815-1848) nachgespürt. Zwei Traditionsstränge sollen hier herausgestellt werden: Zum einen auf deutschlandpolitischer Ebene, in der Versammlung des Bundestages. Dafür dienen die Bundestagsprotokolle als Quelle38. Zum anderen auf publizistischer Ebene, die ein weiteres Bündel von Motiven erkennen lassen. Wirtschaftsagitatorische, ästhetische Flottenschriften, aber auch frühkoloniale Propaganda bieten Schnittstellen zum maritimen Komplex. Hier ist durch den Umfang der Arbeit eine erste Einschränkung zu markieren, da Positionen des öffentlichen Flottendiskurses zum Teil über Sekundärliteratur erschlossen werden.
Im Hauptkapitel, Kapitel 2, wird der Flottendebatte des Revolutionsjahres und der folgenden Schöpfung der 'Reichsflotte' in den einzelnen Handlungsfeldern nachgegangen, jeweils rückbezogen auf den wesentlichen Katalysator der Schleswig-Holstein-Frage. Die Bedeutung der einzelnen Gremien wird im Hinblick auf die Flottenfrage untersucht. Hier liegen die stenographischen Protokolle des Fünfzigerausschusses in der Quellensammlung von ROTH/MERCK39 und den Verhandlungen des Deutschen Parlaments 40 vor, die des zweiten 'revolutionären Organs', des Vorparlaments, ebenso. Dass vor der parlamentarischen Tätigkeit das Engagement Einzelner stand, wird am wichtigen Beispiel des Kieler Historikers Johann Gustav DROYSEN erläutert und seine individuellen Motive einer Flottengründung mit den allgemeinen verglichen. Denkschriften, Tagebücher und Briefe geben hier Auskunft. Auch wird die Stellung der Organe der 'Reform von oben', Bundestag und Siebzehnerausschuss ebenso in Rechnung gestellt wie die öffentliche Flottenbegeisterung als ein bislang unterschätzter Abschnitt revolutionär-gesellschaftlicher Selbstinszenierung. Zeitgenössische Memoirenliteratur wird zur Illustration dieser auch allegorischen Aspekte hinzugezogen. Tendenzen der Tagespresse sind vor allem über die Arbeiten NEUMANNs und MEISTERs, für die Auflösung der Flotte durch Hans-Joachim HÄUSSLERs Studie41 zu erschließen.
Vor dem Hauptabschnitt des zweiten Kapitels erfolgt eine Skizze der Entwicklung und Positionierung der Nord- und Ostseestaaten zum Flottengedanken. Hier werden auch einzelne Standpunkte exponierter Akteure diskutiert, wobei auch hier durch den Umfang der Arbeit überwiegend Sekundärliteratur herangezogen wird. Daran schließt sich eine detaillierte Analyse des Verlaufs der Flottendebatte in der Nationalversammlung an. Die Hauptquelle liegt hier in den Stenographischen Berichten der deutschen constitiuierenden Nationalversammlung 42 vor. Welche Hoffnungen und Befürchtungen banden sich durch die Redner aus verschiedenen Seiten des politischen Spektrums an die Flotte? Für welche innen- oder außenpolitischen Zielsetzungen sollte die zu schaffende Seemacht instrumentalisiert werden? Welchen Gang nahm die Kommunikation mit Österreich, die über eine groß- oder kleindeutsche Lösung in der Flottenfrage auch den Kern der deutschen Frage entscheiden würde? Hier spiegelt sich in der Diskussion auf finanzpolitischer Ebene auch ein gewichtiges Kapitel Symbolpolitik. Dass die gesamten Kapitel ein symbolischer Revolutionsbegriff durchzieht, zeigt auch die Diskussion um die Flagge in der Nationalversammlung, die ebenso untersucht wird. Ideale und Symbole fesselten weit über die parlamentarische Bühne hinaus. Um 1850 malte Lorenz CLASEN43 (1812-1899) die Weibliche Allegorie des Deutschen Bundes auf dem Bug des Schiffes ‚ Vaterland ’ 44, auch nach Ende der Reichsidee noch immer sinnfällige Imagination einer 'politischen Neugeburt' Deutschlands und der Hoffnung auf historischen Wandel. Als diese schon gegen die Gegenrevolution im Spätherbst 1848 verloren schien, nahm die eigentliche Entwicklung der Flotte erst ihren Lauf. Die Phasen der Flottenentstehung werden untersucht, wobei immer wieder die außenpolitische Problematik einer Flottengründung zur Sprache kommt.
Das letzte Kapitel, Kapitel 3, markiert den Epilog Flottengeschichte. Der letzte sichtbare Rest der Revolution wurde zur Verfügungsmasse über die Lösung der 'deutschen Frage'. Neben der Sekundärliteratur stellen die Protokolle der Dresdner Ministerkonferenz45, die Bundestagsprotokolle, Otto v. BISMARCKs Gesammelte Werke 46 sowie POSCHINGERs Quellenedition47 zur Preußischen Tätigkeit am Bundestag und der preußischen Auswärtigen Politik die Quellengrundlage dar. Dass dieses Kapitel bis 1852 noch Teil der Darstellung ist, hat seinen Grund. Die Idee einer deutschen Seemacht zur Mitte des Jahrhunderts, welchen Zuschnitts auch immer, spiegelte sich in den versuchten politischen Neuordnungen Deutschlands auch nach 1849.
1. Seemacht und Meeresbewusstsein: Deutschland bis 1848
1.1 Historischer Rahmen: Deutschland als Kontinentalmacht
Bis weit ins 18. Jahrhundert wurde das Meer nicht in Sehnsuchts- oder Freiheitserwartung, sondern als feindlich und todbringend empfunden, europaweit48. Und dennoch das Meer, isolierend und verbindend zugleich, „eine der wichtigsten Grundbedingungen der […] Geschichte“ 49 des Kontinents in seiner maritimen Prägung.
Der geographische Horizont Deutschlands blieb in der Frühen Neuzeit gleichwohl ein besonderer, nämlich der des Landes. Die Bedeutung des Meeres erscheint hier im umgekehrt proportionalen Verhältnis zur Größe des Territoriums. Das amorphe Gebilde des 'alten Reichs' war außenpolitisch zwar machtlos, aber groß. Anteil an der „Aufbruchskolonne der elementaren Wendung zum Meer, die sich im 16. und 17. Jahrhundert vollzieht“ 50, hatte es keinen. Der „Wandel des Raumbildes“ 51 als Entgrenzung der Welt durch die Entdeckungen wurde „der eigentliche Kern des umfassenden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandels“ 52. Er galt nicht für das Reich. Bis zu dessen Ende und auch im 19. Jahrhundert blieb die deutsche Überlieferung eine kontinentale und selbstbezogene. Die Gründe dafür sind, wie Hermann HIERY53 bemerkt, nicht einfach zu benennen. Wieso frühkoloniale Agitation in der politischen Kultur des Reichs keine Rolle spielte, ist durch die „geographisch-strategischen Lage des Reiches“ 54 allein nicht ausreichend geklärt. Die kulturgeschichtliche Gefangenheit in der Mitte des Kontinents scheint vielmehr Resultat der konfessionellen wie politischen Zersplitterung55, Dezentralisierung und territorialer Neuordnung im Zuge des 30-jährigen Krieges, „ der Urkatastrophe Deutschlands als Seemacht“ 56. Schweden erhielt Vorpommern und die Deutschen wurden „von ihren beiden Meeren erstaunlich systematisch abgeschnitten“ 57. Ein „Ausbrechen ins Ozeanische“ 58 zeigte demgegenüber zeitgleich die Geschichte der Niederlande, ebenfalls nicht im Besitz ausgeprägter Küstenstreifen. In der Teilhabe an der Freiheit des Meeres59 begründete sich endgültig seit dem Anbruch der Frühen Neuzeit eine Ausweitung politischer und wirtschaftlicher Macht. Die Weltauseinandersetzung der 'großen Mächte' (RANKE) verhinderte dies nicht. Das Ringen um die globale Vorherrschaft sowohl über die neu entdeckten Gebiete als auch über die Seeverbindungswege verlor gegen England zuerst Spanien, dann die Niederlande selbst60. Und derweil England und Frankreich, die letzten großen Gegner, im 18. Jahrhundert im Kampf um Nordamerika und Indien den Grundstein für einen neuen weltpolitischen Bauplan legten, schlugen sich Preußen und Österreich um eine deutsche Provinz.
Carl SCHMITT macht in Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung zwei mögliche Formen der historisch gewordenen menschlichen Existenz aus: die der See- und Landmacht61. Die klare Rollenzuweisung Deutschlands sieht Michael SALEWSKI allerdings einer traditionellen Definition62 des Begriffs 'Seemacht' geschuldet: in Anknüpfung an den berühmten Seekriegstheoretiker Alfred T. MAHAN63 (1840-1914) und dessen Werk The Influence of Seapower upon History 1660-1793 64 gilt 'Seemacht' nicht als die bloße maritime Handlungsfähigkeit der Flotte eines Landes. Vielmehr wird der Begriff auch als Staatswesen verstanden. ‚Seemacht’ charakterisiert demnach einen Staat, welcher, so Jörg DUPPLER, „der See einen hohen Stellenwert in der Planung seiner Gesamtpolitik beimisst“ 65. Damit eng verknüpft oder nahezu identisch ist der Begriff vom ‚Meeresbewusstsein’. Definieren lässt dieser sich als die Einsicht, welche sich aus dem Zusammenwirken von technischen Möglichkeiten, Seewegen und geographischen Positionen ergibt66.
Laut Golo MANN brachte das 18. Jahrhundert dann die Überlieferung vom deutschen Zukurzkommen in der Besitznahme der Meere67. Den gleichsam weltgeschichtlichen Gegensatz von Binnen- und Meeresklima als Boden einer politisch-kultureller Grundverfassung bringt Uwe JENISCH auf eine bündige Formel: „Während die zentralistischen Kontinentalmächte auf territoriale (kontinentale) Ausdehnung, auf Armee und Bürokratie sowie Monarchie und Ideologie setzen, bevorzugen die Seemächte parlamentarisch-demokratische und dezentrale Regierungsformen. Sie setzen auf Gewaltenteilung und auf Gleichgewicht, auf Kooperation und Freihandel, auf Schiffahrt und Marine, auf Forschung und Technologie“ 68. An das Deutschland der Duodezfürstentümer dachte hier niemand. Deren kontinentale Selbstbezogenheit schien vielmehr in einen Muff der Rückständigkeit zu geraten69. Die Isolation des Alten Reiches illustriert auch Edward WEGENERS70 Konzept 'Seemacht' als das Produkt der Variablen von Flotte, notwendiger materiell-institutioneller Basis und des 'maritimen Bewusstseins'. Tendiert ein Faktor gegen Null, ist das Produkt gleichfalls Null. ‚Schicksalsbestimmend’ wurde diese Formel für die deutsche Geschichte der vergangenen beiden Jahrhunderte nur selten. Ein näherer Blick in die außenpolitischen Konstellationen vor und nach der Gründung des Deutschen Bundes im Jahre 1815 zeigt dies.
1.2 Frühe maritime Ambitionen bis zum Deutschen Bund
Albrecht WALLENSTEIN (1589-1634) war nicht nur kaiserlicher Generalissimus im scheinbar rein kontinentalen Konflikt des 30-jährigen Krieges. Als 'General des Ozeanischen und Baltischen Meeres' versuchte er eine Flotte zu gründen, scheiterte jedoch an Widerstand Schwedens71. Friedrich WILHELM (1640-1688), 'der große Kurfürst', zog daraus die Konsequenzen und dachte beim Ausbau Preußens an die Berücksichtigung der strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung des Meeres72, nicht nur aus dekorativen Gründen für die Staatsraison73. In einer Zeit, die „für alle Küstenländer außer Deutschland ein Zeitalter frischen Emporblühens und kolonialer Erwerbungen“ 74 war, träumte er von einer Flotte, von Handelskompanien, der Teilhabe an einer neuen Generation von Seemächten. Er charterte niederländische Schiffe, schuf ein Marinekollegium und dachte in Afrika 'Staat zu machen75. Nach seinem Tode blieb dies aber Episode und bloßer Erinnerungsposten76. Trotz nicht existenter Seestreitkräfte habe sich dies 1756, mit Beginn der Siebenjährigen Krieges und der Veränderung der außenpolitischen Konstellation im System der Mächte, entscheidend verändert, so SALEWSKI. Preußen sei hier allein durch das Bündnis mit England, indem es jetzt auf die Protektion seiner Seehandlung 77 bauen konnte, in das Lager der damaligen Seemächte erhoben worden und habe damit bis zur Neuordnung Europas 1815 „die erste maritime Periode in der deutschen Geschichte“ 78 geschrieben79. Eine Ausklammerung erfuhr eine aktive Flottenpolitik auch im System des Deutschen Bundes und die Ursachen liegen hier ebenso im Koordinatennetz internationaler Politik. Trotz einer Bundeskriegsverfassung lag die Militärgewalt weiterhin in der Hand der Gliedstaaten und deren Souveränität80. Zwar integrierte die Wehrverfassung eine aus Bundeskontingenten zusammengesetzte Landstreitmacht, kannte aber eine Vereinheitlichung der Handelsflaggen und eine Vertretung im Ausland ebenso wenig wie eine eigene 'Bundesflotte'. Allein Österreich verfügte über eine Flotte in der Adria, die jedoch zunehmend kränkelte81. Diese Leerstelle wurde durch die Bundesmitgliedschaft dreier echter Seemächte zumindest kompensiert: durch Großbritannien, Dänemark sowie durch die Niederlande82. Auf real existente Seestreitkräfte konnte der Deutsche Bund damit zumindest theoretisch in der Ost- und Nordsee und durch die adriatische Flotte Österreichs auch im Mittelmeer zurückgreifen. Maritime Verpflichtungen wurden nach außen delegiert.
Damit war von Beginn des 19. Jahrhunderts an eine mögliche deutsche Flottenpolitik fortan nicht nur Teil deutscher, sondern immer auch europäischer Politik. Das sollte gerade auch 1848 zum Tragen kommen. Die historischen Rahmenbedingungen der territorialen Neudefinition des europäischen Raums nach den Napoleonischen Kriegen veranschaulicht das: Zwar war Deutschland durch die Geographie ein Zentralraum Europas, es musste diese Rolle aber gerade nach der Rekonstruktion Europas von 1814/15 international in Relation zu den anderen Mächten definieren. Sicher, schon STEIN, HUMBOLDT und andere hatten etwa zeitgleich von einem deutschen Nationalstaat als mächtiges Reich in der Mitte des Kontinents geträumt83, aber der Deutsche Bund enttäuschte die Hoffnungen, wurde als Schöpfung des Wiener Kongresses etwas anderes: „das Herzstück eines neuen internationalen Systems, das auf einem multipolaren Gleichgewicht basierte, das von Großmächten, früheren Großmächten Mittelmächten und Kleinstaaten gebildet wurde“ 84. Sein Kern durfte, um die Interessen der anderen Mächte nicht zu verletzen, kein unitarischer Nationalstaat sein, sondern ein föderativer Staatenbund. Wohl diente er als ‚Band für die deutsche Nation’, hatte aber, in deutscher und europäischer Doppelfunktion, vor allem die Sicherheits- und Friedensinteressen der europäischen Staatengesellschaft zu erfüllen85. Deutschland blieb auf seine Territorien verwiesen. Eine in weitere Räume operierende 'Bundesflotte' hätte nur vom potentiellen Machtausbruch eines erstarkenden europäischen Zentrallandes gegen die Stabilitätsinteressen des Kontinents künden können, zumal England und Russland selbst in Ost- und Nordsee eigene Interessensphären vertraten.
So fühlten sich die stetig wachsende Handelsflotte des Bundes und die am Welthandel partizipierenden Hansestädte unter dem unerklärten Schutz der englischen Marine sicher. Solange dieses externe Protektionssystem funktionierte, verspürte man die Notwendigkeit der Schaffung einer der Handelsflotte angepassten Kriegsmarine weiterhin nicht. Schmerzlich trat die maritime Machtlosigkeit jedoch ins Bewusstsein, als Seeräuber selbst kleinster afrikanischer Küstenstaaten sogar in der Nordsee schon kurz nach der Gründung des Bundes deutschen Handelsschiffen auflauerten86 und zum akuten Problem wurden.
So wurde im Jahre 1817 eine mögliche Flottengründung zum ersten Mal Gegenstand bundesstaatlicher Politik. Nachdem einige Handelsschiffe der Nordseestaaten gekaperten worden waren87, wurde der Gesandte der freien Städte (Lübeck, Bremen, Frankfurt und Hamburg) in der Bundesversammlung vorstellig. Sein Anliegen war es, „die Aufmerksamkeit der hohen Bundesversammlung auf einen Gegenstand zu leiten, der nicht nur unmittelbar für diese Städte, so wie für alle deutschen Staaten, welche Seehandlung treiben, sondern auch für den ganzen deutschen Bund von der größten Wichtigkeit ist“ 88. Inständig forderte der Gesandte die Schaffung von Bundesverteidigungsmitteln zur See. Andernfalls sei „die Sicherheit der Meere“ 89 nicht zu garantieren und „in eine gänzliche Stockung wird der Absatz aller Produkte und Fabrikate Deutschlands gerathen“ 90. Und weiter: „Der hohe deutsche Bund als Gesammtheit und europäische Macht [müsse; F.S.] sich bewogen finden […] , alle Schritte zu thun, welche in seiner Macht sind, um die durch jene Seefrevel gefährdete Ehre der deutschen Flagge und Wohlfahrt der Nation aufrecht zu erhalten“ 91, fuhr der Gesandte fort. Zwei Kernmotive der späteren Flottendebatte wurden hier zum ersten Mal erwähnt: das der Flotte als wirtschaftliches Argument und die Hoffnung einer geschlossenen außenpolitischen Repräsentation, ausgedrückt in der Flagge. Die sich im Bundestag vom 16. Juni anschließende Abstimmung gab zunächst Grund zur Hoffnung. Zwar wurde keine materielle Entscheidung getroffen, dennoch entschied man, eine Kommission einzusetzen, deren Aufgabe es sein sollte, „ein gemeinschaftliches Gutachtenüber die wirksamsten Vorkehrungen zur möglichsten Sicherung der deutschen Seehandlung“ 92 vorzulegen. Freiherr V. GAGERN, der Vater des späteren Präsidenten der Nationalversammlung, war ihr Mitglied.
Der niederländische Gesandte am Bundestag hatte gegen maritime Rüstungsgedanken keine Verwahrung einzulegen, gab aber du bedenken, dass nicht unverhältnismäßiges Hoffen, sondern Realismus den Maßstab geben sollte93. Handfeste Ergebnisse blieben aus, doch wurde in der Bundestagssitzung am 17. Juli 181794 ein erstes Gutachten der Kommission vorgelegt. Es ging erwartungsgemäß dahin, dass nicht der Bund selbst durch eine eventuelle Modifikation der Wehrverfassung zur Errichtung seemächtlichen Mitteln greifen sollte. Die Verantwortlichkeit wurde vielmehr erneut an die „Europäischen Seemächte“ 95 delegiert, die den deutschen Handelsschutz ausgedehnt sogar bis zum Mittelmeer wahrnehmen sollten. England schien dieser weit reichenden Forderung aber nicht Folge leisten zu wollen, und das wohl im großen Maße aus einer Bedenklichkeit heraus, die sich seit 1815 immer deutlicher formulierte: Wieso sollte England, wenn von derartiger Obhut letztlich vor allem auf der deutschen Seite ein Vorteil und damit ein potentieller Konkurrent im Weltverkehr erwachsen würde, „die Kosten des Schutzes allein auf sich […] nehmen“ 96 ? Es sei schließlich für den Bund unverzichtbar, „durch eigene Kraft“ 97 eine Flotte zu gründen. Um den kollektiven Handlungswillen zu stärken, konstruierte der vortragende badische Gesandte mit Bezug auf die „ruhmwürdige Periode“ 98 eine vermeintlich maritime Tradition Deutschlands und berief sich auf das noch junge nationale Bewusstsein: „Deutsche verstehen Schiffe zu bauen, und zu rüsten, unsere Seeleute dienen auf allen Meeren, sollte dießvorliegende große Interesse der National-Ehre und des Vortheils und der Nothwendigkeit nicht Beschlüsse hervorrufen und verwirklichen, die allein den Zweck sicher und dauernd zu erreichen verheißen?“ 99. Weiteres blieb für Jahre jedoch aus, am merkwürdigen (Miss-) Verhältnis von Handelsflotte und nicht existierender Kriegsflotte änderte sich nichts. Sicherlich war, wie erläutert, die Prämisse des Machtausgleichs durch den Bund dafür mitverantwortlich. So blieben die Aktivitäten der Bundesversammlung im Hinblick auf das Zustandekommen einer deutschen Seevertretung im Zeitraum von 1815 bis zum Revolutionsjahr letztlich ohne weitere Bedeutung.
Konkretere Entwicklungen gab es darüber hinaus allein in Preußen. Hier habe sich, so Günter NEUMANN, in den 1820er Jahren ein zunehmendes Problembewusstsein für die Schutzlosigkeit des Ostseehandels entwickelt. 1823 wurde unter Minister RAUCH100 (1774-1841) eine erste Marinekommission berufen101. Deren Arbeitsergebnis knüpfte in etwa an die Motivlage in der Bundesversammlung an: Eine eigene Flotte sei nicht nur aus militärpolitischen Sicherheitserwägungen heraus ratsam, denn „die Erringung
der Seewehr [werde; F.S.] zur wirklichen Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit des Staates und zur wahrhaftigen Steigerung der Volkskraft“ 102 beitragen. Ein marinefreundlicher FRIEDRICH WILHELM III.103 (1770-1840) trug dem Staatsministerium nach dem Kommissionsbericht dann auch auf, eine Flottengründung in Erwägung zu ziehen, jedoch ohne Resultat. Zwei Jahre später, 1825, berief er eine zweite Kommission104, an deren Leitung der sehr junge Prinz ADALBERT VON PREUSSEN105 (1811-1873) beteiligt war und hier erstmals für die Marine wirkte. Auch diese Initiative blieb aber erfolglos, weil die versuchte Flottengründung in Preußen vor 1848 letztlich an zwei Faktoren scheiterte106, die auch späterhin bestimmend wurden: Mangel an Geld sowie an logistischer und personeller Kompetenz. 1837, im Jahr des Austritts Englands aus dem Deutschen Bund, entschloss sich FRIEDRICH WILHELM III. „unter den vorliegenden Umständen […] für jetzt von den in Vorschlag gekommenen Einrichtungen abzusehen, da es hauptsächlich und wesentlich davon abhängt, einen sachverständigen, ausgezeichneten Seeoffizier zu gewinnen“ 107. Damit war der einzige und auch letzte Versuch, im Verfassungssystem des Deutschen Bundes vor 1848 auf einzelstaatlichem Wege zur Gründung einer Seemacht zu gelangen, ad acta gelegt.
1.3 Friedrich LIST: Die Flotte im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik und Kultur
Trotz fehlender Flotte schlug der Seemachtsgedanke in den beiden Jahrzehnten der 30er und 40er Jahre des 19. Jahrhunderts im politischen Bewusstsein des Vormärz publizistische und öffentlichkeitswirksame Wurzeln. Populärster vorrevolutionärer Flottenpropagandist wurde der führende Nationalökonom Friedrich LIST108 (1789-1846). Gegenüber den unten behandelten literarischen und lyrischen Schriften repräsentierte LIST die 'Rationalität' des jungen Seemachtsgedankens, dies gleichwohl mit großer Leidenschaft und charakteristischem Pathos. Geschuldet war das nicht zuletzt einer neuen Woge des Nationalismus, die ab 1840 im Gefolge der Rheinkrise109 die Gemüter erhitzte und erhebliches Mobilisierungspotential barg. 1843, auf dem Höhepunkt seines literarischen Schaffens, gab LIST eine Ahnung davon, wohin sich der zukünftige Kurs Deutschlands richten solle: „Die See ist die Hochstraße des Erdballs. Die See ist der Paradeplatz der Nation. Die See ist der Tummelplatz der Kraft und des Unternehmungsgeistes für alle Völker der Erde und die Wiege ihrer Freiheit. Die See ist die fette Gemeindetrift, auf welche alle wirtschaftlichen Nationen ihre Herden zur Mastung treiben. Wer an der See keinen Teil hat, der ist ausgeschlossen von den guten Dingen und Ehren der Welt - der ist unsers lieben Herrgotts Stiefkind“ 110. Als einer der Ersten brachte LIST in diesen Sätzen aus der Politischen Nationaleinheit der Deutschen die Hinwendung zum Meer in Politik, Wirtschaft und Kultur mit den generellen Hoffnungen des Liberalismus, mit der „Affinität zu Neuem“ 111, der Erziehung zur Zukunft und dem Glauben an den Fortschritt und Freiheit in Verbindung.
Als Wirtschaftstheoretiker knüpfte List zwar insofern an den berühmten Nationalökonom Adam SMITH112 (1723-1790) an als auch für LIST die Freiheit des Meeres schließlich zur Freiheit des Marktes und auch des Individuums weist - in einem neu geordneten Staat. Doch bedeutete ihm das freie Spiel der produktiven Kräfte nicht eine liberale Wirtschaftslehre im Sinne des Freihandels, der als selbsttätiger Marktmechanismus den zwischenstaatlichen Güteraustausch durch den Fortfall aller Außenhandelsbeschränkungen anstrebte . Das Hauptziel von LISTs Doktrin war vielmehr die Schaffung eines geschlossenen deutschen Wirtschaftsgebietes als Voraussetzung einer folgenden nationalpolitischen Einigung, die eng an die Flottenidee gekoppelt wird. An die Stelle eines weltbürgerlichen 'Kosmopolitismus', eher dem Freihandel verwandt, setzte er die Idee des unabhängigen, starken Staates. Allein dieser sollte den wirtschaftlichen Entwicklungsprozess gestalten und Handel und Schifffahrt gleichermaßen stark entwickeln. Voraussetzung für eine Teilhabe am Welthandel war für ihn die Einführung eines gemäßigten, mit den Jahren abnehmenden Schutzzolls113, „eine Sperrmauer gegen das Ausland zum Schutze der deutschen Industrie“ 114. Durch deren Zusammenschluss im protektionistischen Sinne wollte LIST die durch die Gründung des Zollvereins115 im Jahre 1834 geschaffene national-ökonomische Organisation Deutschlands vorantreiben und eine kraftvolle Vertretung gesamtdeutscher Außenhandelsinteressen schaffen. „In unsern Tagen haben nur große, auf dem höchsten Grad der Kultur stehende und in jeder Beziehung wohlorganisierte Nationalkörper ihre ganze Zukunft in ihrer Gewalt“ 116. Einerseits dachte LIST hier an einen 'kulturfördernden' Austausch mit anderen Ländern, an Seefahrt und Zivilisation, andererseits jedoch wirkte England mit seiner zu überwindenden hegemonialen Seemachtsposition deutlich im Hintergrund117.
LIST zufolge lag die Zukunft der Wirtschaft und damit auch die politische Zukunft Deutschlands einzig auf dem Meere, sei doch „Deutschland von seinem langen Schlaf erwacht; es hat die Notwendigkeit einer nationalen Handelspolitik erkannt; es sieht ein, dass es eine solche Politik unmöglich verfolgen kann, ohne daßdie Seehäfen mit dem Binnenland gemeinschaftliche Sache machen“ 118. An die Seite der stark zu expandierenden Handelsflotte, derer man sich endlich als Machtfaktor bewusst geworden sei119, dachte er sich eine Marine als „seewärtige Ermannung“ 120 . Neben der Eisenbahn wurde sie ihm zur zweiten pointierten 'Nationalunternehmung'. Deren Träger konnten aber nicht länger die feudalen und militärischen Oberschichten sein, sondern ein liberales, weniger in 'kontinentalen' Kategorien denkendes Handels- und Wirtschaftsbürgertum des weltweiten Austausches121, das partikularen Eigensinn und Kleinstaaterei überwinden und sich damit letztlich von überkommenen Herrschaftsstrukturen emanzipieren werde122. Damit rührte LISTs Flottengedanke an Paradigmen, die Bürgertum und den politischem Liberalismus als Verfassungsbewegung im Vormärz verbanden. Als Sinnbild von Fortschritt, wirtschaftlicher Prosperität und Ausbruch aus monarchisch-kontinentaler Geschlossenheit bot sich dem bürgerlichen Liberalismus, den Zeitkräften wirtschaftlicher und politischer Modernisierung und Emanzipation, die Flotte geradezu an. Auch der Demokrat LIST stand diesem gesellschaftlichen Leitbild nahe. Die 'neue Welt' Amerika war für dieses Bild von zweifacher Vorbildlichkeit: Das zukunftsträchtige parlamentarisch-demokratische System stellte für LIST den Prototyp eines ständig expandierenden Riesenstaates dar, der, über riesige ökonomische Ressourcen verfügend, auch eine Seemacht gründen würde, die letztlich selbst die britische in den Schatten stelle123. LISTs Glauben an einen maritim-nationalen 'Beruf' Deutschlands schloss eine territoriale Ausdehnung des Zollvereins notwendig ein, denn bisher fehlte die Grundbedingung des von einer Flotte geschützten Außenhandels: Die Nordseestaaten und auch die Hansestädte Hamburg und Bremen gehörten dem Vereinsgebiet nicht an, wichtige Hafenplätze an der Nordsee wurden also nicht erfasst. Doch Anfänge seien geleistet und in den einzelstaatlichen Rüstungsbestrebungen präformiere sich schließlich eine gesamtdeutsche Marine: „Treten nun auch Hannover, Oldenburg, die Hansestädte, Holstein und die beiden Mecklenburge in den Zollverein, verschmilzt der Zollverein, wie dies in der Natur der Dinge liegt, später mit dem Deutschen Bund, so wird man neben dem Bundeskontingent der deutschen Landmacht auch ein Bundeskontingent der deutschen Seemacht feststellen“ 124, heißt es in Die deutsche Flotte in der Wiege. Diese Idee sollte bis nach der Revolution lebendig bleiben125. Gegen eine freihändlerische und nationalpolitische Indifferenz der Hansestädte warb LIST126 und erhielt dabei Unterstützung von seinem Freund, dem Bremer Senator und späteren Reichshandels- und Marineminister Arnold DUCKWITZ127 (1802-1881)128. Bis zu deren Beitritt sollten Preußen und Österreich, die Hauptmacht im Deutschen Bund, jedoch kein Zollvereinsmitglied, gemeinsam die Zollvereinsgeschäfte übernehmen129.
LISTs Erwartungen an Preußen waren nicht bescheiden und gleichzeitig von einem frühen nationalimperialistischen Ton, einem weiteren Motivstrang der späteren Debatte, durchsetzt. Es „wäre zu wünschen, daßPreußen jetzt schon mit Kreierung einer deutschen Handelsflagge und mit Grundlegung einer künftigen deutschen Flotte den Anfang machte, und daßes Versuche anstellte, […] deutsche Kolonien anzulegen“ 130 . Hier spielte die im 18. Jahrhundert vorgeformte Zwangsvorstellung, bei der Aufteilung der Welt und der Eroberung neuer Märkte zu kurz zu kommen, wieder in den Vordergrund. Treffend wurde LIST von Hans FENSKE „der erste Propagandist imperialistischer Gedanken in Deutschland“ 131 genannt. Die Konturen eines expansiven Machtstaatgedankens waren damit schon vor 1848 prägnant formuliert132. Diese Spuren einer 'überkontinentalen' Konzeption Deutschlands nahm das Jahr 1848 wieder auf.
Einen weiteren Punkt, der in dieser Zukunftsperzeption bestimmend war und bleiben sollte, empfand LIST als lapidar: die Frage der Finanzierung. Es sei „eine kleinliche Ansicht, eine Ansicht, die bei einer großen Nation ins Lächerliche geht, wenn man die Kosten einer Marine als Grund anführt, ihren Seeverkehr völlig schutzlos zu lassen“ 133. Die Amazone, hölzerner Stolz und einziges preußisches Kriegsschiff vor 1848, wurde LIST im Jahre 1843 in weit reichender Symbolik zum Beispiel patriotischer Erbauung, zur Selbst- und Ehrfindung134. Auch die Flaggensymbolik gewann in diesem Komplex vor allem eine psychologische Bedeutung. So hob LIST im programmatischen Aufsatz Die deutsche Flagge mit Emphase auf deren moralischen Charakter ab, könnten doch partikulare Kräfte sich unmöglich vorstellen „welche Zauberwirkung eine gemeinsame Flagge auf die in entferntesten Ländern wohnenden Deutschen und auf die Entwicklung und Erhebung des Nationalgeistes im Innernüben würde“ 135. Sie sei „Seekrone auf dem Haupte der Nationen“ 136, mithin Garant einer politisch- kulturellen 'Neugeburt' Deutschlands und der Abkehr vom 'Mief' des kontinentalen Arrests137. Auch hier die spricht sich die Nähe zum liberalen Kultur aus, wenngleich zur 'moderneren' Variante, da die Ideale des Frühliberalismus noch den Staat aus der Wirtschaft herauszuhalten suchten138. LISTs „gigantische [r; F.S.] Versuch“ 139 träumte eine Einheit auf kultureller, ökonomischer und machtpolitischer Grundlage: ein Ferment des Flottengedankens in der kommenden Revolution. Auch hatte LIST damit als einer der Ersten die zentrale Bedeutung des Raumes für die Formierungsprozess der Nation erkannt, für den die Seemacht eine bislang unbekannte geographische Dimension erschließen und sich schließlich als Triebkraft in der kommenden Umgestaltung der Weltbühne erweisen würde. Für den Nationalökonom war somit unumstritten, dass Deutschland alle physischen und moralischen Fähigkeiten für eine Mitgliedschaft im exklusiven 'Klub der Weltmächte' mitbrächte - es gelte allein, sich ökonomisch und politisch zu organisieren. 1844 konnte LIST im Zollvereinsblatt selbstsicher und optimistisch notieren: „Noch besitzen wir keine deutsche Flagge und keine deutschen Kriegsschiffe, aber man spricht von ihnen als Sachen, die unentbehrlich sind, und die wir morgen oderübermorgen oder in einigen Jahren haben werden“ 140 .
1.4 Seegeltung und Nationalerziehung: Die literarische Flottenpropaganda des Vormärz
Trotz der Unterschätzung der traditionellen partikularen Energien deutscher Einzelstaaten und der finanziellen Problematik zeichnete sich LISTs Marinekonzept durch relativen Realismus aus141. Er erwog zumindest einen vagen Flottengründungsplan, blieb damit aber weitgehend allein. Doch ist angesichts der starken Rezeption LISTscher Thesen anzunehmen, dass er entscheidend mit dazu beitrug, den Flottengedanken in der Öffentlichkeit des Vormärz vertieft zu haben142. Ein noch schemenhafter Traum von 'Seemacht', so könnte man vorsichtig formulieren, wurde Gemeingut zumindest in jenen Kreisen, für die Deutschlands Zukunft auch tiefgreifende Veränderung verhieß - vor allem also im Lager der Liberalen. Derweil es mit der maritimen Praxis aber weiterhin haperte, gaben namhafte Autoren „der Sehnsucht weiter Kreise“ 143 nach stolzen Flotten im literarischen Diskurs zunehmend Ausdruck und erzeugten starke assoziative, zuweilen mythische Bilder. Symbole, Motive und Ziele, die später in der Nationalversammlung diskutiert wurden, fanden sich hier antizipiert. Mit unmittelbar politisch Machbarem hatte das hingegen selten zu tun. Zwei Protagonisten, die für 'Eliten-Nationalismus' in Deutschland von erheblicher Bedeutung waren und sich im greisen Alter als Parlamentarier auf den Bänken der Paulskirche wieder fanden, waren Teil der Flottenpropaganda des Vormärz: 'Turnvater' Friedrich Ludwig JAHN144 (1778-1852) und der an der Ostsee geborene Ernst Moritz ARNDT145 (1769- 1860), volkstümliche Gestalt der Freiheitskriege. Dass sich mit JAHN und ARNDT auch zwei Akteure des nationalen Flügels zu Wort meldeten, zeigt, dass das Verlangen nach einer Flotte nicht mehr nur exklusiver Teil bürgerlich-liberaler Ideologie war. Die Trennlinien waren noch undeutlich. JAHN hatte in den schon 1828 erschienenen Neuen Runenblättern 146 ein leidenschaftliches Bekenntnis für eine deutsche Seegeltung abgelegt, das Waldemar ZILLINGER als Vorläufer der Flottenpublizistik der 1840er Jahre wertet147. JAHN nahm das Argumentationsmuster von LIST insofern vorweg, als auch er davon überzeugt war, dass die Hinwendung zur See eine Erziehung des 'Volkscharakters' im freiheitlichen Sinne bedeuten würde, dem ein gleichsam historisch existentieller Charakter zukomme. „Das Meer ist beides, Weltnähe und Weltferne, Völkerscheide und Völkerfuge“ 148.
In Analogie zu seinem 1816 herausgegebenen Werk Die Deutsche Turnkunst 149 fand sich hier der Gedanke der Körperertüchtigung als nationale Gesamterziehung samt sinnlicher Frische, denn „wie das Seebad dem Leibe sehr wohltätig ist, so stählt auch das Seeleben ein ganzes Volk“ 150. Aber 'Bildung' im Sinne der See bedeutete JAHN zufolge auch eine andere Wende: „ein Seewehrvolk lässt die Sonne der Freiheit nie gänzlich untergehen, […] beim seewehrlichen Volk ist auch immer Liebe zur Verfassung und Volkstum. […] denn nur auf die Wogen wagt sich das Freie“ 151. Hier spiegelte sich, gerade auch in Erinnerung an das Pathos der Freiheitskriege, das Versprechen von Seemacht als konstitutionelles Prinzip. Bei dessen praktischer Ausführung setzte JAHN, wie später LIST, ganz auf Preußen152. Tatsächlich hatte FRIEDRICH WILHELM IV.153 (1795-1861) bei seinem Regierungsantritt Hoffnungen auf eine liberale Ära schon dadurch Nahrung gegeben, indem er 1842 die Turnverbote aufhob.
Auch Ernst Moritz ARNDT befeuerte wie JAHN die nationale Geltungssucht. In seiner autobiographischen Altersschrift Erinnerungen aus demäußeren Leben 154 lamentierte er im Jahre 1840, dass Deutschland, „Herz des Weltteils“ 155 Europa, territoriale Benachteiligungen durch den Wiener Kongresses habe in Kauf nehmen müssen. Das Land liege deswegen nun schutzlos da, unfähig, „ein ordentlicher wehrhafter Staat zu sein“ 156. Die Nordseeküsten Deutschlands seien flankiert oder abgeschnitten, England liege auf seinem Vorposten Helgoland auf Lauer. Ein vergleichbar trostloses Bild konstatierte er mit martialischem Ton für die Küsten der Ostsee, „denn wir haben auch nicht ein einziges Orlogschiff [großes Kriegsschiff; F.S.] . O du altes kriegerisches Germanien, dem einst die Völker sich vereinigten! wohin?“ 157. Und weiter: „erschrecken wir nicht und schämen wir uns nicht im Angesichte Europas, selbst im Angesichte des kleineren Skandinaviens und Neapels, daßwir nicht ein einziges deutsches Kriegsschiff haben?“ 158. ARNDT stützte seine Forderung im erwähnten Motiv der historischen Rückanbindung an eine romantisch verklärte Hanse, der selbst Frankreich und England als nachmalige Seemächte nichts entgegenzusetzen gehabt hätten159. ARNDT jedoch setzte zur Erfüllung dieser 'historischen Bestimmung' nicht auf das Engagement Preußens. Eine Investition in den Flottenbau würden nur ein weitere Schwächung des ohnehin stark belasteten Landes forcieren und eine hektisch hochgezogene Flotte würde keineswegs konkurrenzfähig zu den skandinavischen, geschweige denn zu England sein160. Zwar lieferte er keine denkbare Alternative, aber bemerkenswert ist ARNDTs Wirklichkeitssinn für eine entscheidende Facette des Flottenproblems: Seemacht ist keine Sache des Augenblicks. Sie muss vielmehr wachsen im Sinne der weit reichenden Planung einer 'Zukunftsflotte'. Für den Moment blieb nach ARNDT nur, die 'Blöße' zur See zu bedauern, das, „was Deutschland […] versäumt und vergessen hat“ 161.
Im Jahre 1840 lautete für ARNDT die historische Lehre deswegen, dass der einzige Weg, um an maritime Vergangenheiten anknüpfen zu können, derjenige sei, im Bund mit den Niederlanden162 und Belgien ein nationales Sendungsbewusstsein nach außen zu tragen und wenigstens der Flotte Frankreichs die Stirn bieten zu können163. Neben die Rheinkrise trat in ARNDTs Selbstbehauptungsszenario die lokale Seemacht Russland164 als sehr konkrete Bedrohung, gegenüber der ihm die Front einer 'germanischen' Seemacht vorschwebte165. Zu dem schon 1817 bezweifelten Flaggenschutz Englands kommentierte er: „Gut. Aber England mit seinen Flotten ist zu fern […] Es würde uns auch jede Hilfe, wie es bis jetzt getan, teuer bezahlen lassen“ 166 . So wurde England als aus wirtschaftlichem Egoismus handelnd diskreditiert, wenngleich es auch hier genereller Gradmesser jedes deutschen Seegeltungsanspruchs bleibt. Aber der Blick war ambivalent: in Kategorien von Konkurrenz und gleichzeitiger Vorbildlichkeit. Diese erkannte ARNDT in England insofern, als Englands „echte [r; F.S.] Freiheits- und Bürgersinn“ 167 für die „politischen Lehrjahre“ 168 Deutschlands noch lange vonnöten sei. Andererseits bewies ARNDT mit dem Argument, dass England Preußen klein zu halten und damit das Aufstreben einer neuen Großmacht und die politische Einigung Deutschlands auch auf dem Meere zu verhindern suche, frühe Weitsicht. Im Revolutionsjahr 1848 sahen sich die Interessen der europäischen Mächte durch das außenpolitische Anspruchsdenken der Paulskirche, an dem die Konzeption der Flotte Teil hatte, aufs Empfindlichste berührt.
Das Motiv eines englischen 'reichsfeindlichen' Argwohns169 entfaltete 1848 seine Wirkung dann umso leichter. ARNDTs kolportierte Seebegeisterung diente so auf 'völkischer Grundlage' dem nationalen Konkurrenzgebaren. Die Hinwendung zum Meer war, anders als bei JAHN, weniger eine weltoffene, sondern Ausdruck einer nationalen Sammlungsideologie nach innen. Konkretere Bemerkungen, Flottengründungspläne, blieben jedoch aus. Sollte England nach ARNDT trotz allem potentieller Bündnispartner für eine Flottenpolitik bleiben, so galt dies für Frankreich und Russland definitiv nicht. Gerade die dunkel beschworene Gefahr eines Ausgreifens des Zarenreiches über See sollte bis 1848 nachwirken und tatsächlich sollten sich beide Seemächte im Revolutionsjahr 1848 am schroffsten von Deutschland abwenden und das Seemachtsexperiment der Paulskirche blockieren.
1.5 Flottenträume: Poetische Sehnsüchte einer 'Wiedergeburt zur See'
Neben der politischen Publizistik nationaler und liberaler Provenienz gibt auch die politische Lyrik der frühen 1840er Jahre einen Eindruck von der steigenden Volkstümlichkeit des Flottengedankens bis ins demokratische und radikaldemokratische Lager. Es waren besonders Georg HERWEGH170 (1817- 1875) und Ferdinand FREILIGRATH171 (1810-1876), die als bedeutendste politische Dichter des Vormärz172 und spätere Revolutionäre meinungsbildendes Gewicht durch enorme Verkaufserfolge erzielten. Die beiden 'Tendenzpoeten' teilten eine radikaldemokratische Gesinnung, die in pathetischen, zum Kampf gegen religiöse wie politische Bevormundung auffordernden Gedichten Stimmungen und Hoffnungen der jungen Generation spiegelte. Eine Nutzbarmachung der Flottenagitation war hier, für jene, die auf einen radikalen Umsturz der gesellschaftspolitischen Verhältnisse setzten, ebenso möglich wie für Nationalismus und Liberalismus durch JAHN, LIST und ARNDT.
1841, im Jahr der Veröffentlichung von ARNDTs Erinnerungen, wurde das Bündnis zwischen Hamburg und Kiel aus dem Jahre 1241 im Zuge der nationalen Euphorie fälschlicherweise als Gründungsdatum der Hanse gefeiert. Auf diese konstruierte Überlieferung hob auch HERWEGH ab. Im gleichen Jahr fanden seine um Einheit und Freiheit kämpfenden Verse der Gedichte eines Lebendigen ein reges Echo. Die Glorie einer vermeintlich 600-jährigen Seefahrtsüberlieferung nahm HERWEGH zum Anlass, im Gedicht Die deutsche Flotte 173 eine neue Ära zu beschwören. In salbungsvoll appellierenden Versen träumt der Dichter von einer stolzen Flotte, die für deutsche Interessen in die Welt ausgreift, unmündige Untertanenmentalität überwindet und eine Art gesamtgesellschaftlicher Erweckung befördert174. Wie schon bei JAHN wird die sinnliche Frische des Meeres für die Metaphorisierung politischer Zustände nutzbar gemacht175. Für den Dichter bedeuten innere und äußere Freiheit Deutschlands, wirksam in ein sprachliches Bild gekleidet durch einen regelrecht weltgeschichtlichen Kurswechsel176, gleichzeitig auch eine maritime Zukunft177.
Ferdinand FREILIGRATH, späterer 'Trompeter der Revolution', bekannte sich im Sommer 1844 offen und entschieden zur Opposition. Eine Gruppe von Sonetten, Ein Glaubensbekenntnis, bot dafür das programmatische Manifest. Als Teil dessen verfasste FREILIGRATH schon im Juli des Vorjahres seine Flottenträume. FREILIGRATHs Flottenidee diente der Gewinnung nationaler Stärke und außenpolitischer Prestigeerhöhung, war über diese national-liberalen Wünsche hinaus aber auch dezidiert politisches Kampfmittel. Mit aggressivem Ton178 thematisiert der Dichter tagesaktuelle Streitpunkte wie die Vertreibung der 'Göttinger Sieben'179 oder die Repression durch die Pressezensur180 und integriert sie in einen meereslyrischen Motivkreis. Die Freie Presse 181, Die Sieben 182 oder Hansa 183, so sollten die Schiffe dieser demokratisch-deutschen Flotte eidetisch getauft werden. Besonders augenfällig ist die Intensität, mit der Schwarz-Rot-Gold, das Symbol des Kampfes gegen das METTERNICHsche System' im Bund, in den Schiffsmasten die Freiheit allegorisch andeutet184. So bot FREILIGRATHs Sonettenkranz geistigen Sprengstoff aus den Reihen der radikalen Linken, eine antizipierte, blutige Revolution als maritimes Schauspiel.
Direkten Bezug auf HERWEGH nahm ein Jahr darauf, 1842, der Lübecker Friedrich SASS. Mit seiner sentimentalen Schrift Deutschlands Flotte 185 wusste auch er, sein bildungsbürgerliches Publikum für „Weltbedeutung“ 186 und „freie Fluthen“ 187 zu begeistern. Wohl träumt SASS von einer „Meeresmarseillaise“ 188, aber von Freiheit und sozialer Revolution ist hier höchstens implizit die Rede. Im Vordergrund seines Zukunftsbildes steht vielmehr die Einheitserwartung Deutschlands, getragen durch einen Nationalismus, der erneut deutlich expansionistisch-machtchauvinistische Konnotationen aufweist: „Seid nur ihr Ihr selbst - und Ihr seid das erste Volk der Erde“ 189. SASS´ Flottenwerbung war eng an die Motive LISTs gekoppelt, ließ dessen Selbstbeschränkung aber hinter sich. Der Wirtschaftsverbund des Zollvereins wird schlichtweg zur historischen Neuauflage der Hanse erklärt, zur Vorbedingung der politischen Einheit, denn „noch höher ist seine Bestimmung [die des Zollvereins; F.S.] , er soll mit den reichen Mitteln, die ihm zu Gebote stehen, jenes germanische Bündnis heraufführen, worauf unsere politische Zukunft beruht“ 190. War diese „national-deutsche“ 191 Flotte, die sich als Träger dieser stets mit Bewegung verbundenen Zukunft anbot, bei HERWEGH und FREILIGRATH auch revolutionäre Hoffnung nach innen, so projizierte SASS’ Flottentraum allein liberale Machtsehnsüchte nach außen; innenpolitische Emanzipation wird nicht erwähnt. Im Zollvereinsgedanken als Substrat scheint hier die Marineforderung vor allem mit preußischer Politik, die sich das 'nationale Prinzip' zunutzen machen könne, verbunden.
Bemerkenswerterweise blieb auch der Konservativismus nicht stumm, das galt zumindest für den Nationalkonservativismus. Er dachte auf die Bewegungstendenzen der Zeit zu antworten und ihre Herausforderung anzunehmen. Dass die erst schwachen Konturen der politischen Lager in der Idee des neuen Teils der Streitmacht demnach Schnittstellen aufwiesen, zeigten zwei einflussreiche konservative 'Flottendemagogen' dieser Jahre: der preußische Literat Emanuel GEIBEL192 (1815-1884) und Wilhelm WACKERNAGEL193 (1806-1869), Philologe und einer der ersten Vertreter der 'nationalen' Wissenschaft der Germanistik. Im gleichen Jahr wie FREILIGRATH verfasste WACKERNAGEL in seinen Zeitgedichten ein Sonett, das zum Bau einer Flotte auffordert und die Ohnmacht zur See anprangert194. Auch hier wurden die typisierten Motive einer Flottengründung aufgegriffen; mit ihnen die von LIST propagierte handelsökonomische Triebfeder, die mit dem Ehr- und Prestigegesichtspunkt einer den Landesreichtum fördernden Seemacht in Eins gesetzt wird195. Alle Rohstoffe, wie symbolträchtige 'deutsche' Tannen196, welche die Masten der erträumten Geschwader stellen sollten, Leinen und Hanf für Segel und Taue, seien vorhanden, wüchsen dem 'Vaterland' gleichsam „in die Hände“ 197. Äußerer, weniger in Begriffen der Konkurrenz erfahrener Bezugspunkt bleibt auch hier die Seehegemonie Englands, von dessen schiffsbaulichen Kenntnissen die Deutschen nur lernen könnten198. Die freie Stadt Hamburg, ein Jahr zuvor, 1842, durch einen Großbrand zu weiten Teilen vernichtet, jedoch weiterhin im Besitz einer der größten Handelsflotten des Bundes, sah der Dichter als vaterländischen Hoffnungsträger und möglichen Initiator einer künftigen Flottengründung199, womöglich auch Ausdruck einer föderativen Einheit der Bundesstaaten: „Ein Zeichen, das in alle Welt die Kunde / Von Deutschland trage: hoch in allen Winden / EIN Segel nun mit achtunddreißig Sternen“ 200.
Die politische Lyrik des Emanuel GEIBEL brachte schon 1842 eine Kampfansage an Georg HERWEGH: Der Nationalkonservative wetterte gegen das Pathos eines zum notfalls blutigen Umsturz aufrufenden, zu allem entschlossenen Demokraten. Doch trotz weltanschaulicher Differenzen teilte auch GEIBEL mit HERWEGH die Leidenschaft für eine fast sakralisierte Flottenidee. Im Juli 1845 schrieb er die Septembernacht, in der sich dem Dichter im träumerisch versunkenen Ausblick auf die Ostsee „ein neues Reich erschloß / Von Meeresherrschaft, Glanz und Siegen“ 201.
1.6 Frühimperialismus: Weltreichs-, Bundesreformgedanken und die Flotte
Welche Wirkkraft die angeführten Flottenpublizistik der 1830er und 1840er Jahre für die Formierung eines deutschen ‚Seebewusstseins’ hinterließ und ob sie über den literarischen Diskurs hinaus wirkte, ließe sich, wie eingangs erwähnt, allenfalls durch Verkaufszahlen genauer bestimmen. Die Namhaftigkeit der Autoren, die starke Rezeption LISTs in Kreisen der Wirtschaftsbourgeoisie, stützt jedoch die Vermutung, dass ein allmählicher Perspektivwandel in Richtung Meer durchaus anzunehmen ist. Dieser Prozess zeigte sich eng mit den nationalen Empfindlichkeiten im Zuge der allgemeinen Aufbruchsstimmung der frühen 1840er Jahre verzahnt. Hier regten sich erste Stimmen, die einer emotionalen Flottenbegeisterung vermeintlich handfeste Interessen der Deutschen am Erdball zur Seite stellten und dies an einem drastischen Signaturwandel der Außenpolitik festmachen wollen - schon SASS ´ Schrift, aber vor allem das Gedankengebäude LISTs hatte eine derartige Couleur. Diese Vorstellungen strahlten aus in eine frühe Kolonial- und Imperialpublizistik, die ihrerseits eifrig Gründe für eine deutsche Flotte konstruierte. In einem maßgebenden Aufsatz202 fragt Hans FENSKE nach der Vorbereitungszeit des modernen Imperialismus203, dessen Anfänge selten vor der 'klassischen' Zeit, also vor 1880 gesucht werden204.
FENSKE kommt hingegen zu dem Schluss, dass die weit verbreitete These, um die Mitte des 19. Jahrhunderts habe in Deutschland wenig kolonialpolitisches Interesse bestanden, nicht weiter haltbar sei. Hätten in den politischen Überlegungen im Deutschland des 18. Jahrhunderts Kolonien nur eine sehr geringe Rolle gespielt205, so zeige sich demgegenüber um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine Aufgeschlossenheit gegenüber kolonialen Aspirationen. Neben der These, dass frühimperialistische Signaturen im Diskurs der Zeit deutlich auszumachen sind, soll dieses Kapitel auch eine jüngere Pionierstudie206 Sönke NEITZELs stützen, die in ideengeschichtlicher Perspektive der Entwicklung der „Weltreichslehre“ 207 nachgeht. NEITZEL konstatiert Vergleichbares wie FENSKE: Zwar ist auch für ihn die Ausformung des klassischen Imperialismus und ebenso der Weltreichslehre ein Phänomen der 1880er Jahre, als Deutschland auf die Umbrüche im internationalen Staatensystem reagierte. Aber die Vorphasen dieser Erwartung einer neuen Weltordnung identifiziert NEITZEL bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hier wurden Bruchstücke formuliert - LIST hatte auf die Vision dieses Weltstaatensystems abgehoben, in dem das Weltzentrum von Europa nach Amerika eine
Westwanderung durchmache -, die im Revolutionsjahr eine an die Flottenträume gekoppelte Weltmachtsvision der Paulskirche formten.
Denn schon in den Vorjahren lag das Meer als Operationsgebiet nun ebenso nahe wie die Furcht vor einem nicht wahrgenommenen 'Platz an der Sonne'. Erwiesen sieht FENSKE dies durch lexikalische Befunde208 und durch das Bild in der Expansions-Publizistik jener Tage. Unter dem unmittelbaren Einfluss LISTs, der ja schon mit dem Gedanken kolonialer Ambitionen kokettiert hatte209, zeigten sich handelspolitische Überlegungen, Landhunger, kulturelle Arroganz, nationaler Egoismus und Krisensymptome eng miteinander verwoben. Vor allem das neue Phänomen des Pauperismus motivierte die Auswandererproblematik. Dass Tausende schon seit Jahrhundertbeginn dem Bund den Rücken kehrten, wurde mit äußerster Empfindlichkeit wahrgenommen und ambivalent diskutiert. Denn einerseits wurde jeder Auswanderer als stummer Zeuge „der Unbehilflichkeit und Machtlosigkeit“ 210 Deutschlands, als Verlust an 'Volkskraft' beklagt. Andererseits war durch die Lektüre von Thomas Robert MALTHUS211 (1766-1834) und dann auch durch LIST die Überzeugung verbreitet, die Notwendigkeit eines periodischen Abwanderns der Bevölkerung sei nötig, um eine spürbare soziale Entlastung zu erreichen212. Der Gedanke des Exports von Menschen in überseeische Siedlungskolonien, die dort eine bisher unkontrollierte Auswanderung in geschlossene deutsche Niederlassungen kanalisieren sollten, koppelte erträumtes Weltmachstreben mit zivilisationsmissionarischer Arroganz, überzeugt von Überlegenheit der eigenen Kultur. Auch das „entsprach dem tief verwurzeltem Fortschrittsdenken des Liberalismus“ 213. Dem Ausbau des Seewesens in allen Merkmalen und dem Verlangen nach einer Kriegsmarine kam in diesem Motivkomplex eine exponierte Bedeutung zu. Überseeische Stützpunkte waren ohne Seemacht undenkbar.
Zunehmend erschien eine Flotte „mithin als Fundament zu allem, und so lebte die deutsche Öffentlichkeit denn zeitweilig [Jahre vor der Flottengründung; F.S.] geradezu in einer navalistischen Euphorie“ 214. Mit der erhofften Nationaleinigung vermittelten sich Ausbruchsphantasien aus den Grenzen des Bundes, von den europäischen Nachbarn zunehmend misstrauisch beäugt. Diese starke Resonanz, die der maritimen Expansion in der Publizistik im mittleren Drittel des 19. Jahrhunderts zuteil wurde, wertet FENKSE als eine der dominierenden Tendenzen der Zeit vor dem Scheitern der Revolution215. Die 1845 erschienene Propagandaschrift Mittelmeer, Ost- und Nordsee 216 des bedeutenden österreichischen Publizisten217 und Demokraten Franz SCHUSELKA218 (1811-1879), späterer Abgeordneter der Nationalversammlung, spiegelt das gesamte Tableau dieser Weltanschauung, in dem die „Entwicklung eines deutschen Seelebens“ 219 zur welthistorischen Bewährungsprobe anschwillt. SCHUSELKA hatte in seinen politischen Schriften nicht nur dem 'System Metternich' den Kampf angesagt und sich vor der Zensur geflüchtet. Die ersehnte Freiheit definiert sich vielmehr durch „ Weltkrisis“ 220 und nationalistische Abgrenzung, ist also nicht die der anderen. England sei gar nichts weiter als eine „Kolonie des großen deutschen Volkes“ 221, dessen Zukunft sich mit derjenigen Europas auf dem Meer entscheiden werde222. Im Gegensatz zu LIST bleibt die Perspektive eine eurozentrische, die USA sind nicht mehr als ein potentieller Nebenbuhler, so schon in seinen Weltgedanken von 1840223. Die Gegenwart, die der „trüben Befangenheit unseres politischen Bewusstseins“ 224, sah SCHUSELKA innenpolitisch verantwortet durch die Stagnation des Deutschen Bundes und außenpolitisch durch die Missgunst der europäischen Mächte, die Deutschland in den kontinentalen „Hausarrest“ 225 zwängen. Über diesem Raumgedanken schien die Notwendigkeit der Gegenwart dabei klar: „Oesterreichs und Preußens leichte Aufgabe und heilige Pflicht ist es, unter sich und mit demübrigen Deutschland eins zu sein. Steht diese Einheit fest, dann brauchen wir kein Bündnis, denn das einige Deutschland ist die erste und stärkste Weltmacht“ 226. Ein Grundzug der frühimperialistischen Publizistik ist damit abgesteckt: die Überlagerung 'paneuropäischer' Ideale durch chauvinistische Machtträume, die - die Folgezeit sollte es zeigen - auch zunehmend die Gedankenwelt des Liberalismus erfassten. Als Garanten machtpolitischen Ausbruchs227 im Sinne ARNDTs und JAHNs werden auch hier eine vermeintliche Seemachtstradition, Meer und Flotte bemüht: „Ein unerlässliches Mittel zur Entwicklung dieser Größe aber ist für Deutschland die unverzügliche Oeffnung der Meerespforten und Herstellung einer deutschen Seemacht“ 228. Als Vorbedingung der einer ‚großdeutschen’ Einigung propagierte auch SCHUSELKA nach LIST eine wirtschaftliche Zolleinigung229, die auch gegen die „republikanische Widerspänstigkeit“ 230 der Hansestädte durchzusetzen sei. Gleichklang kam noch im selben Jahr, 1845, aus Preußen, von dem SCHUSELKA gemeinsam maritime Verantwortung einforderte. Der Offizier H.v.d. OELSNITZ231 sprach von der Nothwendigkeit großer deutscher Kolonien und Kriegsflotten 232 . Quintessenzartig bündelt dessen Schrift noch einmal die bis dato in der Flottenagitation vorgebrachten Motive, sei doch „Die maritime Wiedergeburt des deutschen Volkes […] eine der wichtigsten Angelegenheiten des Jahrhunderts, nicht blos für Deutschland selbst, sondern auch für die Geschicke der ganzen Welt“ 233. Aus ideologischem Interesse wird die kontinentale Geschichte Deutschlands zu einer ursächlich aus dem Meer hervorgegangenen verzerrt234. Neben Russland wird hier allerdings auch England als „Feind Deutschlands und der Menschheitüberhaupt“ 235 installiert, derweil Deutschland, das sich durch eine Kanalisierung der Auswanderung236 und durch Verfolgung von LISTs Schutzzollkonzept aus eigener Kraft erheben soll, die historische Opferrolle zugewiesen wird. Doch sah OELSNITZ diese, wie SCHUSELKA, auch selbstverschuldet - durch ein Volk „von Überstudierten und Kopfhängern“ 237, das über allen philosophischen Träumereien die realen Bedürfnisse, Kolonien und Seestreitkräfte, versäumt habe: „Ein in der Geschichte unerhörtes Faktum“ 238. Auch kommt der 1817 vor dem Bundestag thematisierte Aspekt der schutzlosen Handelsschiffe und die Versäumnis des Deutschen Bundes in dieser Hinsicht wieder zum Tragen. Durch eine „großartige nationale Unternehmungen“ 239 habe er, der Bund, sich nie bemerkbar gemacht. Gleichwohl spielte OELSNITZ die Flotte gegen die von List verfochtene Eisenbahn aus240.
Besonders markant wirkt, dass sich der Flottengedanke nicht nur dem Liberalismus und seinen Verfassungs- und Freiheitsträumen anbot, sondern OELSNITZ zufolge auch zum Konservativismus in Affinität stehen könne: Als patriotische Tat würde die Flottenidee gemeinsam mit dem Erwerb von Kolonien auch im Sinne der überkommenen Gewalten, der Monarchie sein - wenn nicht als Identifikationsmoment, so doch als Mittel zum Zweck. Der Erwerb einer Flotte sei „das einfachste, nützlichste, allgemeinste, gar nicht revolutionäre politische Korrektionsmittel, welches für Deutschland erdacht werden kann“ 241. Machtvolles Seestreben würde nationalintegrative Wirkung in einem „Vereinigungspunkte nach außen“ 242 entfalten und innere Konflikte eben dorthin ableiten. Die aufbrandenden Krisen der Zeit, vor allem die soziale und die Verfassungsfrage, waren für OELSNITZ durch den kolportierten 'maritimen Beruf' Deutschlands effektiv zu entschärfen. Seemachtsambitionen Angesichts der horrenden Etatausgaben für die Landstreitkräfte der Bundeskontingente führte der Autor auch das finanzielle Argument ins Feld243. Insgesamt lässt OELSNITZ´ Konstrukt eines imperialen Konkurrenzdenkens die zukünftige, ozeanisch ausgetragene Weltpolitik in existentiellen Kategorien erscheinen. Jenen Kurswechsel beabsichtigt sie nicht mit, sondern gegen Europa. Mehrere der hier genannten Faktoren (Die Zukunft Deutschlands unter Einschluss Österreichs oder nicht, Finanzierungsbedenken einer Flotte, Ressentiments gegenüber England, Expansionsträume und kollektives Geltungsbedürfnis, resultierend aus inferioren Gefühlen) schufen den Grund einer Atmosphäre, die 1848 voll zum Tragen kam. Noch war der Nationalstaat nicht in greifbarer Nähe, „da ging es schon um das Prestige dieses heißersehnten nationalen Reiches aller Deutschen: Kolonien sollten dazu dienen, die Macht dieses deutschen Reiches von Anfang an international zu verankern“ 244. Hier ist nicht unerheblich, dass einige der Befürworter und Aktivisten dieses 'Intellektuellen-Imperialismus' später als prominente Liberale oder Konservative in die Paulskirche gewählt wurden245. Ferne Herrlichkeit vermeintlicher deutscher Seegeltung spielte hier, interpretiert als eine Form des nationalen Mythos, nicht nur für die politische 'Bewegungspartei' eine Rolle. OELSNITZ´ Weltbild erweist sich als symptomatisch für einen Nationsverständnis, das sich bis in die Zeit der Befreiungskriege zurückverfolgen lässt und die deutsche Geschichte als Kampf und Selbstbehauptung mystifizierte246. Wolfram SIEMANN prägte dafür den Begriff der „nationalantagonistischen“ 247 Ideologie. Im gleichen Jahr, 1845, setzte auch Ernst KAPP auf die Expansion des europäischen Horizontes, auf überseeische Kolonien und eine Flotte, auf die Ausweitung des Zollvereinsgebietes248.
[...]
1 TỊRPITZ: Militär, Politiker; Gehörte auf dem Höhepunkt seiner Karriere im letzten Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg zu den bekanntesten Gestalten im Unkreis des Kaisers; Dass der 1898 gegründete 'Flottenverein' nach wenigen Jahren eine Million Mitglieder hatte, der 'Matrosenanzug' in der deutschen Kinderbekleidung zu dominieren schien, war nicht zuletzt ihm zu verdanken; 1898 wurde TIRPITZ Marineminister, 1911 Großadmiral; 1868 besuchte er die Marineschule in Kiel, bereits 1888 war er der jüngste Kapitän zu See; Der von ihm verfochtene 'Risikogedanke', nach dem die deutsche Flotte so stark werden sollte, dass ein britischer Angriff ein zu großes Wagnis werden würde, erwies sich jedoch als Fehlkalkulation; Zuletzt scheiterte TIRPITZ ganz, da er 1914 weder den Einsatz der Hochseeflotte durchsetzen konnte noch sich im Frühjahr 1916 in der Frage des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, den er wünschte, gegenüber Kaiser und Reichsleitung durchzusetzen; KILLY, Walter/ VIERHAUS, Rudolf (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie, München 1999, Bd. 10, S. 47 (Im Folgenden: DBE)
2 TIRPITZ, Alfred: Erinnerungen, Leipzig 1919, S. 1
3 HUBER, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band III: Bismarck und das Reich, 3., überarb. Aufl., Stuttgart 1988, S. 273f.
4 Süddeutsche Zeitung, 26.8.2003, S. 9
5 Flotte (< 16. Jh.), entlehnt aus dem mittelniederdeutschen vlote, (ähnlich wie Floß eine Ableitung zu fließen) gerät als militärische Terminologie unter Einfluss der romanischen Entsprechungen (it. flotta, frz. flotte), die ihrerseits auf das germanische Wort zurückgehen; SEEBOLD, Elmar (Hrsg.): Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23., erweiterte Auflage, Berlin 1999, S. 275; Bis heute bezeichnet Flotte im weiteren Sinne die Gesamtheit der Schiffe eines Staates, im engeren Sinne einen Schiffsverband.
6 Marine (<17. Jh.), entlehnt aus frz. marine, zu frw. marin ‚die See betreffend’, aus lat. marinus ‚ ‚das Meer’; Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 540; Marine wird immer wieder synonym zu Flotte verwandt; im weiteren Sinne Sammelbezeichnung für die Flotte eines Landes; im engeren Sinne Bezeichnung für die Seestreitkräfte.
7 WEHLER, Hans-Ulrich: Das deutsche Kaiserreich 1871-1918, (=Deutsche Geschichte, hrsg. von Joachim LEUSCHNER, Bd. 9), Göttingen 19835, S. 170
8 Zur Definition siehe Kapitel 1.1
9 BATSCH, Carl Ferdinand: Admiral Prinz Adalbert von Preußen: ein Lebensbild mit besonderer Rücksicht auf seine Jugendzeit u. den Anfang der Flotte, Berlin 1890; BÄR, Max: Die deutsche Flotte von 1848-1852: nach den Akten der Staatsarchive zu Berlin und Hannover, Leipzig 1898; CROUSASZ, A.: Kurze Geschichte der deutschen Kriegsmarine, Berlin 1873; KLÜPFEL, Karl: Geschichte der deutschen Einheitsbestrebungen bis zu ihrer Erfüllung, 1. Bd.: 1848-1865, Berlin 1872; KOCH, Paul: Geschichte der deutschen Marine, Frankfurt 1906; LÜDER, Arenhold: Die deutsche Reichsflotte 1848-1852, Berlin 1906; REVENTLOW, Ernst C.: Die deutsche Flotte. Ihre Entwickelung und Organisation, Augsburg 1901; TESDORPF, Alfred: Geschichte der Kaiserlich Deutschen Kriegsmarine in Denkwürdigkeiten von allgemeinem Interesse, Kiel 1889
10 Die Vereinnahmung für das Bewusstsein einer Institution der Volkssouveränität reflektiert die Homepage der Bundesmarine: http://www.bundesmarine.de („Unsere Marine“).
11 MEYER, J. (Hrsg.): Das G roße Conversationslexicon für die gebildeten Stände. In Verbindung mit Staatsmännern, Gelehrten, Künstlern und Technikern, 20. Bd., Hildburghausen 1851, S. 772
12 LANGEWIESCHE, Dieter: Wirkungen des Scheiterns. Überlegungen zu einer Wirkungsgeschichte der europäischen Revolutionen von 1848, in: DERS. (Hrsg.): Die Revolutionen von 1848 in der europäischen Geschichte (=Historische Zeitschrift, Beiheft 29), München 2000, S. 5-2, hier S. 6
13 SALEWSKI, Michael: Die 'Reichsflotte' von 1848. Ihr Ort in der Geschichte, in: Elvert, Jürgen/Lippert, Stefan (Hrsg.): Michael Salewski. Die Deutschen und die See. Studien zur deutschen Marinegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (=Historische Mitteilungen im Auftrag der Rankegesellschaft, Beiheft 25) , Stuttgart 1998, S. 21-39, hier S. 36
14 Einen konzisen Überblick die Grundlinien der neueren Forschung bietet: HACHTMANN, Rüdiger: Epochenschwelle zur Moderne. Einführung in die Revolution von 1848/49, Stuttgart 2002, S. 9f.
15 Zur Definition siehe Kapitel 1.1
16 Liberalismus (von lat. liberalis = freigiebig, freiheitlich, einem Freigeborenen geziemend), Sammelbegriff für eine der großen polit.-ideologischen Strömungen, die „durch die Postulate der Selbstbestimmungsfähigkeit der Individuen durch Vernunft, der Individualfreiheit gegenüber dem Staat (Menschen- und Bürgerrechte), der Bändigung politischer Herrschaft durch Verfassung und der Selbstregulierung der Ökonomie durch Gesetzm äß igkeiten von Markt und Wettbewerb“ definiert ist, „in eine Evolutionsvorstellung geschichtlichen Fortschritts mündet und zumindest in der Entstehungs- und Blütezeit vom Bürgertum mit seinen Eigentums- und Erwerbsinteressen [...] getragen wurde.“; zit. nach: NOHLEN, Dieter (Hrsg.): Lexikon der Politik, Bd. 7: Politische Begriffe, München 1998, S. 354ff.
17 Konservatismus (von lat. conservare = bewahren), Sammelbegriff für verschiedene ideologische Strömungen bzw. für Verhaltensdispositionen und Verhaltensweisen zur Bewahrung des Bestehenden bzw. der Tradition, die jedoch kaum je in allg. Theorien Niederschlag gefunden haben; auch als Epochenbegriff (Europa im 19. Jh. im Ggs. zum Liberalismus) verwandt.“; zit. nach: NOHLEN: Lexikon der Politik, Bd. 7, S. 325ff.
18 Siehe 3. Forschungslage
19 SALEWSKI: Die 'Reichsflotte' von 1848, S. 26
20 WEHLER, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2, München 1987
21 NIPPERDEY, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983
22 LUTZ, Heinrich: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815-1866 (=Siedler Deutsche Geschichte), aktualisierte Ausg., Berlin 1998, S. 302
23 So HACHTMANN, Rüdiger: Epochenschwelle zur Moderne. Einführung in die Revolution von 1848/49, Stuttgart 2002, S. 140; er zitiert hier gleichwohl nur die Darstellung Wolfram SIEMANNs; MÜLLER, Frank Lorenz: Die Revolution von 1848/49, Darmstadt 2002, S. 91; LANGEWIESCHE, Dieter: Europa zwischen Restauration und Revolution 1815-1849, 3. überarb. und erw. Aufl., (=Oldenburg Grundriss der Geschichte, Bd. 13), Oldenburg 1993, S. 98
24 So die noch diskutierte Frühimperialismus-These von SIEMANN, Wolfram: Die deutsche Revolution von 1848/49, Frankfurt 1985, S. 157
25 BÄR, Max: Die deutsche Flotte von 1848-1852: nach den Akten der Staatsarchive zu Berlin und Hannover, Leipzig 1898
26 ZILLINGER, Waldemar: Die deutsche Flotte in der Vorstellungswelt der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, Göttingen 1954
27 BEST, Heinrich/ WEEGE, Wilhelm: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 8), Düsseldorf 1996
28 NEUMANN, Günter: Die deutsche Flottenfrage während des dänischen Krieges unter besonderer Berücksichtigung deröffentlichen Meinung, Saalfeld 1936
29 MEISTER, Emil: Der Gedanke deutscher Seefahrt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Saarbrücken 1933
30 VALENTIN, Veit: Geschichte der deutschen Revolution 1848-1849, 2 Bde., Berlin 1930-1931
31 Ebd., 2. Bd., S. 324
32 PETTER, Wolfgang: Programmierter Untergang. Die Fehlrüstung der deutschen Flotte von 1848, in: MESSERSCHMIDT, Manfred u.a. (Hrsg.): Militärgeschichte. Probleme - Thesen - Wege, hrsg. v. Militärgeschichtlichem Forschungsamt (=Schriftenreihe des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Bd. 25), Stuttgart 1982, S. 150-170, hier S. 151
33 HUBER, Ernst Ruldolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, 8 Bde., 1957ff., S.
34 MOLTMANN, Günter: Die deutsche Flotte von 1848/49 im historisch-politischen Kontext, in: Die deutsche Flotte im Spannungsfeld der Politik 1848-1985, hrsg. v. Deutschen Marineinstitut und vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Herford 1985, S. 21-51
35 Zusammenfassend publiziert in: ELVERT, Jürgen/LIPPERT, Stefan (Hrsg.): Michael Salewski. Die Deutschen und die See. Studien zur deutschen Marinegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
36 So auch BRYSCH, Thomas: Marinepolitik im preußischen Abgeordnetenhaus und Deutschen Reichstag 1850- 1888, Hamburg 1996
37 SALEWSKI, Michael: Deutschland als Seemacht, in: ELVERT, Jürgen/LIPPERT, Stefan (Hrsg.): Michael Salewski. Die Deutschen und die See, S. 11-23, hier S. 15
38 Protokolle der Deutschen Bundesversammlung, Frankfurt 1816-1866
39 ROTH, Paul/MERCK, Heinrich (Hrsg.): Quellensammlung zum deutschenöffentlichen Recht seit 1848, Erlangen 1850
40 Verhandlungen des Deutschen Parlaments. Officielle Ausgabe. Mit einer geschichtlichen Einleitungüber die Entstehung der Vertretung des ganzen deutschen Volkes, von Friedrich Sigmund JUCHO, Frankfurt 1848
41 HÄUSSLER, Hans-Joachim: Das Ende der ersten deutschen Flotte: ein Beitrag zur Geschichte der Zollvereinskrise 1852, der Reaktion und des Flottengedankens, Dessau 1936
42 WIGARD, Franz (Hrsg.): Stenographischer Berichtüber die Verhandlungen der deutschen constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, 9 Bde., Nachdruck, Frankfurt 1988
43 CLASEN: 'Maler der Revolution', wurde 1848 durch den späteren Wilhelm I. nach Berlin geholt und für auch für konservative politische Ideologien instrumentalisiert. Der auf historische, religiöse und allegorische Darstellungen spezialisierte CLASEN verarbeitete das 'Germania'-Motiv noch einmal in der weit bekannteren Darstellung der 'Germania auf der Wacht am Rhein', einem seit den 1840er Jahren zentralen Raum des deutschen Nationalismus; DBE, Bd. 2, S. 331
44 Siehe Frontispiz
45 MÜLLER, Jürgen: Die Dresdener Konferenz und die Wiederherstellung des Deutschen Bundes 1850/51 (=Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes 1850-1866: Bd. 1), Oldenbourg 1996
46 BISMARCK, Otto von: Die gesammelten Werke. Bd. 1: Politische Schriften bis 1854, bearb. v. Wilhelm SCHÜSSLER, Neudruck der Ausgabe Berlin 1928, Liechtenstein 1972
47 POSCHINGER, Heinrich (Hrsg.): Preußen im Bundestag. 1851-1859. Documente der K. Preuß. Bundestags- Gesandtschaft. Erster Theil (1851-1854) (=Publicationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven, 12. Band), Leipzig 1882; DERS. (Hrsg.): Preußens auswärtige Politik. 1850 bis 1858. Unveröffentlichte Dokumente aus dem Nachlasse des Ministerpräsidenten Otto Frhrn. v. Manteuffel, 1. Band: 1850-1852, Berlin 1902
48 Die Geschichte der Meereserfahrung schildert klassisch: CORBIN, Alain: Meereslust. Das Abendland und die Entdeckung der Küste, Berlin 1994
49 MOULLAT DU JOURDIN, Michel: Europa und das Meer, Frankfurt 1995, S. 11
50 SCHMITT, Carl: Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung, Leipzig 1942, S. 40
51 Ebd., S. 54
52 Ebd., S. 57
53 HIERY, Hermann: Der Kaiser, das Reich und der Kolonialismus. Anmerkungen zur Entstehung des deutschen Imperialismus im 19. Jahrhundert, in: BOSBACH, Franz/HIERY, Hermann (Hrsg.): Imperium - Empire - Reich. Ein Konzept politischer Herrschaft im deutsch-britischen Vergleich (Prinz-Albert-Studien 16), München 1999, S. 155-166, hier S. 156
54 Ebd.
55 Gerade die national-deutsche Geschichtsschreibung des späten 19. und frühen 19. Jahrhunderts hob auf diese These ab; HIERY: Der Kaiser, Das Reich und der Kolonialismus, S. 158
56 SALEWSKI, Michael: Deutschland als Seemacht, S. 11
57 Ebd.
58 MANN, Golo: Die Deutschen und das Meer, in: VITZTHUM, Wolfgang (Hrsg.): Die Plünderung der Meere. Ein gemeinsames Erbe wird zerstückelt, Frankfurt 1981, S. 35-47, hier S. 37
59 Im Jahre 1609 begründet der niederländische Rechtsgelehrte Hugo GROTIUS (1583-1643) in seinem Werk Mare liberum den Gedanken von der Freiheit des Meeres. Sie bedeutete vor naturrechtlichem Hintergrund allein die Freiheit des Meeres selbst: Keine Nation habe das willkürliche Recht, einen Teil des Meeres als Eigenbesitz zu deklarieren.
60 „ […] , so verschwand seitdem der alte maritime Glanz von Holland vor dem englischen, und schon Friedrich der Große fand zu bemerken, Holland folge dem Nachbar wie ein Boot seinem Schiff.“; ANDREAS, Willy (Hrsg.): Leopold von RANKE . Preußische Geschichte, Essen 1996, S. 18
61 SCHMITT: Land und Meer, S. 16
62 Bei NIMITZ: „Der Begriff ‚ Seemacht ’ enthält alle diejenigen Elemente, welche eine Nation in die Lage versetzen, ihre militärische Kraft in Richtung auf die See zu wenden, sieüber die See hinaus an Land zu werden und dort zu unterhalten. Die Elemente der Seemacht sind keineswegs auf Kriegsschiffe und Waffen sowie ausgebildetes Personal beschränkt, sie schließen vielmehr Landeinrichtungen und gutgegelegene Basen, Handelsschiffahrt und günstige internationale Verbindungen ein. Die Fähigkeit einer Nation, Seemacht auszuüben, basiert außerdem auf dem Charakter und der Zahl ihrer Bevölkerung, der Form ihrer Regierung, der Gesundheit ihrer Wirtschaft, der Entwicklung ihrer inneren Verbindungen, der Zahl und Qualität ihrer Häfen, der Ausdehnung der Küsten, der geographischen Lage des Mutterlandes, der Basen und Kolonien im Hinblick auf die Seeverbindungen.“; NIMITZ, Chester W./POTTER, Elmar B.: Seemacht. Eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, München 1974, S. XV
63 Sein Werk sollte gerade auf die Flottenrüstung des späteren Kaiserreichs erheblichen Einfluss ausüben. TIRPITZ ließ sein Werk ins Deutsche übersetzen.
64 MAHAN, Alfred Thayer: The influence of sea power upon history 1660-1783, London 1890, Deutsch: Berlin 1896-1899
65 DUPPLER, Jörg (Hrsg.): Seemacht und Seestrategie im 19. Jahrhundert, Hamburg 1999, S. 15
66 JENISCH, Uwe: Die Deutschen und das Meer -über „Landtiere“ und „Seetiere“, in: KLÜVER, Hartmut (Hrsg.): Persönlichkeiten und Entwicklungen, die Schifffahrt und Marine prägten: Vorträge des 1. Symposiums zur Schifffahrts- und Marinegeschichte (=Beiträge zur Marinegeschichte, Bd. 1), Düsseldorf 1999, S. 15-30, hier S. 15
67 MANN: Die Deutschen und das Meer, S. 43
68 JENISCH: Die Deutschen und das Meer, S. 15
69 MANN: Die Deutschen und das Meer, S. 44
70 NIMITZ: Seemacht, S. 1084-1097
71 MANN: Die Deutschen und das Meer, S. 43
72 MOULLAT DU JOURDIN: Europa und das Meer, S. 159
73 „Seefahrt und Handlung sind die fürnehmsten Säulen eines Estats, wodurch die Unterthanen beides zu Wasser, als auch durch die Manufakturen zu Lande ihre Nahrung und Unterhalt erlangen.“; http://www.preussen-chronik.de/episoden/001750.jsp
74 REVENTLOW, Ernst C.: Die deutsche Flotte. Ihre Entwicklung und Organisation, Augsburg 1901, S. 4
75 So heißt es in der enzyklopädischen Jahresschrift Die Gegenwart 1848: „Nur einmal, von seinem großen Kurfürsten geleitet, machte es [Preußen; F.S.] Miene, als wolle es sich auf dem Wasser versuchen, und erlangte auch sogar, wie sein deutscher Nachbarfürst, der Herzog von Kurland [der eine Zeitlang die Insel Tobago besaß; F.S.] eineüberseeische Besitzung. […] auf dem Meere aber blieb es ein Zwerg […]. “; Die deutsche Kriegsflotte, in: Die Gegenwart: Eine encyklopädische Darstellung der neuesten Zeitgeschichte für alle Stände, Leipzig 1848, S. 439-473, hier S. 441
76 „In seinem Geiste war etwas Weitausgreifendes, man möchte sagen, allzu weit; wenn man sich erinnert, wie er Brandenburg in unmittelbaren Bezug zu den Küsten von Guinea brachte und auf dem Weltmeer mit Spanien zu wetteifern unternahm […]. “; RANKE: Preußische Geschichte, S. 322
77 Gegründet 1775 als Seehandlungssocietät, die 1783 die Reederei jedoch einstellte und in der Folge als reine Staatsbank betrieben wurde.
78 SALEWSKI: Deutschland als Seemacht, S. 14
79 Das damalige Bündnis brachte RANKE gar zu der Bemerkung, dass sich „in England die germanischmaritimen Interessen zu einer kolossalen Weltmacht entwickelten, die alle Meere beherrschte, vor der alle Erinnerungen früherer Seemächte zurücktraten […]. “; RANKE: Preußische Geschichte, S. 28
80 HUBER, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band II. Der Kampf um Einheit und Freiheit, 2., verb. Aufl., Stuttgart 1960, S. 648
81 Die Habsburger-Monarchie erbte die Flotte der erloschenen venezianischen Republik 1797, darauf Napoleons Satellitenmarine im Jahre 1814. Erst verfügte Wien damit über ein halbwegs respektables Geschwader, durch zunehmende Bemannungsprobleme kam es jedoch zu Verfallserscheinungen; SONDHAUS, Lawrence: Mitteleuropa zur See? Austria and the German Navy Question 1848-1852, in: Central European History, 20, 1987, S. 125-144, hier S. 126
82 Bis 1837 war Großbritannien durch die Personalunion mit Hannover Mitglied im Deutschen Bund, der König von Dänemark als Herzog von Holstein, die Niederlande seit 1839 durch die Personalunion mit Limburg.
83 GRUNER, Wolf D.: Die europäischen Mächte und die deutsche Frage 1848-1850, in: MAI, Gunter (Hrsg.): Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850, Böhlau 2000, S. 271-305, hier S. 273
84 Ebd., S. 276
85 „Die souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands, den gemeinsamen Wunsch hegend, den 6. Artikel [föderativer Bund; F.S.] des Pariser Friedens vom 30. Mai 1814 in Erfüllung zu setzen, und von den Vortheilenüberzeugt, welche aus ihrer festen und dauerhaften Verbindung für die Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands, und die Ruhe und das Gleichgewicht Europa ´ s hervorgehen, sindübereingekommen, sich zu einem beständigen Bunde zu vereinigen […]. “; Die Deutsche Bundes-Acte, 8. Juni 1815, Bd. 1., S. 240-246, hier S. 242
86 ELVERT, Jürgen: Die Flottenfrage in Deutschland zwischen 1848 und 1914, in: ENGSTRÖM, Johan/ERICSON, Lars (Hrsg.): Mellan björnen ochörnen. Sverige och Östersjöomr å det under det första världskriget, 1914-1918 (Acta Visbysiensa IX), Stockholm-Visby, S. 11-24, hier S. 12
87 „Am 16. des vorigen Monats ward das hamburgische Schiff Ocean mit einer Ladung vom großen Werthe, und das von Lübeck abgesegelte Schiff Christina, und späterhin noch ein hamburgisches und ein oldenburgisches Schiff […] von ihnen [den 'Barbaresken'; F.S.] genommen.“; Protokoll der Bundesversammlung (Im Folgenden: Prot. d. BV), 16.6.1817, 35. Sitzung, §36
88 Ebd..
89 Ebd.
90 Ebd.
91 Ebd.
92 Ebd.
93 „Der Königlich Niederländische, Großherzoglich Luxemburgische Herr Gesandte gab dabey noch besonders zu Protokoll: […] Es kommt nicht darauf an, was man vermeine, sondern was man thun soll und kann. […] Nichts desto weniger würde ich mich hier und beynahe immer der Mehrheit anschließen, wenn sie für einen Ausschußstimmte.“; Prot. d. BV, 16.6.1817, 35. Sitzung, §36
94 Prot. d. BV, 17.7.1817, 44. Sitzung, §353
95 Ebd.
96 Ebd.
97 Ebd.
98 Ebd.
99 Ebd.
100 RAUCH: Seit 1790 Dienst im Ingenieurkorps; seit 1805 Major, übernahm 1980 die zweite Division des Allgemeinen Kriegsdepartements; 1813 wurde er Stabsschef bei General von YORK und als Nachfolger SCHARNHORSTs Chef des Ingenieurkorps; seit 1829 General; wurde 1837 preußische Staats und Kriegsminister; DBE, Bd. 8, S. 158
101 NEUMANN, Günther: Die deutsche Flottenfrage während des dänischen Krieges 1848 unter besonderer Berücksichtigung deröffentlichen Meinung, Saarfeld 1936, S. 19
102 Zit. nach NEUMANN: Flottenfrage, S. 20; original: Marineverordnungsblatt 1875, Beiheft 15, S. 19
103 FRIEDRICH WILHELM III.: Behielt das seit 1806 kritisierte Militärsystem bei; Zusammenbruch des Staatssystems nach der Niederlage gegen Napoleon; erst jetzt gab F.W. den Weg für innere Reformen frei; auf dem Wiener Kongress stimmte F.W. dem System des Deutschen Bundes zu, betrieb eine Politik der Übereinstimmung mit Russland und Österreich; das mehrfach wiederholte Verfassungsversprechen löste er nicht ein; DBE; Bd. 3, S. 471
104 STROHBUSCH, Erwin: Deutsche Marine. Kriegsschiffbau seit 1848 (= Führer des deutschen Schiffahrtsmuseums, Nr. 8) , 2. verb. Aufl., Bremerhaven 1984 , S. 10
105 ADALBERT HEINRICH WILHELM, seit seiner Jugend vielfach auf Reisen geschickt, kam ADALBERT 1832 in die Niederlande, dann nach England. Dort hinterließ die Organisation der Royal Navy einen bleibenden Eindruck und Bezugspunkt für die eigenen maritimen Bestrebungen. ADALBERT durchlief in der militärischen Ausbildung in der Armee die klassischen Waffengattungen, wurde 1835 der Garde-Artillerie-Brigade zugeteilt, 1843 zum ersten Generalinspekteur der Artillerie; NDB, Bd. 1, S. 46; DUPPLER: Prinz Adalbert von Preußen. Gründer der deutschen Marine, Herford 1986, S. 25, 28
106 Die wissenschaftliche Literatur resümiert dies unisono. Siehe hierzu z.B. BRYSCH: Marinepolitik im preußischen Abgeordnetenhaus und deutschen Reichstag 1850-1888, Hamburg 1996, S. 41f.; NEUMANN: Flottenfrage, S. 16f.
107 Zit. nach NEUMANN: Flottenfrage, S. 27
108 Der aus Reutlingen stammende LIST gilt als der wissenschaftliche Begründer der Politischen Ökonomie in Deutschland. Bereits 1811 verfasste er eine Abhandlung über die Neuorganisation des Steuerwesens, schaltete sich 1815 in den Kampf um eine württembergische Verfassung im Sinne bürgerlicher Freiheiten ein und legte 1816 einen Plan zur Errichtung eines wissenschaftlichen Vereins für die vaterländische Nationalökonomie vor. 1817 wurde er in Tübingen als Professor der Staatsverwaltungspraxis vorgeschlagen, hatte jedoch als „ein für das Moderne aufgeschlossener Praktiker“ mit Anfeindungen zu kämpfen. Seit 1819 setzte er sich für die Aufhebung der deutschen Binnenzölle ein. Nach der Rückkehr von einem Amerika-Aufenthalt (1825-1832) propagierte er vor allem den Eisenbahnbau. 1841 erschien sein volkswirtschaftliches Hauptwerk Das Nationale System der Politischen Ökonomie, 1843 erschien unter LISTs Mitwirkung das Deutsche Zollvereinsblatt, 1845 Die politisch-ökonomische Nationaleinheit der Deutschen; Historische Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 1-20, Berlin 1953ff., 14. Band, S. 694-698
109 Die Franzosen beanspruchten die linke Rheinseite und brachten damit die deutsch-französischen Differenzen auf einen empfindlichen Punkt.
110 LIST, Friedrich: Schriften, Reden, Briefe, Durchges. Neudr. d. Ausg. Berlin 1932-35, Aalen 1971, Bd. VII, S. 58 (Im Folgenden: SRB)
111 LANGEWIESCHE, Dieter: Bildungsbürgertum und Liberalismus im 19. Jahrhundert, in: LENGER, Friedrich (Hrsg.): Dieter Langewiesche. Liberalismus und Sozialismus. Gesellschaftsbilder - Zukunftsvisionen - Bildungskonzeptionen, (=Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 61), Bonn 2003, S. 153-177, hier S. 154
112 SMITH: entwickelte ein einheitliches System der liberalen Wirtschaftslehre und gilt als Begründer der klassischen Nationalökonomie. Im Unterschied zum Merkantilismus und Physiokratismus betrachtete er menschliche Arbeit und Arbeitsteilung als Quellen des Wohlstands. Voraussetzung für die Arbeitsteilung ist für S. ein funktionierender Marktmechanismus, der über den Marktpreis Angebot und Nachfrage ausgleicht. Im freien Wettbewerb stelle sich durch das eigennützige Handeln der Menschen als Ordnungsprinzip der wirtschaftlischen Entwicklung das Gleichgewicht zwischen Erzeugung, Verbrauch, Lohn und Preis und damit ein Zustand der natürlischen Harmonie des wirtschaftlichen und sozialen Lebens ein. Ausgehend von seiner Theorie erhob S. die Forderung nach Freihandel, voller Handels- und Gewerbefreiheit sowie weitgehender Zurückhaltung des Staates; DANKELMANN, Otfried (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Weltgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Frankfurt 2001, S. 456f.
113 „Ja wir wagen die Behauptung, daßauf der Ausbildung des deutschen Schutzsystems die Existenz, die Independenz und die Zukunft der deutschen Nationalität beruhe.“; SRB, Bd. VI, S. 418
114 MEISTER, Emil: Der Gedanke deutscher Seefahrt und Seemacht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Saarbrücken 1933, S. 15
115 Unter preußischer Initiative am 1.1.1834 gegründet, beseitigte zahlreiche Binnenzölle; HUBER: Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. II, S. 282ff.
116 SRB, Bd. VII, S. 482
117 So heißt es in der Erstausgabe des Zollvereinsblatts vom 1.1.1843: „daßsie [die kolonialen ‚Glieder’ Englands; F.S.] vermittelst der besten und wohlfeilsten Hochstraße der Welt, durch die die Meere miteinander in Verbindung stehen, und dass sein Haupt in politischer Bildung wie im Handel […] und in der Schifffahrt und Seemacht wie in Capitalkräftenüber alle andern europäischen Nationen weit emporragt.“; ebd., S. 39
118 Ebd., S. 148
119 Deutschland habe „inzwischen Erfahren, was es früher nicht gewusst hat, daßseine Handelsmarine die zweite in Europa ist […]. “; ebd. S. 542, ZVB 1853, S. 218
120 SRB, Bd. VII, S. 574
121 HUBER: Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. II, S. 655f.
122 „Die See, dieses fruchtbare Feld der Nationen, will so gut kultiviert sein wie der Acker, wenn er reichlich Ertrag geben soll […] . Keine Nation ist so winzig, daßsie nicht, wenn sie Seeufer besitzt, auch einige Kriegsfahrzeuge hielte, um doch wenigstens ihre Würde als Nation notdürftig zu behaupten und sich gegen Seeräuberei zu schützen; nur die norddeutschen Staaten machten bisher eine Ausnahme. Was aber in Zerrissenheit als natürlich erschien, wird im Verein unwürdig und verächtlich.“; SRB, Bd. VII, S. 61
123 SRB, Bd. VI, S. 417
124 SRB, Bd. VI, S. 421
125 Siehe Kapitel 3.1
126 So im Aufsatz Der Zollverein und die Hansestädte; ebd., S. 144-151; „Die Hansestädte insbesondere betreffend, so schreckt und der reichsbürgerliche Unabhängigkeitsgeist ihrer souveränen Kirchspiele keineswegs von unseren Hoffnungen zurück.“; SRB, Bd. V, S. 402
127 DUCKWITZ: gründete 1828 eigene Handelsfirma; beeinflusste entscheidend die deutsche Wirtschaftspolitik im Vormärz sowie die Entwicklung der Binnenschiffahrt und der Eisenbahnen; trat für den Zollverein ein und warb für eine gesamtdeutsche Verantwortung der Hansestädte; 1841 wurde er Bremer Senator; DBE, Bd. 2, S. 632
128 DUCKWITZ dachte „einen deutschen Schifffahrtsverein zu stiften, welche unabhängig vom Zollverein alle deutschen Seestaaten, Österreich mitinbegriffen, zum dem Zweck vereinigen solle, die deutschen Schiffahrtsinteressen nach außen gemeinschaftliche zu wahren, Schiffahrtsverträge mit fremden Seemächten in Gemeinschaft zu unterhandeln und abzuschließen, neben der besonderen Staatsflagge ene Nationalflagge zu führen […]. “; ebd., S. 151; DUCKWITZ veröffentlichte später in diesem Sinne die Schrift Der deutsche Handels- und Schifffahrtsbund, Bremen 1847
129 SRB, Bd. VI, S. 425
130 Ebd., S. 426
131 FENSKE, Hans: Imperialistische Tendenzen in Deutschland vor 1866. Auswanderung,überseeische Bestrebungen, Weltmachtträume, in: Historisches Jahrbuch 97/98, 1978, S. 336-383, hier S. 355
132 BEST, Heinrich: Interessenpolitik und nationale Integration. Handelspolitische Konflikte im frühindustriellen Deutschland, Göttingen 1980, S. 28
133 SRB, Bd. VII, S. 61
134 „Und wie klein das Fahrzeug sei, das man jetzt in Stettin erbaut, so großwird Deutschlands Freude sein, das kleine Ding taufen und in See stechen zu sehen. Dieser kleine Ahn einer größeren Nachkommenschaft wird der Liebling der Nation werden […]. “; ebd.
135 SRB, Bd. VII, S. 59
136 Ebd., S. 59
137 „In der See nehmen die Nationen stärkende Bäder, […] beleben sie ihren Geist und machen ihn empfänglich für große Dinge, […] waschen sie sich jenen Philisterunrat vom Leibe, der allem Nationalleben, allem Nationalaufschwung so hinderlich ist […]. “; ebd., S. 57
138 BEST: Interessenpolitik und nationale Integration, S. 29
139 NEUMANN: Flottenfrage, S. 13
140 Zollvereinsblatt 1844, S. 394; MEISTER führt weitere Zeugnisse der Pressepublizistik dieser Jahre an. So heißt es in der Kölnischen Zeitung 1845: „Die kleinsten und am meisten verschuldeten Nationen Europas haben längst die Notwendigkeit einer Kriegsmarine erkannt.“; MEISTER: G edanke deutscher Seefahrt, S. 25
141 BRYSCH: Marinepolitik, S. 52
142 So auch NEUMANN: Flottenfrage, S.8; BRYSCH: Marinepolitik, S. 47
143 SCHOLL, Lars U.: Die Bundesflotte in der Satire, in: Die erste deutsche Flotte, Bremerhaven 1979 (=Führer des Deutschen Schiffahrtsmuseums, Nr. 10), S. 77-90, hier S. 77
144 JAHN: nach theologisch-historischen und volkskundlichen Studien in 1809 in Berlin Gymnasiallehrer ohne universitären Abschluss. 1810 publizierte er sein Deutsches Volkstum, das von nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Äußerungen nicht frei ist. Ab 1811 nahm das straff organisierte Turnwesen unter Jahn einen starken Aufschwung, das dem Freiheitskampf dienen sollte. Dem diente besonders die von Jahn mitinitiierte Burschenschaftsbewegung, die in Konflikt mit der Reaktion geriet und im Sommer 1819 verboten wurde. Jahn selbst wurde verhaftet, kam 1825 frei. Die Beschränkung seiner politischen Agitation wurde durch FRIEDRICH WILHELM IV. aufgehoben, 1848 wurde Jahn in die Paulskirche erwählt, trat seitdem jedoch kaum noch in Erscheinung; NDB, Band 10, S. 301/302
145 ARNDT: 1791-94 Studium evang. Theologie, Philosophie, Geschichte, Klassische Philologie und Naturwissenschaften; seit 1800 politischer, historischer und belletristischer Schriftsteller; 1800-05 Privatdozent für Geschichte und Philosophie in Greifswald; 1805-06 Professor der Geschichte in Greifswald, Entlassung durch französische Besatzungstruppen; seit Herbst 1811 Kriegsschriftsteller; seit 1812 Mitarbeiter des Freiherrn v. STEIN; seit Herbst 1817 in Bonn; 1818-20 Professor der Geschichte in Bonn, 1820 vom Amt suspendiert; Untersuchung wegen revolutionärer Umtriebe; 1820-40 Privatgelehrter und freier Schriftsteller in Bonn; Verfasser zahlreicher politischer, historischer und belletristischer Schriften; MdFN: fraktionslos (stimmte mit dem rechten Centrum); BEST: Biographisches Handbuch, S. 83f.
146 JAHN, Ludwig: Neue Runenblätter, Naumburg 1828
147 ZILLINGER, Waldemar: Die Flotte in der Vorstellungswelt der Frankfurter Nationalversammlung, Göttingen 1954, S. 65
148 JAHN, Ludwig: Neue Runenblätter, Naumburg 1828, S. 16
149 DERS.: Die deutsche Turnkunst, Berlin 1816
150 DERS.: Runenblätter, S. 18
151 ZILLINGER: Vorstellungswelt, S. 67
152 NEUMANN: Flottenfrage, S. 15
153 FRIEDRICH WILHELM IV.: Künstlerisch und wissenschaftlich begabt; entwickelte mystisch-romantische Auffassungen vom Königstum; fand kurz nach Regierungsantritt durch Beendigung der Demagogenverfolgung hohe Zustimmung, enttäuschte jedoch in der Verfassungsfrage; erst unter dem Druck der Märztage 1848 bekannte er sich zur deutschen Einigungsbewegung und bewilligte die liberalen Forderungen nach gesammtstaatlicher Repräsentation und Konstitution; das Angebot der deutschen Kaiserkrone durch die Nationalversammlung 1849 lehnte er jedoch ab; 1850 sollte er auf die Unionspolitik seines Vertrauten RADOWITZ setzen; DBE; Bd. 3, S. 471
154 ARNDT, Ernst Moritz: Erinnerungen aus demäußeren Leben, Leipzig 1840
155 Ebd., S. 335
156 Ebd.
157 Ebd., S. 336
158 Ebd.
159 Ebd.
160 Ebd., S. 337
161 ARNDT: Erinnerungen, S. 337
162 Die Niederlande werden von ARNDT kurzerhand germanisierend an Deutschland herangezogen: „ […] dieses Holland, eine alte deutsche, von friesischen und sächsischen Stämmen bewohnte […] Landschaft […].“; ebd. S. 339
163 „Mit diesen beiden Flotten [die niederländische und belgische; F.S.] stünden wir ganz auf gleicher Höhe mit Frankreich, in Hinsicht des Bauholzes und der Schiffsmannschaft wären wir den Franzosen vielfachüberlegen, noch mehrüberlegen wären wir ihnen in Hinsicht der Winde und geographischen Lage […]. “; ebd., S. 340
164 „Es könnte […] Herr der Ostsee werden, und dann sähe es auch für Deutschlands Unabhängigkeit sehr schlimm aus.“; ebd., S. 350
165 Ebd.
166 Ebd., S. 351
167 Ebd.
168 Ebd.
169 England habe „in unsern inneren deutschen Verhältnissen aber auf das emsigste für die Schwächung, Teilung und Spaltung gearbeitet. Welche unwürdige Eifersucht und Neid gegen Preußen, weil es etwas Großes werden zu können schien! Welche dreifache Eifersucht würde es sogleich offenbaren, wenn Deutschland in die würdige Stellung kommen könnte, nur den Anfang einer Seemacht zu bilden?.“; ebd., S. 352
170 HERWEGH wurde zu einem Volksheld der Revolution. 1837 brach er ein Theologie- und Jurastudium ab und begann in Stuttgart als Schriftsteller und Kritiker zu arbeiten. 1839 flüchtete er sich aus drohendem Militärdienst in die Schweiz, lebte dort von Erträgen seiner dichterischen Arbeit. 1841 machte ihn der in Preußen verbotene, nach politischer Freiheit verlangende Lyrikzyklus Gedichte eines Lebendigen umgehend einem großen Publikum bekannt. Seit 1843 lebte HERWEGH in Paris. Von dort aus wollte er bei Ausbruch der 48er Revolution als Anführer einer Schar Freiwilliger den Umsturz in Baden stützen, wurde jedoch durch reguläres Militär geschlagen. Er floh in die Schweiz, setzte seine journalistische Tätigkeit fort, starb aber verarmt. Die Bedeutung seines zur revolutionären Tat auffordernden Werkes wurde nicht zuletzt durch die ästhetische Dominanz Heinrich HEINEs (1797-1856) geschmälert; NDB, Bd. 8, S. 723-725
171 FREILIGRATH gelangte nach kaufmännischer Lehre schon relativ früh zu dichterische Berühmtheit. Anfang der 1840er Jahre tendierte seine vordem im romantischen Exotismus wurzelnde Lyrik zu sozialen und realistischen Themen als Anteil am politischen Meinungskampf. Durch die Oppositionsdichtung Ein Glaubensbekenntnis (1844) sah er sich zum Exil in der Schweiz und in Belgien genötigt. Von hieran nahm sein dichterisches Schaffen verstärkt revolutionäre Züge an. Anlässlich der Revolution kehrte er 1848 nach Deutschland zurück und verherrlichte in Die Toten an die Lebenden die Gefallenen des Märzaufstandes. Nach dem Scheitern der Revolution wirkte FREILIGRATH noch an der verbotenen Neuen Rheinischen Zeitung mit, verließ Deutschland dann jedoch abermals. 1868 kehrte er zurück, wurde triumphal empfangen und widmete der Reichsgründung patriotische Lyrik (Hurra, Germania!, 1870). Zur völligen Aussöhnung mit alten Gegnern kam es hingegen nicht; NDB, Bd. 10, S. 397f
172 Ebd., S. 725
173 TARDEL, Hermann (Hrsg.): Herweghs Werke. Erster Teil. Gedichte eines Lebendigen, Berlin 1909, S. 108- 111
174 „ Erwach ´ , mein Volk, mit neuen Sinnen! / […]/ Du sollst die Welt gewinnen! /[…]/ Hinweg die feige Knechtsgebärde; / Zerbrich der Heimat Schneckenhaus, / Zieh mutig in die Welt hinaus, / Daßsie dein eigen werde !“; ebd., S. 108
175 „Das Meer wird uns vom Herzen spülen / Den letzten Rost der Tyrannei, / Sein Hauch die Ketten wehn entzwei / Und unsre Wunden kühlen. “; TARDEL: Herweghs Werke, S. 108
176 „Ergreif ihn [den Purpur des Kaisers; F.S.] und mit ihm das Steuer / Der Weltgeschichte, fass ´ es keck! “; TARDEL: Herweghs Werke, S. 109
177 „Und in den Furchen, die Kolumb gezogen, Geht Deutschlands Zukunft auf.“; ebd.
178 „Blutrünst ´ ge Krieger deutsche Seeschlacht schlagen […] “; FREILIGRATH, Ferdinand: Ein Glaubensbekenntnis, Neudr. der Ausg. 1844, Mainz 1994, S. 48
179 Sieben Göttinger Professoren, die 1837 gegen die Verfassung von 1833 durch König ERNST AUGUST II. protestierten und daraufhin entlassen wurden.
180 „Sorgt für ein Forum, schafft die Rednerbühne, […] “; FREILIGRATH: Glaubensbekenntnis, S. 49
181 Ebd.
182 Ebd.
183 Ebd.
184
„Schwarz, Rot und Gold! Frei weht ihr auf den Stangen / Und Masten jetzo, gürtend rings das Land! / In tausend Wimpeln, einst verpöntes Band,/ Hat dich der Ozean selber umgehangen! “; ebd., S. 50
185 SASS, Friedrich: Deutschlands Flotte. Ein Ruf in ´ s Deutsche Volk, Hamburg 1842
186 Ebd., S. 9
187 Ebd.
188 Ebd., S. 6
189 Ebd., S. 16
190 SASS: Deutschlands Flotte, S. 17f.; „ […] welch ´ Fülle und Macht liegt nicht in dem einzigen Worte Zollverein.“; ebd., S. 17
191 Ebd., S. 7
192 Der Lübecker GEIBEL studierte in Bonn und Berlin Theologie und Philologie, verkehrte dort in literarischen Kreisen, traf Ikonen der Romantik, u.a. EICHENDORFF. Durch Formtalent brachte er es zu kontinuierlichem Dichterruhm. 1838 wurde er Hauslehrer in Griechenland, kehrte 1840 nach Deutschland zurück, lebte zeitweise bei FREILIGRATH. 1852 erhielt er vom Bayerischen König eine Honorarprofessur für deutsche Literatur und Ästhetik. Er stand einer romantisch klassizistischen Tradition nahe, die national-konservativ der preußischen Monarchie nachhing. 1848 griff Geibel literarisch in die Kämpfe um Schleswig-Holstein ein; NDB, Band 6, S. 139-140
193 WACKERNAGEL, geboren in Berlin, studierte dort ab 1824. Sein besonderes Interesse galt der altdeutschen Sprache und Literatur: „er wird einer der ersten Berufsgermanisten genannt“. Er legte umfassende philologisch-grammatische Studien vor und zeichnete sich durch ein weit gefächertes Interesse aus, das auch Poesie und epische Dichtungen mit einschloss. Ab 1833 hielt er eine Baseler Professur für deutsche Sprache und Literatur. Universal konzipierte Vorlesungen überblickten Philologie, Altertumskunde und Grammatik verschiedener Sprachen. Durch rege Publikationsarbeit arbeitete er sich neben Jacob GRIMM zum führenden Germanisten seiner Zeit empor; Mitglied der Münchener Historischen Kommission. 1853 verfasste WACKERNAGEL eine Abhandlung über Gewerbe, Handel und Schiffahrt der Germanen; Historische Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Bd. 1-56, Neudruck der ersten Auflage von 1877, Berlin 1969ff., Bd. 40, S. 460-465
194 WACKERNAGEL, Wilhelm: Zeitgedichte, Basel 1842, S. 95ff.
195 „Geboren du zum Handel aller Meere, / Nie aus den Händen sollst du ihn verlieren, / Nie stocken soll das Schlagen dieser Ader. / Willst aber du im Kranz erhöhter Ehre, / Willst du mit reichen Schätzen noch stolzieren, / So ruf herbei ein deutsches Schiffgeschwader!“; ebd., S. 95
196 Im Hinblick auf die maritime Enthaltsamkeit und eine kontinentale Überlieferung spricht JENISCH vom „pathologische [n; F.S.] Waldbild als Leitmotiv der Deutschen.“; in: JENISCH, Uwe: Die Deutschen und das
197 WACKERNAGEL: Zeitgedichte, S. 96
198 „Solch guter Freund ist auch, aus Einem Kerne / Mit uns gewachsen, dort am Rand der Scheibe / Der
Englischmann; nur daßer ferne bleibe / Sonst wohl ein Volk, von dem das deutsche lerne./ Von dem es lerne dießauch unter andern, Wozu man Holz und Hanf und Eisen brauche, Zum Beispiel auch zu einem schmucken Schiffe; “; WACKERNAGEL: Zeitgedichte, S. 97
199 „Hamburg, in deine oden Niederungen, / Und aller Deutschen Braut bist du geworden./ Zurückersehnen soll uns der Himmelssegen, / Wenn Deutschlands Flotte jauchzend sich erschwungen / Aus deinem Schoßgen Süden und gen Norden.“; ebd.
200 Ebd., S. 98
201 Zit. nach: VOLKMANN, Ernst: Um Einheit und Freiheit: 1815-1848 (=Deutsche Literatur/ Reihe politische Dichtung, Bd. 3), Nachdr. der Ausg. Leipzig 1936, Darmstadt 1973, S. 162f.
202 FENSKE, Hans: Imperialistische Tendenzen in Deutschland vor 1866. Auswanderung,überseeische Bestrebungen, Weltmachtträume, in: Historisches Jahrbuch 97/98, 1978, S. 336-383
203 Es gibt eine Vielzahl von Begriffsdefinitionen; FENSKE orientiert sich an der von Hans-Ulrich WEHLER. Für ihn ist Imperialismus, „diejenige direkte-formelle und indirekte-informelle … Herrschaft, welche die okzidentalen Industriestaaten unter dem Druck der Industrialisierung mit ihren spezifischenökonomischen, sozialen und politischen Problemen und dank ihrer vielseitigen Überlegenheitüber die weniger entwickelten Regionen der Erde ausgebreitet haben.“; ebd., S. 337f.
204 Ebd., S. 337
205 FENSKE: Imperialistische Tendenzen, S. 341
206 NEITZEL, Sönke: Weltmacht oder Untergang. Die Weltreichslehre im Zeitalter des Imperialismus, Paderborn 2000
207 „Der Kern des Gedankens ist der Übergang des europäischen Mächtesystems in ein in der Zahl reduziertes Weltstaatensystem, d.h. die auf Europa konzentrierten fünf oder sechs Großmächte werden abgelöst durch wenige Weltmächte neuen Typs.“; ebd., S. 16
208 So konstatiert auch Verfasser des Artikels im Conversationslexikon Brockhaus die Wichtigkeit des Besitzes von Kolonien im Hinblick auf die Teilhabe am Welthandel. Auch andere Lexika argumentieren ähnlich und weisen den Kolonialhandel ausdrücklich als Quelle des Reichtums aus.
209 FENSKE: Imperialistische Tendenzen, S. 355
210 Ebd., S. 345f.
211 MALTHUS: Brit. Nationalökonom und Sozialphilosoph. Wurde berühmt durch seine Schrift Über die Bedingungen und Folgen der Volksvermehrung, die den ‚Malthusianismus’ begründete: Bevölkerungstheorie, nach der die mögl. Größe der Bevölkerung durch die Menge der verfügbaren Nahrungsmittel begrenzt und bestimmt wird. Der zentrale Punkt ist die Annahme, die Bevölkerung wachse in geometr. Progression, also gleich bleibenden Wachstumsraten, die Nahrungsmittel ließen sich dagegen nur in arithmet. Progression, d.h. mit gleich bleibenden absoluten Zuwächsen, also sinkenden Wachstumsraten vermehren; DANKELMANN: Biographisches Lexikon, S. 245
212 FENSKE: Imperialistische Tendenzen, S. 345; und so auch LIST in Das nationale System der politischen Ökonomie, Ausgabe letzter Hand (1844): „Dieüberschüssige Kraft der Mutternation an Bevölkerung, Kapital und Unternehmungsgeist erhält durch die Kolonisation einen wohltätigen Abfluß.“; SRB, Bd. VI, S. 210, 289
213 FENSKE: Imperialistische Tendenzen, S. 343f.
214 Ebd., S. 362
215 Ebd., S. 369
216 SCHUSELKA, Franz: Mittelmeer, Ost- und Nordsee, Leipzig 1845
217 NEITZEL: Weltmacht oder Untergang, S. 36
218 SCHUSELKA: 1829-34 Studium Rechtswissenschaft; seit 1836 freier belletristischer und politischer Schriftsteller; 1846-März 1848 in Hamburg, Mitarbeiter mehrerer Zeitungen; März 1848-1849 in Wien; Verfasser zahlreicher politischer und belletristischer Schriften (u.a. Deutsche Worte eines Österreichers, Hamburg 1843); 1843 Verfahren wegen Überschreitung der österreichischen Zensurvorschriften; seit 1845 Burschenschaft Arminia in Jena; 1845 Verbannung aus Österreich wegen Zugehörigkeit zur deutschkatholischen Bewegung; 1851 Ausweisung aus Berlin aufgrund einer vormärzlichen Verurteilung seiner Schrift Die preußische Verfassungsfrage (Leipzig 1845); MdFN Paulskirche): Donnersberg; BEST: Biographisches Handbuch, S. 312f.
219 SCHUSELKA: Mittelmeer, S. 105
220 Ebd., S. 93
221 Ebd., S. 98 (Mitglied der Fraktion in der
222 „Die nächsten Weltgeschicke, von denen eine Gestaltung Europas ausgehen wird, werden sich eben an und auf den Meeren entwickeln, welche auch Deutschlands Boden bespülen.“; ebd., S. 107
223 SCHUSELKA, Franz: Weltgedanken, Wien 1840, S. 73
224 Ders.: Mittelmeer, S. 107
225 SCHUSELKA: Mittelmeer, S. 103
226 Ebd., S. 93
227 Die psychologisch-mentalen Gründe für eine Flotte: „Sollen wir den kaufmännischen Gewinn berechnen, sollen wir nach Grundsätzen der Leibes- und Seelenheilkunde darthun, wie nachtheilig die eingesperrte Luft auf die leibliche und geistige Gesundheit des deutschen Volkes einwirkt, sollen wir beweisen, daßuns eben in dieser langen Gefangenschaft der lange Zopf [der politischen Philister; F.S.] gewachsen.“; ebd., S. 104
228 SCHUSELKA: Mittelmeer, S. 103
229 „Es ist das dringendste und höchste politische Bedürfnis des Kaiserstaates, daßer sich durch organische Einigung mit Deutschland sowol seinen nichtdeutschen Völkern als seinenöstlichen und südlichen Nachbarn eben als mit dem großen Deutschland untrennbar eins darstelle. Ein wichtiger, ja der zunächst wichtigste Theil der Erfüllung dieses Bedürfnisses ist die Zolleinigung.“; ebd., S. 189
230 Ebd., S. 191
231 In den einschlägigen biographischen Werken konnte über OELSNITZ keine Angaben ermittelt werden.
232 OELSNITZ, H.v.d.: Die Nothwendigkeit großer deutscher Kolonien und Kriegsflotten, Leipzig 1845
233 Ebd., S. 1
234 So „m üß te nie vergessen werden, daßDeutschlands Macht und Größe immer mit seiner maritimen Stellung zusammenhing. Deutschland war groß, geehrt und gefürchtet, so lange die Flotten seiner Kaiser das mittelländische Meer beherrschten […]. “; ebd., S. 49; „Die Deutschen sind die Schöpfer des heutigen Seewesens und herrschten auf allen europäischen Meeren. […] Die Deutschen haben für die Verbreitung […] der Kultur in Europa mehr getan als irgendein anderes Volk […]. “; ebd., S. 48
235 Ebd., S. 68
236 Um territoriale Expansion und die Gründung einer Kriegsflotte argumentativ zu untermauern, zitiert OELSNITZ das oben genannte Emigrantenproblem, bringt aber pseudohistorisch legitimierte Ansprüche auf Gebiete von gewaltigem Ausmaß: „ Deutschland allein darf seine Blicke auf das türkische Reiche zu richten, es ist allein berechtigt, von dem Verfall desselben Nutzen zu ziehen und dessen Ende zu beschleunigen […]. “; ebd. S. 54; „Deutschland kann und darf aber für sich ganze Welttheile beanspruchen, die deutschen Staaten haben beinah dreimal so viel Einwohner als Großbritannien.“; ebd. S. 64
237 OELSNITZ: Die Nothwendigkeit großer deutscher Kolonien und Kriegsflotten, S. 3 238 Ebd.
239 Ebd., S. 45
240 „Deutschland hätte sich für die natürlichen Straßen auf dem Meere, welche […] keine kostspieligen Anlagen erfordern, zuvörderst durch Erbauung von Kriegssschiffen sichern sollen, ehe es an Eisenbahnen dachte.“; ebd. S. 22
241 OELSNITZ: Die Nothwendigkeit großer deutscher Kolonien und Kriegsflotten, S. 47
242 Ebd.
243 So könne von den geplanten Festungsbauten in Königsberg, Rastatt, Lötzen und Ulm, die „vielleicht 60 Millionen Thaler kosten, eine Flotte von ungefähr 400 eisernen Kriegsdampfschiffen […] anschaffen, welche Deutschland zu einer Weltmacht erheben und seine politische Bedeutung unendlich mehr steigern würden, als jene 4 Festungen, die dem Auslande nur wenig imponiren und wenig reelle Vortheile gewähren können.“; ebd., S. 59
244 HIERY: Der Kaiser, das Reich und der Kolonialismus, S. 157
245 FENSKE führt als Mitglieder der Nationalversammlung Friedrich und Wilhelm SCHULZ, Franz SCHUSELKA, Julius FROEBEL, Wilhelm JORDAN, Robert MOHL, Carl Theodor WELCKER, Johann Gustav DROYSEN und Carl von MOERING an; HIERY ergänzt als koloniale Anhänger in der Mitte des 19. Jahrhunderts: Gebrüder FÖLLEN, Julius FRÖBEL, Ferndinand LASALLE, Heinrich von GAGERN, Johannes MIQUEL, Leopold von RANKE; FENSKE: Imperialistische Tendenzen, S. 368; HIERY: Der Kaiser, Das Reich und der Kolonialismus, S. 157
246 HACHTMANN: Epochenschwelle, S. 143
247 SIEMANN: Deutsche Revolution, S. 147
248 KAPP, Ernst: Philosophische oder vergleichende allgemeine Erdkunde als wissenschaftliche Darstellung der Erdverhältnisse und des Menschenlebens nach ihrem inneren Zusammenhang, 2 Bde., Braunschweig 1845, Bd. 1, S. 255
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- Flemming Schock (Author), 2004, Flottenbegeisterung, Flottendiskussion und Flottenpolitik im Vormärz und in der Revolution von 1848/49, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29641
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