Um 1173-80 entstanden (Neuschäfer 1969: S.11), zählt das Gedicht „Das Anegenge“ zu den ältesten Texten der volkssprachlichen Literatur. Es wurde in der Wiener Sammelhandschrift 2696 von 1325 überliefert und ist nicht nur inhaltlich sondern auch in seinem historischen Kontext ein sehr interessantes Gedicht. Während die Entstehungszeit und der Entstehungsort wegen so eindeutiger Indikatoren wie dem unreinen Reim, oder der erst im bairischen verbreiteten Dehnung (Neuschäfer 1969: S.31), relativ gut zu bestimmen sind, bleiben der Dichter, sowie sein Umfeld unbekannt. Über seine Intentionen wurde viel diskutiert, es bleibt jedoch vieles ungeklärt bei diesem Gedicht, das zwar formal sinnvoll gegliedert ist, inhaltlich aber einige Fragen aufwirft. Der Dichter bedient sich vieler gängiger Lehren und Motive seiner Zeit, greift sie aber auf sehr ungewöhnliche und teilweise schwer verständliche Weise auf. Eins der Motive, die der Dichter verwendet, ist der „Streit der Töchter Gottes“, ein Motiv, das im „Anegenge“ als erstes auf Deutsch wiedergegeben und auf interessante Weise den zentralen Themen im „Anegenge“ angepasst wird (Mäder 1971: S.46). Vor der Untersuchung dieses Motivs im Allgemeinen und speziell im „Anegenge“, werden erst der Inhalt, die wichtigsten Themen und Interpretationen kurz vorgestellt, um ein besseres Verständnis für die Vorgehensweise des Dichters zu bekommen.
Um 1173- 80 entstanden (Neuschäfer 1969: S.11), zählt das Gedicht „Das Anegenge“ zu den ältesten Texten der volkssprachlichen Literatur. Es wurde in der Wiener Sammelhandschrift 2696 von 1325 überliefert und ist nicht nur inhaltlich sondern auch in seinem historischen Kontext ein sehr interessantes Gedicht. Während Entstehungszeit und Entstehungsort wegen so eindeutiger Indikatoren wie dem unreinen Reim, oder der erst im bairischen verbreiteten Dehnung (Neuschäfer 1969: S.31), relativ gut zu bestimmen sind, bleiben der Dichter, sowie sein Umfeld unbekannt. Über seine Intentionen wurde viel diskutiert, es bleibt jedoch vieles ungeklärt bei diesem Gedicht, das zwar formal sinnvoll gegliedert ist, inhaltlich aber einige Fragen aufwirft. Der Dichter bedient sich vieler gängiger Lehren und Motive seiner Zeit, greift sie aber auf sehr ungewöhnliche und teilweise schwer verständliche Weise auf. Eins der Motive, die der Dichter verwendet, ist der „Streit der Töchter Gottes“, das im „Anegenge“ als erstes auf Deutsch wiedergegeben und auf interessante Weise den zentralen Themen im „Anegenge“ angepasst wird (Mäder 1971: S.46). Vor der Untersuchung dieses Motivs im Allgemeinen und speziell im „Anegenge“, werden erst der Inhalt, die wichtigsten Themen und Interpretationen kurz vorgestellt, um ein besseres Verständnis für die Vorgehensweise des Dichters zu bekommen.
Wie schon erwähnt, ist „Das Anegenge“ rein formal gut gegliedert. Die 3242 Verse sind in Sinnabschnitte eingeteilt, die von der Anzahl der Verse auch die Wichtigkeit des Themas wiederspiegeln (Rupp 1971: S.257). Der Name „Das Anegenge“ deutet zunächst auf einer Nacherzählung der Schöpfungsgeschichte hin, ist aber wie häufig bei solchen Texten wahrscheinlich eine Schreiberüberschrift die hinzufügt wurde, bevor der Abschreiber das ganze Gedicht gelesen hatte (Rupp 1971: S.241). Denn im Prolog erklärt der Dichter davon das er genzlîchen erzählen wird wie Gott
die finstere braetest (braete) ze liechte/ und (…) von niechte woldest (wolde) wurchen elliue dinc
(Neuschäfer 1968: Vers 23)- es scheint also zuerst als wolle er die Genesis nacherzählen. Doch einige Verse weiter legt der Dichter seine eigentlichen Absichten dar: Es geht ihm um die Erläuterung theologischer Fragen (Neuschäfer 1969: Vers 65-88), die er hier alle aufzählt. Es fällt bereits der ungewöhnliche Tonfall des Dichters auf, er spricht sein Publikum, wahrscheinlich adlige Laien, direkt an, jedoch nicht um ihr Mitgefühl zu erwecken, wie es andere Autoren um diese Zeit tun, sondern um sie zu warnen und ihnen seine Allwissenheit zu zeigen. Er warnt sie also im Prolog, nicht damit zu rechnen, die vom ihm dargelegten theologischen Probleme zu verstehen:
Ich rate ouch tumben daz/ daz sie sich des gelouben/ und in diu gotes tougen/ so tiefe niht gedenchen/ daz sie sich selben icht ertrenchen
(Neuschäfer 1969: Vers 52- 56). Der Dichter selbst jedoch scheint über solche Verständnisprobleme erhaben zu sein, er nimmt für sich in Anspruch elliu buoch (Neuschäfer 1969: Vers 6) erzählen zu können. Wie in seinem Prolog angekündigt, beginnt der Dichter sein Werk nun mit Erläuterungen zu Gott, der Schöpfung und dem Fall der Engel. Es geht vor allem um das Wesen Gottes vor der Erschaffung der Welt und den Fall Luzifers. Dabei werden bereits zentrale Themen seines Gedichts offenkundig: Die Darstellung Gottes als gut und vorausplanend und die Wichtigkeit des freien Willens. Gott braucht die Schöpfung nicht, er erschafft die Engel nur um seine „wunne“ (Neuschäfer 1969: Vers 138) zu teilen und er bindet die Engel nicht durch Zwang an sich, sondern gewährt ihnen den freien Willen, also auch die Möglichkeit zum Fall, er will ja denen die freiwillig zu ihm stehen niht unrehtes tuon (Neuschäfer 1969: Vers 170). Auch der doch recht eigenwillige Schreibstil des Dichters zeigt sich hier. Obwohl die formale Gliederung durchaus gelungen ist, wiederholt sich der Dichter inhaltlich an vielen Stellen, beispielsweise wiederholt er die Schöpfung der Welt (Neuschäfer 1969: Vers 210- 215), andererseits erwähnt er bereits selbstverständlich die Trinität (Neuschäfer 1969: Zeile 187- 191), obwohl er sie erst später erläutert. Nach der bibelgetreuen Schöpfungsgeschichte schließt der Dichter ohne inhaltlichen Übergang die Geschichte Luzifers an, von der er dann ebenso plötzlich zur Trinität Gottes kommt, die sehr plastisch durch ein Gespräch zwischen gewalt (Neuschäfer 1969: Vers 321), wîsheit (Neuschäfer 1969: Vers 326-327) und guete (Neuschäfer 1969: Vers 333).dargestellt wird. Auch im folgenden Teil des Gedichts, der sich auf die Geschichte von der Erbsünde bis Noah bezieht, fallen inhaltliche Ungenauigkeiten auf: Der Dichter bricht Themen plötzlich ab oder bleibt, wie bei der Erzählung von Kain und Abel zu ungenau (Neuschäfer 1969: Vers 1657). Besonders bei dem Themenblock „Der Mensch“ fällt die Überbewertung einiger Fragen und Einzelheiten auf: Beispielsweise die Frage wie Noah es schaffte von jeder Tierart zwei einzufangen, die jedoch für die weitere Menschheitsgeschichte keinerlei Relevanz hat (Neuschäfer 1969: Vers 1877). Seine Erklärungen sind keine neuen theologischen Theorien, der Dichter nennt keine bestimmten Quellen oder Schulen denen er angehört, auch wenn ihm von der Forschung einige zugerechnet worden sind. Seine Art der Auseinandersetzung mit theologischen Konflikten waren wohl bereits zu seiner Zeit antiquiert, wie seine Meinung zur Prädestination (Neuschäfer 1969: Vers 897-898). Man kann also davon ausgehen, dass der Dichter eine -im Gegensatz zu anderen überlieferten Werken aus derselben Zeit- eher mittelmäßige Bildung erhielt, die auf kein bestimmtes Ziel hinauslief, sondern ganz verschiedene Wissensfetzen vermittelte (Rupp 1971: S.256). Doch man darf die Leistung nicht vergessen, die der Dichter trotzdem vollbringt: Er schafft es abstrakte Dinge anschaulich zu erklären und wechselt dabei oft zwischen Belehrung und Erzählung hin und her, was der Verständlichkeit aber meist keinen Abbruch tut. Er versucht offensichtlich einem Laienpublikum höhere Theologie verständlich zu machen, was ihm auch oft genug gelingt (Rupp 1971: S.257).
[...]
- Arbeit zitieren
- Sophie Strohmeier (Autor:in), 2012, Die frühmittelhochdeutsche Dichtung „Anegenge“. Das Motiv des Gesprächs der Töchter Gottes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287852
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.