Einleitung
Die Kriegführung der Osmanen in der frühen Neuzeit gehört sicher nicht zu den am Besten erforschten Gebieten der Militärhistorik. Während über den römischen Legionär oder den preußischen Grenadier Friedrichs des Großen so ziemlich alles Wissenswerte relativ leicht in Erfahrung gebracht werden kann, sei es die Kriegführung im „großen Stil“, also Strategie, Logistik und Finanzierung , oder im „kleinen Stil“ also Kampftaktik , Art der Ausrüstung der einfachen Soldaten, Reichhaltigkeit und Häufigkeit der Verpflegung und die Eintönigkeit des Lagerlebens, so wird man bei der Beantwortung derselben Fragen in Bezug auf das osmanische Heer in arge Schwierigkeiten geraten . Alte europäische Quellen dazu sind meist pro-christlich und übertreiben oft maßlos die Truppenstärke der Osmanen 1 . Außerdem wurden in älteren Werken kaum osmanische Quellen zu Rate gezogen, was sich in einseitigen Analysen niederschlug und somit zu den heute noch gängigen Klischees vom „Gunpowder Empire“ und Horden von religiös fanatischen türkischen Kriegern führte, die nur durch Überzahl und Wildheit gewannen . Die hier verglichenen zwei Bücher versuchen dies zu korrigieren. Das 1988 in Wien erschienene „The Administration of Warfare : Ottoman Military Campaigns In Hungary 1593- 1606“ von Caroline Finkel, versucht erstmals das osmanische Heerwesen in einem klar definierten historischen Kontext , nämlich dem des sogenannten „Langen Krieges“, akkurat zu bewerten. Ihr Buch konzentriert sich ,abgesehen von einem knappen chronologischen Abriß und umfangreichen Kartenmaterial, auf die Logistik, also Organisation der verschiedenen Truppenteile ,deren Versorgung im wesentlichen mit Lebensmitteln und die Finanzierung des Ganzen durch Reich und Sultan.
Rhoads Murpheys 1999 in London und New Jersey erschienenes “Ottoman Warfare 1500- 1700” ist schon vom Titel her breiter angelegt. Er beschreibt das osmanische Heerwesen über volle zwei Jahrhunderte in der Hochzeit des Imperiums . Während Finkel meist in der strategischen Ebene verbleibt, untersucht Murphey sehr viel detaillierter die kleinen Dinge, so z.B. die Beschaffungslisten ägyptischer Aghas für eine Strafexpedition in den Jemen...
Inhaltsverzeichnis:
I. Einleitung
II. Thematik und Anspruch
1. Caroline Finkels „Administration of Warfare”
2. Rhoads Murpheys „Ottoman Warfare“
III. Struktur und Stil
1. Struktur und Aufbau
a. Aufbau von „Administration of Warfare“
b. Neun Kapitel in „Ottoman Warfare“
2. Wie sich beide Bücher lesen
IV. Vergleich der Quellen und diverse Rezensionen
1. Was für Quellen die Autoren benützen und wie
2. Meinungsspektrum in verschieden Rezensionen
V. Direkter Vergleich und abschließende Gedanken
VI . Verwendete Literatur
I. Einleitung
Die Kriegführung der Osmanen in der frühen Neuzeit gehört sicher nicht zu den am Besten erforschten Gebieten der Militärhistorik. Während über den römischen Legionär oder den preußischen Grenadier Friedrichs des Großen so ziemlich alles Wissenswerte relativ leicht in Erfahrung gebracht werden kann, sei es die Kriegführung im „großen Stil“, also Strategie, Logistik und Finanzierung , oder im „kleinen Stil“ also Kampftaktik , Art der Ausrüstung der einfachen Soldaten, Reichhaltigkeit und Häufigkeit der Verpflegung und die Eintönigkeit des Lagerlebens, so wird man bei der Beantwortung derselben Fragen in Bezug auf das osmanische Heer in arge Schwierigkeiten geraten .
Alte europäische Quellen dazu sind meist pro-christlich und übertreiben oft maßlos die Truppenstärke der Osmanen[1]. Außerdem wurden in älteren Werken kaum osmanische Quellen zu Rate gezogen, was sich in einseitigen Analysen niederschlug und somit zu den heute noch gängigen Klischees vom „Gunpowder Empire“ und Horden von religiös fanatischen türkischen Kriegern führte, die nur durch Überzahl und Wildheit gewannen .
Die hier verglichenen zwei Bücher versuchen dies zu korrigieren. Das 1988 in Wien er-schienene „The Administration of Warfare : Ottoman Military Campaigns In Hungary 1593-1606“ von Caroline Finkel, versucht erstmals das osmanische Heerwesen in einem klar definierten historischen Kontext , nämlich dem des sogenannten „Langen Krieges“, akkurat zu bewerten. Ihr Buch konzentriert sich ,abgesehen von einem knappen chronologischen Abriß und umfangreichen Kartenmaterial, auf die Logistik, also Organisation der verschiedenen Truppenteile ,deren Versorgung im wesentlichen mit Lebensmitteln und die Finanzierung des Ganzen durch Reich und Sultan .
Rhoads Murpheys 1999 in London und New Jersey erschienenes “Ottoman Warfare 1500-1700” ist schon vom Titel her breiter angelegt. Er beschreibt das osmanische Heerwesen über
volle zwei Jahrhunderte in der Hochzeit des Imperiums .
Während Finkel meist in der strategischen Ebene verbleibt, untersucht Murphey sehr viel detaillierter die kleinen Dinge, so z.B. die Beschaffungslisten ägyptischer Aghas für eine Strafexpedition in den Jemen[2].Trotz der geringeren Seitenzahl bringt Murphey mehr Themen unter. Wie auch Finkel beschreibt er die Logistik ,dazu aber auch Fragen des Transports von Mann und Material unter verschiedenen Bedingungen ,kurze Beispiele für die Strategie und Taktik der Epoche, sowie der Motivation der Anführer und einfachen Soldaten. Gerade das siebte Kapitel seines Buches, „Motivational and psychological aspects of Ottoman Warfare”, ist hier hervorzuheben, denn die Frage, warum ein Krieger trotz der teilweise enormen Verlustraten einiger Feldzüge, überhaupt bereit ist zu kämpfen , ist wohl eine der schwersten zu beantwortenden Fragen .
Im folgenden werde ich nun näher auf die Thematik und Struktur beider Bücher eingehen, sowie das, was die Autoren damit überhaupt bezwecken. Da es sich hier um ein bisweilen recht trockenes Thema handelt ,besonders wenn die Details der osmanischen Steuergelder-Verteilung diskutiert werden , wie etwa im dritten Kapitel von „Administration of Warfare“, oder die Frage, wieviel ein türkisches Kamel tragen kann[3], soll auch die unterschiedliche Lesbarkeit der Monographien verglichen werden. Abschließend folgt eine knappe Be-trachtung der hauptsächlichen Quellen der Autoren und was sie dazu sagen[4], sowie was einige Rezensenten von den Büchern halten .
II. Thematik und Anspruch
1. Caroline Finkels „Administration of Warfare“
Das 1988 in den Beiheften zur Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes erschienene Buch von Caroline Finkel ist ursprünglich eine Dissertationsschrift, die durch Fördergelder des österreichischen Forschungsministeriums ,der Stadt Wien und des Verbandes wissenschaftlicher Gesellschaften Österreichs publiziert wurde. Im Gegensatz zu früheren Werken, die sich eher mit Strategie und Taktik der osmanischen Sultane und Armeen[5] widmeten , beschränkt sich Finkel fast ausschließlich auf die logistischen Aspekte der Kriegführung der Osmanen im Zeitraum des „langen Krieges“ zwischen Haus Habsburg und dem Sultanat und auf das Verhältnis von Staat und Militär in den Jahren 1593 bis 1606 .Die Ereignisse des dreizehn Jahre dauernden Kampfes, der ohne klaren Sieger endete, werden auf lediglich dreizehn Seiten im Rahmen der Einleitung zusammengefaßt, worauf dann die eigentlichen drei Kapitel über Truppenstärke und deren Mobilisierung ,Verpflegung und Finanzierung folgen.
Bereits in Vorwort und Einleitung wird dem Leser klargemacht, daß sich die Monographie an Militärhistoriker der frühen Neuzeit und Orientalisten richtet , mit dem Zweck einen Grundstein für vergleichende Analyse mit der Administration zeitgenössischer europäischer Heere zu legen:
[…]However, because the present study is the first conscious effort to provide basic information which
will enable Ottoman military history to be set within a comparative framework of analysis this attempt
to lay the ground for future work in this field inevitably contains a certain amount that will bemuse the
non-Ottomanist : I hope that the non-specialist reader will , nevertheless, be patient, and understand that
the fundamental task of the definition of many of the Ottoman terms has not hitherto been undertaken.[6]
Meist benutzt sie die wohl am besten erforschte zeitgenössische Armee, die spanische, als Prüfstein für die Leistungsfähigkeit der osmanischen Heere und stellt auch weitere Vergleiche an , z.B. wie sie ihre Heere verschoben und Provinzen befestigten[7].Seinen Ruf als Pionier-werk erhält das Buch dadurch, daß es erstmals die operativen Fähigkeiten der Osmanen realistisch zu bewerten sucht, und dies gestützt auf hauptsächlich osmanische Quellen . Vor-angehende Artikel , zum Beispiel „Harb“ von Vernon Parry in der EI , der laut Finkel den An-
stoß zur Schaffung dieses Buches führte, ist ihrer Meinung nach zu kurz und basiert auf westlichen Quellen[8].Caroline Finkel drückt auch einiges Unbehagen über gängige Einordnungsmuster des osmanischen Heerwesens aus , wie die ihrer Meinung nach zu simple Einteilung in Reaya und Askeri sowie Sipahi und Kapukulu , allerdings bringt auch sie keine überzeugende Alternative dazu[9] und benützt eben diese Einteilungen für ihr Buch . Darüber hinaus greift sie Äußerungen anderer Wissenschaftler an, die sie kaum teilen kann , so z.B. die von Sugar, daß angeblich 96% der Ausgaben der Osmanen auf Sold fielen[10], aber auch Inalcik für seine Meinung, das Massenrekrutierung (und darauf folgende Massenentlassung) von Sekban die Cenali Revolten ausgelöst oder zumindest verstärkt haben soll[11].
Ihrer Meinung nach ist einer der Hauptgründe für die Krise des Osmanenreiches während des Übergangs vom 16. zum 17. Jahrhundert, der Niedergang des alten Timarsystems , was durch Massenrekrutierungen von Gemeinen aufgefangen wurde, was wiederum die Staatskasse arg belastete und den Übergang zu „Cash-Taxation“ erzwang. Dies wurde durch bürokratische Reformen und milde Besteuerung der Frontprovinzen aufzufangen versucht. Am Ende ihres Buches erklärt sie noch einmal wie wenig die Rolle des Krieges in der osmanischen Gesellschaft und die bestimmenden Akteure überhaupt erforscht sind. Sie ruft dazu auf, diese Rolle jenseits von Ghazi- und Jihad – Platitüden zu ergründen , wozu es ihrer Meinung nach unabdingbar ist, den Wirtschaftskreislauf des Reiches in seiner Gänze zu enträtseln. Nur dadurch könnte dann eine wirklich realistische Bewertung der Macht des osmanischen Imperiums erstellt werden, um es dann mit Frankreich , Spanien oder Schweden im 16/17. Jahrhundert zu vergleichen.
Alles in allem ist Finkels „Administration of Warfare“ kein Buch für den Markt der (militär-) historisch interessierten Leser ,sondern für fortgeschrittene Kenner der Geschichte der frühen Neuzeit und Orientalisten gedacht, mit dem Gedanken das Verhältnis von Staat und Militär in dem als kriegstreiberisch verschrieenen Reich zu entwirren und eine grundlegende Analyse der logistischen Möglichkeiten der Osmanen zu liefern, auf deren Grundlage andere weitergehende Forschung betreiben können und sollen .
[...]
[1] Vgl. Murphy , Rhoads , Ottoman Warfare 1500-1700, London 1999, die Seiten 6 und 36-43
[2] Vgl. Murphey, Ottoman Warfare, S. 60-63
[3] ibd. S. 75-80
[4] Vgl. Finkel, Caroline, “Administration of Warfare: The Ottoman Military Campaigns in Hungary, 1593-1606”, in: Beihefte zur Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes,Wien 1988, Bd. 14 , S. 330-31
[5] siehe z.B. Montgomery of Alamein, A History of Warfare, London 1968 , S. 243-261
[6] Finkel, Administration of Warfare,Bd.14, S. ix
[7] ibd. Seiten 65 , 312 u. A.
[8] ibd. S.4
[9] Vgl. Kunt , I. Metin ,Review von “The Administration of Warfare”, Bulletin of the School of Oriental and African studies, Vol. 54,Nr. 1 ( 1991), S.170
[10] ibd. S. 301
[11] ibd. S 39-41
- Citation du texte
- Philipp-Henning v.Bruchhausen (Auteur), 2003, 'Ottoman Warfare' und 'Administration of Warfare' ; Ein Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28958
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