[...] Dabei möchte ich vor allem die Verhandlungspositionen zweier Akteure betrachten: Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Auswahl begründet sich in ihren Gemeinsamkeiten und Differenzen: Einerseits gehören beide Akteure zu den stärksten Volkswirtschaften mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt, andererseits unterscheiden sie sich jedoch erheblich hinsichtlich ihrer wirtschafts- und agrarpolitischen Vorstellungen. Schirmt die über viele Kleinbetriebe verfügende EU mit ihrer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ihre Bauern wirkungsvoll, aber kostenintensiv vom Weltmarkt ab und berücksic htigt dabei auch Aspekte des Umweltschutzes und der ländlichen Entwicklung, ist der stark industrialisierte Agrarsektor der USA aufgrund eines höheren Rationalisierungsgrades eher in der Lage, auf dem Weltmarkt zu bestehen, wobei allerdings auch hier mannigfaltige Unterstützungen von staatlicher Seite winken. Im Zentrum dieser Arbeit stehen damit also nicht die Verhandlungspositionen anderer Länder wie z.B. der Cairns-Gruppe. Hinsichtlich der Fragestellung scheint eine historische Herangehensweise an das Thema sinnvoll. Das zweite Kapitel der Arbeit gibt daher zuerst einen kurzen Überblick über den Verlauf der Verhandlungen seit der Einrichtung des GATT im Bereich der Landwirtschaft. Das Agrarabkommen und seine Bestandteile sind Gegenstand des dritten Kapitels, wobei in diesem Zusammenhang das auch landwirtschaftliche Produkte betreffende Abkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures/SPS) ebenfalls kurz skizziert werden soll. Das darauffolgende Kapitel enthält die Standpunkte der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten in den WTO-Verhandlungen über die Landwirtschaft. Dabei schildere ich zunächst die Forderungen der beiden Seiten im Vorfeld des im Juni 2003 verabschiedeten EU/USA-Kompromissentwurfes für die Ministerkonferenz in Cancún, um danach die Ereignisse und den Verlauf des WTO-Treffens selbst sowie die von den beiden Akteuren dort eingenommenen Positionen darzustellen. Der letzte Teil des Kapitels beschäftigt sich mit ihren Standpunkten nach der Konferenz. Das Schlusskapitel bietet eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und eröffnet mit Blick auf die weitere Entwicklung der Gespräche mögliche Perspektiven.
INHALTSVERZEICHNIS
1. LANDWIRTSCHAFT IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN FREIEM HANDEL UND NATIONALEN INTERESSEN
2. VOM GATT-47 BIS ZUR WTO – EIN HISTORISCHER ÜBERBLICK
3. DAS ABKOMMEN ÜBER DIE LANDWIRTSCHAFT
3.1. Marktöffnung
3.2. Einheimische Stützungen
3.2.1. Amber Box: Handelsverzerrende Suventionen
3.2.2. Blue Box: Handelsverzerrende Subventionen mit produktionssenkenden Begleitmaßnahmen
3.2.3. Green Box: Produktions- und handelsneutrale Subventionen
3.3. Exportsubventionen
3.4. Das Abkommen über gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen
4. DIE VERHANDLUNGSPOSITIONEN DER EUROPÄISCHEN UNION UND DER VEREINIGTEN STAATEN
4.1. Die Verhandlungsposition der Europäischen Union
4.1.1. Vorbereitung auf Cancún durch eine verbesserte Verhandlungsbasis: Die Reform der Europäischen Agrarpolitik
4.1.2. Die Forderungen der Europäischen Union für Cancún
4.2. Die Verhandlungsposition der Vereinigten Staaten
4.2.1. Der Wandel der amerikanischen Agrarpolitik:
Protektionismus statt Liberalisierung?
4.2.2. Eine neue Auffassung von Agrarpolitik: Die Position der Vereinigten Staaten vor Cancún
5. DIE WTO-MINISTERKONFERENZ IN CANCÚN 2003 – VERLAUF, ERGEBNISSE UND DIE POSITIONEN DER EU UND DER USA
6. DIE VERHANDLUNGSPOSITIONEN DER EU UND DER USA NACH CANCÚN – PERSPEKTIVEN UND ENTWICKLUNGEN
7. LITERATURVERZEICHNIS
1. LANDWIRTSCHAFT IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN FREIEM HANDEL UND NATIONALEN INTERESSEN
Landwirtschaft gehört zu den sensibelsten Themen nationaler Politik: Sie ist Garantie für die importunabhängige Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung in Krisenzeiten und damit gleichzeitig Ausdruck nationalstaatlicher Souveränität und Eigenständigkeit. Darüber hinaus kann sie jedoch auch für das jeweilige geografische und soziale Gesicht eines Staates verantwortlich sein, weil sie als einer der ältesten Wirtschaftssektoren traditionell einen großen Teil der Erwerbstätigen beschäftigt. In vielen Ländern hat sich daher immer noch die Vorstellung vom auf den Feldern arbeitenden Bauern gehalten, der seine Mitbürger mit frischen Lebensmitteln versorgt. In der Realität hat sich jedoch dieses Bild während der letzten Jahrzehnte stark gewandelt. Vor allem in den Industriestaaten ist der Agrarsektor zu einem teuren Wirtschaftsbereich geworden, der einen hohen Teil der Staatsausgaben verschlingt. Entwicklungs- und Schwellenländer haben den fortschrittlicheren Teil der Welt eingeholt, da sie in der Lage sind, landwirtschaftliche Produkte zu einem Bruchteil der Kosten herzustellen, zu dem dies beispielsweise in der Europäischen Union geschieht. Die Folge hiervon war die Einführung protektionistischer Maßnahmen in den Industrieländern in Form von Importzöllen, Exportsubventionen oder produktionsgebundene Unterstützungszahlungen. Der internationale Handel mit Agrargütern ist daher einem hohen Grad an Wettbewerbsverzerrungen unterworfen. Die Wende in dieser Entwicklung wurde 1947 eingeleitet durch die Einsetzung eines globalen Handelsregimes, des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (General Agreement on Tarifs and Trade/GATT), das später in die Welthandelsorganisation (World Trade Organization/WTO) überging. Sparte es anfangs noch den Bereich der Landwirtschaft aus, wurde ihm 1994 das Zusatzabkommen über die Landwirtschaft (Uruguay Round Agreement on Agriculture/AoA) angefügt, das sich erstmals der Problematik der handelsverzerrenden Maßnahmen in diesem Sektor annahm.
Dieses Abkommen ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Ziel ist dabei nicht nur die Beschreibung seiner Entstehung, Inhalte und Zielsetzungen, sondern auch die hochaktuelle Debatte um seine Fortentwicklung und Ausgestaltung. Dabei möchte ich vor allem die Verhandlungspositionen zweier Akteure betrachten: Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Auswahl begründet sich in ihren Gemeinsamkeiten und Differenzen: Einerseits gehören beide Akteure zu den stärksten Volkswirtschaften mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt, andererseits unterscheiden sie sich jedoch erheblich hinsichtlich ihrer wirtschafts- und agrarpolitischen Vorstellungen. Schirmt die über viele Kleinbetriebe verfügende EU mit ihrer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ihre Bauern wirkungsvoll, aber kostenintensiv vom Weltmarkt ab und berücksichtigt dabei auch Aspekte des Umweltschutzes und der ländlichen Entwicklung, ist der stark industrialisierte Agrarsektor der USA aufgrund eines höheren Rationalisierungsgrades eher in der Lage, auf dem Weltmarkt zu bestehen, wobei allerdings auch hier mannigfaltige Unterstützungen von staatlicher Seite winken. Im Zentrum dieser Arbeit stehen damit also nicht die Verhandlungspositionen anderer Länder wie z.B. der Cairns-Gruppe. Hinsichtlich der Fragestellung scheint eine historische Herangehensweise an das Thema sinnvoll. Das zweite Kapitel der Arbeit gibt daher zuerst einen kurzen Überblick über den Verlauf der Verhandlungen seit der Einrichtung des GATT im Bereich der Landwirtschaft. Das Agrarabkommen und seine Bestandteile sind Gegenstand des dritten Kapitels, wobei in diesem Zusammenhang das auch landwirtschaftliche Produkte betreffende Abkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures/SPS) ebenfalls kurz skizziert werden soll. Das darauffolgende Kapitel enthält die Standpunkte der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten in den WTO-Verhandlungen über die Landwirtschaft. Dabei schildere ich zunächst die Forderungen der beiden Seiten im Vorfeld des im Juni 2003 verabschiedeten EU/USA-Kompromissentwurfes für die Ministerkonferenz in Cancún, um danach die Ereignisse und den Verlauf des WTO-Treffens selbst sowie die von den beiden Akteuren dort eingenommenen Positionen darzustellen. Der letzte Teil des Kapitels beschäftigt sich mit ihren Standpunkten nach der Konferenz. Das Schlusskapitel bietet eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und eröffnet mit Blick auf die weitere Entwicklung der Gespräche mögliche Perspektiven.
2. VOM GATT-47 BIS ZUR WTO – EIN HISTORISCHER ÜBERBLICK
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließen die verheerenden Auswirkungen der Kriegshandlungen auf den internationalen Handel und die Erfahrung der hohen Zahl an Zöllen und anderer Handelsschranken in den Vor- und Zwischenkriegsjahren die Einrichtung eines völkerrechtlichen Vertrags über staatliches Verhalten im nationalen und internationalen Handelsbereich notwendig erscheinen. 1947 wurde daher das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen gegründet. Ziel war es, „dem internationalen Handel neue Impulse zu verleihen... und damit dem wirtschaftlichen Wachstum und der weltweiten Entwicklung unter Einhaltung gemeinsamer ‚Spielregeln’ zu dienen.“[1]Die Bestimmungen des GATT betrafen auch landwirtschaftliche Produkte, sie wurden mit den allgemeinen Bestimmungen zum Warenhandel abgedeckt. Trotz der Zuständigkeit des Abkommens auch für den Agrarmarkt etablierten sich in den folgenden Jahren viele Ausnahmen und Sonderregelungen bezüglich mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen, inländischer Unterstützungsleistungen und Exportsubventionen. Das GATT verfügte größtenteils noch nicht über die Kapazitäten, die Umgehungsstrategien der Mitgliedsstaaten zu kontrollieren und einzuschränken, weshalb die meisten von ihnen stillschweigend geduldet wurden. Sieben Verhandlungsrunden über die weitere Ausgestaltung des GATT vergingen nach 1947, ohne dass in diesem Bereich schärfere Bestimmungen eingeführt wurden.[2]Erst während der Uruguay-Runde 1986 bis 1994 wurde ernsthaft über den Wirtschaftssektor Landwirtschaft verhandelt. Die Gründe lagen für die Industrieländer in den stark angestiegenen Kosten ihrer Agrarpolitiken durch die Notwendigkeit, zur Absetzung der selbst durch protektionistische Preisstützungen und andere Maßnahmen verursachten Produktionsüberschüsse auf dem Weltmarkt staatlich finanzierte Exportsubventionen gewähren zu müssen. Für die Entwicklungsländer stand ihre Chancenlosigkeit bei den Ausfuhren angesichts der stark subventionierten Agrargüter im entwickelten Teil der Welt im Vordergrund.[3]Aufgrund der bereits angesprochenen Sensibilität des Themas verliefen die Gespräche während der Runde zäh und konnten nur unter dem starken Druck der USA 1994 (statt wie ursprünglich vorgesehen 1991) erfolgreich abgeschlossen werden.
An ihrem Ende stand das Zusatzabkommen über die Landwirtschaft als Teil des GATT, welches einen fundamentalen Wandel im Welthandel mit Agrargütern darstellte und durch die gleichzeitig erfolgte Einigung über das Abkommen über sanitare und phytosanitare Maßnahmen auch Fragen des Gesundheits- und Tierschutzes sowie der Nahrungsmittelsicherheit berührte. Daneben wurde mit der Aufnahme der Problemfelder
Investitionen, Dienstleistungen und geistiges Eigentum in das internationale Handelsregime das Tätigkeitsspektrum des GATT erheblich erweitert.[4]Um der Erweiterung Rechnung zu tragen, wurde die Welthandelsorganisation als neue Dachorganisation in Form einer internationalen Organisation mit einem institutionalisierten Rahmen geschaffen, welcher auch das GATT untergeordnet wurde.[5]Für das Agrarabkommen war eine Geltungsdauer bis 1999 vorgesehen, ab Januar 2000 sollte dann über neue Vereinbarungen debattiert werden. Die WTO-Konferenz in Seattle Anfang Dezember 1999 scheiterte allerdings, nicht zuletzt an den zu gegensätzlichen Vorstellungen hinsichtlich der Landwirtschaftspolitik: Forderten die USA die vollständige Integration des Agrarbereichs in das bereits für Industriegüter bestehende Regelwerk, lehnten dies einige Länder, vor allem die EU mit Blick auf ihr hochreguliertes Handelssystem für landwirtschaftliche Produkte, entschieden ab.[6]Bereits im März 2000 wurde jedoch wieder über einige Aspekte des Agrarhandels gesprochen. Ende 2001 fand in Doha, Katar schließlich eine Ministerkonferenz statt, welche die neue Verhandlungsrunde (Doha-Runde) einleitete, und an deren Ende ein Mandat zur Fortführung der Verhandlungen stand:
„... we commit ourselves to comprehensive negotiations aimed at: substantial improvements in market access; reductions of, with a view to phasing out, all forms of export subsidies; and substantial reductions in trade-distorting domestic support.”[7]
Einer der Schwerpunkte der Doha-Runde war die Landwirtschaft als derjenige Wirtschaftsbereich mit stärksten Handelsverzerrung. Gegenstand der folgenden Verhandlungen sollten gemäß des Mandats daher Marktzugang, Ausfuhrunterstützungen und inländische Subventionen sein. Im Dokument enthalten war auch ein straffer Zeitplan, der die Festlegung der Modalitäten und die Einigung über die Eckpunkte für ein neues Agrarabkommen bis zum 31. März 2003 vorsah.[8]Der dann erstellte Entwurf sollte als Grundlage für die weiteren Verhandlungen bis zum Ende der Doha-Runde im Dezember 2004 dienen. Das Vorhaben scheiterte jedoch, da über den Entwurf des Vorsitzenden der WTO-Agrarverhandlungen, Stuart Harbinson, keine Einigung erzielt werden konnte, zu weit gingen die Vorstellungen der Mitgliedsstaaten in Bezug auf eine weitere Liberalisierung der Märkte und eine stärkere Beachtung nichtkommerzieller Aspekte auseinander.[9]Die im September 2003 im mexikanischen Cancún stattfindende Konferenz, die eine Halbzeitbilanz des AoA erstellen sollte, stand so bereits im Vorfeld unter hohem Druck. Das Treffen musste ergebnislos abgebrochen werden, da die Industrieländer nicht in dem von den Entwicklungsländern geforderten Ausmaß zu Zugeständnissen bei der Handelsliberalisierung bereit waren und die zu einer Entschließung notwendige Einstimmigkeit nicht erreicht werden konnte. Ein Zeitplan für die Endphase der Doha-Runde konnte daher nicht festgelegt werden, womit ein neues Agrarabkommen für 2005 fraglich geworden ist.[10]
3. DAS ABKOMMEN ÜBER DIE LANDWIRTSCHAFT
Das in der Uruguay-Runde beschlossene Landwirtschaftsabkommen sieht für den Handel mit Agrargütern einen möglichst weitreichenden Abbau von Handelsverzerrungen vor: Der Zutritt zu den Agrarmärkten und ihre Öffnung für Exporteure soll erreicht werden, bei der einheimischen Unterstützung der Landwirtschaft wird ihre Reduzierung auf ein handelsneutrales Maß angestrebt und im Bereich der Subvention von Exporten ist das Ziel ebenfalls ein weitgehender Abbau. Die Maßnahmen in den Bereichen Verbesserung des Marktzutritts, Zurückschneiden innerer Stützungen und Reduzierung der Exportsubventionen stellen die drei Säulen des Agrarabkommens dar und sollen im Folgenden in dieser Reihenfolge besprochen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Aufbau des Abkommens über die Landwirtschaft. Eigene Darstellung
3.1. Marktöffnung
Die in der ersten Säule des AoA enthaltenen Bestimmungen bezüglich der Erleichterung des Marktzutritts bestehen aus vier Elementen: Marktöffnung zunächst durch die Tarifizierung nichttarifärer Handelshemmnisse und später mittels deren Senkung, Erhaltung der Importmögilchkeiten, Einrichtung eines Mindeszutritts für bisher vom Import ausgeschlossene Produkte sowie Vorkehrungen im Falle übermäßig negativer Folgen dieser Maßnahmen. Die Gewährleistung eines erleichterten Zutritts zum internationalen bzw. zu den nationalen Agrarmärkten erforderte in einem ersten Schritt die Abschaffung aller nichttarifären Handelshindernisse, neue Arten durften damit auch nicht mehr eingeführt werden. Da jedoch, analog zu den Bestimmungen des GATT, der Schutz nationaler Grenzen weiterhin als unerlässlich eingestuft wurde, musste der Wegfall durch die Umwandlung dieser Handelsbeschränkungen in Zölle kompensiert werden. Zu den nichttarifären Handelshindernissen zählen mengenmäßige Beschränkungen, variable Abschöpfungen, Importlizenzen, Vorschriften hinsichtlich Mindestpreisen, staatliche Handelsmaßnahmen sowie freiwillige Handelsrestriktionen. Deren Höhe und maximale Obergrenze wurden im AoA festgesetzt und berechneten sich aus dem Inlandpreis abzüglich des ausländischen Referenzpreises im Durchschnitt der als Berechnungsbasis dienenden Jahre 1986/88 (der Referenzpreis bezeichnet den Preis des jeweiligen Produktes an der Grenze einschließlich der Verlade-, Versicherungs- und Transportkosten).[11]In einem zweiten Schritt waren mit dem Beginn der Geltungsdauer des Abkommens die sich ergebenden Zölle sowie alle bereits existierenden tarifären Belastungen im Gesamtdurchschnitt um 36% während einer 6-Jahresfrist zu senken. Für einzelne Produkte war der jeweilige Zoll um 15% zu reduzieren. Ausnahmen bestanden für die Entwicklungsländer: Währenddem die wirtschaftlich schwächsten Staaten von der Zollreduzierung nicht betroffen waren, mussten wirtschaftlich schwache Länder ihre Zölle lediglich um 24% innerhalb von 10 Jahren zurückfahren.[12]Die Berechnungen basierten bei gebundenen Zöllen auf den bestehenden Zolllisten oder auf dem am 1. September 1986 geltenden Zollsatzniveau, handelte es sich um nicht gebundene Zölle. Hinsichtlich der Umsetzung dieser Bestimmungen war allerdings bald festzustellen, dass die Mitgliedsstaaten „die Zölle bei jenen Produkten stärker als 36% reduzierten, bei denen keine oder eine nur unbedeutende Inlandproduktion bestand, um bei relativ sensiblen Produkten eine geringere Zollreduktion vornehmen zu können.“[13]
Ein weiteres Element der Marktöffnung war die Erhaltung der Importmöglichkeiten. Diese mussten laut GATT-Vertrag auf dem Niveau der Basisjahre 1986/88 gehalten werden und wurden so gemeinsam mit den tarifizierten Handelshemmnissen im Rahmen der Abschaffung der Mengenkontingente in Zollkontingente umgewandelt. Gütermengen, die in diesem Zeitraum eingeführt wurden, unterlagen von nun an weiterhin dem damals geltenden Zollsatz (Zollkontingent), alle darüber liegenden Menge durften jetzt zwar im Gegensatz zum Mengenkontingent eingeführt, jedoch durch eine höhere Abschöpfung. Die Zollsätze für die über das Zollkontingent hinausgehenden Importe wurden als Differenz zwischen einheimischem und an der Grenze geltenden Preis berechnet, wobei die genaue Verteilung der Zollkontingente auf Importeure von jedem Land selbst zu regeln war.[14]
Die Einrichtung eines minimalen Marktzutritts für bislang völlig oder erheblich vom Import ausgeschlossene Produkte stellt den dritten Bestandteil der Marktöffnung dar. Demnach waren Güter, die etwa als sehr sensibel betrachtet wurden, da vom betroffenen Land gänzlich selbst hergestellt, zu mindestens 3% des durchschnittlichen Gesamtverbrauchs des Landes in der Basisperiode 1986/88 zu importieren, nach einem Jahr Übergangsfrist zu 5%.[15]Im Falle plötzlicher Importpreiseinbrüche oder übermäßig stark ansteigender Einfuhrmengen bleibt den Mitgliedsstaaten als letztes Element der Marktzugangsbestimmungen ein Abwehrinstrument, die Schutzklausel. Überschreiten die Einfuhren eines Jahres für ein Produkt einen bestimmten Schwellenwert, darf der geltende Zollsatz angehoben werden, die Zollkontingente bleiben jedoch unverändert. Das Ausmaß der Erhöhung berechnet sich aus dem Selbstversorgungsgrad des Landes sowie dem Importanteil des betroffenen Erzeugnisses. Folglich belohnt die Schutzklausel die Beibehaltung bzw. Ausweitung der bestehenden Marktöffnung währenddem sie eine Ausdehnung der Eigenproduktion mit der Senkung des Schwellenwertes „bestraft“. Bricht der Preis für Importe auf dem einheimischen Markt ein, so dürfen ebenfalls Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Beträgt der Rückgang des Importpreises mehr als 10% im Verhältnis zum Referenzpreis 1986/88, ist als Ergänzung zur bisherigen Abschöpfung die Erhebung eines Zolls von bis zu 90% des zusätzlichen Preisunterschieds erlaubt.[16]
3.2. Einheimische Stützungen
Im Mittelpunkt der zweiten Säule des Agrarabkommens steht die „Beschränkung und Neuausrichtung der einheimischen Unterstützung der Landwirtschaft auf ein Maß, das den Außenhandel und die Produktion nicht oder nur unbedeutend beeinträchtigt“.[17]Einheimische Unterstützungen umfassen Maßnahmen, die den Marktpreis sowie den Absatz sichern, sowie an bestimmte Erzeugnisse gebundene Direktzahlungen, die meist Produktionssteigerungen zur Folge haben. Das AoA unterscheidet ähnlich wie das Abkommen über Subventionen und Ausgleichszahlungen (ASA) interne Unterstützungsleistungen nach dem Grad ihrer Verzerrungswirkung auf den Handel. So werden drei Klassen bzw. „Boxen“ unterschieden: In deramber boxsind Subventionen zusammengefasst, die den landwirtschaftlichen Erzeugern wirtschaftliche Anreize zur Steigerung ihrer gegenwärtigen Ressourcen oder Produktion geben, dieblue boxumfasst produktionsfördernde Zahlungen, die allerdings gleichzeitig mit produktionssenkenden Maßnahmen verknüpft werden, und diegreen boxenthält handelsneutrale Stützungen. Die beiden Abkommenbereiche „interne Subventionen“ und „Exportsubventionen“ laufen dem WTO-Regelwerk eigentlich zuwider, da laut des ASA einheimische Stützungen und Ausfuhrbeihilfen generell strikt verboten sind. Ausnahmebestimmungen im ASA hinsichtlich der Landwirtschaft sowie die „Friedensklausel“ in Artikel 13 des AoA schützen jedoch bestimmte Subventionen im Agrarbereich vor möglichen Klagen gegen handelsverzerrende Praktiken vor dem WTO-Schiedsgericht.[18]Diese wurde eingerichtet, da sonst vor allem von Seiten der EU und der USA keine Zustimmung zum Landwirtschaftsabkommen erreicht worden wäre. Bis Ende 2003 befristet, ist die Friedensklausel Anfang diesen Jahres ausgelaufen, bis jetzt hat sich die Zahl der eingereichten Klagen jedoch noch in Grenzen gehalten, was mit der Sorge vor einer möglichen Überlastung des WTO-Gerichts mit der aufwändigen Bearbeitung von Klagen zu tun haben dürfte. Außerdem muss der Kläger erst nachweisen können, dass die betroffenen Subventionen tatsächlich zu Handelsverzerrungen geführt haben. Die Prognose, „non-subsidising countries are likely to bargain in the shadow of its expiry to get agreement on further subsidy reduction” scheint daher wahrscheinlicher.[19]
[...]
[1]Schweizerischer Bauernverband,„Landwirtschaft in der Welthandelsorganisation (WTO)“, Schweizerischer Bauernverband. 2003, URL: http://www.bauernverband.ch/de/tatsachen_meinungen/wto/gatt_wto_nov03.pdf [25.3.2004], S. 1.
[1]Schweizerischer Bauernverband,„Landwirtschaft in der Welthandelsorganisation (WTO)“, Schweizerischer Bauernverband. 2003, URL: http://www.bauernverband.ch/de/tatsachen_meinungen/wto/gatt_wto_nov03.pdf [25.3.2004], S. 1.
[2]Adam Sheingate,The Rise of the Agricultural Welfare State: Institutions and Interest Group Power in the United States, France, and Japan(Princeton: Princeton University Press, 2001), S. 183.
[3]Peter-Tobias Stoll/Frank Schorkopf,WTO: Welthandelsordnung und Welthandelsrecht(Köln: Heymann, 2002), S. 87ff.
[4]Richard Senti,WTO: Die Welthandelsordnung nach der Uruguay-Runde(Zürich: Eidgenössische Technische Hochschule, 2003), S. 61.
[5]Jochem Wiers,Trade and Environment in the EC and the WTO: A Legal Analysis(Groningen: Europa Law Publishing, 2002), S. 14f.
[6]Bodo Scheffels, „In der Welthandelsorganisation werden Vereinbarungen über Erleichterungen und Subventionsabbau angestrebt“, Aus Politik und Zeitgeschichte. 2002, URL: http://www.das-parlament.de/2002/48/Thema/017.html [3.2.2004].
[7]WTO Secretariat, “The Doha Declaration Explained”, The World Trade Organization. 2001, URL: http://www.insidetrade.com/secure/htmldata/wto2002_1757.htm [14.4.2003].
[8]Troy Podbury/Shirshore Hagi Hirad/Neil Andrews/Wayne Gordon, “WTO Agriculture Negotiations: The Way Forward from Cancún”, The International Centre for Trade and Development. 2003, URL: http://www.ictsd.org/issarea/atsd/Resources/docs/Podbury_Hirad_Andrews_Gordon.pdf [2.1.2004], S. 3.
[9]WTO Secretariat, “WTO Agriculture Negotiations: The Issues, and Where We Are Now”, The World Trade Organization. 2004, URL: http://www.wto.org/english/tratop_e/agric_e/negs_bkgrnd00_contents_e.htm [21.1.2004], S. 11.
[10]International Development Committee of the House of Commons,Trade and Development at the WTO:Learning the Lessons of Cancún to Revive a Genuine Development Round, First Report of Session 2003-04, Volume I(London: The Stationary Office Limited, 2003), S. 7 ff.
[11]Richard Senti, „The Present Legal Basis of the World Trade System”, in: Heinrich Wohlmeyer/Theodor Quendler (Hrsg.),The WTO, Agriculture and Sustainable Development(Sheffield: Greenleaf Publishing, 2002), S. 92.
[12]John Wainio/Paul Gibson/Whitley Daniel, “Options for Reducing Agricultural Tariffs”, in: Mary E. Burfisher (Hrsg.),Agricultural Policy Reform in the WTO(New York: Nova Science Publishers, 2003), S. 72.
[13]Senti,Welthandelsordnung nach der Uruguay-Runde,S. 64.
[14]Stoll/Schorkopf,WTO,S. 89.
[15]Senti,Welthandelsordnung nach der Uruguay-Runde,S. 65.
[16]Senti, „The Present Legal Basis of the World Trade System”, S. 96.
[17]Senti,Welthandelsordnung nach der Uruguay-Runde,S. 67.
[18]Michael Sánchez Rydelski,EG und WTO Antisubventionsrecht: Ein konzeptioneller Vergleich der EG Antisubventions-Verordnung mit den Beihilfevorschriften des EG-Vertrages unter Berücksichtigung des Subventionsübereinkommens der WTO(Baden-Baden: Nomos, 2001), S. 287.
[19]Richard H. Steinberg/Timothy E. Josling, “When the Peace Ends: The Vulnerability of EC and US Agricultural Subsidies to WTO Legal Challenge”, Bridges, November 2003. URL: www.ictsd.org [15.12.2003], S. 9.
- Arbeit zitieren
- Ruth Heidingsfelder (Autor:in), 2004, Die Positionen der EU und der USA in den neuen WTO-Verhandlungen über die Landwirtschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29272
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