Dass es ausgerechnet die „Männlichkeit“ sein soll, die Schuld daran trägt, dass allochthone Jugendliche sich kriminell und gewalttätig verhalten, ist gegenwärtig der sich wiederholende Diskurs, welchen die Medien hervorbringen. Ganz gleich, in welcher Zeitung wir gerade lesen oder welches Fernsehprogramm wir wählen, die Bilder sind immer einheitlich präsent: „Männlichkeit“ und Kriminalität scheinen wie ein unsichtbares Band miteinander verbunden zu sein. Polizeiliche Kriminalstatistiken weisen in ihren jährlichen Veröffentlichungen darauf hin, dass es hauptsächlich Männer bzw. männliche Jugendliche sind, die an Gewaltdelikten als Täter oder Opfer beteiligt sind. (vgl. Möller, 2010) In diesem Zusammenhang wird männlich „mit Junge gleichgesetzt und Gewalt gleich männlich als gegeben vorausgesetzt“. (vgl. Messerschmidt 1993, 1) Eine scharfe Kehrtwende erfährt diese Debatte jedoch, wenn die Kriminalität von jungen männlichen Migranten in den öffentlichen Medien thematisiert wird. Unter dem Schlagwort „Ausländer-Kriminalität“ setzt nun dort eine Debatte ein, wo es eben noch um Kriminalität im Zusammenhang mit „Männlichkeit“ ging. Diese Debatte sieht die „andere“ Ethnizität bzw. Kultur als Begründung für das kriminelle Treiben der jeweiligen Gruppe. Ein Ethnisierungs- bzw. Kulturalisierungsprozess des Problems der Kriminalität von männlichen Jugendlichen und Heranwachsenden hält somit Einzug in die Thematik. Er schafft eine Kluft zwischen den autochthonen männlichen kriminellen Jugendlichen versus jenen der allochthonen Gruppe. Die Legitimation, den Diskurs hinsichtlich der Kriminalität allochthoner Jugendlichen auch so führen zu dürfen, findet sich u. a. in der Kulturdifferenzhypothese. Diese beschreibt hegemoniale Kulturen im Herkunfts- und Einwanderungsland als grundsätzlich unterschiedlich und von daher grundlegend fremdartig in ihren Bedeutungs- und Deutungssystemen. Folgt man dieser Hypothese in ihrem Ansatz, so ist es die Aufgabe des Migranten bzw. der Migrantin, eine kulturelle Diskrepanz persönlich zu bewältigen. (vgl. Munsch / Gmende / Weber-Unger 2007) Eine Studie nach Pfeiffer und Wetzels aus dem Jahre 2000, welche sich der Frage der allgemeinen Gewaltbereitschaft muslimischer Jugendlicher widmete und den Titel „Junge Türken als Täter und Opfer von Gewalt“ trägt, bediente sich in ihrer Klärung dieses Phänomens der o.g. Kulturdifferenzhypothese und sah diese aufgrund ihrer Forschungsergebnisse wie folgt bestätigt: [...]
Inhalt
Einleitung
1 Das „Geschlecht“ im Wandel der Postmoderne
1.1. „doing gender“ - von der sozialen Konstruktion des Geschlechts
1.2. Entwicklung und aktueller Stand der Männerforschung
1.3. Zu den Theorien deutscher Männerforschung im Detail
1.3.1 Die „hegemoniale Männlichkeit“ nach R. Connell
1.3.2. Die „männliche Herrschaft“ und das „Spielen der Spiele“ nach Bourdieu
1.4. Zusammenfassung der Theorien nach Connell und Bourdieu
1.5. „Männlichkeit“ aus intersektionaler Perspektive
2„doing ethnicity“ – von der soziale Konstruktion der „Ethnizität“
2.1. Der Prozess des „doing ethnicity“ aus historischer Sicht
2.2. Die „rassisierten Regime der Repräsentationen“ nach Hall
2.3. Die Symbolik „des bösen schwarzen Mannes“ - Der Fall Oury Jalloh
2.4. Methodische Vorbemerkungen zur Dokumentenanalyse
2.5. Die öffentlich mediale Repräsentation männlichen/weiblichen Geschlechts im Migrationsdiskurs
3„Männlichkeit“ im Migrationsdiskurs – eine kritische Gegendarstellung
3.1. Lebensbiografie Abdul und Analyse anhand aufgezeigter Theorien
3.2. Lebensbiografie Iwan und Analyse anhand aufgezeigter Theorien
3.3. Abdul und Iwan – zwei Fallbeispiele fernab vom „rassisierten Regime der Repräsentationen“
4 Ausblick
5 Literatur- und Quellverzeichnis
Anhang
Einleitung
Dass es ausgerechnet die „Männlichkeit“ sein soll, die Schuld daran trägt, dass allochthone Jugendliche sich kriminell und gewalttätig verhalten, ist gegenwärtig der sich wiederholende Diskurs, welchen die Medien hervorbringen. Ganz gleich, in welcher Zeitung wir gerade lesen oder welches Fernsehprogramm wir wählen, die Bilder sind immer einheitlich präsent: „Männlichkeit“ und Kriminalität scheinen wie ein unsichtbares Band miteinander verbunden zu sein. Polizeiliche Kriminalstatistiken weisen in ihren jährlichen Veröffentlichungen darauf hin, dass es hauptsächlich Männer bzw. männliche Jugendliche sind, die an Gewaltdelikten als Täter oder Opfer beteiligt sind. (vgl. Möller, 2010) In diesem Zusammenhang wird männlich „mit Junge gleichgesetzt und Gewalt gleich männlich als gegeben vorausgesetzt“. (vgl. Messerschmidt 1993, 1) Eine scharfe Kehrtwende erfährt diese Debatte jedoch, wenn die Kriminalität von jungen männlichen Migranten in den öffentlichen Medien thematisiert wird. Unter dem Schlagwort „Ausländer-Kriminalität“ setzt nun dort eine Debatte ein, wo es eben noch um Kriminalität im Zusammenhang mit „Männlichkeit“ ging. Diese Debatte sieht die „andere“ Ethnizität bzw. Kultur als Begründung für das kriminelle Treiben der jeweiligen Gruppe. Ein Ethnisierungs- bzw. Kulturalisierungsprozess des Problems der Kriminalität von männlichen Jugendlichen und Heranwachsenden hält somit Einzug in die Thematik. Er schafft eine Kluft zwischen den autochthonen männlichen kriminellen Jugendlichen versus jenen der allochthonen Gruppe. Die Legitimation, den Diskurs hinsichtlich der Kriminalität allochthoner Jugendlichen auch so führen zu dürfen, findet sich u. a. in der Kulturdifferenzhypothese. Diese beschreibt hegemoniale Kulturen im Herkunfts- und Einwanderungsland als grundsätzlich unterschiedlich und von daher grundlegend fremdartig in ihren Bedeutungs- und Deutungssystemen. Folgt man dieser Hypothese in ihrem Ansatz, so ist es die Aufgabe des Migranten bzw. der Migrantin, eine kulturelle Diskrepanz persönlich zu bewältigen. (vgl. Munsch / Gmende / Weber-Unger 2007) Eine Studie nach Pfeiffer und Wetzels aus dem Jahre 2000, welche sich der Frage der allgemeinen Gewaltbereitschaft muslimischer Jugendlicher widmete und den Titel „Junge Türken als Täter und Opfer von Gewalt“ trägt, bediente sich in ihrer Klärung dieses Phänomens der o.g. Kulturdifferenzhypothese und sah diese aufgrund ihrer Forschungsergebnisse wie folgt bestätigt:
„Aus traditionellen und patriarchalen Kulturen importieren die Väter vormoderne, problematische Männlichkeitsvorstellungen, die sie an ihre männlichen Kinder weitergeben. Die Jugendlichen übernehmen diese Männlichkeitsmuster und bleiben dadurch in einem rückständigen patriarchalen System verhaftet. Den fortschrittlichen Realitäten der bundesrepublikanischen Gesellschaft werde das daraus resultierende Verhalten nicht gerecht und dadurch gerieten die Jugendlichen in Probleme. In ihrer Familie erlebten sie Gewalt als Normalität, was sie zusätzlich gewaltbereiter werden lasse. All dies schmälere ihre Chancen, sich in der Gesellschaft einen Platz zu erobern.“ (Spindler 2003, 258)
Susanne Spindler beschreibt im Jahre 2006 im Rahmen ihrer Dissertation „Corpus Delicti – Männlichkeit, Rassismus und Kriminalisierung im Alltag jugendlicher Migranten“ und in diversen Textbeiträgen, dass jene oben aufgeführte Hypothese gemeinsam mit der Untersuchung von Pfeiffer und Wetzels, inzwischen zum „common-sense“ der Gesellschaft gehört. Die „Kulturdifferenzhypothese“ wird auch weiterhin gern als Erklärungsmuster für die Gewaltbereitschaft junger männlicher Migranten in öffentliche wie auch sozialpolitische Diskurse einbezogen. (vgl. Spindler 2003) Dass jedoch hinsichtlich Kriminalität „sowohl individuelle Verhältnisse als auch die soziale Situation in Frage gestellt“ (Spindler 2006, 86) werden müssen, machten bereits internationale Untersuchungen hinsichtlich „gender“ und Kriminalität 1993/94 deutlich. (vgl. Messerschmidt 1993/ Newburn und Stanko 1994) Folgt man diesen, sind Gewalttätigkeit und Kriminalität kein Ausdruck von „Männlichkeit“, sondern das Mittel, diese herzustellen. (vgl. Spindler 2006) „Männlichkeit“ muss „stets aufs Neue erzeugt werden und die Formen, in denen dies geschieht, korrespondieren mit der Situation“ (ebd. 83) in der sich Jungen und Männer wiederfinden.
„Because men reproduce masculine ideas in structured specific practises, there are a variety of ways of “doing masculinity”. Although masculinity is always individual and personal, specific forms of masculinity are available, encouraged and permitted, depending one’s class, race and sexual preferences. Masculinity must be viewed as structured action - what men do under specific constraints and varying degrees of power.” […] “Men do masculinity according to the social situation in which they find themselves.” (Messerschmidt 1993, 81, 83ff)
Das Zitat lässt den Schluss zu, dass „Männlichkeit“ im Allgemeinen Gesetzgebungen folgt, in der sich Jungen und Männer wiederfinden und dort der Vorgabe für die (Re-) Konstruktion von „Männlichkeit“ in der spezifischen Form folgen sowie diese nach vorgegebenem Bild (re-)produzieren. Da jedoch nicht alle Jungen und Männer die gleiche soziale Position teilen, variiert „Männlichkeit“. Die unterschiedliche Disposition von Macht und Ressourcen führt zu unterschiedlichen Formen von „Männlichkeit“. (vgl. Spindler 2006) Diese Zusammenhänge werden hinsichtlich der „Männlichkeit“ im Migrationsdiskurs kaum thematisiert. Es herrschen nach wie vor stereotype Vorstellungen in puncto Migranten, die darin münden, jene männlichen Heranwachsenden und Männer als Angehörige der Minderheitengesellschaft gegenüber der Mehrheitsgesellschaft als „anders“ erscheinen zu lassen. Die allgemeine Öffentlichkeit wird durch sozialpolitische und insbesondere durch mediale Diskurse zum Thema nach wie vor mit Bildern von „patriarchalen Paschas“ versorgt, die ihre zumeist türkischstämmigen Frauen unterdrücken. (vgl. Munsch / Gemende / Weber-Unger 2007, 97) Dieses Bild wird in Bezug auf Familien mit türkischem Migrationshintergrund in der Mehrheitsgesellschaft reproduziert und aufrechterhalten. Eine solche Darstellungsform führt zu einer Verallgemeinerung und Vereinheitlichung Zugewanderter in Deutschland und bedient in seiner Produktion sowie Vermittlung ein Klischee, welches den Vater ausnahmslos als „patriarchalisches Familienoberhaupt“ darstellt und als kontrollierende Instanz beschreibt. Er wacht streng über die Jungfräulichkeit der Tochter und fungiert in seiner Rolle als Entscheidungsträger für die Wahl des Ehemannes. Er ist somit auch der, der die Tochter in eine Ehe zwingen kann oder ihr das Tragen eines Kopftuches befehligt, um sie vor den Blicken anderer Männer abzuschirmen. (ebd., 98) Dem „fremden“ Mann wird anhand dieser verallgemeinernden Zuschreibungen und Darstellungsweisen eine Rolle unterstellt, die ihn als „anders“, traditionell, gewalttätig und rückschrittlich beschreibt. Ganz gleich ob sich dieser in der Rolle des Vaters, Sohnes oder Bruders befindet, dieses Bild haftet ihm an und überschattet seine Rolle in der Mehrheitsgesellschaft. Der „deutsche Mann“ steht im Gegensatz und erscheint in Relation dazu als fortschrittlich und egalitär der Frau gegenüber.
Die öffentlich-medialen Darstellungsweisen von Migrantinnen verlaufen ähnlich verallgemeinernd und stellen diese beinahe ausnahmslos als Opfer dar. Ihnen wird eine Mündigkeit und Selbständigkeit abgesprochen. Dies steht im Gegensatz zu der Darstellungsweise der deutschen emanzipiert, selbsthandelnden Frau. (vgl. Spindler 2003) Solche verallgemeinernden Vorstellungen von „männlichen“ und „weiblichen“ Migranten und Migrantinnen schreibt jenen Mitgliedern der Minderheitsgesellschaft „Andersartigkeit“ zu und reduziert sie somit in ihrer Identität auf ein stereotypes Bild.
Dem „fremden“ Mann und der „fremden“ Frau wird eine allgemeingültige Identität unterstellt. Der eigenen Individualität wird bei dieser verkürzten Sicht kaum Raum gegeben. Entfaltung einer eigenen Individualität ist jedoch bei der näheren Betrachtung zu beobachten und muss von daher stärker in der Öffentlichkeit zum Thema gemacht werden. Anhand der eben aufgezeigten Mechanismen entsteht ein hierarchisches Bild von einem „Wir“ und den „Anderen“. „Männlichkeit“ erfährt dabei, ebenso wie „Weiblichkeit“, Zuschreibungen, die in ihren vielfältigen Ausdrucksformen nur wenig differenziert von Medien und Politik dargestellt werden. Diese Form der Fremdbestimmung durch die Mehrheitsgesellschaft bestimmt auch gleichzeitig die Selbstwahrnehmung der Menschen mit Migrationshintergrund. Sie beteiligen sich z.T. unfreiwillig an diesem Prozess der Fremdzuschreibung und verwenden jene beschriebenen Vorstellungen als identitätsbildende Matrix für Ihre Identität. Sie werden zu Komplizen der eigener Zuschreibungsmuster und tendieren dazu, ihre Kultur1 bzw. Ethnizität als Erklärungsmuster für ihr Handeln zu nutzen.2
Susanne Spindler verweist in einem ihrer wissenschaftlichen Beiträge ebenfalls auf diesen Mechanismus geschlechtsspezifischer Zuschreibungsmuster und findet diesen in den Aussagen der befragten Jugendlichen wieder. Im Prozess der Selbstethnisierung geben die Jugendlichen Hinweise darauf, dass beispielsweise ihre Ethnie der Grund für eine strikte Rollentrennung sei. (vgl. Spindler 2006, 153ff) Gleichzeitig wird dieser Vorstellung jedoch auch widersprochen, denn Frauen werden von den befragten Jugendlichen als wenig bedrohlich wahrgenommen. Festzuhalten ist, dass Frauen hohe Achtung erfahren: Frauen werden als diejenigen beschrieben, die Wärme und Zuneigung spenden würden und mit den Betroffenen leiden. Am Beispiel von Adnan beschreibt Spindler, dass dieser seine Beziehung als gleichberechtigt ansieht. In diesem Zusammenhang macht er deutlich, dass er kein Interesse hat, in der Beziehung zu seiner Freundin als starker Macher aufzutreten. (ebd., 267) Spindler erklärt Adnans Äußerung unter anderem so, dass Frauen Männern als nicht bedrohlich erscheinen und bei der Verteilung von Macht keine Rolle spielen. „Sie müssen von daher nicht untergeordnet werden oder per se als untergeordnet betrachtet werden.“ (ebd.) In Bezug auf die Selbständigkeit der Frauen wird hier eher der Profit für die gemeinsame Partnerschaft gesehen, denn Männer wie Adnan verlagern dominante Formen von „Männlichkeit“ eher auf andere Orte, wie zum Beispiel Cliquenaktivitäten, illegale Tätigkeiten usw. (ebd.)
1 Das „Geschlecht“ im Wandel der Postmoderne
Klassische Männlichkeits- bzw. Weiblichkeitsbilder, die für die Minderheits- als auch Mehrheitsgesellschaft verbindlich waren und zum Teil auch nach wie vor sind, werden durch den weltweiten sozialen Wandel und den daraus folgenden Veränderungen, wie sie beispielsweise im Bereich der Bildung und dem Arbeitsmarkt zu erkennen sind, immer häufiger in Frage gestellt und durch individuelles Handeln gebrochen. Die öffentlichen und sozialpolitischen Diskurse auf nationaler und internationaler Ebene reagieren hinsichtlich dessen langsam aber stetig. Sie stehen vor der Herausforderung, begründet durch soziale Veränderungsprozesse und Effekte, eine differenzierte Betrachtungsweise für die Geschlechterkategorien in dessen Vielfalt und Ausdrucksformen wahrzunehmen und thematisch aufzugreifen. Dies trifft öffentlich hierzulande jedoch lediglich auf die Mehrheitsgesellschaft zu. Hinsichtlich der „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ von Migrantinnen und Migranten herrscht nach wie vor eine stereotype Zuschreibung in Form von Text und Bilder vor. So macht Andreas Ruffling in der aktuellsten Publikationen „Was macht Migration mit Männlichkeit“ von 2010 darauf aufmerksam, dass gerade auch im öffentlichen Diskurs vorschnell ethnisch-kulturell erklärte Phänomene für männliches Verhalten herangezogen werden würden, welche jedoch in der Wirklichkeit sozialstrukturell bedingt seien. (Ruffling 2010, 13) Das Thema „Geschlecht“ und „Ethnizität“ wird in der Funktion eines dual ausgerichteten Ordnungssystems und der daraus resultierenden Differenzierung in seiner Komplexität inzwischen wissenschaftlich erkannt, jedoch im Allgemeinen gesellschaftlich eher sekundär wahrgenommen. Dabei verfügt eine Person, Gruppe oder Kultur über vielfältige Umwelten unterschiedlichster Form. (vgl. Schäffer 2008) Migrationsgeschichten sind vielfältig und deshalb im Detail und individuell in den Zusammenhängen zu betrachten. Es besteht ein Unterschied, ob Menschen freiwillig oder unfreiwillig, als deutschstämmige Spätaussiedler oder als Angehörige anderer Nationen innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union in die bundesdeutsche Gesellschaft kommen, aus verwandten oder fernen Kulturkreisen stammen, ob sie allein oder mit der ganzen Familie nach Deutschland finden, ob sie selbst ausgewandert sind oder einer Familie mit Migrationserfahrung angehören, mit einer soliden oder nur unzureichenden Grund(aus-)bildung versehen sind, ob sie alt oder jung sind usw. (vgl. Icken 2010) Der Begriff „Männlichkeit“ muss aufgrund dessen individuell in seinen Zusammenhängen betrachtet werden. Dabei muss „die wechselseitige Beeinflussung und Überschneidung zwischen verschiedenen Differenzkategorien wie Klasse, Geschlecht, Ethnizität, Alter, sexueller Orientierung etc. sichtbar gemacht und in den Vordergrund gerückt werden.“ (vgl. Ruffing 2010, 13) Spindler geht in ihrer Dissertation von 2006 sehr deutlich auf diese Räume und Lebens(um-)welten ein. (vgl. Spindler, 2006) Dabei zeigt sich, dass kulturelle und religiöse Faktoren bei der Entwicklung für die „Männlichkeit“ bei den befragten jungen Männern mit Migrationshintergrund eher eine Nebenrolle spielten. Vielmehr verwiesen die vielfachen biographischen Erzählungen auf reduzierte Lebensräume, die auf unterschiedliche Art und Weise von Gewalt geprägt wurden. Dies, so Spindler, scheint sich in Wechselwirkung auf ihre „männliche“ Identität ausgewirkt zu haben. Neben der individuellen Ebene verweisen andere wissenschaftliche Arbeiten, wie die der Sinus-Migranten-Milieu Studie3 nach Angela Icken, darauf, dass Menschen mit verschiedenen Migrationshintergründen des gleichen Milieus mehr Gemeinsamkeiten haben als Menschen mit gleichen Migrationshintergründen aus verschiedenen Milieus.
„Menschen des gleichen Milieus mit unterschiedlichem Migrationshintergrund verbindet mehr miteinander als mit dem Rest ihrer Landsleute aus anderen Milieus. Faktoren wie ethnische Zugehörigkeit, Religion und Zuwanderungsgeschichte beeinflussen die Alltagskultur, sind letzten Endes aber nicht milieuprägend und identitätsstiftend.“ (Icken 2010, 42)
Es lässt sich somit festhalten, dass nicht die ethnische Herkunft sondern zuerst die soziale Lebenslage entscheidend für Solidaritäten innerhalb eines sozialen Milieus sind - „Schicht schlägt hierbei Kultur“. (ebd.) Im übertragenen Sinne und an die Gewalt- bzw. Täterbereitschaft junger, männlicher, migranter Jugendlicher erinnernd lässt sich in diesem Zusammenhang hervorheben, dass gegen die Argumentation “kultur-ethnischer Natur“ auch die Tatsache spricht, das jene Verhaltensweisen mitunter durch prekäre soziale Lebenslagen zu erklären sind. Dies hatte Spindler bereits 2006 in ihrer Arbeit dargelegt.
Jüngst zeigt Kurt Möller in seinem Textbeitrag „Männlichkeit, Migration und Gewalt“ auf, „dass das Aufwachsen in sozialstrukturellen und beziehungsmäßigen Multiproblem-Konstellationen - mithin in Konstellationen, in denen bestimmte Bevölkerungsteile mit Migrationshintergrund überproportional häufig leben - geschlechtsunabhängig Gewalt-bereitschaft und Täterschaft deutlich erhöht“. (Möller 2010, 54) In seiner Aussage bezieht sich Möller auch auf das weibliche Geschlecht.
Zusätzlich zu dem Aufwachsen in sozialstrukturellen und beziehungsmäßigen Multiproblem-Konstellationen der Benachteiligung kommt verschärfend hinzu, dass diese Umstände in der Öffentlichkeit nur äußerst selten in Betracht gezogen werden. Erfährt dieses Thema mehr Beachtung, so werden die Betroffenen häufig selbst für ihre Situation verantwortlich gemacht und ihr Handeln bzw. Verhalten als Indiz fehlender Integration betrachtet. Viele Zugewanderte und deren Nachkommen handeln jedoch lediglich im Rahmen des ihnen möglichen. Bei einem kritischen Blick auf das Bildungssystem in Deutschland beispielsweise (vgl. Gomolla / Radtke 2002) offenbart sich hier mit Gewissheit, dass die Handlungsmöglichkeiten jugendliche Migranten aus sozial schwachen Verhältnissen sehr begrenzt sind. Ihnen wird weder eine Gleichwertigkeit mit deutschen Jugendlichen zugestanden noch erhalten sie eine gerechte und faire Möglichkeit, sich ihren Platz in der deutschen Gesellschaft und dessen Bildungs- und Arbeitsmarkt zu verschaffen. Die Möglichkeit auf Partizipation ist in der hiesigen Gesellschaft beispielsweise durch den Aufenthaltsstatus und der damit einhergehenden sozialen Position stark beeinflusst und resultiert für einige in Unmündigkeit, der unmöglichen Teilnahme am hiesigen Arbeitsmarkt oder Teilhabe am bundesrepublikanischen Gesellschaftsleben. Ihnen wird aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit und den daran geknüpften strukturellen als auch institutionellen Bedingungen einen Platz am Rande der Gesellschaft zugewiesen. Die Jugendlichen stehen zum Teil nicht nur im Konflikt mit der dominierenden Gesellschaft sondern haben zudem auch nicht die Möglichkeit, in diese vollwertig mit aufgenommen zu werden. Die „Fremdartigkeit“ haftet ihnen auch nach Jahren, über Generationen hinweg weiterhin an. Das „Fremdartige“ steuert unweigerlich auch die Akzeptanz in der Mehrheitsgesellschaft und wirkt sich somit auf die Minderheiten in der Gesellschaft aus. Thematisiert wird die Konstruktion vom „Fremden“ nur selten im Zusammenhang von Benachteiligung, Ungleichheit oder Einschränkungen. Sie findet ihre Erwähnung zu oft nur dann, wenn es Probleme mit „den Ausländern“ gibt - türkisch, muslimische Jugendliche, die als „typische Machos“ deklariert werden, sich in Cliquen zusammenfinden und mit gewalttätigen Aktionen in den medialen Diskurs rücken. Dabei wird immer häufiger die „fremde“ Kultur bzw. Ethnizität an eine spezifisch religiöse Zugehörigkeit gekoppelt, und somit als Argument für die Probleme in unserer Gesellschaft geltend gemacht. Unter welchen Bedingungen zugewanderte Familien aus anderen Nationalstaaten innerhalb und außerhalb der Europäischen Union nach Deutschland zuwandern, welche Gründe sie dazu veranlasst haben, ihre Heimat zu verlassen und wie sie hier, in der ihnen neuartigen Lebenswelt ihr Leben gestalten können und strukturell maß geben dürfen, wird durch vereinfachte Ethnisierungs- bzw. Kulturalisierungsprozesse hinsichtlich Migrations- und Integrationsfragen nicht gerecht und verschleiert m. E. Ungleichheiten auf struktureller und institutioneller Ebene. Welche Rolle tatsächlich familiäre Hierarchien der einzelnen Mitglieder und die damit verbundenen Lebensumstände in der Minderheitengesellschaft in deutscher Gesellschaft einnehmen (müssen) und wie die Familien ihr Leben in der hiesigen Gesellschaft und dessen Ordnungssystem gestalten, wird zumeist nur teilweise beleuchtet sowie kaum öffentlich dargestellt oder hinterfragt. Über Benachteiligungen aufgrund ethnischer Zugehörigkeiten auf institutioneller Ebene -wie die wissenschaftlichen Beiträge von Radtke und Gomolla 2002 gezeigt haben- wird öffentlich und somit auch in sozialpolitischen Diskursen nur wenig gesprochen. All dies steht jedoch im unmittelbaren Zusammenhang mit der (Aus-)Bildung der eigenen Identität, wobei das Geschlecht eine tragende Rolle spielt.
Für diese Arbeit stellt es sich anhand vorangegangener Argumentationslinien als wichtig dar, die angesprochenen „sozialstrukturellen und beziehungsmäßigen Multiproblem-Konstellationen“ bezüglich „Männlichkeit“ sowie die Auswirkungen auf diese aufzugreifen und zu thematisieren. Die Allgemeinheit erhält durch die verzerrte mediale Berichterstattung „migranter Männlichkeit“ ein einseitiges Bild und weiß zumeist kaum um die Lebenssituation jener. Wie bereits angemerkt, ist der Männlichkeitsüberhang in Bezug auf Gewalt nicht auf ethnische Zugehörigkeit sondern in den damit einhergehenden Benachteiligungserfahrungen durch soziale Positionen und den damit verbundenen Ressourcen zu suchen. (vgl. Möller 2010, 54) Wo diese verortet sind, und wie sie sich letztendlich auf einzelne „Männlichkeiten“ auswirken, wird mit dieser Arbeit aufgegriffen und behandelt werden. Im Verlauf dessen soll eine differenzierte Sichtweise für die Konstruktion von „Männlichkeit“ aufgezeigt werden und damit einen Gegendiskurs hinsichtlich öffentlicher Meinungsbilder für die vereinheitlichte „Männlichkeit“ im Migrationsdiskurs gewagt werden.
Um hierbei die Basis für eine analytische Betrachtungsweise zu ermöglichen, wird sich im nun folgenden Teil zuerst der Kategorie „Geschlecht“ genähert. Aus wissenschaftlicher Perspektive wird dabei das „Geschlecht“ als soziale Konstruktion vorgestellt und dabei der Begriff „doing gender“ thematisch aufgegriffen werden. Es wird sich hierbei den Erkenntnissen der Gender Studies bedient, um den Rahmen für das „Geschlecht“ als soziale Konstruktion zu schaffen. Folgen wird die wissenschaftliche Entwicklung der heutigen Männerforschung im bundesrepublikanischen Raum. Hierbei erfahren die Theorien nach Connell und Bourdieu ihre Einbeziehung in diese Arbeit und dienen als theoretischer Puffer in Bezug auf die Konstruktion von „Männlichkeit“. Nach einer kurzen Zusammenfassung wird sich nachstehend der Kategorie „Ethnizität“ gewidmet. Hierbei wird der durch Stuart Hall geprägte Begriff des „doing ethnicity“ Einzug in die vorliegende Thematik finden, und die Theorie zur sozialen Konstruktion von „Ethnizität“ mit in die Betrachtungsweise zum Thema „Männlichkeit“ im Migrationsdiskurs eingewoben werden. So werden die Kategorien, „Geschlecht“ und „Ethnizität“ in ihrer Verwobenheit und Wechselwirkung betrachtet. Diese Praxis entspringt intersektionalen Ansätzen, welche im Rahmen von Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnissen als Mittel zur Ergründung dieser dienen und ihren Ursprung in der feministischen Theoriebildung fanden und vorwiegend dort ihre Anwendung finden. Ergänzend dazu wird sich der Dokumentenanalysen als analytische Methode angenommen. Im Hinblick auf die behandelte Thematik wird sich diesem Punkt aus zweierlei Perspektiven genähert werden. Zum einen werden Bild- und Textkombinationen des öffentlich medialen Diskurses hinsichtlich „Geschlecht“ im Rahmen von Migrationsfragen aufgeführt. Dieser Arbeitsschritt dient als Offenlegung der öffentlichen Repräsentationsweisen hinsichtlich „Geschlecht“ im Migrationsdiskurs und verdeutlicht diese. Der Prozess zum Begriff „doing ethnicity“ wird in diesem Arbeitsschritt seine Beachtung finden. Zum anderen folgt infolge dessen die Dokumentation zweier Fallbeispiele nach Susanne Spindler: Mit der Illustration zweier inhaftierten männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund soll aufgezeigt werden, wie diese, entgegen öffentlich medialer Darstellungen, ihr Leben in der deutschen Gesellschaft erfahren haben. Wie könnten sie als Täter zugleich auch als Opfer dieser Gesellschaft verstanden werden? Wie neben Spindler auch Michael Tunc im Jahre 2006 betont, hat das „Tätersein“ bis vor kurzem die Tatsache ausgeschlossen, dass Benachteiligungen aufgrund sozial-kultureller Zugehörigkeiten mit in die Deutungsmuster wissenschaftlicher Erkenntnisse in Bezug auf die Geschlechterfrage einbezogen wurden. (vgl. Tunc 2006) Aus heutiger wissenschaftlicher Sicht besteht inzwischen jedoch die Meinung, dass Benachteiligungen nicht nur zwischen den Geschlechterformen „männlich“ und „weiblich“ zu lokalisieren sind, sondern das andere Differenzkategorien, u. a. der „Ethnizität“, ebenfalls zu Benachteiligungen innerhalb einer Geschlechterform führen können und Ausgrenzung zur Folge haben. (ebd.) Wie diese Zusammenhänge „Männlichkeit“ beeinflussen, wird in dieser Arbeit anhand des durch Connell vorgestellten Konzepts der „hegemonialen Männlichkeit“ und der durch Bourdieu aufgestellten Theorie zur „männlichen Herrschaft“ und dem „Spiel der Spiele“ versucht werden darzustellen.
1.1. „doing gender“ - von der sozialen Konstruktion des Geschlechts
Grundlegend sieht die Geschlechterforschung das Geschlecht als Konstruktion, welches zum einen Produkt von Historie als auch Produzent dieser ist und diese bestimmt. In sozialer Interaktion wird Geschlecht aufgrund körperlicher Merkmale und dessen Kategorisierung in „männlich“ oder „weiblich“ bis heute in der vorherrschenden Gesellschaft zweigeschlechtlich konstruiert. Diesen Prozess benennt die Genderforschung als „doing gender“ (vgl. Connell 1999). Das Konzept des „doing gender“ fand seinen Ursprung in der interaktionstheoretischen Soziologie und wird in der Geschlechterforschung bedeutungsgleich für die in dieser Tradition der „sozialen Konstruktion von Geschlecht“ verwendet. „Doing gender“ verweist auf den Prozess, in dem „Geschlecht bzw. Geschlechtszugehörigkeit nicht als Eigenschaft oder Merkmal von Individuen zu betrachten“ ist, „sondern jene soziale Prozesse in den Blick zu nehmen“ sind, „in denen ’Geschlecht’ als sozial folgenreiche Unterscheidung hervorgebracht und reproduziert“ werden. (Gildemeister 2004, 132) Im Wesentlichen beschreibt das Konzept „doing gender“, „dass Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechtsidentität als fortlaufender Herstellungsprozess aufzufassen ist, der zusammen mit faktisch jeder menschlichen Aktivität vollzogen wird und in den unterschiedliche institutionelle Ressourcen eingehen“. (ebd., 132)
„Das Herstellen von Geschlecht (doing gender) umfasst eine gebündelte Vielfalt sozial gesteuerter Tätigkeiten auf der Ebene der Wahrnehmung, der Interaktion und der Alltagspolitik, welche bestimmte Handlungen mit der Bedeutung versehen, Ausdruck weiblicher oder männlicher „Natur“ zu sein. Wenn wir das Geschlecht (gender) als eine Leistung ansehen, als ein erworbenes Merkmal des Handelns in sozialen Situationen, wendet sich unsere Aufmerksamkeit von Faktoren ab, die im Individuum verankert sind, und wir konzentrieren uns dann auf interaktive und letztendlich institutionelle Bereiche, welche dieses Handeln formen. In gewissem Sinne sind es die Individuen, die das Geschlecht hervorbringen. Aber es ist ein Tun, das in der sozialen Situation verankert ist und das in der virtuellen oder realen Gegenwart anderer vollzogen wird, von denen wir annehmen, dass sie sich daran orientieren. Die Gender Studies betrachten das Geschlecht weniger als Eigenschaft von Individuen, sondern vielmehr als ein Element, das in und aus sozialen Situationen entsteht: „Es ist sowohl das Ergebnis wie auch die Rechtfertigung verschiedener sozialer Arrangements sowie ein Mittel, eine der grundlegenden Teilung der Gesellschaft zu legitimieren.“ (West / Zimmermann 1987; 14, Übersetzung in Gildemeister / Wetterer 1992, 237)
Mit dieser Vorstellung gilt Geschlecht („gender“) bzw. Geschlechtszugehörigkeit („sex-category“) nicht als weiter belegbarer naturgegebener Ausgangspunkt, sondern als eine Konstruktion, welche durch menschliches Handeln, Verhalten und Erleben als Resultat komplexer sozialer Prozesse zu verstehen ist. Erst die im „doing gender“ gebündelten sozial erzeugten Prozesse, so Regine Gildemeister weiter, „machen etwa die Gebärfähigkeit von Frauen zur Grundlage eines separierten und tendenziell benachteiligenden Status. [...] Nicht der Unterschied konstruiert die Bedeutung, sondern die Bedeutung die Differenz. [...] Dieser ‚Zirkel der Selbstbezüglichkeit’ funktioniert eben dadurch, dass wir diese Klassifikation in der ‚Natur’ oder der ‚Biologie’ verankern (‚naturalisieren’).“ (Gildemeister 2004, 132)
Der Vorgang zur sozialen Konstruktion von Geschlecht und Zugehörigkeit wird somit nicht sichtbar für die Gesellschaft und erscheint von daher so natürlich und selbstverständlich, dass selbst die Frage nach einer „Herstellung“ von Geschlecht und dessen Zugehörigkeit große Verwirrung stiftet. Der Prozess zur Naturalisierung von Geschlecht („heimlicher Biologismus“) verschleiert so den Blick auf soziale Prozesse, welche im Verborgenen der Geschlechtsbestimmung liegen. Um die verborgenen Mechanismen aufzudecken, entwarfen West/Zimmermann mit ihrem Konzept „doing gender“ eine tertiäre Gliederung des Geschlechts, welche hier kurz erläutert werden soll. Zum einen steht die Kategorie „sex“, welche die Klassifikation des körperlichen Geschlechts aufgrund sozial vereinbarter, biologischer Merkmale bestimmt, zum anderen die „sex-category“, welches die soziale Zuordnung von Geschlecht im alltäglichen Leben einfordert. Diese Zu- bzw. Einordnung muss nicht der Geburtsklassifikation „sex“ entsprechen. Das dritte Glied bildet die Kategorie „gender“. Diese beschreibt „die intersubjektive Validierung in Interaktionsprozessen durch ein situationsadäquates Verhalten und Handeln im Lichte der normativen Vorgaben und unter Berücksichtigung der Tätigkeiten, welche der Anspruch genommenen Geschlechtskategorien angemessen sind.“ (ebd., 133)
Diese drei Kategorien, so West/Zimmermann, stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander und ermöglichen somit ein analytisch voneinander unabhängiges Denken in Bezug auf Geschlecht. Das Geschlecht im Sinne von „gender“ entsteht demnach durch Interaktionen zwischen einzelnen Individuen und deren Umfeld. Dies wirkt sich wechselseitig im Handeln aus. Dem Interaktionsprozess kann sich kein Individuum entziehen, welcher überdies hinaus identitätsstiftend/-reproduzierend ist. Eine zentrale Bedeutung nimmt die Geschlechtszugehörigkeit ein, sie ist richtungsweisend für jegliche Interaktion. Die Grundlage hierfür bildet die Typisierung und Klassifikation:
„Klassifikationen sind in umfassenden Wissenssystemen und in eine Vielzahl institutioneller Arrangements eingelassen, über die Verhaltensregelmäßigkeiten und situativ angemessene Handlungsmuster zuverlässig erwartbar werden.“ (ebd., ff.)
Die Zweiteilung von Geschlecht in „sex“ und „gender“ und deren Zugehörigkeit zur „sex-category“ stellt somit ein Fundament für das Typisierungsmuster dar, nach dem sich unsere soziale Wirklichkeit orientiert und ordnet. Sie ist in ihr erfasst und die subjektive Wahrnehmung darauf ausgerichtet. (ebd., 134) Die sozial kompetenten Akteure unserer Gesellschaft handeln nach dieser Ordnung innerhalb der sozialen Wirklichkeit und rekonstruieren diese nach jenem Vorbild. Treten Irritationen bezüglich der bipolaren Konstruktion von Geschlecht und ihrer Klassifikation auf, beginnen gesellschaftliche Reaktionen nicht mit der Überdenkung jener Schablone der Zweigeschlechtlichkeit und einhergehender Klassifikation, sondern mit Ausgrenzungsprozessen durch Abwertung sowie der Zuweisung von Anomalie. (ebd., ff) Jene Handlungen sind gekennzeichnet durch soziale Prozesse, wie beispielsweise Ausgrenzung, Mobbing oder übler Nachrede. Dies führt dazu, dass die bislang durch gesellschaftliche und historische Gültigkeit fundierte bipolare Geschlechtskonstruktion und dessen Zuordnung in unserer alltagsweltlichen Wirklichkeit beibehalten werden kann. Dessen Orientierung entlang dieser Linie bleibt gewährleistet.
Im Konzept des „doing gender“ spielen zusammenfassend Konventionen, ökonomische, strukturelle sowie institutionelle Strukturen eine entscheidende Rolle für den Erhalt dieser Ordnung. Ebenfalls entscheidend, so Regine Gildemeister, ist die gesellschaftliche Position des Einzelnen über die Bearbeitung von Geschlecht. Geschlecht im Sinne von „gender“ wird bei Interaktionen „niemals allein sondern stets simultan mit Klassen- und ethnischen Unterschieden erzeugt“ und kann hierbei auch in den Hintergrund treten. (ebd., 138) Bezugnehmend auf das Thema der vorliegenden Arbeit lässt sich schlussfolgern, dass verschiedene Dynamiken und auch Widersprüche um das soziale Geschlecht bestehen müssen, wenn gesellschaftliche Positionen aufgrund einer anderen ethnischen Zugehörigkeit über die Bearbeitung von Geschlecht mitbestimmen. Hinsichtlich dessen lässt sich sagen, dass nicht die „Männlichkeit“ oder die „Weiblichkeit“ besteht, sondern jene bipolare Geschlechtskonstruktion in sich als fassettenreich und vielfältig zu betrachten ist, wenn neben der durch Gildemeister erwähnten Klassen- und ethnischen Differenzen auch noch andere Differenzlinien in die Bildung von Geschlecht einwirken. Das Begriffspaar „männlich“ und „weiblich“ verweist, jenseits der biologischen Geschlechtsunterscheidung, auf die Art und Weise, wie sich Männer untereinander unterscheiden, und Frauen untereinander unterscheiden, in Bezug auf das soziale Geschlecht.“ (Connell 1999; 90) Diese können jedoch vielfältig und in ihrer Erscheinungsform variabel ausfallen. Es muss von daher betreffend des „männlichen“ als auch „weiblichen“ Geschlechts im Plural gesprochen werden.
1.2. Entwicklung und aktueller Stand der Männerforschung
Bei dem sich aus der Geschlechterforschung entwickelten Zweig der Männerforschung ist „Männlichkeit“ in der Vielfalt zu betrachten und „um Unterschiede in Ethnizität, Schicht, Milieu, sexuelle Orientierung, Alter usw. in den Begriff aufzunehmen“. (Engagierte-Väter-Handbuch 2003, 5) Auch hier gilt „Männlichkeit“ als soziale Konstruktion. Dieser Zweig erfährt nur langsam aber stetig seine Etablierung in der Forschung und Wissenschaft. Dies zeigt sich insbesondere dadurch, dass das Thema „Mann“ und „Männlichkeit“ in den Massenmedien immer häufiger aufgegriffen wird und zum Thema politischer als auch kirchlicher Seminare, Tagungen, Kongressen, Workshops und Gesprächskreise aufrückt. Diese Infokusnahme signalisiert, so zum Beispiel Meuser und Döge im Jahre 2001, „dass die traditionelle hegemoniale Position des Mannes in der Geschlechterordnung die >Evidenz des Selbstverständlichen< (Bourdieu 1997b, 226) verliert und sie zugleich dazu beiträgt, diesen Prozess zu beschleunigen.“ (Meuser / Döge 2001, 7) In der BRD werden Männer erstmalig zum Ende der 1970er Jahre zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschungsarbeiten. Zu Beginn der 1990er Jahre werden vor allen Dingen in erziehungswissenschaftlichen Arbeiten über männliche Sozialisation und Lebenslagen Jugendlicher thematisiert. (vgl. Meuser / Döge 2001, 18) Was gegenwärtig zur Kritik der Männerforschung in Deutschland beiträgt ist die Tatsache, dass sich diese im wissenschaftlichen Diskurs bislang auf die Mehrheitsgesellschaft konzentriert hat. Der Aspekt „Migration“ fand bei den Infokusnahmen von „Männlichkeit“ bislang wenig Berücksichtigung. (vgl. Ruffing 2010) Dennoch erkennt die Männerforschung hierzulande, hervorgerufen durch engagierte Männerarbeit verschiedener Institutionen, die Wichtigkeit für die Einbeziehung des Aspekts „Migration“ an und thematisiert dies immer häufiger in wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Für die Bildungspraxis, die Beratung und Soziale Arbeit wird die Forschung zu männlichen Migranten fortschreitend notwendiger erachtet, um differenziert auf die betroffenen Lebenswelten und Problemlagen eingehen zu können, und daraus Konsequenzen für die pädagogische Arbeit zu ziehen.
1.3. Zu den Theorien deutscher Männerforschung im Detail
Im Rahmen des vorab dargestellten Verlaufes der Männerforschung hat in Deutschland insbesondere die Theorie der „hegemonialen Männlichkeit“ nach Raewyn Connell (geboren als Robert William „Bob“ Connell) den wissenschaftlichen Diskurs geprägt.4 Auch die durch Pierre Bourdieu vorgestellte Theorie zur „männlichen Herrschaft“ wird im deutschsprachigem Raum in seiner Verknüpfung zur „hegemoniale Männlichkeit“ in wissenschaftlichen Diskurs um „Männlichkeit“ in seiner vielfältigen Ausgestaltung einbezogen und als intersektionaler Ansatz für die Analyse von „Männlichkeiten“ im Kontext von Migration gesehen. (vgl. Tunc 2010) Die intersektionale Perspektive bezieht beide Theorienansätze in ihre Analyse um Männlichkeitskonstruktionen ein und betrachtet dabei die Verwobenheit sowie das Zusammenwirken verschiedener Differenzlinien und Kategorien in ihrer Wechselwirkung. Unterschiedliche Dimensionen sozialer Ungleichheiten und Herrschaften können so aufgezeigt und verstanden werden. (vgl. Degele / Winker 2007) Beide Theoriekonzepte zu „Männlichkeit“ werden im weiteren Verlauf erörtert. Zunächst wird die „hegemonialen Männlichkeit“ nach Connell und daraufhin die Theorie nach Bourdieu zur „männlichen Herrschaft“ und dem „Spiel der Spiele“ dargestellt. In einem dritten Schritt geht diese Arbeit auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ein, um die Perspektive für eine intersektionale Analyse zu „Männlichkeit“ im Migrationsdiskurs zu unterbreiten. In diesem Zusammenhang finden insbesondere die Beiträge von Michael Meuser5 Beachtung, welcher im Rahmen seiner Arbeiten zum Thema „Männlichkeit“ die Verzahnung beider Theorien postulierte und den Begriff der „doppelten Distinktionslogik“ prägte.
1.3.1 Die „hegemoniale Männlichkeit“ nach R. Connell
Connell beschreibt in ihrer Theorie das Konzept von „Männlichkeit“ wie folgt:
„Männlichkeit ist [...] eine Position im Geschlechterverhältnis; die Praktiken, durch die Männer und Frauen diese Position einnehmen, und die Auswirkungen dieser Praxis auf die körperliche Erfahrung, auf Persönlichkeit und Kultur.“ (Connell 1999, 91)
In ihrem Theoriekonzept betont Connell, dass „Männlichkeit“ durch die westliche Industriegesellschaft6 dominiert und bestimmt würde. Ihr Konzept zur „hegemonialen Männlichkeit“ beschreibt zum einen die Unterordnung von „Weiblichkeit“ in Dominanz über „Weiblichkeit“ und zum anderen im hierarchischen Verhältnis unter „Männlichkeit“.
„Hegemoniale Männlichkeit kann man als jene Konfiguration geschlechtsbezogener Praxis definieren, welche die momentan akzeptierte Antwort auf das Legitimationsproblem des Patriarchats verkörpert und die Dominanz der Männer sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet (oder gewährleisten soll).(...) Innerhalb dieses umfassenden Rahmens gibt es aber spezifische Geschlechterbeziehungen von Dominanz und Unterordnung zwischen Gruppen von Männern.“ (Connell 1999, 98ff)
Connell betont die Tatsache, dass die hegemoniale Männlichkeit als eine „historisch bewegliche Relation“ (Connell 1999, 102) zu verstehen ist und somit als beweglich und dynamisch begriffen werden müsse.
„Hegemoniale Männlichkeit ist kein starr, über Zeit und Raum unveränderlicher Charakter. Es ist vielmehr jene Form von Männlichkeit, die in einer gegebenen Struktur des Geschlechterverhältnisses die bestimmende Position einnimmt, eine Position allerdings, die jederzeit in Frage gestellt werden kann.“ (Connell 1999, 97)
Connell unterstreicht diese Prozesshaftigkeit unter anderem dadurch, dass sie in ihren älteren Arbeiten noch über verschiedene Konstruktionen von Männlichkeit wie hegemoniale, komplizenhafte, untergeordnete und konventionelle Formen spricht, jedoch diese Annahmen im Laufe ihrer neueren Veröffentlichungen um jene „Typen von Relationen - Hegemonie, Dominanz / Unterordnung und Komplizenschaft („patriarchalen Dividende“) einerseits, Marginalisierung und Ermächtigung andererseits“ erweitert bzw. ergänzt. (Connell 1999, 102).
„Es reicht nicht, die Mannigfaltigkeit von Männlichkeitsformen zu erkennen. Es geht auch um die Verhältnisse zwischen den verschiedenen Arten von Männlichkeit: Bündnisse, Dominanz und Unterordnung. Diese Verhältnisse entstehen durch Praxen, die ein- und ausschließen, einschüchtern, ausbeuten, usw.“ (Connell 2000, 56)
Connells Verständnis für „hegemoniale Männlichkeit“ und dessen sozialer Konstruktion legt nahe, dass sich eben diese in sozialen Kämpfen um Prestige und Anerkennung auf beruflicher als auch privater Ebene produziert und reproduziert. Diese finden innerhalb von Männergruppen in hierarchischen Verhältnissen untereinander als auch in der Unterordnung und Unterdrückung gegenüber Frauen statt. Begleitend zu diesen sozialen Kämpfen betont Connell die Dominanz heterosexueller Männer und die Unterordnung homosexueller Männer.
„Wie keine andere Form des Mannseins wird Homosexualität als Angriff auf die geltende Geschlechterordnung wahrgenommen.“ (Döge / Meuser 2001, 28)
Nach Connell trägt nicht nur die Homosexualität der Ein-, Zu- bzw. Unterordnung zur untergeordneten Männlichkeit bei. Sie verweist auch auf jene heterosexuelle Männer und Jungen, „die aus dem Kreis der Legitimierten ausgestoßen werden“. (Connell 1999, 100) Dieser „Kreis der Legitimierten“ entspringt Gegenwärtig den Führungseliten aus Politik, der Wirtschaft und den Professionen. (vgl. Döge / Meuser 2001, 28) Sie sind mit den Eigenschaften: weiß, heterosexuell, mächtig und beruflich erfolgreich versehen. Diese Form der „Männlichkeit“ bekleidet das oberste Feld des durch Connell vorgestellten Konzepts zur „hegemonialen Männlichkeit“. In die klassische Konstruktion von Geschlecht werden somit, neben der bipolaren Ausrichtung, auch noch andere Differenzierungsmuster wie Ethnie, Klasse, Milieu und soziale Schicht einbezogen, die eine zusätzliche Hierarchisierung von „Männlichkeit“ ermöglichen. (vgl. Spindler 2003, 262ff) Mit dem Begriff der Marginalisierung unterbreitet Connell, dass „Männlichkeit“ dort von Marginalisierung betroffen ist, wo „Männlichkeit“ implizit oder explizit vom oben genannten dominierten Muster und seinen einhergehenden Eigenschaften abweicht. Dazu tragen soziale Strukturen wie Erwerbstätigkeit und der damit verbundenen Klasse/Schicht bzw. dem Milieu als auch Ethnizität bei. Es erwies sich, so Connell, dass es aber auch zwischen untergeordneten Männlichkeiten zu Marginalisierung und Ermächtigung – sprich: -hegemonialen Machtgefügen- kommt, wie sie es in ihren empirischen Analysen beweisen konnte. (Connell 1995; 1999) Hierbei spielt Gewalt bspw. in Gruppenkonflikten die entscheidende Rolle, sich „der eigenen Männlichkeit zu versichern oder diese zu demonstrieren.“ (Connell 1999)
„Der Gewalt der großstädtischen Jungenbanden ist ein überzeugendes Beispiel dafür, wie sich eine marginalisierte Männlichkeit in einem Kampf von unterdrückten gegen mächtigere Männer zu behaupten versucht, zusammen mit der fortwährenden Geltendmachung der eigenen Männlichkeit durch sexuelle Gewalt gegen Frauen.“ (Connell 1999, 105)
Es erweist sich, betrachtet man aktuelle, soziale Lagen, dass nur bedingt alle Männer dem normativen Verständnis von „Männlichkeit“ gerecht werden bzw. werden können. Dennoch profitiert „die überwiegende Mehrzahl der Männer von der Vorherrschaft dieser Männlichkeitsformen, weil sie an der „patriarchalen Dividende teilhaben, dem allgemeinen Vorteil, der den Männern aus der Unterdrückung der Frauen erwächst.“ (Connell 1999, 100) Dieser Aspekt lässt sich somit als eine Art Gewinn verstehen, in dem Männer mittels Dominanz und Unterordnung gegenüber Weiblichkeit gewinnen. (vgl. Scholz 2004, 38)
„Männer profitieren vom Patriarchat durch einen Zugewinn an Achtung, Prestige, und Befehlsgewalt.“ (Connell 1999, 103)
Zusammenfassend, so stellt Sylka Scholz in ihrer Arbeit zu lebensgeschichtlichen Identitätskonstruktionen ostdeutscher Männer von 2004 fest, „beinhaltet der Männlichkeitsbegriff bei Connell eine strukturelle, eine kulturell-symbolische als auch individuelle Dimension“. (Scholz 2004, 39) Die jeweiligen Ebenen des Männlichkeits-begriffs unterliegen einer eigenen Logik und verlaufen somit unterschiedlich in ihrer Entwicklung. Mit der strukturellen Dimension, so Scholz, verweist Connell auf die Reproduktion von „Männlichkeit“ auf institutioneller Ebene wie bspw. dem Staat und seinen Kernbereichen der Macht, der Politik, der Justiz aber auch der Wirtschaft ebenso wie auf die Rekonstruktion in den unterschiedlichen sozialen Milieus.7 Die kulturell-symbolische Ebene umfasst die Reproduktion von „Männlichkeit“ in gesellschaftlichen Systemen und Subsysteme wie bspw. in den Medien.8 Auf der individuellen Ebene dient die „Männlichkeit“ als Matrix für die (Re-)Konstruktion der eigenen Identität. Der Körper dient hierbei als Ort bzw. Verortung.9 (vgl. Scholz 2000a) Da Connell ihr Theoriekonzept klar als Gegebenheit historischer Veränderungen und dadurch entstehenden Dynamiken begreift, steht für sie außer Frage, dass für den Begriff „Männlichkeit“ Veränderungen unweigerlich bevorstehen. Der Begriff „Männlichkeit“ unterliegt einem sozialen und historischen Wandel. (vgl. Döge / Meuser 2001)
„Es geht um viel mehr, als die Bilder von einer modernen Männerrolle oder die Erneuerung einer Tiefenstruktur von „Männlichkeit“ nahe legen. Es geht ebenso um die Familien und intime Bindungen wie um Wirtschaft, Staat und globale Beziehungen.“ (Connell 1999, 107)
Mit dieser Aussage weist Connell „Männlichkeit“ unter anderem eine Beziehung zwischen Makro- und Mikro-Systemen (z. B. dem Handeln) zu. Obwohl Connell in ihrem Konzept zwischen diversen Formen von „Männlichkeit“ unterscheidet, finden sich hinsichtlich der „hegemoniale Männlichkeit“ nur wenig Anhaltspunkte für eine milieu- oder klassenspezifischen Bestimmung von „Männlichkeit“ in Abgrenzung zu und Dominanz über die Frau. Offen bleibt hierbei, ob sich „hegemoniale Männlichkeit“ in unterschiedlichen Milieus verschiedenartig manifestiert und ob alle Frauen verschiedener Milieus in die eigene Unterlegenheit einwilligen bzw. sich diese heutzutage überhaupt noch vorfinden lassen. (vgl. Döge/Meuser 2001, 28ff) Die „männliche Vorherrschaft“ wird spätestens seit den 1980er Jahren nicht in allen Milieus als selbstverständlich hingenommen, sondern insbesondere in den gebildeteren Schichten im Zuge der Globalisierung und den dadurch einhergehende sozialen Wandel, insbesondere im Bereich der Arbeit und Bildung, in Frage gestellt. Hierbei beschrieben Beck-Gernsheim und Beck 1990, dass die „Individualisierung der weiblichen Biografie, die es der wesentlichen, gesteigerten Beteiligung von Frauen in Bildungs- und Beschäftigungs-systemen verdankt, zu einem Legitimationsverlust der „männlichen Vorherrschaft“ führt. (ebd., 29)
Die „männliche Vorherrschaft“ unterliegt lt. dieser Aussage zwar einem unumkehrbaren Wandel, hat sich bisweilen jedoch nicht abgeschafft. Warum die „männlichen Herrschaft“ dennoch ihre Beharrlichkeit erfährt, versuchte Pierre Bourdieu 1998 mit seinem Konzept zur „männlichen Herrschaft“ zu erklären. Teile dessen sollen im nun folgenden Unterkapitel einbezogen und in die Thematik mit aufgenommen werden.
1.3.2. Die „männliche Herrschaft“ und das „Spielen der Spiele“ nach Bourdieu
Pierre Bourdieus Buch „Die männliche Herrschaft“ (1998/2005) und die darin vorgestellte Form von „Männlichkeit“ ist Teil seiner Theorie zur symbolischen Herrschaft (vgl. Rehbein, 2006), wobei Bourdieu diese westlichen sowohl traditionellen Gesellschaften unterstellt. Seine ethnologischen Feldstudien während seines Algerienaufenthalts (1955-1958) dienen als Basis der Studie zur „männlichen Herrschaft“. Hierbei untersucht er die bei den Berbern in der Kabylei herrschenden Machtstrukturen10 genauer. Bourdieu stellt zwar fest, dass sich die „männliche Herrschaft“ nicht ganz selbstverständlich durchsetzt, jedoch unterstellt er eine „androzentrische Sichtweise der Welt“, welche nach wie vor den „Gemeinsinn unserer Welt“ darstellt, „da sie dem Kategorie-System aller Akteure eingeschrieben ist einschließlich [dem]11 der Frauen.“ (Bourdieu 1997c, 97)
Bourdieu beschreibt Beispiele für das Fortbestehen androzentrischer Strukturen, so auch in der heutigen europäischen und amerikanischen Gesellschaft, die er u.a. mit Argumenten des emanzipatorischen Feminismus12 zu ergründen sucht. Die „männliche Herrschaft“ äußert sich nach Bourdieu nicht oder nur sehr selten mittels körperlicher Gewalt, sie ist hauptsächliche eine symbolische Gewalt.
„Es ist jene sanfte, für ihre Opfer unmerkliche, unsichtbare Gewalt, die in Wesentlichen über die rein symbolischen Wege der Kommunikation und des Erkennens, oder genauer des Verkennens, des Anerkennens oder äußerstenfalls des Gefühls ausgeübt wird.“ (Bourdieu, 2005, S. 8)
Die symbolische Gewalt ist verinnerlichter Teil des Habitus und steigert in Denk-, Wahr-nehmungs-, Verhaltens- und Beurteilungsschemata ihre Wirkung, weil die weiblichen Opfer häufig gar nicht bemerken, dass sie beherrscht werden. In einer Art Lebensbejahung, quasi also aus Liebe, bestätigen; so Bourdieu; Frauen unbewusst die ihnen seit Geburt bekannten männlichen Herrschaftsstrukturen. Die männliche Herrschaft findet sich also nicht nur in universellen Denk-, Wahrnehmungs-, Verhaltens- und Beurteilungsmustern der einzelnen sozialen Akteure wieder, sondern wird zugleich durch die Zustimmung der Beherrschten, der Frau, verkörpert und erfährt so ihre „Natürlichkeit“. (vgl. Thürmer-Rohr 2004) Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die männliche Herrschaft „Natürlichkeit“ voraussetzt.
„Durch eine permanente Formierungs-, eine Bildungsarbeit konstruiert die soziale Welt den Körper als eine vergeschlechtlichte Wirklichkeit und ineins als Aufbewahrer von vergeschlechtlichenden Wahrnehmungs-, Bewertungskategorien, die auf den Körper selbst, in seiner biologischen Realität, angewendet werden.“ (Bourdieu 1997a, 167)
Diese Sichtweise bezeichnet die Biologie als soziale Realität, was jedoch auch zur Kritik seiner Theorie beiträgt, da aus konstruktivistischer Sicht die Biologie als Wissenschaft als historisch entstandene, von Menschen gemachte Kategorie verstanden wird. Bourdieu deutet, ebenso wie Connell, „Männlichkeit“ als soziale Praxis in der Vermittlung zwischen Struktur und Handeln. Für Connell ist die soziale Praxis jedoch „kreativ und erfinderisch, aber nicht ursprünglich („natürlich“).
„Sie reagiert auf bestimmte Situationen und entsteht innerhalb fester Strukturen von sozialen Bindungen, Geschlechterbeziehungen, die Beziehungen zwischen Menschen und Gruppen, die durch den Reproduktionsbereich organisiert sind, bilden eine der Hauptstrukturen in allen dokumentierten Gesellschaften.“(Connell 1999, 92)
Männliche Herrschaft gibt sich als naturgegeben aus, und das obwohl sie willkürlich entstanden ist und gesellschaftlich immer wieder reproduziert wird, so Bourdieu weiter, denn die Ungleichheit der Geschlechter scheint in der Natur zu liegen.
„Für sich genommen willkürlich, wird die Einteilung der Dinge und Tätigkeiten nach dem Gegensatzpaar männlich und weiblich zur objektiv und subjektiv notwendigen durch ihre Einreihung in ein System homologer Gegensätze: hoch/tief, oben/unten [...] Diese auf alles anwendbaren Denkschemata scheinen stets der Natur der Dinge liegende Unterschiede zu registrieren (das gilt vor allem für den Geschlechterunterschied); und sie werden durch den Lauf der Welt, insbesondere der biologischen und kosmischen Zyklen, geradeso wie durch die Übereinstimmung in den Köpfen, in denen sie sitzen, unablässig bestätigt.“ (Bourdieu 1997a, 165)
Folglich bemächtigt sich die Reproduktion der männlicher Herrschaft zweier Mechanismen: zum einen der Objektivierung der sozialen Welt und zum anderen des inkorporierten Habitus13 der Individuen. (vgl. Scholz 2004) Die Objektivierung von männlicher Herrschaft resultiert laut Bourdieu aus dem „Visions- und Divisionsprinzip, welches dem universellen Prinzip des Sehens und Einteilens entspringt“. (ebd.) Kritisch betrachtet scheint es so als habe Bourdieu, ebenso wie Connell, die Dimension der Geschlechterverhältnisse aus der Klassifikation der Milieus weitgehend ausgeklammert. (vgl. Döge / Meuser 2001).
Bourdieu sieht gemäß der sozialen Praxis das Mann-Sein in der Organisation sozialer Welten als etwas Auferlegtes an, einhergehend mit dem für die menschliche Existenz ernst zu nehmenden konstruierten „Spiel“.14 Insbesondere in diesem Zusammenhang wird der anthropologische Ansatz Bourdieus deutlich: Jene Spiele sind für die menschliche Existenz unabdingbar und sichern das Fortbestehen der Menschheit, denn die Spiele müssen gespielt werden.
„Männlichkeit“ lässt sich folglich als eine Art Verantwortung interpretieren, die innerhalb einer Gesellschaft getragen werden muss. Die „Spiele um die Herrschaft“ (Bourdieu 1997a, 196) werden in „allen Handlungsfeldern gespielt, welche die Geschlechterordnung der bürgerlichen Gesellschaft als Domäne männlichen Gestaltungswillen vorgesehen hat: in der Ökonomie, der Politik, der Wissenschaft, den religiösen Institutionen, im Militär aber auch“; so fügt Meuser 2008 ergänzend hinzu; „in semi- und nicht-öffentlichen Handlungsfeldern, in denen Männer unter sich sind: in Vereinen, Clubs, Freundeskreisen“. (Meuser 2008, 33)
Das „Spielen der Spiele“ entspringt einer Spontanität, und der daraus resultierenden, sozialen Logik für das Spielen selbst. Die Spiele finden in allen sozialen Feldern statt und haben eine beachtliche Spannbreite von Ausdrucksformen.15 (vgl. Meuser 2008) Man(n) spiele intuitiv und dies auch bis zum bitteren Ende, da „Spiele“ um die männliche Herrschaft mobilisierenden Charakter haben. Bourdieu beschreibt zum Beispiel die Jagd nach sozialer Anerkennung unter Gleichen („Isometrie-Prinzip“) und die der „Libido dominandi“, dem Wunsch, andere Männer zu dominieren. Diese Spiele und die daraus entstehenden Handlungen wirken sich als „natürlich“ auf alle Beteiligten des sozialen Raumes, als habitualisiert, aus: Der soziale Raum wird zum Spielfeld erklärt. (vgl. Bourdieu 1997, 195 / Meuser 2004 / Scholz 2004)
Meuser umschreibt in einer Modifikation des Ansatzes Bourdieus, welche das „Spiel der Spiele“ in einer wettbewerbsartigen Form darstellt und mit Risikohandeln, als Strukturübung zur Herausbildung von Männlichkeit versehen ist. Das Risikohandeln lässt sich lt. Meuser „als eine entwicklungsphasentypische Steigerung der Strukturlogik des männlichen Geschlechtshabitus begreifen“ (Meuser 2008, 42) und trifft auf alle Angehörigen dieser Geschlechterform zu.
„In diesen Strukturübungen werden nicht nur die Spielregeln der ernsten Spiele des Wettbewerbs angeeignet, hier lernen die heranwachsenden Männer auch die Spiele zu lieben.“ (ebd.)
Jene, die sich dieser Art von Spielen widersetzen oder es ablehnen, die Spiele nach bestehenden Regeln zu spielen, sind oder werden kategorisch ausgegrenzt und/oder ausgeschlossen.16
Mit diesem Habitus versehen tragen Frauen im Sinne Bourdieus dazu bei, dass die daraus resultierende Konstruktion von „Männlichkeit“ aufrechterhalten wird und die „männliche Herrschaft“ Legitimation findet. Frauen interpretieren vom Standpunkt der Herrschenden das Verhältnis der Geschlechter-Vorherrschaft, d. h. sie sehen die Vorherrschaft als „natürlich“ an und wirken dadurch an der „Komplizenschaft ihres sozialisierten Körpers“ und „an ihrem eigenen Beherrschtsein“ mit. (vgl. Bourdieu 1996, 1999/Thürmer-Rohr 2004)
Frauen dienen mit ihrem Handeln als „schmeichelnde Spiegel“ (Bourdieu 1997, 203) oder in der Rolle von Zuschauerinnen. Zum einen nützen sie den Männern als emotionale Stütze aufgrund ihrer außenstehenden Position im sozialen Raum, zum anderen sind sie auf Grund des „Isometrie-Prinzips“ von den „Spielen“ ausgeschlossen. In ihrer „Passivrolle“ sind Frauen dennoch aktiv und fungieren nach Bourdieu als Matrix für die Verwirklichung von „Männlichkeit“, welche ein vergrößertes Bild projiziert, in welchem der Mann seine Anerkennung für sich und seine „Männlichkeit“ findet.
Des Weiteren beschreibt Bourdieu die Frau in ihrer Rolle als Tauschobjekt innerhalb der o. g. „Spiele“ – dieses diene sekundär der „Libido dominandi“. Bourdieu unterstreicht auch hier die Unterstützung durch die Frauen selbst, indem sie als „symbolische Mittel [...] zirkulieren und indem sie treuhänderische Zeichen von Bedeutung zirkulieren lassen, symbolisches Kapital produzieren und reproduzieren“ und „indem sie Beziehungen herstellen und instituieren, soziales Kapital produzieren und reproduzieren“. (Bourdieu, 206)17
Es findet, so Bourdieu, somit durch „die kompetitive Struktur innerhalb homosozialer Felder, ein Wettbewerb ausschließlich und nur unter Männer statt. Diese stehen sich gleichzeitig als „Partner-Gegner“ gegenüber“. (Bourdieu 2005, 83)
Aus Bourdieus Gedanken zur „männlichen Herrschaft“ und dem damit einhergehenden „Spielen der ernsten Spiele“ erwächst eine für dieser Arbeit interessante These, nämlich „dass der Wettbewerb ein zentrales Mittel männlicher Sozialisation ist und dass, [...] der Wettbewerb Männer nicht (oder nicht nur) voneinander trennt, sondern dass er zugleich ein Mittel männlicher Vergemeinschaftung ist“. (Meuser 2008, 34)18
Dieser Prozess erscheint notwendig, um „Männlichkeit“ permanent und wiederkehrend (re-)produzieren zu können. Die damit einhergehende Anwendung von direkter und indirekter Gewalt erscheint „als tägliche Verteidigung einer herausgeforderten Männlichkeit, [...] die immer wieder unter Beweis gestellt werden muss“. (Meuser 2008, 38)
Es ist verhängnisvoll, sich diesen Spielen im Wettbewerb um die „Männlichkeit“ nicht zu stellen. Anerkennung als Mann erwirbt man(n) dadurch, dass man(n) sich dem Wettbewerb stellt, und das bis zum Schluss. Was in der Adoleszenzphase mit körperlicher Gewaltanwendung einhergeht, verlagert sich im Alter. (vgl. Meuser 2008) Erwachsene Männer führen die durch Übungen habitualisierten Spiele in andere soziale Räume fort, vor allem in den Bereichen des Berufs und der Politik. Dort werden die Spiele nach den dort gültigen Regeln von Männern für Männer weitergespielt. (ebd.)
Als kritischer Grundgedanke hinsichtlich jener dargelegten Tatsachen und im Zusammenhang des hier vorliegenden Themas zur „Männlichkeit“ im Migrationsdiskurs muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass der Ausschluss aus den genannten Feldern aufgrund des „Andersseins“19 erfolgt und sich letztendlich auf die (Re-)Konstruktion von „Männlichkeit“ der Betroffenen selbst auswirkt, welches individuelle Folgen der einzelnen Subjekte mit sich ziehen.
[...]
1 (vgl. Sauter 2010): Kultur soll in diesem Zusammenhang als Bedeutungssystem und Arena der Aushandlung verstanden werden. Hinsichtlich „Männlichkeit“ produziert dies Bilder und veranlasst das Subjekt dazu, sich zu positionieren. In diesem Aushandlungsprozess sind wir gleichermaßen Schöpfer als auch Geschöpf unserer Kultur.
2 Anm.: Nennen wir zu diesem Punkt ein simples Beispiel; Es wird gerade in Interaktionsprozessen zwischen Jugendlichen häufig die Frage beobachtet: „Was bist Du?“ oder „Woher kommst Du?“ Mit dieser Frage setzt der Fragende voraus, dass der Befragte hinsichtlich bestimmter Merkmale „anders“ zuzuordnen ist und fordert den Befragte aufgrund der Frage dazu auf, sich selbst zuzuordnen bzw. zu positionieren. Hinsichtlich „Männlichkeit“ würde dies bedeutet, dass diese Kategorie generierend für Interaktionsprozesse jedoch darüber hinaus mit anderen Verortungsmerkmalen einhergehen dürften. Denn was Mann/Frau ist, ist aufgrund biologischer Merkmale unmittelbar ersichtlich. Darüber hinaus findet das Verorten des Gegenüber und der eigenen Person jedoch nicht nur entlang dieser Differenzlinie statt sondern auch anhand anderer Merkmale oder Muster, wie beispielsweise der Ethnizität.
3 (vgl. Icken 2010) „Vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit der Validität und der Tiefenschärfe der Ergebnisse der Untersuchungen auf der Grundlage des Milieuansatzes wurde angestrebt, solche Milieus auch für die Migrationpopulation zu entwickeln. (Migraten-) Milieus fassen also Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung und Lebensweisen ähneln, d.h. sie haben ähnliche Grundorientierungen und Werte, sie haben einen ähnlichen Lebensstil und Geschmack und/oder befinden sich in einer ähnlichen sozialen Lebenslage.“
4 (vgl. Meuser / Döge 2001) In der Männerforschung hat das Konzept der „hegemonialen Männlichkeit“ den Status einer Leitkategorie erreicht. Ausschlaggebend dafür, so Meuser und Döge, ist die differenzierte Sicht auf die Positionen der Männer in der sozialen Ordnung generell und in der Geschlechterordnung im Speziellen.
5 Prof. Dr. Michael Meuser ist seit Herbst 2007 Professor für Soziologie der Geschlechterverhältnisse am Institut für Soziologie an der Universität Dortmund. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Methoden der qualitativen Sozialforschung, der Soziologie der Geschlechterverhältnisse, der politischen Soziologie und der Wissenschaftssoziologie. In seine Arbeiten hinsichtlich der Konstruktion von „Männlichkeit“ verzahnt Meuser die „hegemonialen Männlichkeit“ nach Connell mit der Theorie zur „männlichen Herrschaft“ nach Pierre Bourdieu und erweitert diese zum Teil durch Begriffsgebungen wie der „doppelte Distinktionslogik“. Diese wird im Rahmen dieser Arbeit noch nähere Anwendung finden.
6 Anm.: Wer bzw. was diese westliche Industriegesellschaft ist bzw. darstellt, wird im Teil zur Ethnizität als soziale Konstruktion anhand Stuart Halls näher erläutert.
7 Jene Bereiche unterliegen durch Globalisierung und dem daraus resultierenden sozialen Wandel neuen Dynamiken. Sie erhalten neue Bedeutung und sind, durch Internationalisierungsprozesse, inzwischen anderen, über die eigenen Staatsgrenzen hinaus, bestimmenden Kräften ausgesetzt. Am deutlichsten ist dies am Wandel des Arbeitsmarktes zu erkennen.
8 „Männlichkeit“ ist somit ein kulturelles Gut, welche aus der Annahme heraus, Kultur als bewegliche, dynamische und heterogene Dimension zu verstehen, diese als vielseitig bzw. vielschichtig verstehen müsste.
9 Identität ist geprägt von vielen Dimensionen, wie neben Geschlecht auch durch die soziale Position, der Herkunft, des Berufes, der Bildung etc.
10 „Für die Wahl der Kabylei spricht also zweierlei: Zum einen stellt die kulturelle Tradition, die sich dort behauptet hat, eine paradigmatische Realisation der mediterranen Tradition dar. (...) Zum anderen partizipiert die ganze europäische Kultur unzweifelhaft an dieser Tradition (...)." (Bourdieu, 2005, S. 15)
11 Von der Autorin eingefügt.
12 Er bemerkt u.a. in seinem Buch, dass in öffentlichen Diskussionen Männer Frauen oft das Wort abschnitten. Man wende sich in gutem Glauben an einen Mann, um die kluge Frage zu beantworten, die gerade gestellt wurde. Es mache den Eindruck, so Bourdieu, als wären Frauen nicht dazu in der Lage gute, kluge Fragen zu stellen, geschweige denn zu beantworten. Eine Frau sei fast immer in der Lage, ihren Mann mit detaillierten Beschreibungen zu charakterisieren und über spezifische Merkmale kenntlich ausfindig zu machen. Ein Mann sei im umgekehrten Fall meist nur zu allgemeinen Stereotypen fähig. Des Weiteren greift er die feministische Argumentation auf, die anhand von gegensätzlichen Wortpaaren wie: hoch-tief, oben-unten, vorne-hinten, grade-krumm, hart-weich, groß-klein, männliche und weibliche Bedeutungs- und Denkschemata in den Wortpaaren deuten. So stellt er in „männlicher Manier“ fest, dass Männer Dinge an ihrem Körper als negativ bewerten, die zu klein sind. Während Frauen hingegen diejenigen, die ihnen zu groß erscheinen als negativ empfinden.(Anm. d. Autorin: Eine solche Überlegung erweckt den Eindruck, als wolle B. damit andeuten, dass die „großen Dinge“ dieser Welt für Frauen etwas zu groß sind, und sie diese deshalb als negativ bewerten.)
13 (vgl. Rehbein 2006) Der Habitus stellt die Verkörperung sozialer Ordnung in Denk-, Wahrnehmungs-, Verhaltens- und Beurteilungsschemata dar. Dieser kann somit als Vermittlungsstruktur zwischen dem Handelnden und dem Handlungsfeld verstanden werden. Der Habitus ist weder nur Handeln noch Struktur. Die mit dem Habitus versehenen Handelnden sind zugleich Produkt als auch Produzent für den Habitus. Durch soziale Veränderungen in der Gesellschaft ist der Habitus nicht als feststehende Einheit zu begreifen, sondern in sich veränderbar. Hinsichtlich „Männlichkeit“ kann der Habitus als „generative Struktur“, als „Grundprogramm“ verstanden werden, welche diese steuert bzw. prägt.
14 An diesem Punkt lässt sich kritisch bemerken, dass nur eingeschränkt an eine „freiwillige Männlichkeit“ zu denken ist, da die Auferlegung selbst logisch mit Zwang einhergeht – dem Zwang als Mann männlich zu sein. Jedoch erscheint anhand dieser Logik die durch Connell aufgezeigten „patriarchalen Dividende“ ein Motivationsfaktor für die Annahme von Zwängen, wenn sie in einer „natürlichen“ Überlegenheit, zumindest dem weiblichen Geschlecht gegenüber hin, resultiert.
15 (vgl. Meuser 2008, 38-39) Meuser erwähnt an dieser Stelle, dass diese Ausdrucksformen von Wortgefechten, wie beispielsweise aus dem Hip-Hop bekannt („dissen“), über berufliche Hierarchiekämpfe bis hin zu legalen bzw. illegalen Gewalttaten deutlich werden. Er beschreibt, dass in vielen adoleszenten und postadoleszenten männlichen Subkulturen und Szenen, gewaltförmige Auseinandersetzungen durch und mit dem eigenen Körper, eine übliche Form des Spiel sind.
16 Meuser verweist hier auf die niedrige Rate von Frauen in Top-Positionen. Als Grund nennt er hierfür, dass Frauen der Zugang verwehrt wird, gerade weil sie sich an den „Spielen der Spiele“ nach beschriebene Spielregeln nicht beteiligen wollen.
17 Anm.: Ob sich die eben beschriebenen Muster um die Konstruktion von „Männlichkeit“ in der sozialen Wirklichkeit wiederfinden lassen, wird im Teil der Fallbeispiele deutlich.
18 (vgl. Meuser: „Ernste Spiele. Zur Konstruktion von Männlichkeit im Wettbewerb der Männer“, 2008) Als Beispiel führt Meuser Praktiken wie Trinkrituale von Studentenverbindungen, Rituale wie das Mensur-Schlagens, „Spaßprügeln“, „gesellige Gewalt“ und das „Pogen“ an.
19 gemeint ist hier das „Anderssein“ durch eine andere ethnische Zugehörigkeit.
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