Im Jahre 1947 erschien Wolfgang Borcherts Kriegsheimkehrerdrama Draußen vor der Tür. Das Stück schildert an der Figur des Beckmann das Schicksal eines typischen deutschen Krie gsheimkehrers. Grundlage des Stoffs ist Borcherts eigenes Erleben. Ganz anders ist dies bei dem zwei Jahre später, 1949, erschienenen Stück Als der Krieg zu Ende war von Max Frisch. Frisch - als Schweizer - hat den Krieg nicht unmittelbar miterlebt, er verarbeitet keine eigenen Erfahrungen; sein Drama basiert auf den Erzählungen von Berliner Bekannten. 1 Während die Handlung von Draußen vor der Tür in den Einzelheiten fiktional ist, präsentiert Als der Krieg zu Ende war eine authentische - und keineswegs typ ische - Geschichte. Gemeinsam ist beiden Dramen, daß ihre Handlungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit und in stark zerstörten Großstädten - Hamburg beziehungsweise Berlin - angesiedelt sind, außerdem kommt in Gestalt des Horst Anders wie in Draußen vor der Tür auch in Frischs Stück ein Kriegsheimkehrer zu Wort.
Aufgrund der dicht beieinander liegenden Erscheinungsdaten und der ähnlichen Ausgangssituation in bezug auf Zeit und Ort der Handlung einerseits und der völlig unterschiedlichen persönlichen Beziehung der Autoren zum Stoff ihrer Stücke andererseits, erscheint es interessant, die beiden Dramen einander gegenüberzustellen: Auf welche Weise - formal wie inhaltlich - und in welcher Absicht findet eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, der Gege nwart und einer Aussicht für die Zukunft statt? In Hinblick auf diese Fragestellung soll sich eine erste Betrachtung den formalen und stilistischen Eigenheiten der Stücke widmen: Gibt es hier Auffälligkeiten, die die Stücke untereinander oder mit den Umständen der Zeit verbinden? Eine ganz wichtige Frage ist weiter natürlich die, worum es Borchert beziehungsweise Frisch überhaupt geht, d. h. was eigentlich in den beiden Dramen jeweils das Hauptthema ist. Es wird sich zeigen, daß die zwei Dramen sich hierin sehr stark unterscheiden. Im weiteren wird diese Arbeit sich mit ganz bestimmten Bereichen beschäftigen, die als Grundlage für einen Vergleich dienen sollen: Zunächst wird die Darstellung der Nachkriegswirklichkeit, d. h. der Gegenwart bezüglich der dramatischen Handlung beleuchtet werden: Wie stellt sich das alltägliche Leben in der Trümmerwirklichkeit dar?
Inhalt
I.(Einleitung)
II.Formales, Stilistisches und Thematik
Darstellung der Alltagswirklichkeit
Darstellung des Krieges, des Rassenhasses
Hoffnung
III.(Resümee)
Anhang: Literaturangaben
I. (Einleitung)
Im Jahre 1947 erschien Wolfgang Borcherts KriegsheimkehrerdramaDraußen vor der Tür. Das Stück schildert an der Figur des Beckmann das Schicksal eines typischen deutschen Kriegsheimkehrers. Grundlage des Stoffs ist Borcherts eigenes Erleben. Ganz anders ist dies bei dem zwei Jahre später, 1949, erschienenen StückAls der Krieg zu Ende warvon Max Frisch. Frisch – als Schweizer – hat den Krieg nicht unmittelbar miterlebt, er verarbeitet keine eigenen Erfahrungen; sein Drama basiert auf den Erzählungen von Berliner Bekannten.[1]Während die Handlung vonDraußen vor der Türin den Einzelheiten fiktional ist, präsentiertAls der Krieg zu Ende wareine authentische – und keineswegs typische – Geschichte. Gemeinsam ist beiden Dramen, daß ihre Handlungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit und in stark zerstörten Großstädten – Hamburg beziehungsweise Berlin – angesiedelt sind, außerdem kommt in Gestalt des Horst Anders wie inDraußen vor der Türauch in Frischs Stück ein Kriegsheimkehrer zu Wort.
Aufgrund der dicht beieinander liegenden Erscheinungsdaten und der ähnlichen Ausgangssituation in bezug auf Zeit und Ort der Handlung einerseits und der völlig unterschiedlichen persönlichen Beziehung der Autoren zum Stoff ihrer Stücke andererseits, erscheint es interessant, die beiden Dramen einander gegenüberzustellen: Auf welche Weise – formal wie inhaltlich – und in welcher Absicht findet eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, der Gegenwart und einer Aussicht für die Zukunft statt? In Hinblick auf diese Fragestellung soll sich eine erste Betrachtung den formalen und stilistischen Eigenheiten der Stücke widmen: Gibt es hier Auffälligkeiten, die die Stücke untereinander oder mit den Umständen der Zeit verbinden? Eine ganz wichtige Frage ist weiter natürlich die, worum es Borchert beziehungsweise Frisch überhaupt geht, d. h. was eigentlich in den beiden Dramen jeweils das Hauptthema ist. Es wird sich zeigen, daß die zwei Dramen sich hierin sehr stark unterscheiden. Im weiteren wird diese Arbeit sich mit ganz bestimmten Bereichen beschäftigen, die als Grundlage für einen Vergleich dienen sollen: Zunächst wird die Darstellung der Nachkriegswirklichkeit, d. h. der Gegenwart bezüglich der dramatischen Handlung beleuchtet werden: Wie stellt sich das alltägliche Leben in der Trümmerwirklichkeit dar? Ein weiteres Augenmerk soll darauf gerichtet werden, ob und wie die Vergangenheit, d. h. konkret die Thematik des Rassenhasses und ferner der Krieg, vielleicht auch seine Ursachen behandelt werden. In der unmittelbaren Nachkriegszeit war häufig vom Nullpunkt und einem damit verbundenen Neuanfang die Rede. In Hinblick darauf wird diese Arbeit außerdem der Frage nachgehen, ob die beiden Stücke an die Möglichkeit eines Neuanfanges glauben lassen, ob sie eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft vermitteln.
II. Formales, Stilistisches und Thematik
Formal halten sich die beiden DramenDraußen vor der TürundAls der Krieg zu Ende warteilweise an traditionelle Regeln, teilweise beschreiten sie neue Wege. An Borcherts Drama fällt auf, daß dem Personenverzeichnis zunächst ein halbseitiger Prosatext folgt, der als Exposition des Dramas dient. Es wird – allerdings noch ohne Nennung des Namens – die Hauptfigur eingeführt; außerdem wird bereits hier das Thema vom typischen Kriegsheimkehrer umrissen, der geprägt von den Grauen des Krieges nach Hause kommt und kein Zuhause mehr vorfindet, der, wie der Titel schon sagt, draußen vor der Tür steht. Erst nach diesem kurzen epischen Teil beginnt das eigentliche Bühnenstück mit einem Vorspiel. Auch dieses Vorspiel wirkt noch einmal wie eine Exposition. Hier wird angedeutet, daß das Leid auch nach dem Ende des Krieges noch kein Ende gefunden hat, weil noch viele Menschen seelisch-moralisch zerrüttet sind. Im darauffolgenden Traum tritt die Hauptfigur Beckmann erstmals auf und führt den Leser anschließend durch die Szenen eins bis fünf, wobei die Szene fünf verglichen mit den vier anderen unverhältnismäßig lang ist. Diese formale Besonderheit steht interessanterweise in Korrelation zu der Form einer Aussage, die Beckmann in der fünften Szene über das Leben macht:
Sei still. Das Leben ist so:
1. Akt: Grauen Himmel. Es wird einem wehgetan.
2. Akt: Grauer Himmel. Man tut wieder weh.
3. Akt: Es wird dunkel und es regnet.
4. Akt: Es ist noch dunkler. Man sieht eine Tür.
5. Akt: Es ist Nacht, Tiefe Nacht, und die Tür ist zu. Man steht draußen. Draußen vor der Tür. An der Elbe steht man, an der Seine, an der Wolga, am Mississippi. Man steht da, spinnt, friert, hungert und ist verdammt müde. Und dann auf einmal plumpst es, und die Wellen machen niedliche kleine kreisrunde Kreise, und dann rauscht der Vorhang. Fische und Würmer spendieren einen lautlosen Beifall. – So ist das! Ist das viel mehr als nichts? Ich – ich mach jedenfalls nicht mehr mit. Mein Gähnen ist groß wie die weite Welt![2]
Der Aufbau dieses kurzen Monologes entspricht in etwa dem Aufbau des ganzen Dramas und auch der Inhalt gibt stark gerafft den des gesamten Stückes wieder. Der Monolog ist aber auch ein Beispiel für Borcherts Stil, ihm wichtige Aussagen häufig zu wiederholen; und er läßt erkennen, wie reich das Drama an Metaphorik ist. Ein Literaturlexikon spricht von einer Mischung aus sachlichem Realismus und Symbolismus.[3]Tatsächlich stecktDraußen vor der Türvoller Symbolik, man denke an den Beerdigungsunternehmer aus dem Vorspiel, der stellvertretend für den Tod steht, fett geworden an den vielen Toten des Krieges.[4]Auch die Personen, denen Beckmann begegnet, haben teilweise symbolischen Charakter, beispielsweise Gott, der Andere oder der Straßenfeger, der wiederum für den Tod steht, andere sind ganz reale und realistisch dargestellte Menschen wie das Mädchen, der Oberst oder Frau Kramer. Mit dem erwähnten sachlichen Realismus knüpft Borchert an die Epoche der neuen Sachlichkeit an.
Trotz vieler formaler Abweichungen von traditionellen Dramenformen wahrtDraußen vor der Türimmerhin zwei der drei Einheiten nach der klassischen beziehungsweise aristotelischen Regel: Sowohl die Einheit der Zeit als auch die der Handlung sind gegeben. Zeitlich spielt sich das ganze Geschehen des Stückes an einem Abend ab; abgesehen vom Vorspiel orientiert sich die dramatische Handlung ausschließlich an Beckmann, es gibt keine gleichzeitigen Nebenhandlungen. Aufgehoben ist die Einheit des Ortes: Beckmanns Umherirren durch Hamburg von einem Ort zum anderen ohne Bezugspunkt gehört ja gerade notwendig zum StückDraußen vor der Tür.
Die dramatische Handlung ist – wie gesagt – einheitlich. Allerdings gibt es eine große Zahl eingeschobener, durch die Figuren erzählter Rückblenden, die dazu dienen, gegenwärtige Zustände zu erläutern. So zeigen sich die Erfahrungen des Krieges mitverantwortlich für Beckmanns Gemütszustand, Frau Kramers Bericht über Beckmanns Eltern[5]erklärt deren Verbleib usw.
Die Rückblenden sind auf diese Weise einerseits notwendig, um die Gründe dafür zu liefern, warum sich vor Beckmann immer wieder Türen schließen. Andererseits vermitteln sie aber auch noch einen ganz anderen wichtigen Aspekt von Beckmanns Schicksal: Ganz eng zu Beckmanns Geschichte gehört die Frage nach der Verantwortung.Draußen vor der Türzeigt den typischen Kriegsheimkehrer als den schuldlos schuldig gewordenen, dem der Krieg eine Verantwortung aufgezwungen hat, durch welche er wiederum zum Mörder geworden ist[6]: „Und ich – ich hatte die Verantwortung. Dann haben wir die ganze Nacht erkundet, und dann wurde geschossen, und als wir wieder in der Stellung waren, da fehlten elf Mann. Und ich hatte die Verantwortung.“[7]Mit dieser Schuld wird Beckmann nicht fertig, woran schließlich auch die Beziehung zu dem Mädchen scheitert, weil Beckmann die Auseinandersetzung mit ihrem Mann scheut, der unter seiner Verantwortung zum Krüppel geworden ist.[8]In der Schlüsselszene des Dramas möchte Beckmann die Verantwortung an den Oberst zurückgeben; dieser stellt den Vertreter der älteren Generation dar, die ganz alleine nach Beckmanns Ansicht ihn und die anderen Soldaten in den Krieg und die Schuld getrieben hat.[9]
[...]
[1]JURGENSEN, Manfred: Max Frisch. Die Dramen, Bern 1968, S. 107.
[2]BORCHERT, Wolfgang: Draußen vor der Tür. Hamburg 1958, S. 44.
[3]WUCHERPFENNIG, Wolf: Geschichte der deutschen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 1986, S.114.
[4]Vgl. BORCHERT, Wolfgang: Draußen vor der Tür. A. a. O., S. 10.
[5]Vgl. BORCHERT, Wolfgang: Draußen vor der Tür. A. a. O., S. 39ff.
[6]Vgl. BAUMGART, Reinhard: Wolfgang Borchert, ein Hungerkünstler. 1971, im Internet unter http://www.utexas.edu/ftp/courses/swaffar/distance/zeugnis5.htm
[7]BORCHERT, Wolfgang: Draußen vor der Tür. Hamburg 1958, S. 27.
[8]Vgl. BORCHERT, Wolfgang: Draußen vor der Tür. A. a. O., S. 20.
[9]Vgl. BAUMGART, Reinhard: Wolfgang Borchert, ein Hungerkünstler. 1971, a. a. O.
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- Fabian Otto (Autor), 2002, Max Frischs Als der Krieg zu Ende war und Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür. Ein Vergleich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29266
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