In seinem 1971 erschienen Buch mit dem Titel „Von der Pädagogik zur Erziehungswissenschaft“ geht es Wolfgang Brezinka um die Abgrenzung der auf Alltagserfahrungen basierenden traditionellen Pädagogik von einer systematisch und empirisch vorgehenden Erziehungswissenschaft. Dazu analysiert er die sprachlichen Besonderheiten beider Bereiche und entwickelt Regeln für einen wissenschaftlichen Sprachgebrauch.
Ziel dieser Arbeit ist es, in Brezinkas Denken einzuführen und ausgewählte Themen seiner wissenschaftstheoretischen Analyse genauer darzustellen. Im Mittelpunkt stehen dabei Brezinkas Ausführungen zum „Naiven Empirismus“ und zum Begriff der wissenschaftlichen Theorie wie er sie in oben erwähntem Werk thematisiert hat. Ergänzend dazu werde ich mich sowohl auf Brezinkas später veröffentlichtes Buch „Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft“, als auch auf Literatur anderer Autoren beziehen. Der Grund dieses Vorgehens liegt darin, dass Brezinka sehr häufig auf die wissenschaftstheoretischen Positionen seiner Zeit zurückgreift. Da er diese allerdings meist nur in sehr komprimierter Form referiert, ist der Blick in die eine oder andere Zusatzliteratur nahezu unumgänglich.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ziele und sprachliche Merkmale der Pädagogik
2.1 Der pragmatisch-zielorientierte Zugang
2.2 Der sprachanalytische Zugang
3 Ziele und sprachliche Merkmale der Erziehungswissenschaft
3.1 Wissenschaftliche Theorien
3.2 Wissenschaftliche Hypothesen als zentrale Bestandteile von Theorien
4 Methodologische Probleme der frühen empirischen Erziehungswissenschaft und deren Lösung
4.1 Das Wissenschaftsverständnis des Naiven Empirismus
4.2 Poppers Falsifikationismus
5 Zusammenfassung
I Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In seinem 1971 erschienen Buch mit dem Titel „Von der Pädagogik zur Erziehungs- wissenschaft“ geht es Wolfgang Brezinka um die Abgrenzung der auf Alltagserfah- rungen basierenden traditionellen Pädagogik von einer systematisch und empirisch vorgehenden Erziehungswissenschaft. Dazu analysiert er die sprachlichen Besonder- heiten beider Bereiche und entwickelt Regeln für einen wissenschaftlichen Sprach- gebrauch.
Ziel dieser Arbeit ist es, in Brezinkas Denken einzuführen und ausgewählte Themen seiner wissenschaftstheoretischen Analyse genauer darzustellen. Im Mittelpunkt ste- hen dabei Brezinkas Ausführungen zum „Naiven Empirismus“ und zum Begriff der wissenschaftlichen Theorie wie er sie in oben erwähntem Werk thematisiert hat. Er- gänzend dazu werde ich mich sowohl auf Brezinkas später veröffentlichtes Buch „Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft“, als auch auf Literatur anderer Autoren beziehen. Der Grund dieses Vorgehens liegt darin, dass Brezinka sehr häufig auf die wissenschaftstheoretischen Positionen seiner Zeit zurückgreift. Da er diese allerdings meist nur in sehr komprimierter Form referiert, ist der Blick in die eine oder andere Zusatzliteratur nahezu unumgänglich.
Das zweite Kapitel hat dabei einführenden Charakter und soll das Verständnis des Folgenden erleichtern. Es wird präzisiert, was Brezinka unter „Pädagogik“ versteht und anhand welcher sprachlicher Kriterien diese zweifelsfrei zu erkennen sei. Kon- trastierend dazu geht es im dritten Kapitel um die Ziele und die sprachlichen Merk- male der „Erziehungswissenschaft“. Dazu stelle ich dar, was die Aufgaben wissen- schaftlicher Theorien sind und wodurch sie sich von anderen Aussagensystemen un- terscheiden. Anhand eines Beispiels erläutere anschließend die Merkmale wissen- schaftlicher Hypothesen. Im Mittelpunkt steht dabei Brezinkas Unterscheidung zwi- schen statistischen und deterministischen Hypothesen. Im vierten Kapitel werde ich versuchen aufzuzeigen, wodurch sich Brezinkas Ansatz von früheren Konzeptionen der empirischen Theoriebildung unterscheidet. Dazu stelle ich die grundlegenden Annahmen und Probleme des „Naiven Empirismus“ vor. Nach einem längeren Ab- schnitt über Poppers Falsifikationismus werde ich zum Schluss die zentralen Gedan- ken kurz zusammenfassen.
Das zweite Kapitel hat dabei einführenden Charakter und soll das Verständnis des Folgenden erleichtern. Es wird präzisiert, was Brezinka unter „Pädagogik“ versteht und anhand welcher sprachlicher Kriterien diese zweifelsfrei zu erkennen sei. Kon- trastierend dazu geht es im dritten Kapitel um die Ziele und die sprachlichen Merk- male der „Erziehungswissenschaft“. Dazu stelle ich dar, was die Aufgaben wissen- schaftlicher Theorien sind und wodurch sie sich von anderen Aussagensystemen un- terscheiden. Anhand eines Beispiels erläutere anschließend die Merkmale wissen- schaftlicher Hypothesen. Im Mittelpunkt steht dabei Brezinkas Unterscheidung zwi- schen statistischen und deterministischen Hypothesen. Im vierten Kapitel werde ich versuchen aufzuzeigen, wodurch sich Brezinkas Ansatz von früheren Konzeptionen der empirischen Theoriebildung unterscheidet. Dazu stelle ich die grundlegenden Annahmen und Probleme des „Naiven Empirismus“ vor. Nach einem längeren Ab- schnitt über Poppers Falsifikationismus werde ich zum Schluss die zentralen Gedan- ken kurz zusammenfassen.
2 Ziele und sprachliche Merkmale der Pädagogik
2.1 Der pragmatisch-zielorientierte Zugang
Um hinreichend genau angeben zu können, was unter „Pädagogik“ zu verstehen sei, zeigt Brezinka zwei unterschiedliche Zugangsweisen auf, sich dem Inhalt dieses Begriffs zu nähern.
Einen ersten Zugang findet Brezinka, indem er auf die Zielsetzungen, die Entste- hungsgeschichte, sowie den mit „Pädagogik“ befassten Personenkreis hinweist (vgl. Brezinka 1990, S. 11 ff.). Ich möchte diese Zugangsweise als den pragmatisch- zielorientierten Zugang bezeichnen. So verstanden sei „Pädagogik“ die Bezeichnung für eine praktische Erziehungslehre, deren vordergründiges Ziel darin bestehe, das Handeln von Erziehungspraktikern (beispielsweise von Lehrern und Erziehern) anzu- leiten und ihnen somit auch die Bewältigung schwieriger Erziehungssituationen zu ermöglichen (vgl. Brezinka 1971, S. 2 ff.). Man denke dabei etwa an die verzweifelte Mutter, die voller Sorge um das Wohl ihres Kindes einen Erziehungsratgeber konsul- tiert und dort in einfacher Sprache ein (vermeintliches) „Rezept“ für die Lösung ihres Erziehungsproblems vorfindet. So könnte die Mutter auf die Frage, wie sie ihr Kind dazu bewegen könnte, mehr auf Ordnung und Sauberkeit zu achten, den Hinweis erhalten, selbst immer wieder das erwartete Verhalten zu zeigen und dadurch eine Vorbildwirkung zu erzielen. An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass das Erzie- hungsgeschäft im Rahmen der „Pädagogik“ immer von einem praktischen Stand- punkt aus betrachtet wird. So schreibt Brezinka:
Bei praktischer Einstellung erscheint das Erziehen als eine Aufgabe, für deren Lösung Richtlinien, Anweisungen, Vorschriften oder Regeln gebraucht werden. (Brezinka 1971, S. 163, Hervorhebungen im Original)
Bei dem innerhalb der „Pädagogik“ erzeugten Wissen handelt es sich somit in erster Linie um ein aus der Berufserfahrung der Erziehungspraktiker stammendes praktisches Wissen (Wissen, wie) (vgl. Brezinka 1990, S. 11).
2.2 Der sprachanalytische Zugang
Um den Begriff noch präziser fassen zu können (besonders auch um ihn vom Be- griff „Erziehungswissenschaft“ abgrenzen zu können), charakterisiert Brezinka das, was er unter „Pädagogik“ verstanden wissen möchte auch ausschließlich anhand sprachlicher Merkmale. Ich möchte diese Zugangsweise daher als den sprachanalyti- schen Zugang bezeichnen. Unter dieser Perspektive meint Brezinka mit „Pädagogik“ eine (aufgrund ihrer methodologischen Mängel) vor- beziehungsweise nicht- wissenschaftliche1 Aussagenmenge, in welcher sich eine relativ gering regulierte Verwendung der Sprache zeige (vgl. Brezinka 1971, S. 59 f.). Der pädagogische Sprachgebrauch sei, bedingt durch die Herkunft der „Pädagogik“ aus der Alltagser- fahrung praktizierender Lehrer und Erzieher stark an der Umgangssprache orientiert. Deswegen enthalte die pädagogische Sprache zahlreiche vage und mehrdeutige Be- griffe, sowie inhaltsleere und uninformative Sätze, wie etwa: „ ,Wo objektiver Geist und die sich entfaltende, suchende, subjektive Geistigkeit zusammentreffen, da liegt der Prozeß der Bildungʻ “ (ebd., S. 62).
Des Weiteren zeichne sich die „Pädagogik“ dadurch aus, dass in ihr die Sprache in dreifacher Funktion gebraucht werde: informativ, präskriptiv und emotiv. Besonders vorherrschend sei dabei die präskriptive Verwendung der Sprache (vgl. Brezinka 1990, S. 15). Dies habe zur Folge, dass die pädagogische Literatur voll sei von nor- mativen Aussagen über erstrebenswerte Erziehungsziele, Handlungsvorschriften und Anleitungen für pädagogische Institutionen. Daneben gebe es auch noch eine Gruppe deskriptiver und erklärender Aussagen in denen die informative Funktion des päda- gogischen Sprachgebrauchs zum Ausdruck komme. Beschreibungen unterschiedli- cher Erziehungssituationen, Alltagserklärungen und Vorhersagen haben hier ihren Platz (vgl. Brezinka 1971, S. 3 f.). Durch den Einsatz von Schlagwörtern, wie ,Bildung ist Bürgerrechtʻ oder ,Gleichheit der Bildungschancenʻ (Brezinka 1990, S. 19), sowie den Gebrauch programmatischer Definitionen, wie „ ,[d]ie wahre Liebe des Lehrers ist die hebende und nicht die begehrende […]ʻ “ (ebd.), kann auch die emotive Verwendung der Sprache nachgewiesen werden.
Als weiteres Charakteristikum pädagogischer Texte verweist Brezinka schließlich noch auf den Umstand, dass in diesen auch Metaphern zum Einsatz kämen. Dies ver- stärke den Grad der Ungenauigkeit pädagogischer Aussagen und rücke die „Pädago- gik“ in den Bereich der schlechten literarischen Dichtung (vgl. Brezinka 1990, S. 20). Für Brezinka ist somit klar, dass die „Pädagogik“ schon allein aufgrund ihrer sprachlichen Mängel, keine Wissenschaft sein könne (vgl. Brezinka 1971, S. 59 f.).
3 Ziele und sprachliche Merkmale der Erziehungswissenschaft
3.1 Wissenschaftliche Theorien
Der eher an praktischen Fragen interessierten Pädagogik stellt Brezinka das Modell einer bestimmten methodologischen Regeln folgenden, an der Erkenntnis der Wirklichkeit interessierten Erfahrungswissenschaft gegenüber. Das Ziel einer solchen empirisch vorgehenden „Erziehungswissenschaft“ bestehe darin, Theorien aufzustellen, auf deren Grundlage erzieherisch relevante Phänomen beschrieben, erklärt und vorausgesagt werden könnten (vgl. Brezinka 1971, S. 51 ff).
Wie bereits beim Pädagogikbegriff beschreibt Brezinka die Intension des Theoriebe- griffs auf zweierlei Arten.2 Das Ziel (erziehungs-)wissenschaftlicher Theorien ergibt sich aus der bereits erwähnten Zielstellung der Erziehungswissenschaft und besteht im Wesentlichen darin, Gesetzesaussagen zu formulieren, mit deren Hilfe erzieheri- sche Phänomene erklärt und künftige Ereignisse prognostiziert werden können (vgl. ebd., S. 53). In Anlehnung an das Wissenschaftsverständnis der Analytischen Philo- sophie (s. Fußnote 1), charakterisiert Brezinka den Begriff der Theorie auch über den Sprachgebrauch. So betrachtet, bezeichnet er wissenschaftliche Theorien als logisch geordnete Satzsysteme (vgl. ebd., S. 51).
Diese Systeme dienen laut Brezinka allein der Information, das heißt der sprachlich exakten Vermittlung dessen, was der Fall ist (vgl. Brezinka 1990, S. 15). Demnach seien in wissenschaftlichen Theorien ausschließlich informative, das heißt deskriptive und erklärende Sätze zugelassen. Hinsichtlich der unter 2.2 genannten Funktionen der Sprache heißt das, dass die Sprache auf ihre informative Funktion beschränkt bleiben muss. Normative oder gar emotive Aussagen jeder Art werden somit aus dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch ausgeschlossen (vgl. ebd.).
Damit eine deskriptive Aussage auch den Status einer wissenschaftlichen Aussage einnimmt, müsse sie allerdings noch ein weiteres Kriterium erfüllen: Sie müsse so formuliert sein, dass ihr Wahrheitswert mit empirischen Methoden intersubjektiv ermittelt werden könne. Dies habe zur Folge, dass sämtliche Sätze (auch deskriptive Sätze), bei denen eine solche Überprüfung nicht möglich sei, aus der Wissenschaft fernzuhalten seien (vgl. Brezinka 1971, S. 53).
Betrachtet man die Struktur wissenschaftlicher Theorien und der in ihnen vorkom- menden Aussagen noch etwas genauer, so gelangt man auf die Ebene der Begriffe. Unter dem Terminus „Begriff“ versteht Brezinka „die Bedeutung eines Wortes“ (Brezinka 1990, S. 25). So bezeichnen die Wörter „Tisch“, „table“ und „tavolo“ jeweils denselben (allgemeinen) Begriff. Das heißt diese drei Worte haben dieselbe Bedeutung. Für Brezinka sind Begriffe die grundlegenden Bestandteile von Aussa- gen (vgl. ebd.). Anders als in pädagogischen Aussagensystemen, in denen zahlreiche vage und mehrdeutige Begriffe anzutreffen seien (vgl. Brezinka 1971, S. 60), fordert er für den Bereich der wissenschaftlichen Theoriebildung klar definierte Begriffe, deren Intension so genau wie möglich bestimmt und deren Verwendung eindeutig reguliert sein müsse (vgl. Brezinka 1990, S. 28).
Für die Formulierung der in wissenschaftlichen Theorien vorkommenden Aussagen, seien zwei Arten von Begriffen von besonderer Relevanz: theoretische und empirische Begriffe. Theoretische Begriffe beziehen sich dabei Brezinka zufolge, auf nicht direkt beobachtbare Gegenstände. Zu diesen zählen auch die erziehungswis- senschaftlichen Grundbegriffe wie beispielsweise der von Brezinka im Rahmen ei- ner Begriffsexplikation3 eingeführte Erziehungsbegriff (vgl. ebd., S. 70 ff.).
[...]
1 Die fehlende Wissenschaftlichkeit pädagogischer Aussagen ist dabei keine absolute, sondern ergibt sich relativ zum wissenschaftstheoretischen Standpunkt des Autors. Für Brezinka, der seine wissenschaftstheoretischen Überlegungen am Wissenschaftst- verständnis der Analytischen Philosophie, beziehungsweise des Kritischen Rationalismus ausrichtet,.. heißt.. nicht-wissenschaftlich.. so.. viel ..wie ..nicht ..den.. methodologischen Festsetzungen dieser Wissenschaftsauffassung entsprechend (vgl. Brezinka 1971, S. 23).
2 Wie bereits bei 2.1 und 2.2, so könnte man auch hier wieder von einem pragmatischzielorientierten und einem sprachanalytischen Zugang sprechen.
3 Unter einer Begriffsexplikation versteht Brezinka (bezugnehmend auf Carnap), den Vorgang, bei dem ein ungenauer, vager oder mehrdeutiger Begriff durch einen
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