Die Beichte ist an Schulen - vor allem im Primarbereich - eine gängige wie auch problematische Praxis. Als Sakrament der Versöhnung hält sie eine zentrale christliche Botschaft bereit, die aber durch konkrete Realisierungen der Sakramentenspendung konterkariert werden kann. Der Autor geht als ein sich selbst vergewissernder Praktiker der spannenden Frage nach, mit welchem Anspruch eine konkrete Form der Schulbeichte kritisiert und vor allem bei Bedarf weiterentwickelt werden kann, damit sie nicht als Heilszeichen der Versöhnung in ihr Gegenteil verkehrt wird.
In einer pointierenden Vorgeschichte macht der Autor auf den untrennbaren Zusammenhang zwischen Form ("Tat") und Inhalt ("Wort") aufmerksam. Die ersten beiden Kapitel führen in das Thema sowie in die Vorgangsweise der Arbeit ein. Im dritten Kapitel erfolgt die Beschreibung einer konkreten Form von Schulbeichte und zeigt, welche Handlungsimpulse diese ausgelöst hat. Im vierten Kapitel schlägt der Autor ein Analyseinstrumentarium vor, das mögliche Kriterien für eine Orthopraxie liefern soll. Das fünfte Kapitel stellt die konkrete Anwendung des Analyseinstrumentes vor und es zeigt sich, dass im Ringen um eine konkrete Praxis ein wichtiger Aspekt vernachlässigt wurde: der Bezug auf konstitutive Quellen des Glaubens. Das sechste Kapitel versucht, einen solchen Bezug in groben Zügen zu skizzieren und arbeitet Grundlinien für eine Theologie der Versöhnung heraus. Im siebten Kapitel erfolgt vor dem Hintergrund dieser Grundlinien eine Kritik der "alten Praxis" und es werden Umrisse einer "neuen Praxis" erarbeitet. Das achte Kapitel unternimmt schließlich einen zusammenfassenden Rückblick, bei dem nochmals auf den wichtigen Zusammenhang zwischen intendiertem Sinngehalt und einer konkret erfahrbaren Sinngestalt hingewiesen wird.
Inhaltsverzeichnis
0. Eine pointierende Vorgeschichte... 5
1. Einleitung... 6
1.1 Das Thema... 6
1.2 Die Methode... 8
2. Beschreibung einer kirchlichen Versöhnungspraxis... 9
2.1 Grundsätzlicher Ablauf... 9
2.2 Begleitende, subjektive Beobachtungen... 10
3. Eine Praxis, die provoziert... 10
3.1 Ein Brief und seine Folgen... 10
3.2 Der PGR als Triebfeder... 12
3.3 Entwicklungen bis 2004... 13
3.3.1 Katechetenkonferenz... 13
3.3.2 Versöhnungsgottesdienste in Schule und Gemeinde... 14
3.3.3 Beichte und Aussprache in der Schule... 14
4. Rationale Strukturen des Dialogs über Glaubensfragen... 15
4.1 Selbstverständliche Selbstvergewisserung... 15
4.2 Der operative Ansatz von Otto Muck... 16
4.2.1 „Wahrheit“ als Adäquation... 16
4.2.2 Warum nach der Adäquation fragen?... 18
4.2.3 Operative Formulierung des Ideals der Geltung... 19
4.3 Der intrareligiöse Dialog und Diskurs... 26
4.3.1 Glaube als Weltanschauung... 27
4.3.1.1 Meinungsverschiedenheiten – warum?... 28
4.3.2 Bezugspunkte eines intrareligiösen Dialogs... 28
4.3.3 Struktur des diskursiven Dialogs... 30
4.3.4 Abschließende Zusammenfassung... 32
4.4 „Ort“ von Dialog und Diskurs... 34
5. Praktische Anwendung des Ansatzes von Muck... 35
5.1 Erste Prüfung des Glaubensverständnisses... 35
5.2 Der operative Ansatz beim Brief... 38
5.3 Vom Dialog zu den ersten Änderungen... 40
5.4 Zwischenergebnis – die Stellungnahme des PGR Ferntal... 43
6. Bezug zu konstitutiven Quellen... 45
6.1 Biblische Grundlagen... 46
6.1.1 Grundlinien für eine Theologie der Versöhnung... 49
6.2 Öffentliche Exkommunikationsbuße im Altertum... 51
6.2.1 Grundlinien für eine Theologie der Versöhnung... 52
6.3 Die keltische Bußform („Tarifbuße“)... 53
6.3.1 Grundlinien für eine Theologie der Versöhnung... 55
6.4 Lehramtliche Entscheidungen... 56
6.4.1 Grundlinien für eine Theologie der Versöhnung... 59
6.5 Entwicklungen im 20. Jahrhundert... 60
6.5.1 Grundlinien für eine Theologie der Versöhnung... 61
7. Kritik der „alten Praxis“ und Umrisse einer „neuen Praxis“... 62
7.1 Mögliche implizite Voraussetzungen... 62
7.2 Anfragen an implizite Voraussetzungen... 65
7.3 Geänderte Voraussetzungen und Ansätze für Konsequenzen... 68
7.3.1 Wahrnehmung von Gemeinde... 68
7.3.2 Die problematische Rede von der Sünde... 69
7.3.3 Rekonziliationsbeichte oder Andachtsbeichte... 72
7.3.4 Geändertes Sakramentenverständnis... 73
7.3.5 Liturgische und nichtliturgische Formen der Versöhnung... 75
7.3.6 Andachtsbeichten als seelsorgliche Gespräche... 78
7.3.7 Versöhnungsgottesdienste als liturgische Formen der Buße... 78
7.3.8 Mehrere reden und entscheiden mit... 81
8. Zusammenfassender Rückblick... 82
9. Literaturverzeichnis... 84
10. Beilagen... 86
Beilage 1... 86
Beilage 2... 87
Beilage 3... 90
Beilage 4... 91
0. Eine pointierende Vorgeschichte
Die Geschichte aus längst vergangenen Zeiten, die so oder ähnlich passiert ist oder passieren hätte können, erzählt von einem alten Pfarrer, der schon vieles in seinem Leben mitgemacht hatte. Besonders viel hatte er mit den schon etwas älteren Schülerinnen und Schülern erlebt, die manchmal ziemlich aufsässig sein konnten. Wieder hatte er am Anfang des Schuljahres eine der höheren Klassen zu übernehmen, was ihm gar nicht gefiel, denn die waren immer so kritisch und glaubten seiner Meinung nach an gar nichts mehr. Als er nach dem Pausengong die Stiegen zum zweiten Stock hinauf stieg, war er schon ziemlich nervös, denn er wusste, dass diese erste Stunde für das weitere Jahr entscheidend sein würde.
Als er oben angekommen zur Klasse blickte und dort einen etwas schlaksigen Schüler sah, der die Tür grinsend offen hielt, hatte er eine Idee. Beim Schüler angekommen verabreichte er ihm eine schallende Ohrfeige, was jeder in der Klasse sehen und hören konnte. Es war mucksmäuschenstill in der Klasse. Der Pfarrer blickte streng in die Klasse und fragte, ob die Schüler denn wüssten, was jener Junge an der Türe angestellt habe. Keiner meldete sich. Dann wandte er sich dem Schüler mit der jetzt roten Backe an der Türe zu: „Und, weißt du es? Was hast du getan?“ Der Schüler zuckte mit den Schultern und stotterte mit feuchten Augen: „I-i- ich weiß nicht, n- n- nichts?!“ Zufrieden nickte der Pfarrer und sprach: „Stimmt. Jetzt könnt ihr euch vorstellen, was mit demjenigen passiert, der etwas anstellt!“
Anschließend schickte der Pfarrer den Schüler von der Tür zu seinem Platz und eröffnete die Stunde mit dem Lied: „Gottes Liebe ist so wunderbar.“ Hernach erzählte er in den schönsten Gleichnissen von der Barmherzigkeit und Liebe Gottes.... [1]
1. Einleitung
Den vorliegenden Text habe ich im Dezember 2004 unter dem Titel „Das Sakrament der Versöhnung als Religiöse Übung. Kritik und Weiterentwicklung einer Praxis“ als Diplomarbeit eingereicht. Nun soll diese Arbeit nach über zehn Jahren einem breiteren Kreis von LeserInnen zugänglich gemacht werden. Warum erst jetzt?
Das liegt erstens daran, dass der Text sensible Daten enthält, weil er sehr spezifische Einblicke in die konkrete Arbeit einer Schule/Pfarrgemeinde gewährt und es mir fern liegt, bestimmte Akteure einem wie auch immer gearteten öffentlichen Urteil auszusetzen. Mittlerweile hat sich jedoch viel geändert, bestimmte Pfarrstrukturen von damals sind Geschichte, wie auch die meisten Akteure aus verschiedensten Gründen nicht mehr vor Ort sind.
Was sich nicht verändert hat, sind bestimmte Praktiken an (Pflicht-)Schulen, die im Zusammenhang mit dem Sakrament der Versöhnung gepflogen werden. Das ist der zweite Grund, warum ich mich für eine Publikation entschieden habe. So verbinde ich damit die Hoffnung, dass meine Überlegungen speziell all jenen eine Hilfe sein möge, die sich mit dem Sakrament der Versöhnung in schulischen Kontexten beschäftigen. Einen Mehrwert der vorliegenden Arbeit sehe ich zudem darin, dass die gewählte Vorgangsweise nicht speziell auf das das Sakrament der Versöhnung beschränkt ist, sondern dass am Beispiel dieses Sakraments eine Herangehensweise gezeigt wird, die als ein möglicher Weg einer Selbstvergewisserung auch in anderen Kontexten nützlich sein könnte.
1.1 Das Thema
Nach langem Überlegen, womit meine Auseinandersetzung mit dem Thema der vorliegenden Arbeit beginnen sollte, erschien mir eine pointierende Eingangsepisode am treffendsten die Aufmerksamkeit auf mein Anliegen hinzulenken. Paradigmatisch illustriert sie, wie „Wort“ und „Tat“ eng miteinander verwoben untrennbare Aspekte eines Ganzen sind, die aufeinander verwiesen gemeinsam eine Sinneinheit bilden. Im Konkreten gilt dieser Zusammenhang für alle Religiösen Übungen, die an Schulen angeboten werden.
Religiöse Übungen begegnen den SchülerInnen wie auch LehrerInnen während eines Unterrichtsjahres in regelmäßigen Abständen. Wortgottesdienste am Beginn und Ende des Schuljahres, Eucharistiefeiern, Beichten[2], Aschenkreuzauflegungen, Blasiussegen sind Realisierungen der Möglichkeit, dass in Schulen Unterrichtszeit für religiöses, liturgisches Handeln und Feiern [3] in Anspruch genommen werden darf. In meiner Arbeit wende ich mich speziell der Religiösen Übung der Beichte zu, die ich in den Schulen der Pfarre Eggenhaus[4], von mehreren Standpunkten her betrachtet, erleben durfte - als Schüler, als Lehrer und als Vater eines schulpflichtigen Kindes. Nachdem meine eigene „Beichtgeschichte“ mit dem Ende der Hauptschulzeit ein vorläufiges Ende gefunden hatte, stellte sich bei mir in der späteren Konfrontation als Lehrer mit dieser Praxis zunächst Unbehagen ein, das ich anfangs nicht genau beschreiben und ausdrücken konnte. Jedenfalls löste die Begegnung mit diesem speziellen Teil meiner eigenen Geschichte einen inneren Widerspruch aus. Während dieser Zeit begann ich mein Studium der Selbständigen Religionspädagogik und schon wenige Semester später gelang es mir, mein Unbehagen besser auszudrücken und kritische Fragen stellen zu können. Treibend war für mich besonders die Frage, wie man denn eine konkrete Praxis, die dem eigenen Glaubensverständnis in manchen Aspekten zu widersprechen schien, begründet hinterfragen und weiterentwickeln konnte. Mir ging es nie darum eine Praxis einfach abzulehnen, sondern anzufragen, WARUM man etwas tut und es gerade SO tut. Im Laufe des Studiums durfte ich mich in zwei Seminaren mit meinem Thema aus verschiedenen Perspektiven auseinandersetzen. In einem TZI-Seminar ging ich der Frage nach, wie man zu (welchem) Wissen kommt und was dieses Wissen für das Sakrament der Versöhnung in Schule und Gemeinde bewirkt. Bei einem Fundamentaltheologieseminar befasste ich mich besonders mit dem operativen Ansatz von Otto Muck, der besonders die Geltung (Wahrheit) von Aussagen im Blick hat.
In der Diplomarbeit geht es mir nun um Folgendes: Meine Anfragen an eine konkrete Form der Beichtpraxis und die damit verbundenen Vorschläge zur Veränderung haben auch tatsächlich gewisse Entwicklungen bewirkt. Das Geschehene soll als Prozess beschrieben und reflektiert werden. Schließlich will ich auch versuchen, Ansprüche auf Veränderung fundiert zu begründen und Linien aufzuzeigen, wie die Praxis des Sakraments der Versöhnung an einer Schule konkret weiterentwickelt werden kann.
1.2 Die Methode
Alle Analysen nehmen ihren Ausgang bei einer konkreten Praxis zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort. Daher wird im Anschluss an den Methodenteil dieser Faden sofort aufgegriffen und eine in narrativem Stil gehaltene Beschreibung der Beichtpraxis in Eggenhaus den Auftakt zur Arbeit bilden. Es folgt danach eine Beschreibung der Entwicklungen, die meine Anfragen an diese Praxis ausgelöst haben.
Mit dem Ansatz von Otto Muck werde ich anschließend versuchen ein theoretisches Modell für den Diskurs über Glaubensfragen in die Praxis zu übertragen. Seine Unterscheidungen sollen helfen verstehbar zu machen, wie eine sakramentale Praxis als hervorragende Handlung im Leben einer Glaubensgemeinschaft bestimmten Bedingungen unterworfen, kritisiert werden kann und muss, um nicht die Intention, der diese Handlung entspringt, ins Gegenteil zu verkehren, weil sich Bedingungen, von denen die Praxis (meist implizit) ausgeht, geändert haben.
Die Herausforderung dabei besteht für mich vor allem darin, ein theoretisches Modell, das sich mit Aussagen über Weltanschauungen beschäftigt, nutzbar zu machen für eine Analyse und einen Dialog über eine sakramentale Handlung, die den Anspruch erhebt, ein Heilszeichen der römisch-katholischen Kirche zu sein. Das Modell wird Begriffe zur Verfügung stellen, mit denen die konkrete Praxis gewürdigt und - sich seiner Bedingtheit bewusst - weiterentwickelt werden kann.
Der Bezug zu konstitutiven Quellen des Glaubens wird in der Folge den Blick schärfen, explizite und implizite Bedingungen (Voraussetzungen) der Beichtpraxis erheben zu können. Davon ausgehend werde ich im letzten Teil der Arbeit die ins Auge gefasste Beichtpraxis kritisch (im Sinne von unterscheidend) hinterfragen und auf mir notwendig erscheinende Konsequenzen für Schule und Pfarre hinweisen.
Dieses Vorgehen entspricht weiterhin dem handlungswissenschaftlichen Ansatz Praktischer Theologie, dem ich mich verpflichtet fühle. Karl-Fritz Daiber fasst für mich zusammen:
„ Versteht man Praktische Theologie als Handlungswissenschaft, so geht es ihr wesentlich darum, bestehende Praxis zu überprüfen und unter den gegenwärtigen Bedingungen so zu erneuern, dass diese das zugesagte Heil exemplarisch zu verdeutlichen vermag. Praktische Theologie in diesem Sinne als Handlungswissenschaft zu verstehen, ist heute deshalb notwendig, weil der rasche Wandel des sozialen Lebens gerade auch die kirchliche Praxis vor immer neue Situationen stellt. Gefundene Problemlösungen verlieren schnell ihre Funktion und müssen durch neue ersetzt werden. Dies besagt nicht, dass Traditionen bedeutungslos sind, sie gelten nur nicht selbstverständlich, sie müssen sich als Heil ermöglichend bewähren .“[5]
2. Beschreibung einer kirchlichen Versöhnungspraxis
Im Folgenden wird nun die kirchliche Versöhnungspraxis im Sakrament der Beichte an einem konkreten Fall dargestellt. Es handelt sich um Eggenhausener Hauptschulen in der Zeit von 1980 bis 1984 und 1995 bis 1999. Im ersten Zeitabschnitt war ich selber Schüler in der Hauptschule A in Eggenhaus. Im zweiten Abschnitt war ich Lehrer an der Hauptschule B in Eggenhaus. Weder Zeitabschnitte noch Schulen werden bei der Darstellung des Bußsakramentes unterschieden, weil an beiden Schulen zu beiden Abschnitten vom selben Pfarrer betreut eine Form der sakramentalen Versöhnung praktiziert wurde, die den Gegenstand meiner Untersuchung bildet.
2.1 Grundsätzlicher Ablauf
Zweimal im Jahr wurde für die Hauptschule ein Beichttermin angeboten. Einer lag im ersten Semester (vor Weihnachten) und der andere im zweiten Semester (vor Ostern). Bei einigen Klassen gab es auch drei Termine (6. Schulstufe als Firmklasse). Meist wurde kurz nach der Beichte (in derselben Woche) Eucharistie mit der gesamten Schule gefeiert. Die Kinder wurden durch den Religionslehrer auf die Beichte vorbereitet und an einem – durch den Pfarrer festgesetzten Tag – geschlossen pro Schulstufe von einem Lehrer, der gerade die Klasse unterrichtete (oft nicht der Religionslehrer), zur Kirche geführt. Dort erhielten die Kinder eine weitere kurze Vorbereitung seitens des Pfarrers (Beichtspiegel mit den 10 Geboten, sowie eine Gewissenserforschung nach den Lebensbereichen). Anschließend setzten sich die Kinder in die Bänke vor den Beichtstühlen und warteten dort, bis sie zur Beichte an der Reihe waren. Das vorhandene Aussprachezimmer in der Sakristei wurde nicht genützt. Nach der Beichte begaben sich die Schüler in die vordersten Kirchenbänke, verrichteten dort ihre Buße (per Leuchtanzeige waren zur Hilfe Nummern im Gotteslob angegeben) und warteten auf die übrigen Mitschüler, bis diese ihre Beichte ebenfalls beendet hatten. Die Zeit einer Einzelbeichte betrug im Schnitt etwa drei Minuten. Die Kinder konnten sich aussuchen, bei welchem Pfarrer sie beichten wollten. Wenn es aber zu Stauungen kam, verteilten die anwesenden Lehrer die Schüler dorthin, wo weniger Schüler auf das Beichten warteten, damit man es schaffte, in der einen Schulstunde fertig zu werden. Zum Abschluss erfolgte noch ein durch den Pfarrer geleitetes Gebet, hernach kehrten die SchülerInnen zum Unterricht in die Schule zurück.
2.2 Begleitende, subjektive Beobachtungen
Einige SchülerInnen nahmen die Beichte sehr positiv an, weil manchmal missliebige Stunden für sie ausfielen. „Besser beichten gehen als Mathe“, war von manchen SchülerInnen zu hören. Bei einigen Klassen konnte ich feststellen, dass sie erst am Tag der Beichte davon erfuhren, dass sie an diesem Tag zur Beichte gehen sollten. In der Kirche fiel mir auf, dass bei dem einen Priester oft mehrere Kinder saßen und bei dem anderen weniger. Jene SchülerInnen, die dann zwangsweise dorthin geschickt wurden, wo weniger saßen, folgten nur widerwillig der Anweisung. Einige Schüler sind mir noch in Erinnerung, die im Beichtstuhl absichtlich so laut sprachen, um die Wartenden zu unterhalten. In einem anderen Fall hatte ein Schüler einen „Sündenzettel“ geschrieben, den er als Hilfe im Beichtstuhl benützte. Beim Verlassen des Beichtstuhles übergab er den Zettel einem anderen Mitschüler, der noch vor dem Beichtstuhl wartete. Jene Kinder, die schon fertig waren, mussten oft ermahnt werden, damit sie nicht zu laut wurden (Pro Reihe nur vier Schüler mit großen Abständen dazwischen sitzen zu lassen, um die Kommunikation untereinander zu verhindern, war zum Beispiel eine wirksame disziplinäre Maßnahme).
3. Eine Praxis, die provoziert
3.1 Ein Brief und seine Folgen
Wie eingangs erwähnt, kannte ich diese Praxis aus meiner Schülerzeit, und nun, im Schuljahr 1995/96, begegnete ich ihr wieder in einer anderen Rolle. Als Lehrer, der damals nicht Religion unterrichtete, schenkte ich dem anfangs weniger Beachtung, doch nachdem ich einige Male als Begleitlehrer zu dieser Religiösen Übung eingeteilt worden war, wuchs mein Unbehagen. In den Weihnachtsferien 1999/2000, nach einigen Semestern Theologiestudium, fasste ich den Entschluss, dass ich eine derartige Handlungsweise nicht mittragen konnte, und schrieb einen Brief[6] an den Pfarrer von Eggenhaus, den Pfarrgemeinderat (PGR) von Eggenhaus und Ferntal[7], den Direktor und an den Fachinspektor für Religion an Volks- und Hauptschulen, in welchem ich deutlich machte, dass ich keine Beaufsichtigung mehr während der Beichte halten wolle, und begründete meinen Entschluss vorwiegend mit den Leitlinien zur Bußpastoral der Diözese Innsbruck [8]. Die für mich erkennbaren Folgen des Briefes waren:
- Der Fachinspektor für Religion an Volks- und Hauptschulen kam zu uns an die Schule und führte Gespräche mit dem Direktor und mit der Religionslehrerin. Der Inspektor führte seinerseits auch Gespräche mit dem Pfarrer von Eggenhaus.
- Der Pfarrer von Eggenhaus war durch meine Vorgehensweise gekränkt, weil ich ihm den Brief samt Leitlinien der Diözese einfach in den Briefkasten gelegt hatte und ihm beides nicht persönlich übergeben hatte. Nach einem Telefonat und der Zeit von einigen Wochen fanden wir einen Termin für ein Gespräch.
- Der Obmann des PGR von Eggenhaus kam mit der Religionslehrerin der Hauptschule und mit mir zu einer Aussprache zusammen.
- In einer der folgenden Sitzungen des PGR Eggenhaus kam der Brief auf die Tagesordnung. Da kein Handlungsbedarf gesehen wurde, beschloss der PGR keine weiteren Maßnahmen.
- In der Hauptschule wurde sehr kurzfristig und mit wenigen Informationen für die beteiligten Lehrer eine „Woche der Versöhnung“ auf Wunsch des Direktors eingeführt. In verschiedenen Fächern (vor allem in der Klassenvorstandsstunde) sollte das Thema „Versöhnung“ angesprochen werden, um über den engen Rahmen des Religionsunterrichts hinausgehen zu können und dadurch die umfassendere Bedeutung der Versöhnung für jegliches Zusammenleben zu unterstreichen. Diese Woche der Versöhnung war eine einmalige Aktion vor der Osterbeichte im Schuljahr 2000.
- Ein Beichtvater, mit dem mehrere Schüler Probleme hatten, wurde gebeten, nicht mehr bei dieser Religiösen Übung dabei zu sein.
- Das Beichtzimmer, das die Eggenhausener Schüler bereits von der Volksschule her kannten, wurde nun auch für die Hauptschüler neben den Beichtstühlen wieder für Beichtgespräche angeboten.
- Während die Schüler auf die Beichte warteten bzw. während der Zeit nach der Beichte, in der die Schüler in der Kirche saßen, wurde über eine Musikanlage Meditationsmusik eingespielt.
- Der Schulamtsleiter der Diözese hatte ebenfalls über Umwege den Brief erhalten und schickte mir ein Schreiben, in dem er meine Initiative begrüßte und eine Beschäftigung des Schulamtes mit diesem Thema ankündigte.
3.2 Der PGR als Triebfeder
Um weitere Impulse für eine Weiterentwicklung der Bußsakramentes zu geben, initiierte ich eine Arbeitsgruppe aus dem PGR von Ferntal, wo ich selber Mitglied war. Der PGR übertrug mir die Leitung dieser Gruppe, in der der Pfarrer von Ferntal (erste Sitzung), ein weiteres Mitglied des PGR, sowie zwei betroffene ReligionslehrerInnen (VS-Ferntal und HS-Eggenhaus) vertreten waren. Unser Ziel war es, den IST-Zustand der Bußpastoral zu erheben (sowohl Schule als auch Pfarrgemeinde), einen entsprechenden SOLL-Zustand zu formulieren, und davon ausgehend Wege für die Erreichung des erwünschten Zustandes dem PGR zur Beschlussfassung vorzulegen. Die zu treffenden Maßnahmen, die dem PGR nach einer zweiten Sitzung dieser Arbeitsgruppe zur Beschlussfassung vorgelegt wurden, sind der Beilage[9] zu entnehmen. Die Beschlüsse wurden an den PGR von Eggenhaus zur Information weitergeleitet.
Die Beichte im zweiten Semester des Schuljahres 2000/2001 wurde nach dem neuen Modell durchgeführt. Die wesentlichen Änderungen lauten zusammengefasst:
- Die SchülerInnen werden rechtzeitig auf den Beichttermin hingewiesen und melden sich automatisch an, wenn sie sich nicht bei der Religionslehrerin abmelden.
- Für SchülerInnen, die in der Schule bleiben, wird ein Ersatzunterricht organisiert.
- Die Beichte erhält mehr Zeit zur Verfügung: Wer fertig ist mit Beichte und Buße, kommt in den Pfarrsaal, wo eine Lehrperson Aufsicht führt. Die SchülerInnen finden dort Spiele vor (Brettspiele etc.), mit denen sie sich in der Zwischenzeit beschäftigen können.
- Das Aussprachezimmer ist für Beichtgespräche geöffnet.
- Wenn alle die Beichte beendet haben, gibt es eine kleine Jause und ein Gebet beendet die Religiöse Übung. Anschließend begeben sich die SchülerInnen zurück zur Schule.
Das Zusammenkommen nach der Beichte wurde nach Meldungen der BegleitlehrerInnen von den SchülerInnen gut angenommen, vor allem aber das Bewusstsein, dass man beichten darf, wenn man will. Die Zahl der Anmeldungen zur Beichte war überwiegend hoch (meist 100%). Nur bei einzelnen Klassen fielen die Abmeldungen etwas umfangreicher aus.
Zusätzlich wurde erstmalig auf den Beschluss des PGR hin ein länger vorbereiteter Versöhnungsgottesdienst (an einem Samstag kurz vor der Karwoche) in der Pfarre Ferntal angeboten. Bußgottesdienste hatte es schon vorher gegeben, doch waren diese an einem Werktag unter der Woche (ein Abendgottesdienst), nicht von einem Team vorbereitet und nicht thematisch für die Pfarrgemeinde aufbereitet (Ein Beispiel für eine solche Aufbereitung befindet sich im Anhang [10]. Diese Blätter wurden bei den Sonntagsgottesdiensten in der Fastenzeit von den Ministranten ausgeteilt).
3.3 Entwiclungen bis 2004
3.3.1 Katechetenkonferenz
Wurden früher die Katechetenkonferenzen[11] vorwiegend wie „Befehlsausgaben“ verstanden, bei denen der Pfarrer ein vorbereitetes Blatt mit den Terminen für die Gottesdienste und für die Beichten austeilte, änderte sich diese Praxis dahingehend, dass die ReligionslehrerInnen die Termine in Absprache mit dem Pfarrer selbst festlegen konnten. Besonders wurde darauf wert gelegt, dass die ReligionslehrerInnen selber die Klasse zur Beichte begleiten konnten.
3.3.2 Versöhnungsgottesdienste in Schule und Gemeinde
Die Vereinbarung, dass pro Jahr und Klasse einmal Beichte und einmal ein Versöhnungsgottesdienst angeboten wird, ist weiterhin in Kraft. Bei den Versöhnungsgottesdiensten gab es zwei Varianten: Zum einen wurde ein Gottesdienst in Zusammenarbeit mit dem Pastoralassistenten geplant und gefeiert und zum anderen wurden die Kinder mit ihren Eltern zu den eigens vorbereiteten Versöhnungsgottesdiensten in der Pfarre Ferntal schriftlich eingeladen. [12] Da es in Eggenhaus keine derartigen Gottesdienste gab und noch immer nicht gibt, machte ich die Erfahrung, dass bei Klassen mit einem Großteil von Eggenhausener Kindern diese Einladungen wenig fruchtbringend waren.
3.3.3 Beichte und Aussprache in der Schule
Die Beichten finden in ihrer geänderten Form weiterhin so statt, wie sie unter Punkt 3.2 umrissen wurden. Die Jause wurde bei den letzten Beichtterminen wegen mangelhafter Absprachen mit der Pfarre nicht angeboten. Als Ergänzung zum Versöhnungsgottesdienst wurde im letzten Jahr den 4. Klassen eine Aussprache in der Schule angeboten. Nachdem der Bedarf in den Klassen erhoben worden war, erklärte sich der Kooperator bereit, in die Schule zu kommen, um hier für Gespräche zur Verfügung stehen zu können. Vor allem Schülerinnen machten davon Gebrauch, die diese Gespräche als „Beratungsgespräche“ nützten. Diese Aussprachen fanden zumeist nicht einzeln, sondern in Paaren oder Gruppen statt. Die Zeit pro Aussprache bewegte sich im Rahmen von 15 Minuten bis zu einer Stunde.
Diese kurze Beschreibung der äußeren, formalen Umstände des Beichtsakraments für Schüler der Hauptschulen in der Pfarre Eggenhaus soll uns nun als Grundlage für eine weitere Analyse mit dem Ansatz von Otto Muck genügen.
4. Rationale Strukturen des Dialogs über Glaubensfragen
4.1 Selbstverständliche Selbstvergewisserung
Eine Kirche und damit auch eine Gemeinde, die für sich den Anspruch erhebt, in der Nachfolge Christi zu stehen und dieser Nachfolge entsprechend ihr Leben und Handeln auszurichten, muss sich selbstvergewissernd fragen, ob sie dem Anspruch in ihrer Verkündigung und ihrem Leben möglichst gerecht wird. Dieses In-Frage-Stellen betrifft nicht nur jedes einzelne Mitglied, sondern auch jede konkrete Gemeinschaft als Pfarre sowie die Weltkirche (mit ihren Institutionen und Gremien). Im Hintergrund stehen hier Bildworte aus der Schrift, wo vom Fruchtbringen [13] die Rede ist, vom Zeugnisgeben[14], vom Streben nach Vervollkommnung[15] oder davon, dass sich die Gläubigen als wahre Kinder Gottes[16] erweisen sollen, an denen ersichtlich wird, wer ihr „Vater“ ist. Wenn in einer handlungsorientierten Perspektive primär an einer religiösen Praxis der Gläubigen angesetzt wird, ist – um möglichen Missverständnissen vorzubauen – nicht aus dem Auge zu verlieren, was Gott den Menschen schon immer geschenkt hat (seine „Gnade“). Es könnte sich sonst leicht die irrige Deutung ergeben, es ginge nur um das, was der Mensch zu leisten habe, so als ob er sich gleichsam selbst durch sein Handeln irgendwie erlösen könnte. Ich verstehe das glaubende Handeln der Menschen als Reaktion auf die geschenkte Guttat Gottes, als freiwillige Fügung in den Heilswillen Gottes (die „Werke“ der Menschen). In den Handlungen der Nachfolge, wo sich das Glaubensverständnis der Menschen gleichsam „verleiblicht“, soll erkennbar sein, welchem Anruf die Menschen folgen, wessen „Kinder“ sie sind. Eine dieser Handlungen[17], in meinem Fall das Sakrament der Beichte für Hauptschüler in Eggenhaus, die das von Jesus Christus zugesagte Heil exemplarisch (realsymbolisch) verdeutlichen soll, wird Prüfstein einer Selbstvergewisserung sein, die um eine wahre - das heißt möglichst authentische - Christusnachfolge ringt.
4.2 Der operative Ansatz von Otto Muck
4.2.1 „Wahrheit“ als Adäquation
Otto Muck setzt bei der Suche nach der Wahrheit von Aussagen über die Wirklichkeit, die einer bestimmten Lebenserfahrung entspringen, nicht bei einer allgemeinen Theorie von Wahrheit an, sondern schlägt vor
„...bei der Frage nach Begriff und Kriterium der Wahrheit zurückzugehen auf Anlässe in unserem Leben, die uns die Frage nach der Wahrheit stellen lassen. Dadurch können wir bei der Behandlung des Wahrheitsbegriffs etwas unabhängiger werden von bestimmten Modellansätzen, die bereits eine (oft unangemessene) Deutung der Erkenntnis beinhalten. Wir nennen diese Einführung von Begriffen, welche von unseren Tätigkeiten (Operationen) des Fragens, Behauptens, Entscheidens, Handelns ausgeht, operativ. “[18]
Muck setzt voraus, dass wir über die erfahrbare Wirklichkeit Aussagen treffen können, und diese Aussagen dann wahr sind, wenn Wirklichkeit und der in einer Aussage behauptete Sachverhalt über die Wirklichkeit übereinstimmen (Adäquation). Damit kennzeichnet er den Begriff von Wahrheit (Was man meint, wenn man sagt, etwas sei wahr). Unter Kriterien der Wahrheit versteht Muck Verfahren, „ die überprüfen lassen, ob die Aussage tatsächlich wahr ist.“[19]
[Dies ist eine Leseprobe. Graphiken und Tabellen sind nicht enthalten.]
Durch ihre je eigene Lebensgeschichte haben Menschen bestimmte Erfahrungen, von denen sie sich leiten lassen und die sie für gültig (verlässlich und damit wahr) halten. Tauchen Erfahrungen auf, die das bisher für gültig Gehaltene als nicht mehr gültig erscheinen lassen, ist der Mensch gefordert wieder eine Verlässlichkeit (Gültigkeit) seines Wissens, an dem er sich in seinen Entscheidungen im Leben orientiert, zu finden, um die Möglichkeit von Irrtum auszuschließen. Damit wird für Muck die Frage nach der Geltung des Wissens und nach den Kriterien dieser Geltung zur Frage nach der Wahrheit und den Kriterien für die Wahrheit unserer Aussagen.[20]
Was bedeutet das für meine Überlegungen? Als Menschen haben wir eine bestimmte Lebenserfahrung, zu der bei Christen auch Glaubensgehalte gehören, die ein bestimmtes Glaubensverständnis begründen. Als Glaubensverständnis bezeichne ich die (eingeschränkte) Interpretation des „wahren Glaubens“ (Ideal der „Orthodoxie“)[21], die sowohl einen einzelnen konkreten Menschen als auch eine Glaubensgemeinschaft in den Handlungen bestimmt. Lebenserfahrung und Glaubensverständnis bilden gemeinsam die Weltanschauung, von der man annimmt, sie sei gültig und verlässlich. Der Weltanschauung folgend trifft der Mensch Entscheidungen und führt Handlungen aus, von denen er beansprucht, dass sie mit dem „wahren Glauben“ übereinstimmen (Adäquation) und nicht in Konflikt dazu geraten.
[Dies ist eine Leseprobe. Graphiken und Tabellen sind nicht enthalten.]
Wie der einzelne Mensch seinem Glaubensverständnis entsprechend besten Wissens und Gewissens handelt, so prägen auch das (rituelle) Leben der Glaubensgemeinschaft Handlungen, von denen die Gemeinschaft ausgehen muss, sie stimmen mit dem „wahren christlichen Glauben“ überein. Sakramentale Handlungen als besonders hervorragende Handlungen im Leben der Glaubensgemeinschaft müssen ganz entschieden diesen Anspruch erheben. Damit ist das Spannungsfeld, in dem meine Arbeit steht, abgegrenzt: Es geht speziell um eine sakramentale Handlung, die einem christlichen Glaubensverständnis entspringt und den Anspruch erheben muss, mit dem wahren christlichen Glauben übereinzustimmen. Diese ideal gedachte Übereinstimmung werde ichAuthentizität oder Adäquation nennen und Handlungen, die diesem Ideal entsprechen, werden als Orthopraxie bezeichnet.
Für meine Zwecke heißt das, dass ich bei der Frage nach der Authentizität einer sakramentalen Handlung, die einem christlichen Glaubensverständnis entspringt, dem Ansatz Otto Mucks folgend auf Anlässe im Leben zurückgehe, die die Frage nach der Übereinstimmung (Adäquation) mit dem „wahren Glauben“ (Orthodoxie) stellen lassen. Eine Authentizität verstehe ich also, um es nochmals zu betonen, in dem Sinn, dass das, was man tut, dem gerecht wird, was dem Verständnis einer christlichen Nachfolge, wie vorher durch die Bibelworte in den theologischen Vorbemerkungen illustriert, entspricht. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es wichtig an dieser Stelle festzuhalten, dass ich eine absolute Adäquation nicht als einen Zustand betrachte, den eine Glaubensgemeinschaft je erreichen könnte, sondern als ein Ideal, dem sich eine Gemeinschaft in je verschiedenen Kontexten versucht selbstvergewissernd im Geiste Gottes anzunähern. Eine ideal gedachte Adäquation bestünde dann darin, wenn eine Gemeinde in ihrem Handeln dem Anspruch der Nachfolge Christi gerecht wird (kurz: eine Orthopraxie, die der Orthodoxie entspringt).
4.2.2 Warum nach der Adäquation fragen?
Die Frage nach der Adäquation setzt eine Reflexion auf die Geltung unseres Glaubensverständnisses voraus. Glaubensverständnis habe ich die (eingeschränkte) Interpretation des „wahren Glaubens“ (uns zugänglich in den Glaubensquellen), die einen einzelnen konkreten Menschen und eine Glaubensgemeinschaft in den Handlungen bestimmt, genannt. Eine Reflexion wird gewöhnlich durch Erfahrungen ausgelöst, die das Vertrauen in unser Glaubensverständnis erschüttern. Erschütterungen kommen wie schon angesprochen von der Erfahrung von Irrtum und Meinungsgegensätzen [22]. Auf die Beichtpraxis umgemünzt heißt das, es liegt die Erfahrung einer konkreten Praxis vor und bestimmte Momente an dieser Praxis scheinen dem Glaubensverständnis eines konkreten Menschen zu widersprechen. Eine derartige Erfahrung veranlasst eine kritische Reflexion des eigenen Verständnisses und versucht Gründe zu finden, warum eine Praxis so und nicht anders oder überhaupt vollzogen wird. Es stellt sich in Folge die Frage, ob denn das eigene oder das Glaubensverständnis anderer, die eine Praxis (mit-) tragen, sich nicht als (teilweise) falsch erweist.
[...]
[1] Die Herkunft dieser Geschichte ist mir nicht bekannt.
[2] Die Begriffe „Beichte“, „Sakrament der Versöhnung“ und „Bußsakrament“ werden synonym gebraucht.
[3] Vgl. RUG und Erlässe des LSR für Tirol von 1967 und 1994.
[4] Um unmittelbare Rückschlüsse auszuschließen, habe ich relevante Orts- und Personenbezeichnungen verfremdet.
[5] Daiber, Karl-Fritz, zit. in Müller, Josef, Pastoraltheologie – Ein Handbuch für Studium und Seelsorge, S 78.
[6] Siehe Beilage 1.
[7] Ferntal ist die Nachbargemeinde von Eggenhaus. Beide Pfarren werden von zwei verschiedenen Pfarrern betreut. Da es in Ferntal keine Hauptschule gibt, besuchen Schüler aus Ferntal die Hauptschulen in Eggenhaus.
[8] Siehe Literaturangabe.
[9] Siehe Beilage 2.
[10] Siehe beispielsweise Beilage 3.
[11] Dieser Begriff bezeichnet ein Treffen aller ReligionslehrerInnen am Schulstandort.
[12] Siehe Einladung in Beilage 4.
[13] Lk 7, 19-20 oder auch Lk 5,16; Joh 15.
[14] Joh 15, 27.
[15] Lk, 5,48.
[16] Joh 8,30-47; Phil 2, 15; 1 Joh 3.
[17] Man könnte statt allgemein von Handlungen auch von „Gottesdienst“ sprechen. Reinhard Messner unterscheidet dabei zwei Dimensionen: Wenn die katabatische Dimension Gottes Dienst an den Menschen bezeichnet, so ist die anabatische Dimension der Dienst, die Reaktion des gläubigen Menschen vor Gott. Vergleiche Meßner, Reinhard, Skriptum Einführung in die Liturgie, S 2.
[18] Muck, Otto, Rationale Strukturen des Dialogs über Glaubensfragen, S 117-118.
[19] Muck, Otto, Rationale Strukturen des Dialogs über Glaubensfragen, S 117.
[20] Vgl. Muck, Otto, Rationale Strukturen des Dialogs über Glaubensfragen, S 119.
[21] Der „wahre Glaube“ begegnet uns nicht unvermittelt, sondern muss aus den Glaubensquellen interpretativ erschlossen werden. Die Begriffe „Wahrer Glaube“, „Orthodoxie“ oder auch „Depositum Fidei“ beziehen sich in dieser Arbeit auf dieselbe Entität.
[22] Vgl. Muck, Otto, Rationale Strukturen des Dialogs über Glaubensfragen, S 118.
- Citation du texte
- Harald Klingler (Auteur), 2004, Heilszeichen Schulbeichte? Kritik und Weiterentwicklung einer Praxis, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295017
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