Das Jahr 1992 war weichenstellend für Europa. Mit der Unterzeichnung des Vertrags über die Europäische Union (EUV) in Maastricht, trat die EU als supranationale Institution an die Stelle der Europäischen Gemeinschaften. Die wirtschaftliche Integration, forciert durch die Römischen Verträge von 1957, wurde damit um die politische Integration erweitert. Entscheidungen der EU betrafen die Menschen fortan nicht mehr nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern in allen Lebensbereichen.
Dieser Eingriff in das Leben jedes einzelnen Individuums ging mit einer intensivierten und kritischeren Auseinandersetzung der Europäischen Integration einher, welchen Hooghe und Marks (Vgl. 2009: 5) mit der Politisierung des Themenfeldes „Europa“ betiteln. Darunter verstehen sie den Wandlungsprozess von einem „permissive consensus“, d.h. der stillschweigenden Hinnahme der Bevölkerung des von den Regierungen vorangetriebenen Integrationsprozesses, zu einem „constraining dissensus“, mit einer intensivierten öffentlichen Debatte über EU-Themen. De Wilde (Vgl. 2011: 566ff.) spezifizierte den Begriff dahingehend, dass er ihn in drei Prozessphasen einteilte: Polarisierung der Meinungen, Intensivierung der Debatte und öffentliche Resonanz. Mit der Debatte um EU-Politiken geht somit der Einbezug „of societal actors, like political parties, mass media, interest groups, social movements and citizens“ (Ebd.: 566) einher.
Eine zentrale Position in diesem Geflecht kommt dabei den nationalen Parteien(-systemen) zu, wirken sie doch in Deutschland gemäß Art. 21 (1) GG an der Willensbildung des Volkes mit. Und auch Art. 191 EGV hebt die Wichtigkeit der Parteien auf europäischer Ebene hervor: „Politische Parteien auf europäischer Ebene sind wichtig als Faktor der Integration in der Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewußtsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen.“ Aufgrund dieser Punkte liegt die Vermutung nahe, dass die zunehmende Politisierung Europas auch Einfluss auf die Parteien und Parteiensystem hat.
Diese Hausarbeit möchte daran anknüpfend dem Aspekt einer europäischen Konfliktlinie (cleavage1) in Deutschland nachgehen. Im Zentrum soll die Frage stehen, ob sich die Politisierung des Themenkomplexes „Europa“ in einer pro- vs. anti-europäischen Konfliktlinie innerhalb des Parteienwettbewerbs und damit der Parteienstruktur niederschlägt und somit Auswirkungen auf die Gestaltung des deutschen Parteiensystems hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Begriff und Klassifizierung der Einstellungen zu Europa – Euroskeptizismus
- 1. Harter vs. weicher Euroskeptizismus - Modell von Taggart und Szczerbiak
- 2. Vier-Felder-Matrix - Modell von Mudde und Kopecký
- 3. Erscheinungsformen von Euroskeptizismus in Parteien
- 4. Fazit
- II. Untersuchung des deutschen Parteiensystems auf eine europapolitische Konfliktlinie
- 1. Single issue Eurosceptical parties
- a) Bund Freier Bürger – Offensive für Deutschland (BfB)
- b) Initiative Pro D-Mark – neue liberale Partei (Pro DM)
- c) Alternative für Deutschland – AfD
- d) Zwischenfazit
- 2. Protest based parties with Euroscepticism
- a) Exklusivmerkmal des rechten Parteienspektrum
- b) Zwischenfazit
- 3. Eurosceptical factions
- a) Die Partei des Demokratischen Sozialismus/DIE LINKE
- b) CSU-Christlich-Soziale Union in Bayern e. V.
- c) Zwischenfazit
- III. Fazit
- 1. Single issue Eurosceptical parties
- IV. Liste der verwendeten Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Frage, ob sich die Politisierung des Themenkomplexes „Europa“ in einer pro- vs. anti-europäischen Konfliktlinie innerhalb des deutschen Parteiensystems niederschlägt. Ziel ist es, die Auswirkungen der zunehmenden Politisierung Europas auf die Parteienstruktur und den Parteienwettbewerb in Deutschland zu untersuchen.
- Konzeptualisierung des Euroskeptizismus
- Analyse des deutschen Parteiensystems auf eine europapolitische Konfliktlinie
- Erscheinungsformen von Euroskeptizismus in deutschen Parteien
- Bedeutung der europäischen Konfliktlinie für den Parteienwettbewerb
- Auswirkungen der Politisierung Europas auf die Gestaltung des deutschen Parteiensystems
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Politisierung Europas ein und erläutert die Bedeutung des Euroskeptizismus im Kontext der europäischen Integration. Sie stellt die Forschungsfrage nach der Existenz einer europapolitischen Konfliktlinie im deutschen Parteiensystem.
Kapitel I befasst sich mit der Definition und Klassifizierung von Einstellungen gegenüber der EU. Es werden verschiedene Modelle zur Bestimmung von Euroskeptizismus vorgestellt, darunter das Modell von Taggart und Szczerbiak sowie die Vier-Felder-Matrix von Mudde und Kopecký. Die verschiedenen Erscheinungsformen von Euroskeptizismus in Parteien werden ebenfalls beleuchtet.
Kapitel II untersucht das deutsche Parteiensystem auf eine europapolitische Konfliktlinie. Es werden verschiedene Arten von Parteien mit eurokritischen Positionen analysiert, darunter Single issue Eurosceptical parties, Protest based parties with Euroscepticism und Eurosceptical factions. Die Analyse konzentriert sich auf die Parteiprogramme und die inneren Dissensen der Parteien.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Politisierung Europas, Euroskeptizismus, europäische Konfliktlinie, deutsches Parteiensystem, Parteienwettbewerb, Parteiprogramme, innere Dissensen, Single issue Eurosceptical parties, Protest based parties with Euroscepticism, Eurosceptical factions.
- Citation du texte
- Laszlo Szentmarjay (Auteur), 2014, Limited Impact? Zur europäischen Konfliktlinie in nationalen Parteiensystemen am Beispiel Deutschlands, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293236
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