1. Einleitung
Der Gebrauch der Anredepronomina hat sich im Deutschen wie in vielen anderen Sprachen im Laufe der Jahrhunderte- bis heute entscheidend verändert. Welche pronominalen Anredeformen kannten unsere Vorfahren und wie vollzog sich die sprachhistorische Entwicklung dieses Anredesystems?
Die ältesten Anredepronomina germanischer Sprachen sind das Du und das Ihr. Davon ausgehend entwickelte sich ein vielfältiges System, wobei den Sprechern der deutschen Sprache zeitweise bis zu fünf verschiedene Anredepronomina zur Verfügung standen. Die ältesten Anredeformen wurden dabei immer wieder entwertet und durch neue ersetzt. Auf die Differenzierung der pronominalen Anredeformen im 17. und 18. Jahrhundert folgte eine Revision dieser Formen im 19. Jahrhundert. Auch der Gebrauch unseres heutigen Zweiersystems (Du/Sie) befindet sich in einem ständigen Wandlungsprozess. Diese Tatsache äußert sich gegenwärtig vor allem in starker Unsicherheit bei der Wahl des „richtigen“ Anredepronomens.
Im ersten Teil dieser Magisterarbeit möchte ich die sprachhistorische Entwicklung der pronominalen Anredeformen vom Mittelalter bis in die Gegenwart diachronisch beschreiben. Dabei beschränkt sich meine Darstellung auf Varietäten des Anredeverhaltens im Standartdeutschen, dialektale Abweichungen werden nicht untersucht. Doch selbst im Standartdeutschen lassen sich abhängig von ländlichen oder städtischen Strukturen Unterschiede im Gebrauch der pronominalen Anrede vermuten.
Gustav Ehrismann hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine umfangreiche Untersuchung der pronominalen Anredeformen im Mittelalter vorgelegt. Diese Arbeit ist von Albrecht Keller (1904) fortgesetzt, aber nicht abgeschlossen worden. In den Folgejahren haben sich neben Behaghel (1923) und Ammon (1972) in jüngster Vergangenheit vor allem Kohz (1982) und Besch (1998) mit der Entwicklung der pronominalen Anredeformen auseinandergesetzt. Die meisten Arbeiten zur Anredeforschung stammen dabei aus dem Bereich der Sprachsoziologie und linguistischen Pragmatik.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Sprachhistorische Entwicklung der pronominalen Anrede
- 2.1 Am Anfang war das „Du“
- 2.2 „Er“ und „sie“ (3. Pers. Sing.) als Steigerung der Höflichkeitsanrede „Ihr“
- 2.3 Das Vierersystem im 18. Jahrhundert
- 2.4 Das neue Zweiersystem „Du“/„Sie“ im 19. Jahrhundert
- 2.5 Die Entwicklung der pronominalen Anrede im 20. Jahrhundert
- 2.5.1 Das Genossen-Du in der DDR
- 2.5.2 Die pronominale Anrede vor 1968
- 2.5.3 Das neue Studenten-Du
- 2.6 Das heutige binäre Anredesystem
- 2.6.1 Die Du-Expansion
- 2.6.2 Die jüngsten Entwicklungen der pronominalen Anrede
- 2.6.3 Die pronominale Anrede morgen- ein Ausblick
- 3. Die pronominalen Anredeformen in den Briefen Martin Luthers (1483-1546)
- 3.1 Briefe an seine Familie
- 3.2 Briefe an Freunde und Bekannte
- 3.3 Briefe an seine Gegner
- 3.4 Briefe an Grafen und Kurfürsten
- 3.5 Briefe an Papst und Kaiser
- 4. Zum Wandel der pronominalen Anredeformen
- 4.1 Ursachen des Systemwandels der pronominalen Anrede
- 5. Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit verfolgt das Ziel, die sprachhistorische Entwicklung pronominaler Anredeformen im Deutschen zu untersuchen und zu beschreiben. Der Fokus liegt auf der diachronischen Analyse des Wandels vom mittelalterlichen System bis zur Gegenwart, unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Einflüsse auf den Sprachgebrauch. Die Arbeit analysiert auch exemplarisch den Anredegebrauch in den Briefen Martin Luthers.
- Diachronische Entwicklung pronominaler Anredeformen im Deutschen
- Einfluss gesellschaftlicher Faktoren auf den Wandel des Anredesystems
- Analyse des Anredegebrauchs in den Briefen Martin Luthers
- Ursachen und Auswirkungen des Wandels des Anredesystems
- Gegenwärtiges Anredeverhalten und Zukunftsperspektiven
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der pronominalen Anredeformen im Deutschen ein und skizziert die Forschungsfrage: Wie hat sich der Gebrauch der Anredepronomina über die Jahrhunderte verändert? Sie benennt die wichtigsten Forschungsarbeiten zum Thema und beschreibt den Aufbau der Magisterarbeit. Der Fokus liegt auf der diachronischen Entwicklung im Standarddeutschen, wobei die Komplexität des Themas und die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtungsweise herausgestellt werden.
2. Die Sprachhistorische Entwicklung der pronominalen Anrede: Dieses Kapitel bietet eine umfassende Darstellung der sprachhistorischen Entwicklung der pronominalen Anredeformen im Deutschen. Es beginnt mit den ältesten Anredepronomen „Du“ und „Ihr“ und verfolgt deren Entwicklung über verschiedene Stadien, einschließlich des Vierersystems im 18. Jahrhundert und des Zweiersystems „Du/Sie“ im 19. und 20. Jahrhundert. Die Analyse umfasst die verschiedenen Phasen des Wandels und deren gesellschaftliche Kontexte, einschließlich der spezifischen Entwicklungen im 20. Jahrhundert (Genossen-Du in der DDR, Studenten-Du). Das Kapitel schließt mit einer Betrachtung des heutigen binären Anredesystems und einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
3. Die pronominalen Anredeformen in den Briefen Martin Luthers (1483-1546): Dieses Kapitel analysiert den Gebrauch pronominaler Anredeformen in ausgewählten Briefen Martin Luthers. Es untersucht, welche Anredepronomen Luther in seinen Briefen an verschiedene Adressaten (Familie, Freunde, Gegner, Adlige, Papst und Kaiser) verwendet und inwiefern diese dem allgemeinen Sprachgebrauch des 16. Jahrhunderts entsprechen. Die Analyse dient als exemplarische Veranschaulichung der Vielschichtigkeit des pronominalen Anredesystems und seiner Entwicklung. Die Auswahl der Briefe und die Analysemethode werden detailliert erläutert.
4. Zum Wandel der pronominalen Anredeformen: Dieses Kapitel untersucht die Ursachen des Wandels im pronominalen Anredesystem. Es geht der Frage nach, warum sich der Gebrauch der Anredepronomen seit dem Mittelalter verändert hat und analysiert die Gründe für den Übergang vom Zweiersystem zum Fünfersystem und zurück zum heutigen binären System. Das Kapitel behandelt grundlegende Fragen der Sprache und des Sprachwandels im Zusammenhang mit dem Anredesystem.
Schlüsselwörter
Pronominale Anredeformen, Sprachgeschichte, Deutsch, Anredepronomen, Du, Sie, Ihr, Höflichkeit, Sprachwandel, Sprachsoziologie, Linguistische Pragmatik, Martin Luther, Briefanalyse, Kommunikation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Magisterarbeit: Sprachhistorische Entwicklung pronominaler Anredeformen im Deutschen
Was ist der Gegenstand dieser Magisterarbeit?
Die Magisterarbeit untersucht die sprachhistorische Entwicklung der pronominalen Anredeformen im Deutschen. Sie analysiert den Wandel des Anredesystems vom Mittelalter bis zur Gegenwart und beleuchtet dabei den Einfluss gesellschaftlicher Faktoren auf den Sprachgebrauch. Ein besonderer Fokus liegt auf der Analyse des Anredegebrauchs in den Briefen Martin Luthers.
Welche Zeiträume werden in der Arbeit betrachtet?
Die Arbeit betrachtet die Entwicklung der pronominalen Anredeformen über mehrere Jahrhunderte hinweg, beginnend mit dem Mittelalter und reichend bis in die Gegenwart. Der Fokus liegt auf der diachronischen Analyse des Wandels, der verschiedene Stadien umfasst, wie z.B. das Vierersystem im 18. Jahrhundert und das heutige binäre System „Du/Sie“.
Welche Anredepronomen werden untersucht?
Die Arbeit untersucht die Anredepronomen „Du“, „Sie“, und „Ihr“ und deren Entwicklung und Verwendung in verschiedenen historischen Kontexten. Es wird der Wandel zwischen verschiedenen Anredesystemen (z.B. vom Vierersystem zum Zweiersystem) analysiert.
Welche Rolle spielt Martin Luther in der Arbeit?
Die Briefe Martin Luthers dienen als Fallstudie zur exemplarischen Veranschaulichung des Anredegebrauchs in einer bestimmten historischen Periode. Die Analyse seiner Briefe an verschiedene Adressaten (Familie, Freunde, Gegner, Adlige, Papst und Kaiser) zeigt die Vielschichtigkeit des pronominalen Anredesystems und seine Abhängigkeit vom sozialen Kontext.
Welche gesellschaftlichen Faktoren werden berücksichtigt?
Die Arbeit analysiert den Einfluss gesellschaftlicher Faktoren auf den Wandel des Anredesystems. Sie betrachtet, wie soziale Veränderungen (z.B. politische Umwälzungen, gesellschaftliche Bewegungen) den Sprachgebrauch und die Wahl der Anredepronomen beeinflusst haben. Beispiele hierfür sind die Entwicklung des "Genossen-Du" in der DDR oder das "Studenten-Du" der 1968er-Bewegung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert: Einleitung, Sprachhistorische Entwicklung der pronominalen Anrede, Die pronominalen Anredeformen in den Briefen Martin Luthers, Zum Wandel der pronominalen Anredeformen und Schlussbetrachtungen. Jedes Kapitel behandelt einen spezifischen Aspekt der Forschungsfrage.
Was sind die Ziele der Arbeit?
Die Arbeit hat zum Ziel, die sprachhistorische Entwicklung der pronominalen Anredeformen im Deutschen zu beschreiben und zu analysieren. Sie soll den Einfluss gesellschaftlicher Faktoren auf den Sprachwandel aufzeigen und ein umfassendes Bild der Entwicklung des Anredesystems vom Mittelalter bis in die Gegenwart liefern.
Welche Methode wird in der Arbeit angewandt?
Die Arbeit verwendet eine diachrone Analysemethode, um die Entwicklung der pronominalen Anredeformen über die Jahrhunderte hinweg zu verfolgen. Zusätzlich wird eine qualitative Analyse des Anredegebrauchs in den Briefen Martin Luthers durchgeführt.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Pronominale Anredeformen, Sprachgeschichte, Deutsch, Anredepronomen, Du, Sie, Ihr, Höflichkeit, Sprachwandel, Sprachsoziologie, Linguistische Pragmatik, Martin Luther, Briefanalyse, Kommunikation.
Welche Schlussfolgerungen werden in der Arbeit gezogen?
Die Schlussfolgerungen der Arbeit fassen die Ergebnisse der diachronen Analyse und der Fallstudie zu Martin Luther zusammen und bieten einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen im Bereich der pronominalen Anredeformen.
- Quote paper
- M.A. Uta Ziegler (Author), 2004, Eine erklärende Darstellung der Entwicklung der pronominalen Anredeformen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29011