Anders als in den meisten westeuropäischen parlamentarischen Demokratien vollzieht sich die Bildung einer neuen Regierung in Frankreich in extrem kurzer Zeit, obwohl die meisten davon Koalitionsregierungen im parlamentarischen Sinn sind. Demgemäß scheint der Koalitionsbildung innerhalb des vom Premierminister geleiteten gouvernement und der ihn tragenden parlamentarischen Mehrheit eine eher untergeordnete Bedeutung zuzukommen.
In weit größerem Maße ergibt sich ein System von gegenseitiger Abhängigkeit, von Konsenspflicht und zwang und von definierten Umgangsregeln im Fall einer Koalition zwischen zwei Staatsorganen, dem Präsidenten der Republik und dem Premierminister: die cohabitation.
Seitdem sie im Jahre 1977, als während der Präsidentschaft Giscard d’Estaings, der sich nur auf eine zerstrittene rechte Mehrheit in der Nationalversammlung stützen konnte, die Linke einen triumphalen Sieg bei den Kommunalwahlen davontrug, zum ersten Mal greifbar und im Jahre 1986 Realität wurde, haben sich ungezählte Analysten ihrer angenommen und ihre Auswirkungen auf das französische Verfassungssystem untersucht. Einigkeit im Hinblick auf die Rolle, die Rechte und Pflichten der beteiligten Akteure, und auf den Beitrag der cohabitation zur Veränderung des politischen Systems konnte indes nicht erreicht werden.
Vielmehr laufen die Forschungsergebnisse auf die Frage hinaus, ob die Verfassung dahingehend modifiziert werden sollte, dass es zu einer cohabitation nicht mehr kommen kann. Der Volksentscheid des Jahres 2001, die Amtszeit des Präsidenten auf fünf Jahre zu verkürzen, und die Übereinkunft von Regierung und Parlament, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen des Jahres 2002 in kurzer Folge stattfinden zu lassen, dienten jedenfalls diesem Zweck - mit Erfolg: eine konservativ-bürgerliche Parlamentsmehrheit unter Jean-Pierre Raffarin löste die Regierung Jospins ab und steht damit in derselben politischen Linie wie der wiedergewählte Präsident Jacques Chirac.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
1 Rahmenbedingungen
1.1 Der Verfassungsrahmen
1.1.1 Die geschriebene Verfassung
1.1.2 Die Verfassungswirklichkeit
1.2 Das Parteiensystem
2 Regierungsbildung
2.1 Akteure
2.1.1 Der Staatspräsident
2.1.2 Der designierte Premierminister
2.1.3 Das Parlament
2.2 Prozess und Inhalte
3 Voraussetzungen und Wesensmerkmale der Regierungsbildung im Falle der cohabitation
3.1 Verfassungsrechtliche Aspekte
3.2 Politische Aspekte
4 Funktion und Arbeitsweise der Regierung in der cohabitation
4.1 Die Dyarchie
4.2 Regierungskrisen und Beendigung der cohabitation
5 Beurteilung der cohabitation
5.1 Beurteilung durch die Wähler
5.2 Beurteilung durch Wissenschaft und Publizistik
Schlussbemerkungen
Verzeichnis der verwendeten Literatur
Verzeichnis der erwähnten Literatur
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