Der Heilige Florian. Man kennt ihn an Hausfassaden oder an Gebäuden der Feuerwehr. Ein Mann, der, gekleidet wie ein Soldat, ein brennendes Haus löscht. Aber was ist dran an der Legende um den Heiligen Märtyrer? Ist der heilige Florian historisch oder eine fromme Legende seiner Zeit?
Diese Arbeit soll hierauf eingehen.
Ausgehend von der Ausbreitung des Römsichen Reiches auf das Gebiet von Noricum (dem heutigen südlichen Donauraum), über die Verdrängung der Römer aus diesem Gebiet, bis hin zu den großen Christenverfolgungen unter den Kaisern Decius, Valerian und Diokletian, wird das demographische und politische Umfeld des Heiligen veranschaulicht.
Anschließend soll der Legende des Heiligen Florians auf den Grund gegangen werden. Hierzu werden sowohl die "Passio Floriani", als auch verschiedene Martyrologien vergleichend betrachtet. Ziel soll es sein, die historischen Fakten von der Legende zu trennen und zu veranschaulichen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Christianisierung des bairisch-österreichischen Donauraumes mit besonderer Berücksichtigung der Provinz Noricum
2.1. Die allgemeine Situation des Donauraumes im 3. und 4. Jahrhundert und die Neustrukturierung der Provinz Noricum
2.2. Frühchristliche Spuren im Donauraum
3. Die reichsweiten, systematisch durchgeführten kaiserlichen Christenverfolgungen
4. Die Verfolgung unter Kaiser Decius (249-251)
4.1. Staat und Kult – das Ausgangsproblem
4.2. Die Umsetzung der Opfersupplikation und ihre Folgen
5. Die valerianische Christenverfolgung (257-260)
5.1. Das erste Edikt des Kaisers
5.2. Das zweite Edikt
6. Kaiser Diokletian (284-305) – Die große Verfolgung zur Erneuerung der Römischen Religion
6.1. Gott und Kaiser - Die Neuordnung der monarchischen Herrschaftsform und die Divinisierung des Kaisertums
6.2. Die diokletianischen Edikte
6.3. Die Umsetzung der Edikte im Römischen Reich
6.4. Das Ende der Christenverfolgungen
7. Der heilige Florian
8. Die Quellen zum Leben des heiligen Florian
8.1. Die Martyrologien
8.2. Die Passio Floriani
8.2.1. Der Text der Passio
8.2.2. Allgemeine Informationen und Angaben zur Passio Floriani
9. Leben und Sterben des heiligen Florian
9.1. Das Leben des Heiligen
9.2. Das Martyrium des Heiligen Florian – Rekonstruktion historischer Fakten der Leidensgeschichte
9.3. Der schwierige Fall der 40 Märtyrer von Lorch – Tatsache oder historische Beigabe?
10. Zusammenfassung und abschließendes Resümee
11. Anhang
12. Quellen- und Literaturverzeichnis
13. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Für die Christen in unserem Land ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sie ungehindert und ohne Angst ihren Glauben ausleben können. Staat und Gesellschaft haben sich an das Christentum gewöhnt, nennen es gar das Erbe Europas und halten die Grundzüge des christlichen Glaubens für eine gute Sache. Es ist fast so, als wäre der Glaube an Jesus Christus schon immer Bestandteil unseres Lebensumfeldes gewesen. Doch diese Annahme trügt. Wie der größte Teil der antiken Welt, waren auch Österreich und Teile Bayerns unter der Herrschaft des „Imperium Romanum“ und damit Teil einer heidnischen Götterwelt. Erst im Laufe der Jahrhunderte brachten die Menschen das Christentum aus den fernen Ostprovinzen des Reiches an den Donaustrom. Was zunächst ohne größere Probleme angenommen wurde, verwandelte sich aber ab Mitte des 3. Jahrhunderts zum neuen Staatsfeind Nummer Eins. Die Kaiser, von Kaiser Decius (249-251) bis Kaiser Diokletian (284-305), organisierten auf der ganzen Reichsebene Verfolgungen, um, wie es scheint, das noch junge Christentum auszulöschen. Zahlreiche Menschen, unter ihnen auch der heilige Florian aus dem österreichischen Enns-Lorch, wurden wegen ihres Glaubens grausam hingerichtet. Doch ist das die ganze Wahrheit? Was steckt hinter all dem? Die folgende Arbeit beschäftigt sich u.a. mit diesen Fragen. Zunächst wird ein Überblick gegeben, wie die allgemeine Situation des Donauraumes im 3. und 4. Jahrhundert ist. Anschließend sollen die frühchristlichen Spuren und damit die Verbreitung des Christentums in diesem Raum näher betrachtet werden. Hierzu werden sowohl schriftliche, als auch archäologische Quellen zu Rate gezogen. Auf diese Weise soll die Ausgangslage der Christen im Donauraum während der ersten Jahrhunderte nach Christus aufgezeigt werden. Daneben gibt die Analyse der Lebensbedingungen an der Donau auch Aufschluss darüber, wie es um die Provinz Noricum bestellt war, in welcher der heilige Florian das Martyrium erlitten hat. Im Anschluss daran stehen die kaiserlich angeordneten und systematisch organisierten Christenverfolgungen auf Reichsebene im Fokus des Interesses. Nach einem kurzen Überblick über die Religionspolitik der Kaiser Decius und Valerian soll besonders jener Kaiser Diokletian im Mittelpunkt stehen, der sich, in Verbindung mit der neu eingeführten tetrarchischen Herrschaftsform, zu einer nie dagewesen Bedrohung für das Christentum entwickeln sollte. Hinter der Betrachtung der Verfolgungen steht die Absicht, die Situation der Christen im Römischen Reich zur damaligen Zeit darzustellen, besonders da auch Florian im Zuge der diokletianischen Verfolgung das Martyrium erlitten hat. Zugleich bilden sie, neben der vorangegangenen Christianisierung des Donauraumes, den komplexen historischen Hintergrund, vor dem sich die Ereignisse um den heiligen Florian abspielen. Abschließend werfen wir einen Blick auf das Leben und Sterben des heiligen Florian selbst. Wir betrachten die Quellenlage und Historizität des Heiligen und versuchen geschichtliche Fakten von Dichtung und Legende zu trennen. So soll mit Florian ein herausragendes Beispiel christlichen Glaubens gegeben werden, in einer Zeit, in welcher das Christentum im Donauraum unter den widrigsten Bedingungen zu leiden hatte. Ziel der gesamten Arbeit ist es folglich, einen Einblick zu geben, wie sich das Christentum in unseren Gegenden ausgebreitet und entwickelt hat. Daneben sollen die Probleme, die es im Römischen Reich mit den Christen gab und die in den blutigen Verfolgungen mündeten, beleuchtet werden. Der heilige Märtyrer Florian soll dabei ein anschauliches und historisch gesichertes Beispiel für die Situation der Christen in der Verfolgungszeit geben. Blicken wir in dieser Arbeit auf ihn, stellvertretend für all die Blutzeugen des Glaubens, die in jener Zeit den Tod gefunden haben und die es wert sind, dass man sich ihrer erinnert. Beginnen wir aber am Anfang, nämlich bei den Ursprüngen des christlichen Glaubens im Donauraum.
2. Die Christianisierung des bairisch-österreichischen Donauraumes mit besonderer Berücksichtigung der Provinz Noricum
Seit der Einrichtung der Monarchie unter Kaiser Augustus war das Römische Reich in einer stabilen Verfassung.1 In dieser friedlichen Zeit sind die Bewohner des Reiches frei, auch was die Religionswahl angeht, was bis 250 n.Chr. dazu führt, dass das Christentum nie Ziel von geplanter Verfolgung geworden ist und sich so in der gesamten römischen Welt ausbreiten konnte. „Alle Reichsbewohner behielten die Freiheit, an den Sitten und Religionen ihrer Ethnien festzuhalten, vorausgesetzt, sie beeinträchtigen nicht die Majestät Roms und des Kaisers.“2 Was ändert sich nun an dieser Situation im 3./ 4. Jahrhundert, damit es zu solch drastischen Verfolgungsmaßnahmen wie unter den Kaisern Decius, Valerian und Diokletian, von denen später noch die Rede sein wird, kommt? Betrachten wir zuerst einmal die allgemeine politische Lage des Donauraumes zu dieser Zeit.
2.1. Die allgemeine Situation des Donauraumes im 3. und 4. Jahrhundert und die Neustrukturierung der Provinz Noricum
Noricum ist lange Zeit ein eigenes Königreich (bis ca. 15 v.Chr.).3 „Doch fand auch diese scheinbare Selbstständigkeit des norischen Königreiches in dem Augenblick [ein]Ende, als Rom die Vorverlegung seiner Nordgrenze bis an den Donaustrom als unerläßliche Garantie für die Sicherheit Italiens ansah und Norikum – ebenso wie seine Nachbargebiete – im Rahmen der imperialen Eroberungspolitik des Kaisers Augustus dem mittelländischen Staatsverbande einverleibt wurde […].“4 Wenn Kaiser Augustus „die Alpen und das Alpenvorland erobern und seinem Reich eingliedern“5 ließ, dann bedeutet das, dass Bayern ab ca. 15 v.Chr. unter der Herrschaft des Römischen Imperiums stand6. Das Ziel dieser Eroberungen ist die Sicherung der Alpenpässe und die Grenzsicherung gegen die Germanen, da die Region um Bayern „an der militärisch unsicheren Nordgrenze Roms“7 liegt. Schon in der Mitte des 2. Jahrhunderts führen Völkerbewegungen in Mittel- und Osteuropa sowie die Stammeszusammenschlüsse innerhalb der Germanen dazu, dass es zu militärischen Problemen an der Nordgrenze des Reiches kommt, welche ihren Ausdruck beispielsweise im Markomannenkrieg finden.8 Diese Auseinandersetzungen führen unter anderem dazu, dass Lorch „zu einem großen Militärlager mit einer ausgedehnten Zivilstadt“9 wird.
Im 3. Jahrhundert stürzt das Imperium schließlich „in eine nicht enden wollende Serie von inneren Krisen und militärischen Auseinandersetzungen mit den immer unruhiger werdenden Nachbarvölkern.“10 Die nördlichen Provinzen erfahren eine immer größer werdende Bedrohung, Teile des Reiches werden erobert, da ein mobiles Heer in diesen Regionen fehlt, der Limes muss verlegt werden Richtung Rhein, Bodensee, Iller und Donau.11 Zwar bedingt der Ausbau der römischen Straßen, dass Mitte des 3. Jahrhunderts mobile und schlagkräftige Reiterarmeen im Norden eingesetzt werden können, dennoch fallen immer wieder Alemannen in die Provinzen ein und dringen teilweise bis in die Alpentäler vor. Zu dieser Zeit drohen die Grenzgebiete sowohl militärisch, als auch verwaltungstechnisch zusammenzubrechen.12 Diese Situation führt wiederum dazu, dass die Armee, welche das bedrängte Reich vor den einfallenden Barbaren schützt, bei der Legitimation von Kaisern mehr Gewicht bekommt, da nun eigentlich das Militär den Kaiser bestimmt und nicht mehr umgekehrt. Die Zeit der Soldatenkaiser (235-284), und damit verbunden die Zeit von zahlreichen Regierungswechseln, bricht an.
Die Lage des Reiches wird immer schwieriger, denn während die Steuern erhöht werden müssen, um sich die Treue des Militärs zu erkaufen, kommt es im 3. Jahrhundert zu einer Krise des Wirtschaftssystems. Erst die Kaiser Probus (276-280) und Diokletian (284-305) konsolidieren die Lage.13 „Unter Diokletian und Konstantin wurde vor allem eine Verwaltungsreform langfristig realisiert“14, was zu einer Teilung der Alpenprovinzen führt. „So entstanden nun die Raetia Prima und Secunda, das Noricum Ripense und Mediterraneum.“15 Die ehemalige Provinz Noricum wird also in zwei Provinzen aufgeteilt.16 Der nördliche Teil mit den Zentren Lauriacum und Ovilava wird zur Provinz Noricum Ripense, während der südliche Teil mit der alten Hauptstadt Virunum zu Noricum Mediterraneum umgeformt wird. In diesem Zusammenhang ist auch Aquilinus, der Statthalter, welcher uns später auch in der Passio Floriani vor Augen gestellt wird, zum Statthalter von Noricum Ripense aufgestiegen. „In the northern provinces there were both a head of civil administration and an army commander.“17 Vermutlich sind zunächst sowohl die militärische, als auch die zivile Gewalt der norischen Provinz in den Händen des Aquilinus.18 Diokletian schafft es außerdem mit gezielten Feldzügen gegen die Alemannen (289) und gegen die Markomannen (299) der Provinz Noricum eine Zeit des Friedens zu ermöglichen.19 Während im 4. Jahrhundert die Germanen immer wieder gegen die westlichen Reichsgrenzen des Imperium Romanum anrücken, gibt es unter Konstantius II (350-361) „am norischen Donauabschnitt kaum militärische Tätigkeit.“20
Wenn diese schwierige Situation betrachtet wird, in welcher sich die nördlichen Provinzen des Römischen Reiches während des 3. und 4. Jahrhunderts befinden, dann muss die Frage gestellt werden, ob denn überhaupt eine Aussage über die Ausbreitung des Christentums in diesen Regionen möglich ist? Auf diese Frage soll nun Antwort gegeben werden, indem die wenigen christlichen Spuren, die mit dieser Zeit in Verbindung stehen, näher betrachtet werden.
2.2. Frühchristliche Spuren im Donauraum
Auf dem Gebiet des Römischen Reiches kam es im Laufe der ersten Jahrhunderte nach Christus zu einem vermehrten Aufkommen von Mysterienkulten und Religionen, z.B. der Kybelekult, Baal von Emesa oder der Mithraskult, welche sich eines hohen Zulaufs erfreuten.21 „Das Christentum, das sich erst durch die im Jahre 45 beginnende Heidenmission des Paulus (1. Missionsreise) und nach dem Apostelkonvent in Jerusalem (um 48) vom Judentum löste, begann sich damit auch in der hellenistisch-römischen Welt zu verbreiten.“22 Der christliche Glaube von Erlösung und Erlöser ist für damalige Welt ein absolutes Novum.23 „War es diesen Menschen [gemeint sind die Römer und Griechen, Anm. d. Verf.] erst einmal aufgegangen, daß sie, ohne sich der von Griechen und Römern in gleicher Weise als entwürdigend und abstoßend angesehenen Beschneidung unterziehen zu müssen, das gewinnen konnten, was das Judentum ihnen anzubieten hatte, und vieles darüber hinaus, dann war es für sie nicht mehr schwer, noch einen Schritt weiterzugehen und den Glauben an Jesus Christus anzunehmen.“24
Das wohl erste Zeugnis von christlicher Aktivität im Donauraum ist der Bericht des Regenwunders im Quadenland.25 Kaiser Marc Aurel ist bei Carnuntum von den Quaden eingekesselt und durch einen Regenguss vor dem Verdursten bewahrt worden.26 Als die Quaden die trinkenden Soldaten angreifen wollen, werden sie von zahlreichen Blitzschlägen daran gehindert. „Alle Quellen stimmen darin überein, die unverhoffte Wendung des Kriegsglücks als Resultat eines göttlichen Eingriffs zu begreifen.“27 Münzprägungen lassen darauf schließen, dass sich dieses Regenwunder wahrscheinlich im Sommer des Jahres 174 abgespielt hat.28 Auch die christlichen Schriftsteller Tertullian und Eusebius berichten über das Wunder, welches sie dem Gebet christlicher Soldaten zusprechen.29 Von ihnen bekommen wir das früheste christliche Zeugnis über das Regenwunder. „Schriftquellen und Bild lassen keinen Zweifel. Das Regenwunder war ein historisches Ereignis und wurde von den Betroffenen als Wunder verstanden, vom Kaiser ebenso wie vom letzten Roßknecht.“30 Die Soldaten der am Kampf beteiligten Legionen könnten durchaus in der Friedenszeit in Lauriacum stationiert worden sein.31 „Damit standen sie am Anfang einer Entwicklung, die trotz der letzten großen Verfolgungswelle unter Diokletian […] zu einer flächendeckenden Christianisierung des Donauraumes geführt hatte, die erst Ende des 5. Jh.s durch die Abwanderung der Bevölkerung ausgedünnt worden war.“32
Nachdem das Augenmerk nun auf die allerersten Hinweise des Christentums an der Donau gerichtet worden ist, wollen wir uns die weitere Ausbreitung desselben im 3. und 4. Jahrhundert genauer ansehen.
Über die Expansion des Christentums um 300 wird kontrovers diskutiert, denn während manche Historiker, wie beispielsweise Peter Pleyel, annehmen, dass das Christentum des 3. Jahrhunderts zwar unter einigen Soldaten praktiziert wurde, es aber sonst keine eindeutigen Hinweise für eine Ausbreitung gebe33, sind sich andere, wie Géza Alföldy oder Hartmut Wolff darin einig, dass es bereits im 3./4. Jahrhundert kleinere christliche Gemeinden auf dem Gebiet Noricums gab34. Als sicher kann es wohl angesehen werden, dass das Christentum sowohl durch jüdische Kaufleute35, als auch durch römische Soldaten in den Donauregionen Fuß fassen konnte36. „Heeresangehörige und weitgereiste Händler waren wahrscheinlich die ersten Träger des neuen Glaubens, der von Osten wie von Süden nach Österreich kam.“37 Zwar gibt es einige mittelalterliche Legenden, die behaupten, dass die Evangelisten Markus und Lukas höchstpersönlich das Christentum in die norischen Provinzen brachten, doch sind diese Thesen weder fundiert, noch haltbar.38 Natürlich gibt es Zeugnisse von frühchristlichen Gemeinden in Germanien, z.B. bei Irenäus, jedoch ist nicht sicher, ob damit auch die Donaugemeinden gemeint sind, da auch das übrige frühchristliche Schrifttum nur sehr spärliche Aussagen macht.39 Christen in Germanien werden erwähnt, aber keiner bezieht sich dabei konkret auf die Gemeinden an der Donau. „Im Unterschied zum unteren Donauraum haben wir somit für das Gebiet südlich der oberen Donau für die Zeit vor 300 keine sicheren Hinweise für christliche Gemeinden […]. Archäologisch gibt es für die ersten drei Jahrhunderte ebenfalls keine Hinweise für Christentum im Gebiet des heutigen Bayern.“40 Das Hauptproblem besteht im Grunde darin, dass ein christlicher Schriftcorpus aus diesen Regionen größtenteils nicht vorhanden ist.41
Mehr Sicherheit bekommen wir aber ab Kaiser Diokletian und dessen Christenverfolgung (303-305).42 Die Märtyrerakten dieser Zeit bezeugen eine Ausbreitung des Christentums um die Donau herum.43 Alleine im Martyrologium Hieronymianum, welches uns bereits seit dem 5. Jahrhundert vorliegt und dessen Kern auf noch ältere Quellentexte zurückgeht44, sind uns 4 550 Namen von Märtyrern überliefert45.
Doch sollen nun die wenigen verschiedenen Zeugnisse des Christentums in Bayern und Österreich um das Jahr 300 in den Fokus der Betrachtungen rücken.
Die heilige Afra von Augsburg ist die erste namentlich bekannte Christin auf dem Gebiete Bayerns.46 Sie soll während der diokletianischen Verfolgung in Aelia Augusta, der Hauptstadt der Provinz Raetia Secunda, hingerichtet worden sein. Da Aelia Augusta Provinzhauptstadt war, könnte es bereits im 4. Jahrhundert Bischofssitz gewesen sein.47 Zumindest gibt es bereits eine christliche Gemeinde in Augsburg, wie archäologische Funde (Glasschalen) nahe legen. Auf jeden Fall belegt das Zeugnis der heiligen Afra in Augsburg die Ausbreitung des Christentums in der Provinz Raetien zur Zeit des Kaisers Diokletian.48
Auch für Altbayern hoffte man einen Märtyrer aus der römischen Zeit vorweisen zu können.49 1839 finden Archäologen im Süden Regensburgs einen Kalksteinblock, auf welchem die älteste christliche Inschrift Flachlandraetiens eingemeißelt ist (vgl. Anhang 1). Sie wird ca. in das 5. Jahrhundert datiert. Der Kalkstein stellt den Grabstein einer Märtyrerin mit dem Namen Sarmannina dar. Weil dieser Stein der einzig auffindbare Verweis auf diese Märtyrerin ist, gestaltet sich die Situation schwierig, da es verschiedene Möglichkeiten der Deutung gibt. Zum einen kann es sich um eine Christin handeln, die in der Nähe von Märtyrern begraben worden ist. Damit ist jedoch nicht bewiesen, dass es in Regensburg auch Blutzeugen gegeben hat. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass Sarmannina in der Nähe von Reliquien beigesetzt worden ist, welche nicht ursprünglich aus Regensburg stammen, sondern dahin übertragen wurden. „Wenngleich wir auch aufgrund der berühmten Sarmannina–Inschrift somit wohl keinen sicheren Hinweis auf eine frühchristliche Märtyrerin aus Altbayern besitzen, so ist dieser kurze Text doch ein klares Indiz für christliches Leben im spätantiken Regensburg.“50
Bevor zu den Belegen im Gebiet Enns-Lorch Aussagen gemacht werden, soll zuvor noch der heiligen Severin als Zeuge für das Christentum im Donauraum vorgestellt werden. Der heilige Severin stirbt zwar erst um 482, seine Vita jedoch überliefert uns „viele beiläufige Informationen über das christliche Leben im Donau- bzw. Alpenraum.“51 In der Vita Severini werden zahlreiche Kirchen erwähnt, die auf den Gebieten von Raetien, Pannonien und Noricum bereits existiert haben.52 So werden zum Beispiel die Gemeinden Asturis, Comagenis, Favianis, Cucullis, Iuvao, Tiburnia, Lauriacum oder Ioviaco in Severins Vita genannt.53 Eugippius erzählt, dass Severin, als er nach Ufer-Noricum und Pannonien kam, bereits zu Presbytern und Gläubigen gesprochen habe.54 Auch für das bayerische Gebiet Passau haben wir einen eindeutigen Beleg für christliche Gemeinden, wenn es in der Vita heißt: „Batavis heißt eine zwischen zwei Flüssen, nämlich Inn und Donau, gelegene Stadt, wo der selige Severin in gewohnter Weise eine kleine Zelle für ein paar Mönche begründet hatte, und zwar deshalb, weil er selbst auf Ersuchen der Einwohner öfter dorthin kam […].“55
So bekommen wir aus der Vita Severini ein sehr anschauliches Zeugnis dafür, wie weit sich das Christentum im Laufe des 4. und 5. Jahrhunderts ausgebreitet hat. Doch blicken wir in der Geschichte noch einmal zurück nach Enns-Lorch, Anfang des 4. Jahrhunderts und betrachten wir die christlichen Spuren, zu denen auch der heilige Florian Bezug hat.
Für das Gebiet um Enns-Lorch, der ehemaligen Provinz Noricum, welches uns in Zusammenhang mit dem heiligen Florian noch näher beschäftigen wird, finden wir Indizien auf frühe christliche Aktivitäten. Zudem „betreten wir mit Florian historisch gesicherteren Boden als mit Sarmannina, ja vielleicht sogar sichereren als mit Afra.“56 Als Missionszentrum für das Gebiet Noricum kann wohl die Stadt Aquileia angeführt werden.57 Die ersten Christengemeinden Aquileias sollen bis in das 2. Jahrhundert zurückreichen und nach legendären Überliegerungen bereits zu dieser Zeit Missionsarbeit betrieben haben.58
In der Passio Floriani finden wir einen ersten Beleg für das Christentum in Noricum.59 „Als daher in jenen Tagen der Befehl der gotteslästernden Fürsten nach Ufer-Noricum, das unter der Verwaltung des Statthalters Aquilinus stand, gekommen war, da begab sich der Statthalter in das Lager Lauriacum und ging daran, die Christen energisch aufzuspüren. Und es wurden 40 von diesen Heiligen nach langen Peinen und vielen Martern in den Kerker geworfen. Der heilige Florian, der ehemalige Kanzleivorstand (des Statthalters), schloß sich freudig ihrem Bekenntnis an“60, so heißt es in der Leidensgeschichte des Heiligen, deren Historizität später noch Thema sein wird. Hinter Florian stand also mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits eine ganze Gruppe von Christen aus Noricum Ripense.61
Neben dieser schriftlichen Quelle können wir v.a. anhand archäologischer Funde auf ein frühes Christentum in den norischen Provinzen schließen, so fand man beispielsweise bei Grabungen unter der Pfarrkirche in Zeiselmauer einen ehemaligen militärischen Kultraum, welcher zur christlichen Kultausübung gedient hat (vgl. Anhang 2).62 In Tulln wurde ein Fingerring aus Bronze gefunden, in dem das Christusmonogramm genauso eingraviert wurde, wie in einer Tonlampe, welche man in Melk fand. In Traismauer kamen bei Grabungen gepresste Kästchenbeschläge zu Vorschein, die eindeutig christliche Motive aufweisen. Besonders erwähnenswert ist der Fund, der in Wels gemacht worden ist, denn „auch für das administrative Zentrum der Provinz, für Ovilava (Wels), besitzen wir ein archäologisches Zeugnis für römerzeitliches Christentum: In einer Inschrift beklagt der Soldat Flavius Ianuarius seine Gattin Ursula, die mit 38 Jahren im Kindbett verschied.“63 In einem Ausschnitt der Inschrift wird Ursula als „crestiani fidelis“, also als eine gläubige Christin bezeichnet.64 „Die einzige über jeden Zweifel erhabene frühchristliche Inschrift Ufernoricums stammt aus Wels.“65 Auch auf dem Gebiet des ehemaligen Lauriacum wurden zwei Öllämpchen mit Christusmonogramm und einem gleichschenkeligen Kreuz gefunden (vgl. Anhang 3 und 4).66 Hinzu kommen außerdem einige Fingerringe aus Bronze, welche ebenfalls das Monogramm Christi aufweisen.
Aber das wohl größte Zeugnis für ein frühes Christentum in der Provinz Noricum ist mit der Laurentiusbasilika in Lorch gegeben, welche urkundlich erstmals 902 erwähnt wird67, deren Wurzeln aber bis ins 2./3. Jahrhundert reichen68. Bei archäologischen Grabungen fand man heraus, dass es sich bei der Basilika eigentlich um einen frühen keltisch-römischen Tempelbau handelte, der umgewandelt wurde.69 So haben wir es um das Jahr 200 noch mit einem römischen Stadttempel zu tun, welcher gegen 370 zu einer frühchristlichen Basilika umfunktioniert worden ist. Wir finden in der Basilika die Grundrisse zweier frühchristlicher Kirchen.70 Diese zeichnen ein Bild von einem apsidenlosen, einschiffigen Saal mit abgetrenntem Presbyterium und einer halbrunden Priesterbank, dessen Eingang westlich ausgerichtet ist. Im Boden vor der Priesterbank gruben die Archäologen ein rechteckiges Loch aus, in welchem früher vermutlich ein Altar oder ein Reliquiengrab verankert war. Für die derzeitige Basilika werden zwei Bauphasen angenommen: die Basilika I (um 370 n. Chr.) und die Basilika II (451/53). Natürlich wurde die Basilika II im Mittelalter weiter ausgebaut, aber ein richtig gemauerter Altar wird bereits für die Basilika I angenommen. Mit diesem Altar soll auch das Kistenreliquiar, in welchem man die Gebeine der 40 Märtyrer gefunden hat, in Verbindung gestanden haben.
Es konnte im ersten Teil der Arbeit aufgezeigt werden, dass das Christentum im Donauraum zur Zeit des heiligen Florian bereits verbreitet war. Wir haben zahlreiche Zeugnisse, die darauf hinweisen, dass zum Teil bereits vor dem 3. Jahrhundert christliche Einflüsse in Bayern und Österreich spürbar waren. Auf alle Fälle kann eine Verbreitung der christlichen Religion in der Provinz Noricum Anfang des 4. Jahrhunderts, also zu Beginn der diokletianischen Christenverfolgung, als historisch sicher angesehen werden. Florian und seine Gefährten vertraten das Christentum in dieser Provinz und bezahlten dafür mit ihrem Leben. Nun stellt sich die Frage, wie es denn zu solch schrecklichen Verfolgungen kommen konnte, die die Christen im 3. und 4. Jahrhundert ertragen mussten, wenn die Römer, wie berichtet worden ist, im Grunde für eine Freiheit der Religion waren und auch dem Christentum einiges abgewinnen konnten? Diese Frage soll der folgende Teil der Arbeit näher beleuchten, indem die kaiserlich angeordneten Christenverfolgungen, deren Hintergründe und deren verfolgte Ziele näher betrachtet werden.
3. Die reichsweiten, systematisch durchgeführten kaiserlichen Christenverfolgungen
Schon vor den kaiserlich angeordneten systematischen Verfolgungen ab dem Jahr 249 mussten Christen immer wieder ihr Leben für ihren Glauben hingeben.71 Bereits Kaiser Nero hat nach dem großen Brand von Rom im Jahr 64 die Christen verfolgt, die als eine Art kriminelle Vereinigung bei den Römern galten. Viele Statthalter wussten gar nicht, wie sie mit der neuen Religion umgehen sollten, wie es der Briefwechsel zwischen Plinius und dem Kaiser Trajan deutlich macht.72 Das Reskript Trajans und dessen Bestätigung durch Kaiser Hadrian prägte lange Zeit das Verhältnis zwischen dem Staat und den Christen. Anhänger des Christentums konnten nur privat angezeigt werden, die Zugehörigkeit zum Christentum war nicht strafbar und Christen wurden nicht von staatlicher Seite aufgespürt und vor die Gerichte gestellt. Dies alles sollte sich jedoch im Laufe des 3. Jahrhunderts grundlegend ändern, als man ab 249 damit anfing, staatlich systematische Verfolgungen zu organisieren, denen zahlreiche Christen zum Opfer fielen. Aber wie kam es soweit? Was hat sich verändert, so dass die relativ friedliche Koexistenz zwischen Christentum und Staat endgültig zerstört wurde? Auf welche Art und Weise haben die römischen Kaiser die Christen verfolgt?
Auf diese Fragen will der vorliegende Teil der Arbeit versuchen Antworten zu liefern. Dazu wird zunächst die Verfolgung unter Kaiser Decius in den Blick genommen, welcher sich die valerianische Christenverfolgung anschließt. Abschließend wird auf die diokletianische Verfolgung, welcher auch der heilige Florian zum Opfer gefallen ist, mit besonderer Berücksichtigung des divinischen Aspektes der neu eingeführten Tetrarchie, und auf das Toleranzedikt des Kaisers Galerius, welches die Zeit der großen Christenverfolgungen in der antiken Welt beendet, eingegangen werden.
4. Die Verfolgung unter Kaiser Decius (249-251)
4.1. Staat und Kult – das Ausgangsproblem
In der Mitte des 3. Jahrhunderts befindet sich das Römische Reich in einer Krise, die vom Volk als Strafe der Götter angesehen wird, und „für den besonders die Weigerung der Christen, die römischen Götter zu verehren, verantwortlich gemacht wurde.“73 Die Problemfelder sind größtenteils grenztechnischer Natur.74 Die Franken fallen in Gallien ein, die Goten kommen über das Schwarze Meer und beginnen Kleinasien zu plündern, die Perser bedrohen die östlichen Provinzen des Reiches und die finanziellen Mittel des Staates neigen sich dem Ende zu. „Die Mitte des 3. Jahrhunderts eintretende tiefe Krise des Römischen Reichs wird von den Volksmassen, aber auch von den Senatoren als Folge des Zorns der Götter empfunden, da die Christen den römischen Staatsgöttern die gebührende Verehrung verweigern und so das allgemeine Wohlergehen (salus publica) gefährden, das man den Göttern zu verdanken glaubt.“75 Kaiser Decius möchte nun die alte Stärke des römischen Imperiums wieder herstellen, indem er das bekämpft, was seiner Ansicht nach für die Krise des Staates verantwortlich ist.76 „Decius […] conscious of the waekness of the Empire, and its growing inability to bear its burdens, attempted to restore strengh by striking at what he considered a prime cause of disunion.“77 Beim Kaiser entsteht der Wunsch, mit Blick auf das Elend des Staates und der Pflicht, den Kult um die alten Reichsgötter zu erhalten, sich Hilfe und Schutz der Götter zu sichern, und somit stellt er die Forderung auf, dass alle Reichsbewohner diesen Götter opfern sollen.78 Er erlässt aufgrund dieser Krisen im Herbst des Jahres 249 eine allgemeine Bittsupplikation um die Götter gnädig zu stimmen, die für alle Reichsbewohner verbindlich ist.79
Der Konflikt zwischen Römern und Christen liegt nun unter anderem darin begründet, dass die bisherige enge Verbindung zwischen dem Kultwesen und dem Staat nicht mehr mit den Christen und der Ausübung ihrer christlichen Religion vereinbar ist.80 Während christliche Autoren die Auffassung vertreten, dass Decius mit diesem Edikt das Christentum ausrotten wolle, liegt die Intention des Kaisers wohl eher darin begründet, dass er in dem Götteropfer auch einen Beweis der Loyalität gegenüber dem Staat gesehen hat. Dass das kaiserliche Edikt kein präziser Schlag gegen das Christentum ist, wird dadurch ersichtlich, dass es sich nicht speziell an die Christen wendet, sondern an die gesamte Reichsbevölkerung. Außerdem sind in der Supplikation keine expliziten Strafbestimmungen enthalten. Hier geht es im Grunde nicht um eine formelle Absage des Glaubens, sondern ein jeder Bewohner soll seinen guten Willen zeigen, indem er den Göttern in der momentanen Not opfert.81 „Was er [Decius, Anm. d. Verf.] erstrebte, war nicht die Christenhetze als solche, sondern die planmäßige und allgemeine Zurückführung aller Christen des Reiches zu den Altären der Staatsgötter.“82 Dennoch befinden sich die Christen im ganzen Römischen Reich in einem Gewissenskonflikt entweder dem Kaiser und den Staatsgöttern zu opfern, oder dem Glauben treu zu bleiben und ihr Leben zu gefährden.83
Da im Zentrum dieses Teils der Arbeit jedoch die von den Kaisern angeordneten, planmäßigen Christenverfolgungen stehen, soll dieses kurze Aufzeigen der Hintergründe der decischen Verfolgung genügen. Im nächsten Punkt liegt der Schwerpunkt aus diesem Grund auf der Umsetzung des kaiserlichen Ediktes und dessen Folgen.
4.2. Die Umsetzung der Opfersupplikation und ihre Folgen
Im Herbst 249 tritt das Edikt des Kaisers Decius in Kraft, „welches befahl, daß alle die Götter verehren sollen; diejenigen, die sich weigern würden, sollten zunächst mit Zusprechen und Drohungen dazu überredet werden, dann zur Verantwortung gezogen und mit verschiedenen Peinen und Qualen dazu gezwungen werden.“84 „Was die decische Verfolgung von den vorangegangenen unterscheidet, ist ihr umfassender Charakter und die bis in Einzelheiten ausgearbeitete Planmäßigkeit, mit der vorgegangen wurde.“85 Um zu überwachen, dass die Opfer reibungslos verlaufen und die allgemeine Bittsupplikation ordnungsgemäß durchgeführt wird, werden in den Städten kaiserliche Kommissionen eingesetzt.86 Diese Kommissionen sind auch dafür verantwortlich, dass bei vollzogenem Opfer die „libelli“ (Opferbescheinigungen) ausgestellt werden. Bisher wurden 43 solcher Opferbescheinigungen in Ägypten aufgefunden, mit deren Hilfe sich der allgemeine Charakter des Opfers belegen lässt (vgl. Anhang 5).87 Nicht nur Christen, sondern die gesamte Bevölkerung des Reiches ist aufgerufen, den Göttern ein Opfer darzubringen. Zugleich machen die libelli deutlich, mit welcher Strenge die lokalen Behörden die Opferungen überwacht haben.
Zahlreiche Christen beugen sich der Forderung und opfern, während andere vor der Staatsmacht fliehen oder, wer es sich leisten kann, sich gegen Bestechungsgelder eine Opferbescheinigung ausstellen lässt.88 In Karthago bringen viele Christen, unter ihnen auch zahlreiche Kleriker, den römischen Göttern Opfer dar.89 Die abgefallenen Christen, die sogenannten „lapsi“, konnten in drei Stufen unterschieden werden, nämlich in die „sacrificati“, jene Christen, die den Göttern Tiere opferten, in die „thurificati“, die Weihrauch verbrannten vor den Bildnissen der Götter und des Kaisers, und in die „libellatici“, die sich auf irgendeinen anderen Weg die Opferbescheinigung beschaffen konnten. Jeder, der sich geweigert hat, ist geflohen oder wurde eingekerkert und gefoltert. Auch aus Alexandria sind Berichte überliefert, die von blutiger Verfolgung, von Folter, Flucht und Martyrien zeugen. In Rom selbst flammt die Gewalt gegen Christen früher auf, hält aber nicht so lange an wie in Afrika. Bereits am 20.01.250 wird Bischof Fabian von Rom hingerichtet. Der Klerus der Stadt ist gezwungen die Gemeinde im Kolleg ohne Oberhaupt zu leiten. Es finden zahlreiche Verhaftungen statt und viele Mitglieder der Gemeinde Roms geben dem Druck der staatlichen Behörden nach.
Im Jahr 250 ist Kaiser Decius gezwungen, gegen die einfallenden Goten in die Schlacht zu ziehen, wobei er schließlich 251 den Tod findet.90 Obwohl nicht gesagt werden kann, dass die Verfolgungen, die sich aus dem Edikt des Kaisers Decius ergeben haben, blutiger waren als bereits vorausgegangene Verfolgungen, die nicht staatlich organisiert wurden, so waren diese dennoch konsequenter. Im Gegensatz zu früher handelt es sich nicht mehr um einen fanatischen Ausbruch gegen das Christentum. Trotzdem ist es bereits am Ende des Jahres 250 absehbar, dass sich die Nachstellungen der römischen Beamten legen.91 Die Bekenner, die noch in Haft sind, werden freigelassen und geflohene Christen kehren in ihre Dörfer und Städte zurück.
Jedoch sollte mit der decischen Verfolgung noch lange nicht der Höhepunkt der Christenverfolgungen erreicht sein. Bereits sechs Jahre nach der Einstellung staatlicher Maßnahmen gegen das Christentum flammte erneut eine Welle der Verfolgung unter Kaiser Valerian auf. Diesmal jedoch weitaus schlimmer und radikaler.
5. Die valerianische Christenverfolgung (257-260)
5.1. Das erste Edikt des Kaisers
Die Lage des Römischen Reiches hat sich seit 252 weiterhin verschlechtert.92 „Goten und Sarmaten drangen an der unteren Donau in das Reich ein und terrorisierten mit ihren Raubzügen die Donauprovinzen, Griechenland und Kleinasien. Im Osten bedrohten sassanidische Invasionen das Imperium. Die Not wurde noch vergrößert durch eine Pestepidemie, von der mehrere Provinzen betroffen waren.“93 Workman stellt die Lage des Reiches noch um einiges düsterer dar, indem er schreibt: „On its frontiers Franks, Alemanni, Marcomanni and Goths in all directions were pressing in upon the dying Empire. For fifteen years a great plague ravaged its provinces, carrying off in Alexandria and other cities more than half the population. Seasons of scorching drought were followed by terrific tornados. A debased coinage led to financial desaster. Famine, earthquakes, and huge tidal waves completed the ruin.“94 Unter diesem Druck tritt Kaiser Valerian (253-260) seine Regierung an und gilt, trotz alledem, zunächst unter den Christen als ein sehr milder und toleranter Herrscher.95 Jedoch kommt auch Kaiser Valerian nach einiger Zeit im Amt zu dem Punkt, an dem er alles Übel, welches dem Römischen Reich widerfährt, darauf zurückführt, dass „sich ganz offensichtlich der Zorn der Schutzgottheiten des Reiches äußerte.“96 Obwohl es „Valerian […] zunächst nicht um die Vernichtung der Christen [ging], sondern um ihre Einbindung in die notwendigen Opferungen und Gebete bei den Göttern für das Heil des Staates“97, sucht er, seinem Vorgänger Kaiser Decius folgend, die Schuld an der Staatskrise bei jenen, die sich weiterhin weigern den römischen Göttern zu opfern98. Ab August 257 kommt es zu gezielten Verfolgungen nach dem Erlass des ersten Ediktes.99 So wird zuerst angeordnet, dass die Kleriker der Christen den heidnischen Göttern Opfer darbringen sollen. Wer dieser Aufforderung nicht nachkommt, dem wird die Verbannung angedroht. Zudem wird ihnen untersagt religiöse Versammlungen abzuhalten oder auch nur christliche Friedhöfe zu betreten. Sollte ein Kleriker gegen diese Verordnung verstoßen, dann droht ihm eine Kapitalstrafe, im Extremfall sogar die Todesstrafe. Bedeutende Bischöfe werden, da sie sich der Kulthandlungen verweigern, in die Verbannung geschickt, unter ihnen beispielsweise auch Cyprian von Karthago, der das Opfern vor dem Prokonsul Paternus ablehnte und deswegen nach Curubis verbannt wurde.100 Jene Angehörigen des Klerus, die wegen Verstöße gegen das Edikt zum Tode verurteilt worden sind, werden in die römischen Bergwerke geschickt. Mit aller Gewalt will Kaiser Valerius die Anerkennung des römischen Kultes und die Teilnahme der Christen an der Gottesverehrung durchsetzen. Um dies zu erreichen soll den Gemeinden, unter der Berücksichtigung der kirchlichen Organisation und der Strukturen die Basis entzogen werden,101 indem er gezielt gegen die Ausübung der Ämter, also gegen das christliche Gemeindeleben vorgeht102. Zwar sind „Christen ohne Amt […] nicht betroffen“103 und auch die Ausübung der Religion wird nicht eingeschränkt, aber dennoch sehen die Christen in der Anerkennung des Staatskultes ein eindeutiges Verbot des Christentums104. Für den Kaiser selbst stellt das Zusammenspiel von Staatskult und Religionszugehörigkeit, nach römischem Verständnis, kein Widerspruch da.
Die weiteren Weigerungen der Christen führten vermutlich zum zweiten Erlass Valerians, mit welchem er dem Christentum endgültig den Kampf ansagte.
5.2. Das zweite Edikt
Im Jahr 258 tritt das zweite Edikt Valerians in Kraft.105 Die Grundaussagen des Schreibens lassen sich in vier Punkten zusammenfassen. Zunächst sollen alle Kleriker, die dem ersten Erlass des Kaisers nicht gefolgt waren, sofort hingerichtet werden. Des Weiteren verlieren christliche Senatoren, hohe Beamte und Angehörige des Ritterstandes Rang, Amt und ihr Vermögen. Sollten sie trotz der Maßnahmen weiterhin am Glauben an Christus festhalten, dann drohte ihnen die Todesstrafe. Auch die christlichen Frauen, die der Oberschicht angehören, verlieren ihr Vermögen und werden in die Verbannung geschickt. Schließlich werden untergeordnete kaiserliche Beamte, die sich des Christseins schuldig gemacht haben, zur Zwangsarbeit verurteilt.
Wollte Valerian im Vorjahr nur das Leben der Gemeinde treffen, so geht er nun gezielt gegen das Christentum vor, indem er den Klerus und „ausgesuchte soziale Großgruppen, die durch Stand oder Funktion hervorgehoben waren“106 bekämpft107. Der Unterschied zwischen Amtsträgern und Laien bestand darin, dass die Amtsträger sofort die Kapitalstrafe, also der Tod, traf, während die Laien der Oberschicht erst beim Ausharren und Glaubenstreue der Tod drohte. Entgegen den Erwartungen des Kaisers ließ sich die Kirche jedoch nicht so einfach unterkriegen.108 „Durch die vorausgehende Decische Verfolgung erprobt, kommt es kaum zu Glaubensabfall. Vielmehr sind zahlreiche Gläubige zum Martyrium bereit […].“109 Es kommt nun zu einer blutigen Verfolgung, die besonders in Rom und Afrika tobt.110 Von August 258 bis Mai 259 wird zahlreichen Bischöfen die Krone des Martyriums verliehen. Berühmte Märtyrer dieser Zeit sind unter anderem Bischof Sixtus von Rom, Diakon Laurentius oder auch Cyprian von Karthago, der am 14.09.258 enthauptet wird. In welchem Maße das zweite Edikt in den einzelnen Provinzen des Römischen Reiches durchgesetzt worden ist, wie die Verfolgungen ablaufen und wie viele Christen ihr Leben für den Glauben lassen müssen, ist schwer zu sagen, da nur sehr wenige Berichte über die Gerichtsverfahren überliefert sind. Was wir sagen können, ist das sich das Christentum bis zu diesem Zeitpunkt bereits großflächig über das gesamte Reichsgebiet ausgebreitet hat.
259 zieht Kaiser Valerian aus, um gegen die Sassaniden im Osten des Reiches zu kämpfen. Als er 260 gefangengenommen wird, „beschloß sein Sohn und Mitkaiser Gallienus, die Verfolgung zu beenden.“111 Zwar wird die christliche Standfestigkeit im Glauben und der Mut der Christen ihr Leben für den Glauben zu opfern bei den Römern als „Starrsinn, Hartnäckigkeit, unbeugsame Halsstarrigkeit und Wahnsinn“112 verschrien, aber dennoch ist ihnen unter Kaiser Gallienus (260-268) per Gesetz Freiheit, Kult und Sicherheit zugesichert worden113. Die beschlagnahmten Besitztümer werden den Gemeinden zurückgegeben und eine 43 jährige Periode des Friedens sollte folgen. In dieser Zeit ist es den Christen möglich sowohl die Struktur, als auch das Kirchenvermögen weiter auszubauen und zu festigen.
Zu den größten Christenverfolgern seiner Zeit muss aber Kaiser Diokletian gerechnet werden. Die Edikte dieses Kaisers traten eine Welle der Gewalt los, die bis dahin beispiellos war. Die Teilung der kaiserlichen Gewalt im Zuge der Tetrarchie und eine Vergöttlichung des Amtes reformierten die römische Herrschaftsform und stellten die Christen des Reiches vor neue Probleme. Im Anschluss soll nun auf diesen Kaiser näher eingegangen werden. Nach einer Betrachtung der Neuordnung des kaiserlichen Amtes durch die Tetrarchie, werden die vier diokletianischen Edikte und deren Bedeutung für die Christenverfolgung unter Diokletian thematisiert. Abschließend soll dieser Teil der Arbeit einen kurzen Ausblick auf das Ende der kaiserlich angeordneten Christenverfolgungen geben.
6. Kaiser Diokletian (284-305) – Die große Verfolgung zur Erneuerung der Römischen Religion
Nachdem im Jahr 235 unzufriedene Soldaten den letzten Kaiser aus dem Geschlecht der Severer, den jungen Severus Alexander, erschlagen haben, beginnt die wilde Zeit der sogenannten Soldatenkaiser.114 Aurelius Valerius Diocletianus, geboren um 244 in Illyrien, bekleidet von 284-305 das Kaiseramt Roms.115 Nachdem er zu einem einflussreichen Befehlshaber der römischen Armee aufgestiegen war, wird er von seinen Soldaten am 20.11.284 in Bithynien zum Kaiser ausgerufen. Der fortwährende Bürgerkrieg im Imperium wirkt gegen eine Stabilisierung der Lage.116 Erst unter Diokletians Regentschaft wird das Römische Reich stabilisiert und reformiert, indem die Armee vergrößert und umfassende Verwaltungsreformen durchführt.117 Er „war der große Stabilisator und Neuorganisator des Reiches nach den Wirren des 3. Jh.“118 Unter seiner Herrschaft wird auch die neue Regierungsform der Tetrarchie eingeführt und, damit verbunden, die vier diokletianischen Edikte erlassen, welche zur größten Christenverfolgung der damaligen Zeit führen.
Über diese Entwicklungen soll es im kommenden Abschnitt gehen. Es soll aufgezeigt werden, wie die Neuordnung der Herrschaftsform dazu führt, dass die Christen als staatsfeindliche Macht verfolgt und getötet werden. Doch zunächst soll die neue Herrschaftsform der Tetrarchie und deren Bedeutung für die religiösen Entwicklungen innerhalb des Reiches in den Fokus der Betrachtung rücken.
[...]
1 Vgl. hier und im Folgenden Gottlieb, 3f.
2 Ebenda, 4.
3 Vgl. Noll, 1.
4 Ebenda.
5 Störmer, 1.
6 Vgl. hier und im Folgenden ebenda.
7 Ebenda.
8 Vgl. Gottlieb, 4.
9 Schreiber, 106.
10 Störmer, 3.
11 Vgl. hier und im Folgenden ebenda.
12 Vgl. hier und im Folgenden Gottlieb, 4f.
13 Vgl. Störmer, 3.
14 Ebenda.
15 Störmer, 3.
16 Vgl. hier und im Folgenden Alföldy, 199.
17 Ebenda, 200.
18 Vgl. ebenda.
19 Vgl. Noll, 5.
20 Störmer, 3.
21 Vgl. Thrams, 15f.
22 Pleyel, 355.
23 Vgl. Thrams, 18.
24 Neill, 23.
25 Vgl. Ubl, Regenwunder, 19.
26 Vgl. hier und im Folgenden Motschmann, 129.
27 Ebenda, 125.
28 Vgl. Ubl, Regenwunder, 18.
29 Vgl. hier und im Folgenden Motschmann, 129f.
30 Ubl, Regenwunder, 19.
31 Vgl. ebenda, 20.
32 Ebenda.
33 Vgl. Pleyel, 357.
34 Vgl. Alföldy, 208, sowie Wolff, 2.
35 Vgl. Störmer, 4.
36 Vgl. Schreiber 106.
37 Pleyel, 357.
38 Vgl. Alföldy, 208.
39 Vgl. hier und im Folgenden Merkt, 128.
40 Ebenda, 128f.
41 Vgl. Störmer, 6.
42 Vgl. Merkt, 129.
43 Vgl. von Harnack, 794.
44 Vgl. Neumüller, Der heilige Florian, 13.
45 Vgl. von Campenhausen, 72.
46 Vgl. hier und im Folgenden Merkt, 130.
47 Vgl. hier und im Folgenden ebenda, 132.
48 Vgl. von Harnack, 883.
49 Vgl. hier und im Folgenden Merkt, 133.
50 Ebenda, 134.
51 Ebenda, 136.
52 Vgl. ebenda.
53 Vgl. hierzu Eugippius, 59.61.75.77.89.83, zitiert nach Noll.
54 Vgl. ebenda, 59.
55 Ebenda, 85.
56 Merkt, 134.
57 Vgl. Bratoz, 36.
58 Vgl. ebenda, 29.
59 Vgl. Alföldy, 208.
60 Passio 2, zitiert nach Neumüller, Der heilige Florian, 4.
61 Vgl. Störmer, 5.
62 Vgl. hier und im Folgenden Ubl, Christianisierung, 130ff.
63 Merkt, 135.
64 Vgl. Ubl, Christianisierung, 138.
65 Ebenda.
66 Vgl. hier und im Folgenden ebenda, 135.
67 Vgl. Schwanzar, 175.
68 Vgl. Rokoschoski, 37.
69 Vgl. hier und im Folgenden ebenda, 34ff.
70 Vgl. hier und im Folgenden Ubl, Christianisierung, 133ff.
71 Vgl. hier und im Folgenden Gessel, 89.
72 Vgl. hier und im Folgenden Herrmann-Otto, 60f.
73 Gessel, 93.
74 Vgl. hier und im Folgenden Moreau, 89.
75 Hofmann, 82.
76 Vgl. Workman, 97.
77 Ebenda.
78 Vgl. Bludau, 28.
79 Vgl. Gessel, 93.
80 Vgl. hier und im Folgenden Piétri, 156f.
81 Vgl. Moreau, 86.
82 Buldau, 28.
83 Vgl. Moreau, 86.
84 Buldau, 29.
85 Moreau, 85.
86 Vgl. hier und im Folgenden ebenda.
87 Vgl. hier und im Folgenden Hofmann, 82f.
88 Vgl. Gessel, 93.
89 Vgl. hier und im Folgenden Piétri, 159ff.
90 Vgl. hier und im Folgenden Moreau, 87.
91 Vgl. hier und im Folgenden Piétri, 161.
92 Vgl. ebenda, 169.
93 Ebenda.
94 Workman, 101.
95 Vgl. hier und im Folgenden Piétri, 168f.
96 Ebenda, 169.
97 Herrmann-Otto, 63.
98 Vgl. Piétri, 169.
99 Vgl. hier und im Folgenden Gessel, 93f.
100 Vgl. hier und im Folgenden Piétri, 169f.
101 Vgl. Herrmann-Otto, 63.
102 Vgl. Piétri, 170.
103 Ebenda, 169.
104 Vgl. hier und im Folgenden ebenda.
105 Vgl. hier und im Folgenden Gessel, 94.
106 Piétri, 170.
107 Vgl. hier und im Folgenden ebenda, 170f.
108 Vgl. Hofmann, 84.
109 Ebenda.
110 Vgl. hier und im Folgenden Piétri, 170f.
111 Ebenda, 171.
112 Herrmann-Otto, 63.
113 Vgl. hier und im Folgenden Gessel, 94.
114 Vgl. Demandt, 1.
115 Vgl. hier und im Folgenden Schuller, 1070f.
116 Vgl. Demandt, 1.
117 Vgl. hier und im Folgenden Schuller, 1071.
118 Ebenda.
- Quote paper
- Dipl.-Theol. Benjamin Großhauser (Author), 2012, Der heilige Märtyrer Florian, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293605
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