An einem Ort, an dem Menschen in einem festgelegten Rahmen dauerhaft aufeinander treffen und ihre Zeit gemeinsam gestalten, entwickelt sich ein besonderer, kontextbezogener Umgang miteinander, der von spezifischen Denk- und Handlungsweisen geprägt ist – eine „Kultur“ entsteht. Auch ein Unternehmen ist ein solcher Ort, der eine Kultur – die so genannte Unternehmenskultur – hervorbringt.
Ebenso wie in allen anderen Kulturen werden auch in Unternehmen einzelne Aspekte aus dem kulturellen Sektor von bestimmten Gruppen für die Durchsetzung ihrer Interessen instrumentalisiert. Hier sind es beispielsweise bestimmte Gruppen im Management, die unter Schlagworten wie „Kultur des offenen Miteinanders“ oder „Trust-culture“ die Mitarbeiter in ihrer Arbeitswelt effektiver kontrollieren möchten. Auf der anderen Seite sind es z. B. Belegschaftsvertreter, die sich für die Etablierung einer „Lernkultur“ im Unternehmen einsetzen, um mehr Fortbildungszeiten für die Mitarbeiter zu erreichen.
Generell prägen Prozesse wie Bildung, Entwicklung, Implementierung und Veränderung eine Unternehmenskultur, die sowohl gemeinschaftsbildende Aspekte als auch Konfliktpotentiale mit sich bringen. An diesem Komplex setzt der Bereich der Angewandten Ethnologie an, der sich mit der Unternehmenskulturforschung beschäftigt. Auch wenn diese Form der Kulturforschung im Vergleich zu anderen, weiter verbreiteten Forschungsfeldern der Ethnologie immer noch eine Randdisziplin darstellt, so reichen ihre Wurzeln doch bis in die 1930er Jahre nach Amerika zurück. Damals begannen einzelne Ethnologen, Prozesse, Strukturen und Verhaltensweisen innerhalb von Industriebetrieben zu untersuchen1. Die eigentliche Geburtsstunde der Unternehmenskulturforschung in ihrer heutigen Form lag jedoch in den 70er Jahren und stand in engem Zusammenhang mit dem damaligen Erfolg japanischer Unternehmen. Dieser wurde von Seiten der amerikanischen Wirtschaft unter anderem auf die in japanischen Unternehmen vorherrschende, andersartige Kultur zurückgeführt. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat sich die Unternehmenskulturforschung in Amerika zu einem festen Bestandteil der Ethnologie entwickelt, der auch von Seiten der Wirtschaft anerkannt ist. Anders sieht es hingegen bei der ethnologischen Unternehmenskulturforschung in Deutschland aus: Trotz verschiedener, insbesondere seit Ende der 80er Jahre durchgeführter Studien hat sie sich bis heute noch nicht richtig etablieren können.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Thema und Fragestellung
- 3. Methode der Literatursuche und Textanalyse
- 4. Begriffsdefinitionen zum Thema Unternehmenskultur
- 4.1 Definition des Begriffs „Kultur“
- 4.2 Definition des Begriffs „Unternehmen“
- 4.3 Definition des Begriffs „Unternehmenskultur“
- 5. Zentrale theoretische Aspekte des Kulturwandels in der Ethnologie und ihr Bezug zur Unternehmenskultur
- 5.1 Kulturwandel aus ethnologischer Sicht
- 5.2 Kulturwandel in Unternehmen
- 6. Angewandte Ethnologie in Unternehmen und ethnologische Methoden zur Erfassung einer Unternehmenskultur
- 6.1 Angewandte Ethnologie in Unternehmen
- 6.2 Ethnologische Methoden zur Erfassung einer Unternehmenskultur
- 6.2.1 Teilnehmende Beobachtung
- 6.2.2 Qualitative ethnographische Interviews
- 7. Ethnologische Unternehmenskulturforschung in Deutschland: Problematische und chancenreiche Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen – Eine Analyse dreier exemplarischer Studien
- 7.1 Andreas Novak: „Die Zentrale. Ethnologische Aspekte einer Unternehmenskultur“
- 7.1.1 Eckdaten der Studie
- 7.1.2 Problematische Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen
- 7.1.3 Chancenreiche Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen
- 7.1.4 Schlussbetrachtung der Studie
- 7.2 Andreas Wittel: „Belegschaftskultur im Schatten der Firmenideologie“
- 7.2.1 Eckdaten der Studie
- 7.2.2 Problematische Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen
- 7.2.3 Chancenreiche Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen
- 7.2.4 Schlussbetrachtung der Studie
- 7.3 Irene Götz: „Unternehmenskultur: Die Arbeitswelt einer Großbäckerei aus kulturwissenschaftlicher Sicht“
- 7.3.1 Eckdaten der Studie
- 7.3.2 Problematische Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen
- 7.3.3 Chancenreiche Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen
- 7.3.4 Schlussbetrachtung der Studie
- 7.4 Zusammenfassung der problematischen und chancenreichen Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen
- 7.4.1 Schaubild „Problematische Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen“
- 7.4.2 Schaubild „Chancenreiche Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen“
- 7.5 Optimierungspotentiale in der ethnologischen Unternehmenskulturforschung
- 8. Zusammenfassung und Resümee
- 9. Fazit und Ausblick: Die Perspektiven der ethnologischen Unternehmenskulturforschung in Deutschland
- Definition und Relevanz des Begriffs „Unternehmenskultur“
- Die Anwendung ethnologischer Methoden in der Unternehmenskulturforschung
- Die Rolle des Kulturwandels in Unternehmen
- Problematische und chancenreiche Aspekte der Zusammenarbeit zwischen Forschern und Unternehmen
- Entwicklung einer wissenschaftlichen Perspektive auf die Unternehmenskulturforschung in Deutschland
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der ethnologischen Unternehmenskulturforschung in Deutschland. Sie analysiert die Herausforderungen und Chancen, die sich aus der Begegnung zwischen Forschern und Unternehmen ergeben. Dabei stehen insbesondere die Anwendung ethnologischer Methoden und die Entwicklung einer wissenschaftlichen Perspektive auf Unternehmenskulturen im Vordergrund.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel liefert eine Einleitung in das Thema und stellt die Relevanz der Unternehmenskulturforschung dar. Das zweite Kapitel präzisiert das Thema und die Fragestellung der Arbeit. Im dritten Kapitel wird die Methode der Literatursuche und Textanalyse erläutert. Die Kapitel 4 und 5 befassen sich mit der Definition des Begriffs „Unternehmenskultur“ und den zentralen Aspekten des Kulturwandels in der Ethnologie und ihrem Bezug zur Unternehmenskultur. Kapitel 6 beleuchtet die angewandte Ethnologie in Unternehmen und die ethnologischen Methoden zur Erfassung einer Unternehmenskultur. Kapitel 7 analysiert exemplarisch drei Studien, die sich mit der ethnologischen Unternehmenskulturforschung in Deutschland befassen. Dabei werden die problematischen und chancenreichen Aspekte in der Begegnung zwischen Forscher und Unternehmen untersucht. Kapitel 8 fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. Das letzte Kapitel, Kapitel 9, bietet ein Fazit und einen Ausblick auf die Perspektiven der ethnologischen Unternehmenskulturforschung in Deutschland.
Schlüsselwörter
Unternehmenskultur, ethnologische Methoden, Kulturwandel, angewandte Ethnologie, Unternehmenskulturforschung, Deutschland, qualitative Forschung, teilnehmende Beobachtung, ethnographische Interviews, problematische Aspekte, chancenreiche Aspekte, Forscher-Unternehmen-Beziehung
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- Stefanie Hermes (Author), 2004, Angewandte Ethnologie in der Wirtschaft: Probleme und Chancen der ethnologischen Unternehmenskulturforschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29507