Brasilien ist mit 172 Mio. Einwohnern das wirtschaftlich bedeutendste Land Lateinamerikas. Es verfügt über reiche Ressourcen wie Bodenschätze, Wasserkraft, Arbeitskräfte und gute Bedingungen für die Landwirtschaft. Es gehört zugleich zu den am stärksten industrialisierten Ländern der Region. Allerdings ist Brasilien aber auch von großen regionalen und sozialen Gegensätzen geprägt und gehört zu den höchstverschuldeten Entwicklungsländern.Die gesamte Außenschuld wurde von der brasilianischen Zentralbank für Dezember 2002 mit 227,7 Mrd. USD angegeben.
Die Schere zwischen arm und reich geht extrem weit auseinander, Brasilien gilt weltweit als Land mit der ungleichsten Verteilung des Wohlstandes.3 Die reichsten 10% des Landes besitzen 65% des Wohlstandes, die ärmsten 40% nur 7%. Und die ärmsten 10% dürfen nur unglaubliche 0,6% des Wohlstandes ihr Eigen nennen. Mitte der 90er Jahre lebte mindestens ein Fünftel der Bevölkerung, also ungefähr 32 Millionen Menschen, in extremer Armut. Bis zum heutigen Tag hat sich die Situation nicht gebessert. „Die städtische Arbeitslosigkeit ist höher denn je, die Armut ist kaum geringer geworden, das Einkommensgefälle hat sich sogar noch verschärft. Laut UN leben 22 Prozent der Brasilianer von weniger als zwei Dollar am Tag.“5 „Die Hälfte der Bevölkerung kann nicht schlafen, weil sie Hunger leidet. Die andere Hälfte kann nicht schlafen, weil sie Angst vor denen hat, die Hunger leiden“, sagt der Ökonom Aloizio Mercadante, seines Zeichens ein Berater des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva .6 Natürlich stellt sich die Frage, wie solche gravierenden Unterschiede in der Brasilianischen Gesellschaft zustande gekommen sind und wieso man dieses Problem bisher nicht lösen konnte. Diese Arbeit setzt sich im Folgenden mit der Hypothese auseinander, dass ebendiese gesellschaftlichen Unterschiede die Folge der Eingliederung Brasiliens in den Weltmarkt sind - wie die Dependenztheorie anführt. Dabei habe ich versucht, den Konflikt zwischen dependenz- und modernisierungstheoretischen Ansätzen darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Theorie und Begriffsbestimmung
II.1. Modernisierungstheorie
II.2. Dependenztheorie
II.3. Newly Industrialized Countries
III. Brasilien
III.1. Wirtschaftsgeschichte
III.1.1. Militärherrschaft 1964-1985
III.1.2. Demokratie seit 1985
III.1.3. MERCOSUR
III.2. Ein Musterbeispiel der Dependenztheorie?
III.2.1. Ja…
III.2.2. …und Nein
IV. Fazit
V. Literatur
I. Einleitung
Brasilien ist mit 172 Mio. Einwohnern das wirtschaftlich bedeutendste Land Lateinamerikas. Es verfügt über reiche Ressourcen wie Bodenschätze, Wasserkraft, Arbeitskräfte und gute Bedingungen für die Landwirtschaft. Es gehört zugleich zu den am stärksten industrialisierten Ländern der Region. Allerdings ist Brasilien aber auch von großen regionalen und sozialen Gegensätzen geprägt und gehört zu den höchstverschuldeten Entwicklungsländern.[1]
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug 2002 452 Mrd. USD, im Jahr davor erreichte das BIP noch 504 Mrd. USD. Pro Kopf ergab dies 2590 USD (2001: 2.962 USD). Die gesamte Außenschuld wurde von der brasilianischen Zentralbank für Dezember 2002 mit 227,7 Mrd. USD angegeben. Die Nettoverschuldung des öffentlichen Sektors lag im Dezember 2002 bei 55,9 % des BIP (Dezember 2001: 53,4 % des BIP). Ende August 2003 hatte sie sich weiter auf 57,74 % des BIP erhöht. Die Wirtschaftsleistung wuchs 2002 um 1,52% (2001: 1,42%). Seitdem hat sich die brasilianische Wirtschaftsentwicklung allerdings verlangsamt.[2]
Die Hälfte der brasilianischen Bevölkerung lebt im relativ gut industrialisierten Süden, wobei 71% in den Städten leben. Der Nordosten Brasiliens bildet einen krassen Kontrast zum Südosten, der einen Anteil von 70% an der Industrieproduktion aufweist. Diese Unterentwicklung des Nordostens spiegelt sich vor allem in den heftigen Einkommensunterschieden, aber auch in der Gesundheitsversorgung, der Ernährung, der Bildung und den Wohnverhältnissen, wieder. Die Schere zwischen arm und reich geht extrem weit auseinander, Brasilien gilt weltweit als Land mit der ungleichsten Verteilung des Wohlstandes.[3]
Die reichsten 10% des Landes besitzen 65% des Wohlstandes, die ärmsten 40% nur 7%. Und die ärmsten 10% dürfen nur unglaubliche 0,6% des Wohlstandes ihr Eigen nennen.
Mitte der 90er Jahre lebte mindestens ein Fünftel der Bevölkerung, also ungefähr 32 Millionen Menschen, in extremer Armut.[4]
Bis zum heutigen Tag hat sich die Situation nicht gebessert. „Die städtische Arbeitslosigkeit ist höher denn je, die Armut ist kaum geringer geworden, das Einkommensgefälle hat sich sogar noch verschärft. Laut UN leben 22 Prozent der Brasilianer von weniger als zwei Dollar am Tag.“[5]
„Die Hälfte der Bevölkerung kann nicht schlafen, weil sie Hunger leidet. Die andere Hälfte kann nicht schlafen, weil sie Angst vor denen hat, die Hunger leiden“, sagt der Ökonom Aloizio Mercadante, seines Zeichens ein Berater des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.[6]
Natürlich stellt sich die Frage, wie solche gravierenden Unterschiede in der Brasilianischen Gesellschaft zustande gekommen sind und wieso man dieses Problem bisher nicht lösen konnte. Diese Arbeit setzt sich im Folgenden mit der Hypothese auseinander, dass ebendiese gesellschaftlichen Unterschiede die Folge der Eingliederung Brasiliens in den Weltmarkt sind - wie die Dependenztheorie anführt. Dabei habe ich versucht, den Konflikt zwischen dependenz- und modernisierungstheoretischen Ansätzen darzustellen.
II. Theorie und Begriffsbestimmung
Die Debatte über Entwicklungstheorien in den 70er-Jahren spaltete die Forscher in zwei „feindliche Lager.“[7]Dabei ging es vor allem um die Fragen ob die Ursachen von Unterentwicklung innerhalb oder außerhalb der betroffenen Gesellschaften zu suchen sind. Sind der Kolonialismus, die so genannte „neokoloniale Abhängigkeit“ oder kulturelle Faktoren entscheidend?[8]
II.1. Modernisierungstheorie
In der Modernisierungstheorie sind die Gründe für Stagnation und Unterentwicklung in so vielen Entwicklungsländern vor allem interner Art.[9]Diese Meinung vertritt zum Beispiel die Wissenschaftlerin Axelle Kabou, die die Krise Afrikas auf kulturelle Faktoren wie die Mentalität der Afrikaner zurückführt: Die Situation Afrikas, so Kabou, ist „direkt mit dem Verhalten der Afrikaner in einen Zusammenhang zu bringen.“ Ebenso spricht Kabou von dem afrikanischen „Widerstand gegen den Fortschritt.“[10]Von der Modernisierungstheorie wird den Entwicklungsländern also vorgeworfen, durch politische Rückständigkeit unterentwickelt zu sein.[11]
In Entwicklungsländern besteht nach den Modernisierungstheoretikern sozusagen ein interner Dualismus, das heißt es gibt moderne und traditionelle Sektoren. Der moderne Sektor ist dynamisch und am Weltmarkt orientiert, er verkörpert die Entwicklungschancen eines Landes. Der traditionelle Sektor stagniert und ist nicht mit den höher entwickelten Wachstumspolen verbunden. Seine Resistenz gegen die Dynamik des Kapitalismus begründet Unterentwicklung. Diese wird durch Ausdehnung moderner Sektoren auf traditionelle Bereiche überwunden.
Modernisierungstheoretiker gehen also davon aus, dass interne Faktoren wie Kultur, Religion oder auch Machtstrukturen die Modernisierung behindern. Unterentwicklung wird als frühes (Übergangs-)Stadium der gesellschaftlichen Entwicklung angesehen.
Auch Klima- und Ökologietheorien, sowie rassistisch gefärbte Theorien, die meist aus der Kolonialzeit stammen, gehören im weitesten Sinne zu den Modernisierungstheorien.
Allein die Befreiung aus den Fesseln der Tradition bringe Entwicklung, so die oft angeführte These. Dabei dienen die westlichen Gesellschaften als Vorbilder bei der Durchkapitalisierung des traditionellen Sektors,[12]Modernisierungstheorien implizieren also ein Modernitätsleitbild nach dem Ideal einer westlichen Industriegesellschaft.
II.2. Dependenztheorie
Die Dependenztheorien entstanden in den 1960er Jahren, in denen sich die soziale und wirtschaftliche Lage in vielen Entwicklungsländern drastisch verschlechterte. Bei vielen Wissenschaftlern ging der „Glaube an den Kapitalismus“ verloren, die Dependenztheorie gilt, im Gegensatz zur Modernisierungstheorie, als „pessimistischer Ansatz.“[13]
Im Gegensatz zu den Modernisierungstheorien heben Dependenztheoretiker exogene Faktoren für Unterentwicklung hervor.[14]Die Asymmetrie internationaler Wirtschaftsbeziehungen steht im Mittelpunkt, wobei die Grundthese lautet: Es besteht ein weltweites Abhängigkeitsgefüge schwacher von starken Ländern, und Unterentwicklung ist das Resultat der gewaltsamen Einfügung von Entwicklungsländern in den Weltmarkt. Höchstentwickelte Industrieländer beherrschen als Zentren das hierarchische Weltsystem, unterentwickelte Länder haben als Peripherien keine Möglichkeit zur wirtschaftspolitischen Eigenständigkeit. Entwicklungsländern, also Peripherien, werden durch das ausländische Kapital Produktionsweisen aufgezwungen, die für Industrieländer, etwa aufgrund hoher Lohnkosten oder aufgrund der Umweltbelastung, unattraktiv sind.[15]
Der Wissenschaftler Dieter Senghaas entwickelte das Modell des „peripheren Kapitalismus.“[16]Die Eingliederung einer „peripheren Ökonomie“ in den Weltmarkt bringt laut Senghaas negative Folgen mit sich:
[...]
[1]Deutsches Auswärtiges Amt, http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=12&land_id=26#1.
[2] Ebenda.
[3] Monssen 2000, S.11.
[4]Monssen 2000, S. 11.
[5] Grüttner 2002, in:Die Zeit.
[6] Ebenda.
[7]Nuscheler 1996, S. 15.
[8]Nuscheler 1996, S. 158.
[9]Vgl. Larrain 1992, S. 87ff.
[10]Kabou 1993, S.41.
[11]Vgl. Brunhart 2002, S. 48.
[12] Vgl. Wöhlcke 1981, S. 63ff.
[13] Larrain 1992, S. 111.
[14] Vgl. Brunhart 2002. S. 11.
[15] Ebenda, S. 12.
[16]Senghaas 1981, S. 7ff.
- Citar trabajo
- Bernhard Hagen (Autor), 2004, Dependenztheorie: Das Beispiel Brasilien, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29253
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