Einleitung
Arbeitslosigkeit ist ein komplexes individuelles und gesellschaftliches Phänomen, das in allen industrialisierten Ländern eine große Zahl von Menschen direkt und eine noch weit größere Zahl von Menschen indirekt (etwa als Familienangehörige) betrifft. Bei der Beschäftigung mit dem Phänomen Arbeitslosigkeit verdienen die psychologischen Wirkungen besondere Beachtung: Arbeitslosigkeit ist ein Ereignis, das für die Betroffenen nicht notwendigerweise, aber bestürzend oft mit erheblichen psychischen und in der Folge auch physischen Belastungen einhergeht. Doch Arbeitslosigkeit wirkt nicht nur auf der individuellen Ebene, sondern produziert auch gesellschaftliche Reaktionen: Ausgrenzung und Abwertung von Arbeitslosen sind gesellschaftliche Realität.
Durch diese Ergebnisse der psychologischen Arbeitslosenforschung lässt sich begründen, warum die Gesellschaft als Ganzes in der Unterstützung der von Arbeitslosigkeit Betroffenen gefordert ist.
Auch in der Unterstützung Arbeitsloser in Form von Interventionsmaßnahmen sind die Erkenntnisse über die psychologischen Prozesse in der Arbeitslosigkeit richtungsweisend. Selbst der scheinbar völlig unpsychologische Versuch, Arbeitslose in neuen Anstellungen wiederzubeschäftigen, ist oft auf Training und Beratung arbeitsloser Arbeitnehmer angewiesen, um für eine erneute Anstellung unerlässliche Qualifikationen zu ermöglichen.
Der Aufbau dieser Arbeit stützt sich auf die eben beschriebene Rolle von Erkenntnissen aus der psychologischen Arbeitslosenforschung: Nach einem kurzen Überblick über das aktuelle Ausmaß von Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland werden die psychologischen Wirkungen von Arbeitslosigkeit im Einzelnen beschrieben. Ausgehend von der Bedeutung, die Arbeit für Menschen unseres Kulturkreises hat, wird gezeigt, welche Folgen zu erwarten sind und welche eintreten, wenn dieser zentrale Pfeiler unserer alltäglichen Existenz zusammenbricht. Dies wird zunächst für das Individuum diskutiert, dann werden die Auswirkungen und Reaktionsweisen des sozialen Umfelds und schließlich der Gesellschaft beschrieben. Ein gesonderter Abschnitt wird die Rolle moderierender Faktoren beleuchten; in diesem Zusammenhang wird auch auf die Rolle von Coping Ressourcen insbesondere von Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeit eingegangen.
Die Gestaltung von Interventionsmaßnahmen ergibt sich aus der psychologischen Qualität der beschriebenen Prozesse.[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das „wahre Ausmaß" der Arbeitslosigkeit
- Die Bedeutung von Arbeit
- Wirkung von Arbeitslosigkeit
- Die Arbeitslosen von Marienthal
- Heutige Forschung
- Typenbildung in der heutigen Forschung
- Proaktive und resignative Anpassung
- Arbeitslosigkeit und Gesundheit
- gesundheitliche Wirkungen von Arbeitslosigkeit
- Gesundheitsriskantes Verhalten von Arbeitslosen
- Verstärkungseffekte und psychosoziale Problemdichte
- Die Bewältigung von Arbeitslosigkeit
- Individuelle Faktoren
- Soziographische Faktoren
- Berufsbiographie
- Psychologische Faktoren
- Coping Ressourcen
- Faktoren der sozialen Umgebung
- Individuelle Faktoren
- Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf das soziale Umfeld
- Gesellschaftliche Verarbeitungsmuster
- Interventionsmaßnahmen
- Arbeitslosigkeit als bemfliche Transition
- Die Initiative Arbeitsmarkt Friedrichshafen
- Beschreibung der Maßnahme
- Erfolge der Maßnahme
- Bewertung der Maßnahme
- Diskussion
- Probleme der IAF als individuenzentrierter Maßnahme
- Gesellschaftliche Alternativen
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Das Referat „Psychologische Wirkungen von Arbeitslosigkeit" befasst sich mit den Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf das Individuum, das soziale Umfeld und die Gesellschaft. Es geht darum, die psychologischen Prozesse zu beleuchten, die im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit auftreten, und die Auswirkungen auf die Gesundheit, das Verhalten und die Bewältigungsstrategien der Betroffenen zu analysieren.
- Die Bedeutung von Arbeit für die menschliche Identität und das Alltagsleben
- Die psychologischen Folgen von Arbeitslosigkeit, wie z.B. Depressivität, Ängstlichkeit, sozialer Rückzug und gesundheitliche Beeinträchtigungen
- Die Rolle von Coping Ressourcen bei der Bewältigung von Arbeitslosigkeit, insbesondere interne Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeit
- Die gesellschaftliche Konstruktion von Arbeitslosigkeit und die Auswirkungen von Bagatellisierung, Individualisierung und Naturalisierung
- Die Herausforderungen und Möglichkeiten von Interventionsmaßnahmen, wie z.B. die Initiative Arbeitsmarkt Friedrichshafen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema Arbeitslosigkeit als ein komplexes individuelles und gesellschaftliches Phänomen vor, das in allen industrialisierten Ländern eine große Zahl von Menschen betrifft. Die Arbeit konzentriert sich auf die psychologischen Wirkungen von Arbeitslosigkeit und deren Auswirkungen auf das Individuum, das soziale Umfeld und die Gesellschaft.
Das Kapitel „Das „wahre Ausmaß" der Arbeitslosigkeit" beleuchtet die Schwierigkeiten bei der Erfassung des tatsächlichen Ausmaßes von Arbeitslosigkeit anhand der offiziellen Statistik der Bundesanstalt für Arbeit. Es werden verschiedene Gründe für die Diskrepanz zwischen den offiziellen Zahlen und der tatsächlichen Anzahl der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen aufgezeigt.
Das Kapitel „Die Bedeutung von Arbeit" analysiert die zentrale Rolle von Arbeit in unserer Gesellschaft, die über die bloße finanzielle Absicherung hinausgeht. Es werden die Erlebniskategorien der Bedeutung von Arbeit nach Marie Jahoda vorgestellt, die unterstreichen, wie eng Arbeit mit der Zeitstruktur, dem sozialen Horizont, der kollektiven Zusammenarbeit, dem Status und der Identität des Menschen verbunden ist.
Das Kapitel „Wirkung von Arbeitslosigkeit" untersucht die Folgen von Arbeitslosigkeit für das Individuum, ausgehend von der klassischen Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal". Es werden verschiedene Typen von Verarbeitungsmustern bei Arbeitslosen vorgestellt, die von der resignativen Anpassung bis hin zu proaktiven Bewältigungsstrategien reichen. Die Forschung zeigt, dass die Art der Anpassung an die Situation von Faktoren wie der finanziellen Deprivation, der Dauer der Arbeitslosigkeit, der sozioökonomischen Ausgangslage und der persönlichen Disposition abhängt.
Das Kapitel „Arbeitslosigkeit und Gesundheit" beleuchtet die gesundheitlichen Folgen von Arbeitslosigkeit, die von relativ belastungsfreien Formen bis hin zu schweren selbstzerstörerischen Verhaltensweisen reichen. Es werden die möglichen psychosozialen Folgen, wie Depressivität, Ängstlichkeit und Schlaflosigkeit, sowie die Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit, wie z.B. eine verminderte Immunabwehr, diskutiert. Das Phänomen der gelernten Hilflosigkeit wird als ein Mechanismus beschrieben, der die weit gestreute Verbreitung negativer Folgeerscheinungen plausibel macht.
Das Kapitel „Die Bewältigung von Arbeitslosigkeit" analysiert die Faktoren, die die Bewältigung von Arbeitslosigkeit beeinflussen, sowohl auf individueller Ebene als auch im sozialen Umfeld. Individuelle Faktoren wie Alter, Geschlecht, Berufsbiographie, psychologische Disposition und Coping Ressourcen spielen eine wichtige Rolle. Soziale Faktoren, wie z.B. die Möglichkeit von Kontrolle, Erwerb oder Anwendung von Fähigkeiten, äußere Zielvorgaben, Abwechslung, Eindeutigkeit, Verfügbarkeit von Geld, körperliche Sicherheit, zwischenmenschliche Kontakte, soziale Wertschätzung und die Höhe der Arbeitslosenrate, beeinflussen ebenfalls die Bewältigung von Arbeitslosigkeit.
Das Kapitel „Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf das soziale Umfeld" befasst sich mit den Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die Familie des Arbeitslosen. Es wird das Konzept des „Opfers durch Nähe" vorgestellt, das die Belastungen beschreibt, die die Familie durch die veränderte Lebenssituation des Arbeitslosen erfährt. Die Bedeutung von Familie für den Arbeitslosen selbst ist ambivalent: Einerseits kann die Familie ein emotionaler Rückhalt sein, andererseits steht der Arbeitslose unter besonderem Druck, weil er Verantwortung für andere Menschen übernommen hat.
Das Kapitel „Gesellschaftliche Verarbeitungsmuster" analysiert die gesellschaftlichen Reaktionen auf das Phänomen Arbeitslosigkeit. Es werden die Mechanismen „Bagatellisierung", „Individualisierung" und „Naturalisierung" vorgestellt, die den Umgang mit Arbeitslosigkeit in der Gesellschaft prägen. Diese Mechanismen dienen dazu, das Ausmaß von Arbeitslosigkeit zu verschleiern, die Verantwortung für Arbeitslosigkeit auf das Individuum zu schieben und die Ursachen von Arbeitslosigkeit als unvermeidbare Naturgesetze darzustellen.
Das Kapitel „Interventionsmaßnahmen" untersucht verschiedene Ansätze zur Intervention bei Arbeitslosigkeit, wie z.B. die Initiative Arbeitsmarkt Friedrichshafen. Es wird die Bedeutung von Arbeitslosigkeit als beruflicher Transition und die Notwendigkeit einer einfühlsamen Begleitung des Arbeitslosen in diesem Prozess betont. Die Initiative Arbeitsmarkt Friedrichshafen wird als ein Beispiel für eine Interventionsmaßnahme vorgestellt, die sowohl berufsbezogene Handlungsstrategien als auch psychosoziale Unterstützung anbietet. Die Maßnahme wird hinsichtlich ihrer Erfolge und ihrer Ambivalenz unter dem Gesichtspunkt sozialer Gerechtigkeit bewertet.
Das Kapitel „Diskussion" problematisiert den Anspruch der Initiative Arbeitsmarkt Friedrichshafen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Wirkungen. Es wird argumentiert, dass die Maßnahme zwar die Situation einzelner Arbeitsloser verbessern kann, aber gesellschaftliche Ursachen von Arbeitslosigkeit nicht angeht. Als Alternative werden gesellschaftliche Initiativen vorgestellt, die auf der Eigeninitiative der Arbeitslosen als gesellschaftlicher Gruppierung basieren. Die Bewegung der Arbeitslosengewerkschaften in Frankreich wird als ein Beispiel für eine emanzipatorische Bewegung vorgestellt, die sich für die Verbesserung der Situation aller Arbeitslosen einsetzt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die psychologischen Wirkungen von Arbeitslosigkeit, die Bedeutung von Arbeit für die menschliche Identität, die Folgen von Arbeitslosigkeit für die Gesundheit und das Verhalten, die Rolle von Coping Ressourcen bei der Bewältigung von Arbeitslosigkeit, die gesellschaftliche Konstruktion von Arbeitslosigkeit und die Herausforderungen und Möglichkeiten von Interventionsmaßnahmen. Der Text beleuchtet die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf das Individuum, das soziale Umfeld und die Gesellschaft und analysiert die verschiedenen Verarbeitungsmuster und Bewältigungsstrategien, die im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit auftreten. Ein besonderer Fokus liegt auf der Rolle von internaler Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeit als wichtige Coping Ressourcen. Der Text diskutiert auch die gesellschaftlichen Reaktionen auf Arbeitslosigkeit, insbesondere die Mechanismen der Bagatellisierung, Individualisierung und Naturalisierung, und zeigt die Notwendigkeit einer emanzipatorischen Bewegung, die sich für die Verbesserung der Situation aller Arbeitslosen einsetzt.
- Citar trabajo
- Tilmann Warnke (Autor), 2001, Psychologische Wirkungen von Arbeitslosigkeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2900
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