Interessenvermittlung gehört zur Demokratie wie die Tinte zum Füller. Ohne die Vertretung und Durchsetzung von Interessen sind moderne westliche Regierungssysteme nicht mehr vorstellbar. Politische Teilhabe ist auch im deutschen Rechtsstaat mit dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz fest verankert. Bürger wirken am politischen Geschehen mit. Diese politische Repräsentation kann auf verschiedene Weise erfolgen, z.B. durch Gewerkschaften, Kirchen oder Wohlfahrtsverbände. Einer anderen Form der Interessenvertretung können sich Unternehmen bedienen, sie wird gemeinhin als Lobbyismus bezeichnet. Lobbying meint die Versuche, im Interesse des Unternehmens auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Grundsätzlich besteht daher wenig Anlass zur Besorgnis. Die Branche erklärt nüchtern, sie leiste einen Beitrag zur pluralistischen Gesellschaft (vgl. Leif/Speth 2006: 16). Der Staat sei bei der Formulierung und Durchsetzung von Politik auf die Hilfe aller gesellschaftlichen Gruppen angewiesen und Lobbying eine Art Arbeitsentlastung. Peter Lösche formuliert klar: „Demokratie braucht Lobbying“ (2006a).
Nun gehört zur Demokratie allerdings auch, nicht immer einer Meinung zu sein. Ein nicht minder großer Teil der deutschen Gesellschaft verknüpft den Lobbyismusbegriff mit dunklen Geschäften in Hinterzimmern, schwarzen Koffern und Manipulationen (vgl. Alemann 2000: 3). Das Bild des Lobbyisten in der Öffentlichkeit ist das des „Spesenritters und Partylöwen, der in teuren Restaurants und auf parlamentarischen Abenden bei gutem Essen und gutem Wein politischen Entscheidungsträgern einflüstert, wie sie zu entscheiden haben“ (Wehrmann 2007: 47).
Bleibt die Frage: Was stimmt denn nun? Sicherlich kann keine der beiden Wahrheiten eine universelle Gültigkeit für sich beanspruchen. Die Antwort liegt, wie so oft, dazwischen:In manchen Fällen kann Lobbyismus, wenn man den Begriff der Korruption weiter fasst, durchaus illegal oder zumindest illegitim agieren. Auf der anderen Seite ist Lobbying aber auch nicht per se schlecht.
In dieser Arbeit wird der Zusammenhang zwischen Lobbyismus und Korruption systematisch beleuchtet und der Versuch unternommen, die Grauzone zwischen legitimer Interessenvertretung und illegitimer Einflussnahme aufzudecken. Diese Projektarbeit zielt vorrangig auf die Beantwortung der folgenden Forschungsfrage:
Wann überschreitet Unternehmenslobbyismus die Grenze zur Korruption?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
1.2 Forschungsfrage und Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit
2. Begriffsklärung
2.1 Korruption
2.2 Lobbyismus
2.3 Moralische Aspekte
3. Die fünfte Gewalt: Unternehmenslobbying in Deutschland
3.1 Differenzierung und Methoden
3.2 Rechtslage in Deutschland
3.3 Regulierung
4. Fallbeispiele zu Lobbyismus und zur Korruption
4.1 Der Fall Schreiber und die CDU-Spendenaffäre
4.2 Die EnBW-Affäre um Mappus und Notheis
4.3 Der Fall Glaeseker und der Nord-Süd-Dialog
5. Schlussfolgerung zur Korruption und zu Unternehmenslobbyismus
6. Handlungsempfehlungen
7. Fazit
Quellen- und Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Graustufe der Legalität und Legitimität (Eigene Darstellung)
Tabelle 2: Parteispenden im Jahr 2012 (Eigene Darstellung)
Tabelle 3: Zuordnung der Fälle (Eigene Darstellung)
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Differenzierung und Methoden des Lobbyismus (Eigene Darstellung)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vorwort
Im Rahmen der Schriftenreihe „Komplexes Entscheiden (Professional Public Decision Making)“ werden herausragende Seminar- und Abschlussarbeiten von Studentinnen und Studenten sowie Absolventinnen und Absolventen des gleichnamigen Masterstudienganges der Universität Bremen veröffentlicht. Während des Studiums werden einschlägige Theorien, Konzepte und Entscheidungsmodelle aus Philosophie, Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft sowie Rechtswissenschaft analysiert und diskutiert. Die interdisziplinäre Entscheidungsforschung steht dabei im Mittelpunkt des Studiengangprofils.
Die ausgewähltenArbeitenbefassen sich mit komplexen Entscheidungen imSpannungsfeld von politischenOpportunismen, administrativen Postulaten, wirtschaftlichem Effizienzstreben und rechtlichen Rahmenbedingungen.Aufgrund der inhaltlichen und methodischen Vielschichtigkeit von öffentlichen Entscheidungsprozessen werden gleichermaßen philosophische, ökonomische, politik-, und rechtswissenschaftliche Problemanalysen, Lösungskonzepte und Umsetzungsstrategienuntersucht.
Herausgegeben von:
Prof. Dr. Dagmar Borchers Maximilian Hohmann
Studiengangsleiterin Komplexes Entscheiden Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Universität Bremen Universität Bremen
Sandra Kohl Weitere Informationen unter:
Koordinierungsstelle Verwaltungsforschung www.make.uni-bremen.de
Universität Bremen
1.Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
„Der westliche Staat ist eine Errungenschaft demokratischer Revolutionen. Es gilt, ihn zu verteidigen gegen den korrumpierenden Einfluss mächtiger „Bünde“ aller Art und organisierter „Klüngel“.
Max Weber
(Weber 1980: 499, 501)
Interessenvermittlung gehört zur Demokratie wie die Tinte zum Füller. Ohne die Vertretung und Durchsetzung von Interessen sind moderne westliche Regierungssysteme nicht mehr vorstellbar. Politische Teilhabe ist auch im deutschen Rechtsstaat mit dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz fest verankert. Bürger wirken am politischen Geschehen mit. Diese politische Repräsentation kann auf verschiedene Weise erfolgen, z.B. durch Gewerkschaften, Kirchen oder Wohlfahrtsverbände. Einer anderen Form der Interessenvertretung können sich Unternehmen bedienen, sie wird gemeinhin als Lobbyismus bezeichnet. Lobbying meint die Versuche, im Interesse des Unternehmens auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Grundsätzlich besteht daher wenig Anlass zur Besorgnis. Die Branche erklärt nüchtern, sie leiste einen Beitrag zur pluralistischen Gesellschaft (vgl. Leif/Speth 2006: 16). Der Staat sei bei der Formulierung und Durchsetzung von Politik auf die Hilfe aller gesellschaftlichen Gruppen angewiesen und Lobbying eine Art Arbeitsentlastung. Das Unternehmen verstehe sich als Corporate Citizen und dürfe als solches am gesellschaftlichen Diskurs teilhaben (vgl. Kopp 2003: 53). So kommt auch Alemann zu dem Schluss: „Der Lobbyismus regiert ein bisschen mit. Und das ist gar nicht übel.“ (2000: 6). Martin Sebaldt schätzt den Alltag der unternehmerischen Interessenvertretung als „[…] unspektakulär, regelgeleitet, ja fast banal und damit für Publizistik und Wissenschaft unattraktiv“ ein (Sebaldt 1998 zit. nach Kleinfeld/Willems/Zimmer 2007: 11). Und Peter Lösche formuliert klar: „Demokratie braucht Lobbying“ (2006a).
Nun gehört zur Demokratie allerdings auch, nicht immer einer Meinung zu sein. Ein nicht minder großer Teil der deutschen Gesellschaft verknüpft den Lobbyismusbegriff mit dunklen Geschäften in Hinterzimmern, schwarzen Koffern und Manipulationen (vgl. Alemann 2000: 3). Das Bild des Lobbyisten in der Öffentlichkeit ist das des „Spesenritters und Partylöwen, der in teuren Restaurants und auf parlamentarischen Abenden bei gutem Essen und gutem Wein politischen Entscheidungsträgern einflüstert, wie sie zu entscheiden haben“ (Wehrmann 2007: 47). Auch die Presse stellt die Unternehmensvertreter als „Einflüsterer“ (Machold 2004), „Bauchpinseler“ (Schindler 2002) oder „Machtflüsterer“ (Möhle 2004) negativ dar. Buchtitel wie „Das gekaufte Parlament“ (Schwarz 1999) oder „Die stille Macht“ (Leif/Speth 2003) versinnbildlichen die Angst, Lobbying geschehe nicht immer mit den rechten Mitteln. Lobbyismus hat mit dem Vorurteil zu kämpfen, Partikularinteressen unter dem Deckmantel des Gemeinwohls zu vertreten und dabei Geheimniskrämerei zu betreiben (vgl. Leif/Speth 2006a: 16). Leif und Speth gehen dabei sogar soweit, Lobbyismus als changierend „zwischen dem Anspruch legitimer demokratischer Interessenvertretung und illegitimer Einflussnahme, die bis hin zu Patronage und Korruption reichen kann“ (Leif/Speth 2003: 24) zu beschreiben.
Bleibt die Frage: Was stimmt denn nun? Sicherlich kann keine der beiden Wahrheiten eine universelle Gültigkeit für sich beanspruchen. Die Antwort liegt, wie so oft, dazwischen: In manchen Fällen kann Lobbyismus, wenn man den Begriff der Korruption weiter fasst, durchaus illegal oder zumindest illegitim agieren. Auf der anderen Seite ist Lobbying aber auch nicht per se schlecht.
In den letzten Jahren kann man eine Verlagerung der politischen Entscheidungsprozesse raus aus dem Parlament und rein in sogenannte „graue Entscheidungszonen“ beobachten. Hier werden an „Runden Tischen“, in „Kommissionen“ und bei „Kamingesprächen“ oder „Kanzlerrunden“ informelle Entscheidungen getroffen, auf die das Parlament dann nur noch begrenzt Einfluss nehmen kann (vgl. Kleinfeld/Willems/Zimmer 2007: 9). Lobbyisten haben in dieser Grauzone an Einfluss gewonnen und nutzen den anhaltenden Trend der Informalisierung. Dies bedeutet auch, dass sich Lobbying abseits der Öffentlichkeit vollzieht. Weder besteht Informationspflicht von Seiten der Regierung, welche Kontakte sie pflegen, noch teilen Lobbyisten gerne ihren Terminkalender mit Medien und Bürgern. Lobbying wird an dieser Stelle zur Herausforderung für die Demokratie, weil eines ihrer Grundprinzipien verletzt wird: der Anspruch auf größtmögliche Transparenz über das Handeln und Entscheiden der Regierung. Es entsteht der Eindruck einer heimlichen Macht starker ökonomischer Interessengruppen (vgl. Leif/Speth 2006a: 14f.) Außerdem entbehrt dieser Einfluss der Legitimität.
Lobbying ist zur fünften Gewalt aufgestiegen. Es entsteht eine Aura der Macht, die im Hintergrund ihre Strippen zieht. Der Bedarf an Aufklärung über die verborgenen Geschäfte ist groß. Die Medien berichten auffällig wenig über Lobbying und wenn sie berichten, dann sind sie nur an spektakulären Fällen und großen Namen interessiert, sie überhöhen Lobbying mythisch. Das Alltagsgeschäft der Lobbyisten zu porträtieren ist mit zeitintensiver, schwieriger Recherchearbeit verbunden, da Informationen schwer und nur durch gute Kontakte zu Politikern und Lobbyisten zu erhalten sind. Außerdem geschieht Lobbying, wie bereits erwähnt, meist abseits der Öffentlichkeit und gerade in Konfliktfällen versuchen Lobbyisten sowie Politiker die Medien außen vor zu lassen. Auch die Wissenschaft hat bisher wenig zur Aufklärung der Öffentlichkeit beigetragen (vgl. Leif/Speth 2006a: 30).
In der Vorstellung der Bürger soll der Staat mit seinen Institutionen im Sinne des Gemeinwohls handeln. Entscheidungen fallen inhaltlich durch demokratische Wahlen und Abstimmungen. Aber nach einer anderen, weit realistischeren Vorstellung sind es die Interessenvertretungen von Wirtschaft, Verbänden und Organisationen, die die Politik beeinflussen. Erst danach kommt das Gemeinwohl. Hieraus resultiert das schlechte Image der Lobbyisten. Eine Aufklärung über die Art und Weise, wie Lobbying Politik beeinflusst, ist erforderlich (vgl. Leif/Speth 2006a: 30f.).
In dieser Arbeit wird der Zusammenhang zwischen Lobbyismus und Korruption systematisch beleuchtet und der Versuch unternommen, die Grauzone zwischen legitimer Interessenvertretung und illegitimer Einflussnahme aufzudecken.
1.2 Forschungsfrage und Zielsetzung
Diese Projektarbeit zielt vorrangig auf die Beantwortung der folgenden Forschungsfrage:
Wann überschreitet Unternehmenslobbyismus die Grenze zur Korruption?
Auf Grund der Komplexität des Themas ist ein wissenschaftlich interdisziplinärer Zugang notwendig. Es werden demzufolge sowohl rechtliche, politische, moral-philosophische als auch ökonomische Denkweisen miteinander verknüpft.
1.3 Aufbau der Arbeit
Zu Beginn werden im zweiton Kapitel die zentralen Begriffe Korruption und Unternehmenslobbyismus definiert und erläutert. Des Weiteren werden moralische Aspekte betrachtet und der Unterschied zwischen Legalität und Legitimität ausgeführt. Das zweite Kapitel legt somit die Grundlage und dient zum besseren Verständnis. Im dritten Kapitel werden zunächst Unternehmenslobbyismus differenziert und seine angewandten Instrumente und Methoden dargestellt. Anschließend werden die rechtlichen Grundlagen aufgezeigt und darauf aufbauend weitere Regulierungen der Unternehmensseite genannt, um den theoretischen Rahmen der vorliegenden Arbeit zu skizzieren. Im vierten Kapitel werden drei Fallbeispiele erläutert, die die problematische Grenzziehung zwischen Korruption und Lobbyismus in der Praxis aufzeigen. In der Schlussfolgerung werden der Begriff Lobbyismus, der Punkt Differenzierung und Methoden sowie die Fallbeispiele auf Grundlage der erarbeiteten Korruptionsdefinition überprüft (Kapitel 5). Im sechsten Kapitel werden Handlungsempfehlungen gegeben, die u.a. auf rechtlichen Grundlagen und Regulierungen gründen und der Korruption entgegenwirken. Im abschließenden Fazit werden die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst.
Innerhalb der vorliegenden Arbeit wird der Schwerpunkt nicht auf Abgeordnete gelegt, weil primär die Ministerialbeamten im öffentlichen Dienst für Lobbyisten von Bedeutung sind, da sie direkt auf Gesetzesentwürfe Einfluss nehmen können. Es werden folglich beide Seiten einbezogen: Politiker und Abgeordnete auf der einen Seite, Ministerialbeamte und Amtsträger auf der anderen Seite. Aufgrund der Einfachheit werden im Folgenden einerseits Politiker und Abgeordnete und andererseits Ministerialbeamte und Amtsträger synonym verwendet.
Nicht untersucht wird in dieser Arbeit das Verständnis von Korruption und Unternehmenslobbyismus außerhalb Deutschlands. Ebendies gilt auch für den Aspekt der möglichen Demokratiegefährdung durch Lobbyismus. Diese Thematik sollte an anderer Stelle diskutiert werden. Die Einschränkung dient dazu, den Leser zielorientiert durch die vorliegende Arbeit zu leiten.
2. Begriffsklärung
Dieses Kapitel dient dem allgemeinen Verständnis der in dieser Arbeit verwendeten Begrifflichkeiten. Die Begriffe Korruption (Abschnitt 2.1), Lobbyismus (Abschnitt 2.2) sowie Legalität und Legitimität (Abschnitt 2.3) werden erläutert.
2.1 Korruption
Der Begriff Korruption stammt aus dem Lateinischen. Das Verb „corrumpere“ bedeutet übersetzt „bestechen“, „schmieren“, „verderben“, „verleiten“ (Duden 2012). Hieraus ergibt sich bereits die Vielschichtigkeit dieses Begriffs (vgl. Haas 2005: 13). Erste Erläuterungen zur Korruption sind noch vor der Antike im Alten und später im Neuen Testament zu finden. Korruption wird dort als Sünde bezeichnet und als Bestechung bzw. Bestechlichkeit angesehen. Sowohl im christlich-jüdischen und griechisch-römischen Kulturkreis als auch im alten China ist Korruption aufgrund des materiellen Schadens gegenüber dem Volk verpönt. In den Augen der Bürger gilt Korruption als moralisch verwerflich und schadet somit dem Ansehen des Herrschers. Verurteilt wird hierbei vor allem dasjenige Verhalten, das die eigenen Interessen ohne Rücksicht auf Schäden für Staat und Gemeinwohl durchsetzen will (vgl. Alemann 2005: 16f.). Korruptionsfälle, in denen sich Ministerialbeamte, Staatsmänner, Parteien, Regierungen oder Kirchen strafbar machen, ziehen sich durch die gesamte Geschichte.
Die Schäden, die durch Korruption verursacht werden, lassen sich sowohl materiell als auch immateriell quantifizieren. Ganz unterschiedliche negative Auswirkungen kann Korruption auf das Gemeinwohl, die Wirtschaft und letztlich auf den Rechtsstaat haben. Soziale Grundwerte werden verletzt, Wettbewerbsverzerrungen entstehen, Entwicklungen werden blockiert und Staatsverschuldungen verursacht. Sobald die demokratischen Prinzipien insbesondere von Politikern oder anderen Amtsträgern vernachlässigt werden, sinkt schließlich das Vertrauen der Bevölkerung in die Autorität des Staates (vgl. Bannenberg/Schaupensteiner 2007: 45). Gleichzeitig stellt sich das Gefühl einer Bereicherungsmentalität ein. Die Gefahr von organisiertem Verbrechen steigt (vgl. Mahadevan 2008: 17).
Für den Begriff Korruption gibt es keine einheitliche Definition. Daher wird an dieser Stelle der Versuch unternommen, eine Definition zu finden, die der Beantwortung der zentralen Forschungsfrage dient und im Folgenden dieser Arbeit zugrunde liegt.
Korruption kann in drei Typen kategorisiert werden: politische, bürokratische und legislative Korruption. Während mit bürokratischer Korruption die Zahlung von Bestechungsgeldern gemeint ist, um bürokratische Prozesse zu beschleunigen, ist mit legislativer Korruption die Beeinflussung des Gesetzgebers z.B. über finanzielle oder geldwerte Mittel zu verstehen. Für die vorliegende Arbeit ist neben der legislativen Korruption der Begriff der politischen Korruption maßgeblich. Dieser bezeichnet die direkte Beziehung zwischen Amtsträgern und der Öffentlichkeit (vgl. Spönemann 2007: 3).
In der Wissenschaft wird zudem zwischen dem harten und dem weichen Kern des Korruptionsbegriffs unterschieden. Während sich der harte Kern auf eine enge juristisch-normative Definition bezieht, bezeichnet der weiche und deutlich weiter gefasste Korruptionsbegriff ein abweichendes, normwidriges Verhalten. Einfacher ausgedrückt meint der harte Kern den Tatbestand der Bestechung, der weiche Kern richtet sich vorwiegend auf persönliche Vorteilsannahme (vgl. Alemann 2005: 19). Transparency International (TI) konkretisiert Korruption als „Missbrauch anvertrauter Macht zu privatem Nutzen“ (TI 2012a) und bezieht sich damit vor allem auf die moralische Verwerflichkeit der Vorteilsannahme durch Entscheidungsträger.
Eineformale Definition von Korruptionstellt Nye im Jahre 1967 auf: „[A] behavior which deviates from the formal duties of a public role because of private-regarding (close family, personal, private clique) pecuniary or status gains; or violates rules against the exercise of certain types of private-regarding influence“ (1967: 417, zit. nach Johnston 2005: 65). Nyes Definition beinhaltet zwar die typischen Phänomene wie Bestechung und Nepotismus[1], beleuchtet aber weder den Aspekt der Konzentration auf Amtsträger noch das Vorhandensein einer Tauschbeziehung zwischen dem Vorteilsgeber (Korrumpierenden) und dem Vorteilsnehmer (Korrumpierten). Alemann weitet diese Definition aus, indem er wesentliche Komponenten der Tauschbeziehung benennt:
- Der Nachfrager (der Korrumpierende) hat das Bedürfnis nach
- einem knappen Gut (Auftrag, Konzession, Lizenz, Position, Kontakte, Gesetze),
- welches der Anbieter (der Korrumpierte als Entscheidungsträger in einer Organisation oder Behörde) vergeben kann.
- Der Anbieter erhält einen persönlichen verdeckten Zusatzanreiz (Geld oder geldwerte Leistung, Stelle, Expertise) als Tausch für die Vergabe des knappen Gutes.
- Damit verstößt er jedoch gegen öffentlich akzeptierte Normen [2] und
- schadet somit Dritten, Konkurrenten und/oder dem Gemeinwohl.
- Deshalb findet Korruption versteckt, im Verborgenen statt (vgl. Alemann 2005: 31).
Sind alle diese Bedingungen erfüllt, dann handelt es sich für Alemann um Korruption. Aus dieser Begriffsklärung geht eindeutig hervor, dass es sich bei Korruption um ein Verhalten zweier oder mehrerer Akteure handelt, die in Beziehung zueinander stehen und dabei unterschiedliche Rollen einnehmen. Indem Alemann mehrere Komponenten definiert, erweitert er die breit angelegte Definition von Transparency International (TI, vgl. ebd.: 31). Kritikwürdig scheint bei der Definition von Alemann jedoch die Komponente der „öffentlich akzeptierten Normen“, die einer tiefergehenden Erläuterung bedarf. Wie diese Normen aussehen, wer sie festgelegt hat und ob sie von der gesamten Gesellschaft geteilt werden, muss an anderer Stelle hinterfragt werden.
Eine besondere Herausforderung zur Abgrenzung von Korruption stellen die Formen des Tausches dar. Getauscht werden Leistungen aus expliziten oder impliziten Verträgen. Während explizite Verträge eindeutig den Tatbestand einer Bestechung erfüllen, handelt es sich bei impliziten Verträgen um unspezifische Gegenleistungen, die gesetzlich nicht erfasst sind und somit keine strafrechtlichen Folgen für die Akteure nach sich ziehen.
Die Prinzipal-Agent-Theorie von Ross (1973) stellt eine Möglichkeit dar, Korruption zu erklären. Diese Theorie beschreibt die Tauschbeziehung zwischen Agent und Klient. Im Falle einer politischen Korruption stellt der Prinzipal die Regierung, der Agent einen Amtsträger/Anbieter und der Klient einen Nachfrager nach dem knappen Gut dar. Die Grundannahme hierbei ist, dass die Akteure begrenzt rational denken und opportunistisch handeln. Charakteristisch für das Modell sind die bestehenden Informationsasymmetrien, die durch unvollständige Verträge zwischen Prinzipal und Agent entstehen (vgl. Spönemann 2007: 5f.). Zum besseren Verständnis soll dieses Modell am Beispiel eines Bauauftrages erläutert werden. Der Prinzipal steht hier für den Staat. Der Agent, der den Bauauftrag vergibt, sitzt als Ministerialbeamter im Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der Klient ist ein Bauunternehmer, der diesen Auftrag erhalten möchte. Während der Staat die Vergabe des Bauauftrags an den Ministerialbeamten delegiert, kommt es zu einer Austauschbeziehung zwischen dem Auftragnehmer, dem Ministerialbeamten und dem Unternehmer. Es entsteht ein formales Vertragsverhältnis, das dem Ministerialbeamten Handlungs- und Entscheidungsfreiräume überlässt. Um die Aufgaben des Staats zu erfüllen, tritt der Ministerialbeamte in Kontakt mit dem Bauunternehmer. Der Ministerialbeamte hat die Entscheidungsfreiheit darüber, welche Baufirma das Vorhaben umsetzen darf. Er kann die ihm anvertraute Verfügungsmacht zu seinen Gunsten ausnutzen, denn ihm liegen Informationsvorteile sowie unbeobachtete Handlungsspielräume gegenüber dem Staat vor (vgl. Gilroy/Kruse 2011: 3). Der Staat versucht wiederum, diesen Missbrauch zu verhindern. Über gezielt gesetzte Anreize, wie z.B. Vorteile im Beamtenstatus, versucht er das Handeln des Ministerialbeamten in seinem Interesse zu beeinflussen (vgl. Spönemann 2007: 8). Sobald der Ministerialbeamte in seiner Beziehung zum Unternehmer jedoch entgegen den Interessen des Staats handelt und die ihm übertragenen Vollmachten zu seinem persönlichen Vorteil missbraucht, verstößt der Ministerialbeamte gegen die Bedingungen des Auftragsverhältnisses. Der Ministerialbeamte beauftragt dann diejenige Baufirma, die das meiste Schmiergeld bezahlt. Es liegt ein Korruptionsdelikt vor (vgl. Klinker 2007: 8).
Zusammenfassend ergibt sich für diese Arbeit die folgende Definition von politischer Korruption:
Politische Korruption bezeichnet
- eine Tauschbeziehung zwischen mindestens zwei Parteien, bei der
- die politischen (Beschluss- und Entscheidungs-) Ressourcen eines Amtsträgers oder Politikers gegen ökonomische Ressourcen (materielle sowie immaterielle Leistungen) eines Nachfragers (private Person, Unternehmen, Verband) getauscht werden.
- Die politischen Ressourcen werden von allen Beteiligten für den persönlichen Vorteil missbraucht.
- Der politische Amtsträger oder Politiker verstößt dabei gegen gesetzliche oder soziale Normen und handelt folglich zum Nachteil des öffentlichen Interesses.
- Dieser Korruptionsakt findet i.d.R. im Verborgenen bzw. unter Geheimhaltung statt (vgl. Alemann 2005: 31; Darge 2009: 35; Schweitzer 2009: 47; Eckert 2005: 271, Nye 1967: 417, Ross 1973: 134-139).
Wie schmal der Grat zwischen Korruption und Lobbyismus ist, zeigt der Fall Peer Steinbrück. Der SPD-Bundestagsabgeordnete hat unlängst 25.000 Euro für einen Rednerauftritt beim „Atrium Talk“ der Stadtwerke Bochum erhalten (vgl. Spiegel online 2012a). Das Honorar ist vor den Bürgern kaum zu rechtfertigen. Die Öffentlichkeit hat allen Grund zu fragen: Möchten die Bochumer Stadtwerke den Politiker beeinflussen? Soll Steinbrück dem Unternehmen in Zukunft Gefälligkeiten erweisen? Dies bleibt reine Spekulation und eine Unterstellung. Die Stadtwerke Bochum stellen ihre Vortragsreihe dennoch ein (vgl. Spiegel online 2012b).Um dem Zusammenhang zwischen Korruption und Lobbyismus näher zu kommen, ist es zunächst sinnvoll auch den Begriff Lobbyismus zu definieren.
2.2 Lobbyismus
Lobbyismus bewegt sich in einer Grauzone zwischen legitimer politscher Interessenvertretung und illegitimer Einflussnahme und ist daher – wie der Korruptionsbegriff – nicht eindeutig definiert. Historisch stammt der Begriff aus dem Lateinischen „Lobia“ und bezeichnet die Eingangs- oder Wandelhalle, bspw. die in einem Parlamentsgebäude. In diesen Hallen warteten die Interessenvertreter darauf die Abgeordneten in der „Lobby“ zu empfangen, mit dem Ziel, die staatlichen Repräsentanten in persönlichen Gesprächen in ihrem Sinne zu beeinflussen und zu überzeugen und somit auf die Implementierung oder Änderung von Gesetzen einzuwirken. Lobbyismus ist also keinesfalls eine moderne Erscheinung.
In der Praxis wird zwischen NGO-, Auftrags-, Verbands- und Unternehmenslobbyismus unterschieden. Während Verbände die gesamte Branche vertreten, haben Unternehmen mit eigenen Hauptstadtrepräsentanzen in Berlin die Möglichkeit, ihre spezifischen Einzelinteressen durchzusetzen, die mitunter von denen des Verbands abweichen können. Die Unternehmen können mit einer eigenen Abteilung sowohl besser auf die gestiegenen Anforderungen im internationalen Wettbewerb reagieren als auch auf komplexe Entscheidungsprozesse flexibel eingehen. Dadurch entsteht eine Ergänzung zum Verbandslobbyismus (vgl. Lianos/Hetzel 2003: 15), der sich in den letzten Jahren zunehmend ausbaute. Dies hängt u.a. mit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin zusammen, Alemann spricht von „Berlinisierung“ (Alemann 2000: 3). Der Lobbyismus erfährt in dieser Zeit einen Aufschwung, Kommunikationsmittel gewinnen an Bedeutung und die Beziehung zwischen Wirtschaft und Politik wird modernisiert. Die gestiegene Komplexität im Regierungssystem verlangt ihrerseits nach neuen Formen der Interessenvertretung (vgl. Leif 2006: 292).
Heute kann Lobbyismus bspw. als Mittel, die „Durchsetzungschancen der Interessen der jeweiligen Auftraggeber zu erhöhen“ (Arlt 2007: 241), verstanden werden. Eine andere Definition bezeichnet Lobbying als das „Einwirken auf Entscheidungsträger und Entscheidungsprozesse durch präzise Information“ (Strauch 1993: 19). In Anlehnung an Korruption als Tausch versteht Wehrmann (2007) Lobbyismus als „Tauschgeschäft von Informationen und politischer Unterstützung gegen die Berücksichtigung bestimmter Interessen bei der staatlichen Entscheidungsfindung“ (S. 39).
In der vorliegenden Arbeit wird Lobbyismus als Methode des Public Affairs Management (PAM) verstanden, einer Disziplin der Public Relations (PR) (vgl. Wehrmann 2007: 38). PAM leistet nach Lianos und Kahler „[…] die strategische Positionierung einer Organisation […] an den Schnittstellen von Politik und Gesellschaft“ (2006: 292). Vereinfacht gesagt handelt es sich um eine Unternehmensberatung im öffentlichen Raum, die das Involvieren des Unternehmens in gesellschaftliche und politische Prozesse betreibt (vgl. Köppl 2000: 11).
Für die Beantwortung der Fragestellung bezieht sich die Arbeit allerdings nur auf denjenigen Teil von PAM, der sich mit der Politik beschäftigt. Die Öffentlichkeit mit einzubeziehen würde den Rahmen sprengen, sollte aber in Zukunft an anderer Stelle untersucht werden.
PAM vereint im politischen Bereich vier Funktionsbereiche:
- Politikkommunikation und Politikberatung als politische Kommunikation,
- Government Relations als Pflege der Beziehungen zu Regierung und Politik,
- Issues Management und Agenda Setting als aktive Steuerung von gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Themen oder
- Lobbying als Ausnutzung politischer Kontakte zur Beeinflussung des Normsetzungsprozesses von Legislative und Exekutive(vgl. Martell 2002: 105-125)
Für die Beantwortung der in der Einleitung genannten Fragestellung sind vor allem die letzten beiden Punkte relevant.
Unternehmen unterscheiden außerdem zwischen „kommerziellem Lobbying“, das auf die Beschaffung und politische Absicherung von Aufträgen zielt, und „politischem Lobbying“, das Einfluss auf die Gesetzesvorhaben der Regierung nehmen will (vgl. Wehrmann 2007: 38). Märkte für Public Affairs (PA) existieren dort, wo viel Geld zu gewinnen oder zu verlieren ist, z.B. bei Privatisierungsprojekten oder Public-Private-Partnerships. Rentable Märkte für PA-Agenturen sind die Gesundheits- und die IT-Branche, da hier erhöhter Beratungsbedarf besteht. Sie sind Teil sogenannter komplexer Politikbereiche, auf die sich PA-Manager in den nächsten Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit konzentrieren werden (vgl. Lianos/Kahler 2006: 295).
Dennoch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass ebenso wie bei Korruption auch beim Lobbyismus Gefahren bestehen. Lobbyismus kann in hohem Maße dem Allgemeinwohl schaden, z.B. durch Täuschung oder Falschinformationen, die von den Lobbyisten herausgegeben werden. Die Tabaklobby bspw. gab in der Vergangenheit falsche Informationen über die Schädlichkeit von Zigaretten mit dem Ziel, den Gewinn des Unternehmens zu maximieren. Außerdem habe die Lobby immer wieder „versucht, ein umfassendes Tabakwerbeverbot, den Nichtraucherschutz, die Abschaffung der Zigarettenautomaten, Tabaksteuererhöhungen sowie wirksame Produktregulationen zu verhindern“ (vgl. Die Welt 2008). Weitere Beispiele, wo Gesetze zu eigenen Gunsten mitgeschrieben werden und folglich dem Gemeinwohl schaden, sind u.a. die Energiekonzerne (vgl. Adamek/Otto 2008: 51) und die Finanzlobby (vgl. ebd.: 83).
Aus den vorangegangenen Überlegungen kann die folgende Arbeitsdefinition abgeleitet werden: Lobbyismus bezeichnet den Versuch der unternehmerischen Einflussnahme auf die politischen Entscheidungsträger mit der Intention, politische Entscheidungen interessengeleitet zu beeinflussen.
2.3 Moralische Aspekte
Für diese Arbeit sind neben den Definitionen von Korruption und Lobbyismus noch weitere Begriffe relevant. An dieser Stelle wird der Unterschied zwischen legal, illegal, legitim und illegitim erläutert.
Die rechtliche Unterscheidung zwischen legal und illegal steht der moral-philosophischen Unterscheidung zwischen legitim und illegitim gegenüber. Hierbei ist zu beachten, dass die Begriffe legal und illegal einfacher zu differenzieren sind, da rechtliche Regelungen eine klare Abgrenzung treffen. Problematischer ist es bei den Begriffen legitim und illegitim, da diese meist aufgrund individueller moralischer Maßstäbe unterschieden werden. Im Folgenden wird daher der Versuch unternommen, eine Grenze dieser Begriffe objektiv zu ziehen und zu begründen.
Die zunächst widersprüchlich scheinenden vier Begriffe können aber auch in Kombination auftreten (vgl. Eckert 2005: 277). So kann es sein, dass ein Verhalten zwar legal, aber zugleich illegitim ist. Ein Beispiel ist die Privatfeier eines Politikers, die von der Wirtschaft finanziert wird. Zwar kann der Politiker nicht strafrechtlich verfolgt werden, da die Handlung nicht illegal ist, aber die Bürger verspüren dennoch ein Gefühl der Ungerechtigkeit, denn das Verhalten scheint illegitim. Ein illegal-legitimes Beispiel zeigt das Verteilen von Flugblättern der Geschwister Scholl in den 40er Jahren. Einerseits handeln Hans und Sophie Scholl illegal, da sie gegen die Gesetze des Nationalsozialismus verstoßen, andererseits ist ihre Aktion legitim, da sie damit demokratiebefürwortende Ansichten in Deutschland verbreiten und für die gute Sache kämpfen. Für die Fragestellung sind diese Begriffe relevant, weil die oben genannten Konstellationen eine Grauzone darstellen, die untersucht werden muss. Besonders die Kombination legal-illegitim ist für die Debatte von Bedeutung, da zu bedenken ist, ob es sich hierbei nicht bereits um Korruption im weitesten Sinne handelt. Zum besseren Verständnis sind die möglichen Konstellationen noch einmal in der folgenden Tabelle 1aufgeführt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Graustufe der Legalität und Legitimität (Eigene Darstellung)
In dieser Tabelle wird die Grauzone zwischen legalem und illegitimem sowie illegalem und legitimem Verhalten eindeutig sichtbar.
Die Illegitimität ist in erster Linie von der moral-philosophischen Perspektive her zu beurteilen. „Der Kampf gegen die Korruption wird […] in den Köpfen der Bürger entschieden.“ (Bannenberg/Schaupensteiner 2007: 216). Grundsätzlich verletzt Korruption die Grundwerte des sozialen und demokratischen Rechtsstaates (vgl. ebd.: 44). Ob korruptes Verhalten gebilligt oder als Regelverstoß abgelehnt wird, entscheidet häufig die Stärke einer Demokratie bzw. die Kultur eines Landes. Weil es nicht die eine Weltkultur gibt, wird es in Zeiten der Globalisierung immer schwieriger, Kulturkreise aus dem eigenen, völlig isolierten Blickwinkel zu betrachten. Schließlich unterscheiden sich bereits innerhalb von Landesgrenzen die Verhaltensweisen und Wertesysteme von Menschen (vgl. Schilling 2004: 92). Darüber hinaus begünstigen intransparente Beziehungen, Ämterpatronage oder Klientelwirtschaft die Ausbreitung von Bestechlichkeit. Eine Ursache hierfür ist u.a. die Entwicklung eines divergenten Wertesystems innerhalb der Gesellschaft. Wirtschaftlicher Wettbewerb führt dazu, dass egoistische sowie materialistische Maxime die Interessen des Gemeinwohls verdrängen. Moralische Zweifel werden unterdrückt, Regelverstöße werden zur Normalität (vgl. Schilling 2004: 92; Bannenberger/Schaupensteiner 2007: 62). Um die Schuldgefühle auszublenden, wird das eigene sittenwidrige Verhalten verdrängt oder verschleiert. Unrechtmäßiges Tun wird nicht als kriminell, korrupt oder rechtswidrig betrachtet (vgl. Bannenberger/Schaupensteiner 2007: 63), weil die Täter ihr eigenes Verhalten rechtfertigen, verleugnen oder neutralisieren. So geraten mögliche Strafen oder Konsequenzen für sie in den Hintergrund (vgl. ebd.: 65). Im Vordergrund steht die Gewinnmaximierung bzw. die Höhe oder Art des Preises für den Korrumpierenden (vgl. ebd.: 66).
Die Grundvoraussetzung, um gegen Korruption vorzugehen, ist eine Kultur, die Korruption in all ihren Formen als moralisch verwerflich verurteilt (vgl. Bannenberg/Schaupensteiner 2007: 216f.). Das normabweichende Verhalten muss von der Allgemeinheit geächtet werden, die herrschende Sozialmoral über der Aussicht auf Vorteile und Privilegien stehen. Aus diesem Grund ist es wichtig, an die moralische Verantwortung der Gesellschaft zu appellieren (vgl. Hundhammer-Schrögel 2010: 115). Die Arbeit der Lobbyisten steht jedoch in einem Spannungsverhältnis, vor allem in Bezug auf das Verhältnis zwischen legitimem Zweck und geeigneten Mitteln. Welcher Mittel sie sich bedienen, hängt insbesondere davon ab, welchen Verhaltensregeln sie sich selbst verpflichtet fühlen. Fehlen jedoch selbst auferlegte moralische Verhaltensgrundsätze, erscheint die Durchsetzung einer konsequenten „Moralisierung“ und eines gemeinsamen Verhaltenskodex weit entfernt, da keine förmlichen Regeln, verbandlichen Beschwerdeverfahren oder Sanktionen für die Lobbyisten bestehen (vgl. Althaus 2004: 196f.). Um den Anreiz zum Gesetzesbruch zu unterdrücken, müssen sowohl die Aufklärungsquote als auch die Strafmaßnahmen erhöht bzw. verstärkt werden und Appelle an das Moralbewusstsein intensiviert werden (vgl. Bannenberg/Schaupensteiner 2007: 66).
3. Die fünfte Gewalt: Unternehmenslobbying in Deutschland
Nachdem die wichtigsten begrifflichen Grundlagen definiert wurden, folgt nun ein detaillierter Überblick über Differenzierungen und Methoden des PAM (Abschnitt 3.1). Es wird gezeigt, wie Lobbyisten arbeiten und welche Methoden sie für ihre Ziele nutzen. Anschließend werden die rechtlichen Grundlagen betrachtet (Abschnitt 3.2) und darauf aufbauend die Regulierungen von Unternehmensseite dargelegt. (Abschnitt 3.3).
3.1 Differenzierung und Methoden
Die Ziele der Lobbyisten unterscheiden sich kaum von denen der Interessenvertreter in den früheren Wandelhallen des Parlaments: Erstens versuchen sie Zugang zur Politik zu erhalten, um informiert zu sein. Zweitens möchten sie staatliche Vorhaben, die den von ihnen geplanten Zielen entgegenlaufen, verhindern und drittens möchten sie „dabei sein“, um zu reagieren, wenn z.B. ein Gesetzentwurf ausgearbeitet wird. Um diese Ziele zu erreichen, nutzen Unternehmen verschiedene Arten von Lobbying mit verschiedenen Methoden. Der Einfluss kann durch Personen oder durch Geld erfolgen. Ersteres geschieht durch In-House PAM, durch Agenturen, externe Mitarbeiter oder durch Built-In Lobbyismus. Finanziellen Einfluss üben Unternehmen durch die Zahlung von Nebeneinkünften oder Parteispenden und Sponsoring aus. Im Folgenden wird diese Differenzierung von Lobbying erläutert und werden ihre Methoden vorgestellt.
In-House und Agentur
Hier betreibt das Unternehmen Lobbying „vor dem Parlament“. In-House bedeutet, dass das Unternehmen eine eigene, interne PA-Abteilung hat, die aus dem Konzern heraus agiert. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass Unternehmen externe Dienstleister, in der Regel eine Agentur mit dem Lobbying beauftragen. Die von den Lobbyisten angewendeten Methoden und Instrumente unterscheiden sich bei In-House und Agentur nicht.
a. Informationen sammeln, aufbereiten, weitergeben
Beim Lobbying geht es um den Austausch von Informationen. Dies reicht allerdings nicht allein als Definition. Denn die gut aufbereiteten Informationshilfen (wie bspw. Positionspapiere oder Statistiken) werden konkret im Ministerialbüro und auf der jeweiligen politischen Ebene platziert. Damit diese gezielte Platzierung stattfinden kann, muss der Lobbyist erst einmal wissen, dass über ein neues Gesetz, das seinen Auftraggeber betrifft, nachgedacht wird. Dafür sammelt er kontinuierlich Informationen, indem er das Umfeld beobachtet. Diese Praxis wird Monitoring oder auch Issue-Management genannt. Die wichtigsten zu beobachtenden Felder sind die deutsche Politik und die Ministerialbürokratien, dann folgen die Generaldirektionen der Europäischen Kommission und die Parlamente sowie Parteien. Monitoring wird durch verschiedene Informationsquellen, z.B. durch eine Medienanalyse mit Schwerpunkt auf die Fachpresse, möglich. Daneben werden demoskopische Erhebungen ausgewertet. Entscheidend sind nicht zuletzt Informationen aus erster Hand durch persönliche Kontakte (vgl. Bihler 2009: 195). Je früher das politische Vorhaben erkannt wird, desto mehr Einfluss können Lobbyisten nehmen. Die frühzeitige Analyse und Erkennung unternehmensrelevanter Tendenzen und Entwicklungen sind die Kernaufgaben eines Lobbyisten, denn sie arbeiten als eine Art „Warnsystem“ für ihr Unternehmen (vgl. Leif/Speth 2006a: 20f.).
Der Lobbyist kann aber auch selbst Einfluss auf Themen nehmen. Wenn er während des Monitorings relevante Entwicklungen, z.B. in der Gesellschaft, festgestellt hat, dann kann er im nächsten Schritt mit dieser Einsicht an einen Politiker herantreten und ihn zu überzeugen versuchen, dass seiner Meinung nach Handlungsbedarf besteht. Er betreibt Agenda-Setting, d.h. er definiert ein Problem als solches und nimmt es in die politische Agenda auf (vgl. Bihler 2009: 210). Zusätzlich bezieht sich die Informationsaufgabe der Lobbyisten auch darauf, seinen Auftraggeber auf dem Laufenden zu halten. Die Unternehmensspitze will über politische Entwicklungen Bescheid wissen, auch über die Medien hinaus (vgl. Leif/Speth 2006a: 24).
b. Kontaktpflege
Informationen können nur dann getauscht werden, wenn persönlicher Kontakt existiert. Lobbyisten pflegen und erweitern daher ständig ihre Kontakte und versuchen, sie aufrecht zu erhalten. Nur wer relevante Politiker persönlich kennt, kann für überzeugende Argumente Gehör finden.
Die Adressaten der Lobbyisten sind generell all diejenigen, die politische Entscheidungen treffen oder wesentlich daran beteiligt sind. In den Ministerien wird zwischen Arbeits- und Leitungsebene unterschieden. Letztere, zu der Abteilungsleiter, Staatssekretäre oder Minister gehören, werden von Lobbyisten selten einbezogen. Wenn überhaupt vereinbaren die PA-Manager einen Termin für die Unternehmensleitung, bspw. mit dem Minister. Die Ministerialbürokratie dagegen ist der wichtigste Ansprechpartner, da die meisten Gesetzesentwürfe von der Regierung eingebracht werden. Deren Bearbeitung und Vorbereitung erfolgt durch die Ministerialverwaltung (vgl. Wehrmann 2007: 43). Hier formulieren Referenten häufig Vorlagen für bestimmte Entscheidungen und erledigen inhaltliche Arbeit.
Ein weiterer Adressat für die Interessenvertreter sind Politiker des deutschen Bundestags. Abgeordnete der Regierungskoalition sind in der Regel von höherer Bedeutung als die der Opposition, da sie aufgrund der Mehrheitsverhältnisse über mehr Gestaltungsmacht verfügen. Ein besonderes Augenmerk legt der Lobbyist auf diejenigen Abgeordneten, die in wichtigen Ausschüssen, wie z.B. dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sitzen (vgl. Bender/Reulecke 2003: 55). Die Parteien werden als Adressaten in der Regel vernachlässigt, da sie eher auf langfristig programmatische Arbeit ausgerichtet sind (vgl. Wehrmann 2007: 43).
c. Weitere Instrumente
Ein weiteres Instrument des Lobbying ist die Bildung von Allianzen zu politischen Themen. Verschiedene Lobbygruppen bündeln ihre Macht und verabreden eine gemeinsame Vorgehensstrategie, wie bspw. die Allianz pro Schiene e.V.[3].
d. Aktionsformen
Die Kontakte zu den Adressaten werden durch Telefonate, Gespräche, Treffen und Restaurantbesuche hergestellt (vgl. Leif/Speth 2006a: 22). Sogenannte Lobbykreise wie Junge Lobby oder Adlerkreis, laden Politiker und Ministerialbeamte zu informellen Gesprächen ein, um über aktuelle politische Themen zu sprechen (vgl. ebd.: 25). Die Zentrale des großen Konzern-Lobbyismus ist das Collegium, wo sich die Repräsentanten der DAX-Unternehmen monatlich treffen und sich austauschen. Kein Politiker kann es sich leisten, eine Einladung dieses Gremiums auszuschlagen. Hier werden bspw. neue Steuern verhindert, vor allem solche auf Privilegien, wie etwa den neuen Dienstwagen (vgl. Schumacher 2006: 83). Gängige Praxis ist außerdem die Organisation von Parlamentarischen Abenden oder Politischen Salons von Seiten der Unternehmen.
Manche PA-Manager gehen noch ein Stück weiter und organisieren Empfänge oder Wochenendveranstaltungen mit kulturellem Rahmenprogramm, die Eventcharakter haben. Es geht hierbei um die persönliche Begegnung mit Politikern im privaten Rahmen, um eine enge Bindung zu schaffen (vgl. Leif/Speth 2006a: 26). Die Adressaten werden auf diesen Veranstaltungen mit Positionspapieren, Statistiken, technischer Expertise, Argumentationshilfen, Datenmaterial, Studien (vgl. Bihler 2009: 199) und sonstigen relevanten Informationen scheinbar nebenbei versorgt.
Lobbyabteilungen schreiben nicht selten sogar komplette Texte für Gesetzesentwürfe und leiten sie an das Ministerium weiter. Die Ministerialbeamten können den Entwurf dann für ihre weitere Arbeit verwenden. Weitere Möglichkeiten, Politiker „zu locken“, sind Auftritte, Geld, Posten oder Geschenke. Im Sinne des Lobbyismusbegriffs als Tauschprozess können PA-Manager all diese von Politikern begehrten Güter anbieten (vgl. Leif/Speth 2006a: 16).
Im Laufe der Zeit hat sich das so genannte „Anfüttern“ als Methode entwickelt. Hierbei handelt es sich um subtile Strategien, die Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Akteuren generieren. Das „Anfüttern“ beginnt meist harmlos mit kleinen Aufmerksamkeiten wie bspw. Geschenken zum Geburtstag. Scheinbar nebenbei werden kleinere Gefälligkeiten gewährt, die sich Schritt für Schritt zu immer größeren Dimensionen entfalten (vgl. Banneberg/Schaupensteiner 2007: 50). Diese anzunehmen scheint leicht, da zunächst keine Gegenleistung erwartet oder gefordert wird. Auf diese Weise testet der Geber unbemerkt die Nehmerqualitäten des Begünstigten. Hinter der allmählichen Steigerung der Aufmerksamkeiten steckt das Ziel, den Zuwendungsempfänger von einer stetig wachsenden Abhängigkeit bis hin zur Erpressbarkeit zu bringen (vgl. ebd.: 51).
Das wichtigste aber bleibt, ein Vertrauensverhältnis zu den Ansprechpartnern aufzubauen. Dieses Vertrauen gewinnen die PA-Manager durch Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Fachkompetenz, Redlichkeit, Verschwiegenheit und Transparenz (vgl. Leif/Speth 2003: 8). Der Lobbyist benötigt die Fähigkeit, die Anliegen des Auftraggebers in den Zusammenhang der aktuellen politischen Agenda zu stellen (vgl. Leif 2006: 111). Außerdem sind Seriosität und hohe Sozialkompetenz, genau wie die Fähigkeit, Standpunkte überzeugend vertreten zu können, für den Erfolg des Lobbyisten maßgebend.
Entsendung externer Mitarbeiter in das Parlament
Eine weitere Möglichkeit für Unternehmen, Lobbying zu betreiben, ist die Entsendung von Mitarbeitern in die Politik. Journalisten des TV-Magazins Monitor deckten auf, dass in Behörden und Ministerien Angestellte von Unternehmen arbeiten und auch weiterhin von diesen bezahlt werden (vgl. Adamek/Otto 2008: 28). Der Bericht, der im Oktober 2006 ausgestrahlt wurde, schildert diesen Tatbestand am Fall des hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung. Dort wurden Angestellte des Frankfurter Flughafens als sogenannte externe Mitarbeiter in das Ministerium eingeschleust. Die Mitarbeiter der Fraport AG genehmigten in ihrer Funktion als Amtsträger einzelne Landungen nach Mitternacht, obwohl in Hessen ein Nachtflugverbot gilt. Die Fraport AG konnte somit ihre Partikularinteressen zu Lasten der Frankfurter Bevölkerung durchsetzen, betrieb also Lobbying. Das Unternehmen selbst ist sich keiner Schuld bewusst und spricht von „angestellten Leihbeamten“. Wissenschaftler sehen allerdings auch die Gefahren dieser Unternehmenspraxis: „[Die] Loyalität [der externen Mitarbeiter] gehört natürlich der Firma, von der ihre Zukunft und ihre Karriere abhängt. Ihr gegenüber fühlen sie sich verantwortlich.“ (vgl. Adamek/Otto 2008: 28). Entscheidungen werden nicht von unabhängigen und neutralen Ministerialbeamten getroffen, sondern von entsandten externen Mitarbeitern. Besonders spannend ist in diesem Fall die Anstellung des Fraport-Managers Wolfgang Weiß, der von September 2001 bis Dezember 2006 in der „Luft- und Raumfahrt“-Abteilung des Bundesverkehrsministerium tätig ist. Dort erhält er im gesamten Lobbyprozess einen Zugang zu wichtigen und relevanten Insiderinformationen, bis er dann – nachdem das Gesetz[4] erlassen wurde – im Dezember 2006 das Ministerium verlässt. Mittlerweile sind inzwischen über 100 solcher Personalaustausche bekannt. In 60 Prozent der Fälle werden die entsandten Mitarbeiter von ihrem Unternehmen bezahlt (Gathmann/Weisensee 2007).
Built-In und Nebeneinkünfte
Doch nicht nur die Entsendung externer Mitarbeiter der Unternehmen in die Ministerialbürokratien erweckt öffentliches Aufsehen. Auch bei den Politikern werden Seiten gewechselt, man spricht hier von dem sogenannten „Drehtür-Effekt“. Er beschreibt den Wechsel von Politikern, Entscheidungsträgern oder Sprechern der Fraktionen in die Wirtschaft. Auch können Abgeordnete neben ihrer Ausübung im Parlament einer Nebentätigkeit in einem Unternehmen nachgehen. Diese Praxis wird „Built-In-Lobbyismus“ genannt (vgl. Leif/Speth 2006a: 23). Das Thema der Nebeneinkünfte ist besonders in Folge des aktuellen Beispiels „Steinbrück“ in die Öffentlichkeit und somit in den Brennpunkt politischer und wirtschaftlicher Debatte gerückt (siehe Abschnitt 2.1). Diese Diskussion wirft Fragen auf: Vernachlässigen Abgeordnete mit Nebentätigkeiten ihre Abgeordnetentätigkeit? Hat die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf zu wissen, welchen Tätigkeiten die Abgeordneten nachgehen und wie hoch die Nebeneinkünfte sind? Um auf diese Fragen Antworten zu geben, gelten daher seit zwei Jahren neue Transparenzregeln für die Abgeordneten im Bundestag. Sie müssen die Art und Höhe der Nebentätigkeiten angeben. 90 Prozent der Abgeordneten kommen dieser Forderung nach, allerdings sind die Angaben nach einer Studie der LobbyControl unvollständig. Das Gehalt wird nach Stufen angegeben. So beinhaltet die erste Stufe bspw. Einkünfte von 1.000 Euro bis 3.500 Euro. Zur zweiten Stufe gehören Einkünfte zwischen 3.500 Euro und 7.000 Euro und die letzte Stufe beinhaltet Einkünfte über 7.000 Euro. Dies bedeutet, dass zu der letzten Stufe sowohl Einkünfte von 7.001 Euro als auch von 700.000 Euro gehören können (vgl. LobbyControl 2009a).
Parteispende und Sponsoring
Parteien finanzieren sich u.a. durch Spendeneinnahmen. Parteispenden stammen zum Großteil von Unternehmen, bspw. von BMW, der Allianz, der Deutsche Bank oder Daimler Chrysler, die regelmäßig spenden. Diese Spenden sind im Gesetz über die politische Parteien (PartG) nicht verboten, sondern dürfen angenommen werden. Auch die Höhe der Spende ist nicht begrenzt[5]. Allerdings müssen die Geldmittel aller Parteien[6] im Deutschen Bundestag veröffentlicht werden, wenn sie die Höhe von 50.000 Euro übersteigen. Im Jahr 2012 sind folgende Parteispenden veröffentlicht worden (vgl. Der Bundestag 2012a):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Parteispenden im Jahr 2012 (Eigene Darstellung)
Im Jahr 2012 wurden 1,3 Millionen Euro an die Parteien gespendet (vgl. Süddeutsche 2013).
Parteispenden sind von Sponsoringaufwendungen zu unterscheiden. Sponsoring weist im Gegensatz zu Spenden Gegenleistungscharakter auf. Es gehört zu den Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmen. Sie nutzen das Sponsoring z.B. bei politischen Festen und an Parteitagen, um einen besseren Zugang zu Politikern und Entscheidungsträgern zu erhalten. Außerdem ist das Sponsoring von der Steuer als Betriebsausgabe oder Werbung absetzbar. Des Weiteren werden Sponsoren nicht veröffentlicht, wohingegen Parteienspenden ab 10.000 Euro im Rechenschaftsbericht offen gelegt werden müssen. Sponsoringeinnahmen werden außerdem nicht einzeln veröffentlicht, sondern sind in den Rechenschaftsberichten der Parteien unter Sonstiges zu finden (vgl. Kamella 2012).Zu einem besseren Verständnis und einem klaren Überblick werden die Differenzierungen und Methoden von Lobbyismus in den folgenden Abbildungen veranschaulicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2 Rechtslage in Deutschland
Lobbyismus
Die Rechtslage zum Lobbyismus in Deutschland ist unklar. Konkrete Schranken werden weder Lobbyisten noch Politikern gesetzt. Diese Offenheit der Gesetzgebung (vgl. Busch-Janser 2004: 40) ist darauf zurückzuführen, dass Lobbying in seiner harmlosesten Form ein Merkmal der pluralistischen Demokratie ist. Folglich kann Lobbyismus nicht verboten werden, da seine positiven Aspekte sonst verloren gingen. Darüber hinaus vertraut das politische System auf das moralische Handeln von Abgeordneten, die als rationale Akteure im politischen Geschehen die Möglichkeit haben, sich der Vorteilsannahme zu entziehen (vgl. ebd.: 40).
Die Freiheitsrechte des Grundgesetzes (GG) legitimieren Interessensvertretungen und stellen diese unter einen besonderen Schutz. Obwohl Lobbyismus in den folgenden aufgeführten Gesetzen nicht explizit erwähnt wird, stellen sie in diesem Zusammenhang wesentliche Schranken dar. Dazu zählen das Gesetz über die politischen Parteien (PartG), das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz-AbgG), die Geschäftsordnung des deutschen Bundestages (GOBT) und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäftigten (externen Personen) in der Bundesverwaltung (AVV). Bei den genannten Gesetzen handelt es sich nur um diejenigen, die für den Unternehmenslobbyismus in Deutschland relevant sind.
Das Grundgesetz (GG)
Interessensvertretung, Meinungs-, Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit sind zentrale Grundrechte, die die demokratische Grundordnung prägen (vgl. Bayerischer Rundfunk 2010/ LobbyControl 2011). Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit), Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit) und Art. 9 GG (Vereinigungs-, Koalitionsfreiheit) schützen Interessensvertretungen und legitimieren sie. In Art. 9 Abs. 1 GG erhalten alle deutschen Bürger das Recht, Vereine und Verbände zu bilden.Dieses Recht darf auch zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen genutzt werden (Art 9 Abs. 3 GG).
Art. 17 GG gewährt jedermann ein Petitionsrecht, welches eine wichtige Grundlage für Lobbying darstellt (vgl. Busch-Janser 2004: 41). Demnach kann jeder Bürger mit Bitten oder Beschwerden an den Bundestag herantreten. Dies können sowohl höchstpersönliche als auch allgemeinpolitische Anliegen sein (vgl. Der Bundestag_a). Das Petitionsrecht gilt nach Art. 19 Abs. 3 GG ebenfalls für inländische juristische Personen, dementsprechend auch für Unternehmen (vgl. Busch-Janser 2004: 41). Entscheidend ist aber, dass es sich bei der Petition nicht um unbestimmte Begehren, wie bloße Mitteilungen, Hinweise, Belehrungen, Vorwürfe oder Anerkennungen handelt. Diese fallen nicht unter das Petitionsrecht (vgl. ebd.: 42)
Das Gesetz über die politischen Parteien (PartG)
Das PartG ist für Lobbying relevant, da es u.a. den Umgang der Parteien mit Spenden regelt. Von Bedeutung ist vor allem § 25 PartG, der Parteien grundsätzlich berechtigt, Spenden anzunehmen. Hier besteht jedoch die Gefahr von Bestechung, weshalb Abs. 2 Nr. 7 diesen Tatbestand konkret verbietet: „Von der Befugnis der Parteien, Spenden anzunehmen ausgeschlossen sind: […] Spenden, die der Partei erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden […]“. Allerdings ist der Nachweis über diesen bestimmten Spendengrund in der Realität schwer zu erbringen (vgl. Busch-Janser 2004: 44). Großspenden über 10.000 Euro müssen im Rechenschaftsbericht verzeichnet sowie Spenden über 50.000 Euro beim Bundestagspräsidenten angezeigt werden (§ 25 Abs. 3 PartG). Unter Angabe des Zuwenders wird diese Zahlung vom Bundestagspräsidenten als Bundesdrucksache veröffentlicht (§ 25 Abs. 3 Satz 3 PartG).
Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (AbgG)
Im AbgG sind die Rechte und Pflichten der Bundestagsabgeordneten geregelt. Es beinhaltet bspw. Regelungen zur Bewerbung um ein Mandat, zu Leistungen an Abgeordnete und ehemalige Abgeordnete sowie zur Unabhängigkeit der Abgeordneten (vgl. Der Bundeswahlleiter 2012; Der Bundestag_b). Vor allem § 44a AbgG (Ausübung des Mandats) ist relevant, weil danach Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat grundsätzlich zulässig sind (§ 44a Abs. 2 AbgG). Jedoch dürfen die Mitglieder des Bundestages für die Ausübung ihres Mandates nur die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen annehmen. Es wird insbesondere verboten, Geld oder geldwerte Leistungen anzunehmen, wenn dafür die Durchsetzung und Vertretung der Interessen des Zahlenden im Bundestag erwartet wird (§ 44a Abs. 2 AbgG). Des Weiteren ist § 44b AbgG (Verhaltensregeln) entscheidend, weil er die Rechtsgrundlage für die Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT) darstellt und vor möglichen Gefahren der Korruption schützen soll (vgl. Althaus 2005: 282).
Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT)
Die GOBT ergänzt erstens die Regelungen im Grund- und Abgeordnetengesetz und reglementiert zweitens den Ablauf der Geschäfte im Bundestag (vgl. Der Bundestag_c/Busch-Janser 2004: 44). Zunächst ist § 70 Abs. 1 GOBT von Bedeutung, da durch diesen die öffentliche Anhörung von Sachverständigen sowie Interessenvertretern zur Informationseinholung sowie Beratung grundsätzlich zugelassen wird. Daneben muss aber § 18 GOBT Beachtung finden, weil er auf Verhaltensregeln (VR) verweist, die in einer gesonderten Anlage der GOBT aufgelistet sind. Dort finden sich u.a. Anzeigepflichten zu Funktionen und Tätigkeiten, die vor aber auch während der Mitgliedschaft im Bundestag ausgeübt werden bzw. wurden (§ 1 Abs. 1 u. 2 VR). Unter die Anzeigepflicht fallen sowohl Tätigkeiten in Vereinen, Verbänden und Stiftungen als auch Funktionen in Kapital- und Personengesellschaften (vgl. Der Bundestag_d). Mithilfe dieser Meldepflicht sollen einerseits private und berufliche Interessenkonflikte vermieden werden (vgl. Althaus 2005: 282); andererseits soll die Öffentlichkeit die Möglichkeit erhalten, sich selbst eine Meinung über Interessenverknüpfungen der Abgeordneten zu bilden (vgl. Der Bundestag_d). Bei einer Tätigkeit, die während des Mandats ausgeübt wird, muss auch die Höhe des Einkommens, sofern es höher als 1.000 Euro im Monat ist, angegeben werden (§ 3VR). Die Einkünfte der Abgeordneten ab 1.000 Euro werden in drei Einkommensstufen ausgewiesen (Abschnitt 3.1). Die Angaben werden im Amtlichen Handbuch und auf der Internetseite des Deutschen Bundestages, in den Abgeordneten-Biografien, veröffentlicht (vgl. § 3 Satz 1 VR; Der Bundestag_d).
Weitere Verhaltenspflichten werden in § 4 VR geregelt und beziehen sich auf Spenden sowie sonstige geldwerte Zuwendungen, die dem Mitglied des Bundestages für seine politische Tätigkeit zur Verfügung gestellt werden. Die Abgeordneten sind somit verpflichtet, Spenden gesondert auszuweisen (§ 4 Abs. 1 VR) sowie diese beim Präsidenten mit Name und Anschrift des Spenders anzuzeigen. Dies gilt allerdings nur für Spenden, die im Kalenderjahr den Grenzwert von 5.000 Euro übersteigen (§ 4 Abs. 2 VR). Hinsichtlich dieser Thematik verweist die GOBT auf § 25 Abs. 2 und 4 PartG (§ 4 Abs. 4 VR). Sollten auf Seiten der Mitglieder des Bundestags Zweifel über die Verhaltensregeln auftreten, sind diese verpflichtet, sich beim Präsidenten über den Inhalt zu informieren (§ 7 VR).
Durch die Anlage 2 GOBT ist der Präsident aufgefordert, eine öffentliche Liste zu führen, in die sich Verbände, die Interessen gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung vertreten, eintragen können (Anlage 2 Abs. 1 GOBT). Nicht registriert werden jedoch u.a. einzelne Vereine und einzelne Unternehmen (vgl. Bundestag_e).
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäftigten (externen Personen) in der Bundesverwaltung (AVV)
Für den Einsatz von externen Personen in den Bundesministerien bietet die AVV eine verbindliche Rechtsgrundlage. Diese soll die Möglichkeit der Einflussnahme von externen Personen einschränken. In Ziffer 2.1 AVV werden ein transparenter Personalaustausch zwischen Bundesverwaltung und Privatwirtschaft sowie Einrichtungen aus Wissenschaft, Kultur und Zivilgesellschaft zunächst grundsätzlich erlaubt. Im Rahmen dieses Personalaustausches ist es ebenfalls gestattet, Personen aus Unternehmen einzusetzen, zu denen die Bundesverwaltung in den letzten zwei Jahren Geschäftsbeziehungen geführt hat (Ziffer 2.4 AVV).
Bei dem Einsatz externer Personen muss aber der Bedarf konkret nachgewiesen und begründet werden. Es bedarf also einer ausführlichen Erklärung, warum die Verwaltung nicht über ausreichend Fachwissen verfügt, um die spezifischen Aufgaben selber oder durch den Abschluss von Beratungs- oder Dienstleistungsverträgen zu erfüllen. Ein Personalmangel reicht als Begründung hierbei nicht aus (Ziffer 2.6 AVV). Gleichzeitig muss eine Risikoabschätzung erfolgen, die unter den Aspekten der möglichen Interessenkollision sowie der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen die Vertretbarkeit des Einsatzes prüft (Ziffer 3.1 AVV). Die Auswahl externer Personen ist auch außerhalb des Personalaustausches möglich, unter der Voraussetzung, dass sie wettbewerbsneutral gestaltet und der Bedarf sowie die Eignung der Person angemessen dargelegt wird (Ziffer 2.2 AVV). Grundsätzlich soll die Dauer des Einsatzes sechs Monate nicht überschreiten, wobei in begründeten Einzelfällen auch eine längere Dauer möglich ist. Ein dauerhafter Einsatz ist jedoch ausgeschlossen (Ziffer 2.3 AVV). Weitere Einschränkungen erfahren externe Personen in Ziffer 2.5 AVV, in der unzulässige Funktionen genannt werden: Die Formulierung von Gesetzesentwürfen und anderen Rechtssetzungsakten, leitende Aufgaben, Funktionen in zentralen Kontrollbereichen und Funktionen, durch die konkrete Geschäftsinteressen der entsendenden Stelle direkt berührt sind. Sobald andere Rechtsvorschriften einen Einsatz in den genannten Funktionen bestimmen, werden die erwähnten Verbote aufgehoben.
Vor der Einstellung müssen die externen Mitarbeiter einen Verhaltenskodex unterzeichnen. Durch diesen wird u.a. versichert, dass das Daten-, Fernmelde- und Geschäftsgeheimnis eingehalten wird. Auch dürfen die externen Personen während ihres Einsatzes in der Bundesverwaltung keine Anweisungen von ihrer entsendeten Arbeitsstelle annehmen (Anlage AVV). Zusätzlich bedarf es der Unterzeichnung des „Verhaltenskodex gegen Korruption“ sowie des Rundschreibens zum Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken in der Bundesverwaltung (Ziffer 6.1 AVV).
Um für Transparenz zu sorgen, muss das Bundesministerium des Innern (BMI) mindestens einmal im Jahr einen Bericht vorlegen. Dieser enthält folgende Angaben: Anzahl der externen Personen, entsendende Stelle, Dauer des Einsatzes, Form der Entlohnung, ggf. Personaltitel, Einsatzbereich und Tätigkeit in der Bundesverwaltung sowie die vorherige Tätigkeit bei der entsendenden Stelle (Ziffer 5 AVV). Der Bericht ist der Öffentlichkeit jedoch nicht zugänglich.
Befristete Arbeits- und Werkverträge, Bedienstete anderer Staaten sowie entgeltliche Auftragsverhältnisse, die Beratungs- oder sonstige Dienstleistungen zum Gegenstand haben, werden im Anwendungsbereich der AVV nicht erfasst (Ziffer 1.3 AVV), ebenso wie öffentliche Unternehmen und Körperschaften (vgl. LobbyControl_a).
Korruption
Nachdem nun die Rechtslage zum Lobbyismus geklärt wurde, werden im Folgenden diejenigen Gesetze, welche Korruption betreffen, untersucht. Dazu zählen das Strafgesetzbuch (StGB), das EU-Bestechungsgesetz (EUBestG), das Bundesministeriengesetz (BMinG), die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung (Richtlinie), das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung (IntBestG) sowie das Einkommensteuergesetz (EStG), das Jahressteuergesetz (JStG) und das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG). Das UN-Übereinkommen gegen Korruption (UN-Übereinkommen) ist zwar in Deutschland noch nicht in Kraft getreten, wird aber dennoch im Weiteren kurz erläutert. Darüber hinaus sind auch die GOBT, das PartG sowie das AbgG hinsichtlich Korruption relevant. Da diese Gesetze aber bereits im vorherigen Abschnitt dargelegt wurden, werden sie hier nicht noch einmal erläutert. In keinem der genannten Gesetze findet sich eine klare und präzise Korruptionsdefinition.
Das Strafgesetzbuch (StGB)
Grundsätzlich lassen sich die Vorschriften des StGB in drei Bereiche der Korruption einteilen (vgl. Braasch 2011: 238):
1. Politische Korruption: Hierbei spielt zunächst der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung aus § 108e StGB eine wesentliche Rolle. Dieser regelt das Verbot des Stimmenkaufs oder -verkaufs bei einer Wahl oder Abstimmung. In diesem Fall droht eine Geldstrafe oder ein Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren. Mit dieser Vorschrift wird jedoch nur auf den Tatbestand bei Abstimmungen im Plenum Bezug genommen. Regelungen hinsichtlich verwerflicher Beeinflussung in allen sonstigen Aufgabenbereichen eines Abgeordneten werden nicht getroffen (vgl. TI_a). Daneben besteht der § 108b StGB (Wählerbestechung). Dieser verbietet die Forderung und die Annahme von Geschenken und Vorteilen jeglicher Art, um zu erreichen, dass „nicht oder in einem bestimmten Sinne“ gewählt wird. Die Wählerbestechung wird zwar rein juristisch nicht der Korruption zugeordnet, soll aber aus Gründen der Vollständigkeit dennoch benannt werden (vgl. Hund 2002: 14).
2. Korruption in der Verwaltung: Das StGB nennt hier einerseits Vorteilsannahme (§331 StGb) und Vorteilsgewährung (§ 333 StGB), die mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet werden. Andererseits stehen Bestechlichkeit (§ 332 StGB) sowie Bestechung (§ 334 StGB) mit mindestens sechs Monaten (§ 332 Abs. 1 StGB) bzw. drei Monaten (§ 334 Abs. 1 StGB) und beide bis zu fünf Jahren unter Strafe. Vorteilsannahme und Bestechlichkeit werden hierbei als passive Bestechung bezeichnet, da es sich um konkrete Amtsträgerdelikte handelt. Bei Vorteilsgewährung und Bestechung wird von einer aktiven Bestechung gesprochen, da diese auf keinen Personenkreis reduziert ist (vgl. Schilling/Dolata 2004: 25). Bei den genannten Delikten ist es nicht von Bedeutung, ob der Amtsträger durch den Vorteil materiell oder immateriell besser gestellt wird oder ob der Vorteil einer anderen Person oder Organisation zu Gute kommt (vgl. Bannenberg/Schaupensteiner 2007: 29). Bei besonders schweren Fällen der Bestechung und Bestechlichkeit, z.B. Vorteilsgewährung großen Ausmaßes, fortgesetzte Bestechlichkeit, gewerbsmäßige Begehung oder Tatbegehung als Mitglied einer Bande, greift der § 335 StGB. Dieser setzt ein Strafmaß von bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug fest. Durch das EUBestG werden die §§ 332, 334 und 335 auch auf Taten im Ausland (EU-weit) ausgedehnt, wenn der Täter zum Tatzeitpunkt deutscher Staatsbürger, Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB oder Gemeinschaftsbeamter ist. Die Vorschrift gilt darüber hinaus auch dann, wenn die Tat gegenüber einem deutschen Richter oder einem sonstigen deutschen Amtsträger begangen wird (Art 2 § 2 EUBestG).
3. Korruption in der Privatwirtschaft: Dieser Abschnitt des StGB, dessen Rechtsgut der freie Wettbewerb ist, muss hinsichtlich dieser Arbeit besonders hervorgehoben werden. Die §§ 299, 300 StGB regeln die Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr sowie in besonders schweren Fällen (vgl. Braasch 2011: 238). Wer „[…] im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, […] dass er einen anderen in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Geldstrafe oder drei bzw. fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft (§ 299 Abs. 1 StGB). Das Strafmaß gilt genauso auch für Bestechlichkeit und für Handlungen im ausländischen Wettbewerb (§ 299 Abs. 2 und 3 StGB). Außerdem werden im § 298 StGB die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen (Submissionsabsprachen) geregelt (vgl. Schilling 2004: 20).
Seit 1997 werden die §§ 298 - 300 sowie 331 – 335 StGB dem Korruptionsbekämpfungsgesetz (KorrbekG) zugeordnet(vgl. Darge 2009: 86). Nicht strafbar sind weiterhin Zuwendungen, die in Form von sozial anerkannten gesellschaftlichen und geschäftlichen Traditionen[7] getätigt werden oder „[…] dem Gebot der Höflichkeit entsprechen […]“ (vgl. Bannenberg/Schaupensteiner 2007: 28)[8]. Trotz der Praxisrelevanz ist daneben auch das „Anfüttern“ (siehe Abschnitt 3.1) nicht gesetzlich geregelt und somit nicht unter Strafe gestellt (vgl. Schilling/Dolata: 26).
Bundesministeriengesetz (BMinG)
Gemäß § 5 Abs. 3 BMinG haben Mitglieder der Bundesregierung Mitteilung über Geschenke zu machen, die sie in Bezug auf ihr Amt erhalten. Die Bundesregierung ist in Folge dessen dazu verpflichtet, über die Verwendung der Geschenke zu entscheiden. Diese Vorschrift gilt auch für ehemalige Mitglieder der Bundesregierung. Da nach § 8 BMinG jedoch kein Disziplinarverfahren gegen Regierungsmitglieder stattfindet, drohen bei Verstoß des § 5 Abs. 3 BMinG keine rechtlichen Folgen (vgl. Schilling 2004: 21).
Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung (Richtlinie)
Seit 2004 gilt diese Richtlinie, die den Umgang mit Korruptionssachverhalten und Verdachts-Tatbeständen erleichtern soll (vgl. TI_b). Zunächst wird in Ziffer 3.1 der Richtlinie festgelegt, dass vor allem in korruptionsgefährdeten Arbeitsgebieten[9] das Mehr-Augen-Prinzip (Beteiligung bzw. Mitprüfung durch mehrere Beschäftigte oder Organisationseinheiten) sicherzustellen ist. Die getroffenen Entscheidungen müssen, z.B. durch Berichte transparent gehalten werden (Ziffer 3.2 Richtlinie). Die Auswahl des Personals der besonders gefährdeten Arbeitsgebiete muss mit besonderer Sorgfalt getroffen und die Dauer des Einsatzes auf höchstens fünf Jahre beschränkt werden (Ziffer 4.1 und 4.2 Richtlinie). Zudem soll in jeder Dienststelle des Bundes eine Ansprechperson für Korruptionsprävention zuständig sein, der eine Vielzahl von detaillierten Funktionen und Aufgaben übertragen wird. Dazu zählen u.a. Beratungs- und Aufklärungsfunktionen, Teilnahme an Fortbildungen sowie die Beobachtung und Bewertung von Korruptionsanzeichen (Ziffer 5.1 Richtlinie). Neben den zuständigen Ansprechpersonen zur Korruptionsprävention sind ebenfalls regelmäßig Fort- und Weiterbildungen z.B. für Führungs- und Arbeitskräfte in besonders gefährdeten Arbeitsgebieten durchzuführen (Ziffer 8 Richtlinie).
Bei dem Verdacht einer Korruptionsstraftat sind die zuständigen Ansprechpersonen verpflichtet, die Dienststellenleitung zu unterrichten und Vorschläge zum weiteren Vorgehen anzugeben (Ziffer 5.2 Richtlinie). Bei einem begründeten Verdacht muss die Dienststellenleitung unverzüglich die Staatsanwaltschaft sowie die obersten Dienstbehörden informieren, die wiederum jährlich einen Bericht an das Bundesministerium des Inneren (BMI) abzugeben haben (Ziffer 10 Richtlinie). Die Richtlinie trifft zudem einige Leitsätze zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen und zum Wettbewerbsausschluss (Ziffer 11 und 12 Richtlinie). Hinsichtlich des Sponsorings[10] wird auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zur Förderung von Tätigkeiten des Bundes durch Leistungen Privater(AVV Sponsoring) verwiesen. Durch diese wird Sponsoring zumindest für alle öffentlichen Aufgaben bzw. innerhalb der Eingriffsverwaltung untersagt (Ziffer 3.1 und 3.2.1 AVV Sponsoring;vgl. TI_b). Jedoch wird diese Bestimmung durch einige Ausnahmen wieder entschärft[11].
Ergänzt wird die Richtlinie durch einen detaillierten Verhaltenskodex gegen Korruption, der die Beschäftigen auf Gefahrensituationen hinweisen soll, „[…] in denen sie ungewollt in Korruption verstrickt werden können“ (Einleitungssatz Satz 1 Anlage 1 Richtlinie). Außerdem sollen damit auch die Folgen von korrupten Verhalten vor Augen geführt und die Beschäftigten zu einem gesetzestreuen und pflichtgemäßen Verhalten angehalten werden (Einleitungssatz Satz 2 Anlage 1 Richtlinie).
Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung (IntBestG)
Im Dezember 1997 unterzeichnet, gilt das IntBestG seit 1998 auch in Deutschland. Hiermit werden Korruptionsdelikte auch auf ausländische Amtsträger (EU-weit) ausgedehnt (vgl. Darge 2009: 86). In Art 2 § 2 IntBestG wird die Bestechung ausländischer Abgeordneter im Zusammenhang mit internationalem geschäftlichen Verkehr bestraft. Dort wird mit bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe bedroht, wer einen ausländischen Abgeordneten besticht oder auch nur den Versuch unternimmt.
Einkommenssteuergesetz (EStG), Jahressteuergesetz (JStG) und Steuerentlastungsgesetz (StEntlG)
Bis 1995 galten Schmiergeldzahlungen im Sinne des EStG noch als Betriebsausgaben und konnten abgesetzt werden (vgl. Schilling 2004: 22). Nach mehreren Änderungen und folglich mit dem JStG wird § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG insoweit beschränkt, dass nun die Absetzbarkeit von Provisionen (Schmiergeldern) als Betriebsmittel verboten ist. Dies jedoch nur, wenn eine rechtskräftige Verurteilung oder eine Verfahrenseinstellung vorliegt (vgl. Darge 2009: 85). Die Finanzämter sind verpflichtet, die Korruptionsfälle an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben (vgl. ebd.: 86). Durch das StEntlG von 1999 wird § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG nochmals überarbeitet, wonach Schmiergeldzahlungen nun grundsätzlich nicht mehr abzugsfähig sind (vgl. ebd.: 86).
UN-Übereinkommen zur Bekämpfung von Korruption
Das UN-Übereinkommen gilt als das „erste globale, völkerrechtlich bindende Instrument“(van Aaken 2005: 409) zur Korruptionsbekämpfung und ist in seiner Zielbestimmung umfassender als andere internationale Abkommen. Im Vordergrund des UN-Übereinkommens steht die Förderung und Stärkung von Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen (Art. 1 UN-Übereinkommen). Im Dezember 2003 hat Deutschland neben über 113 anderen Staaten das UN-Übereinkommen unterzeichnet (vgl. van Aaken 2005: 408). Die Ratifizierung, also die Umsetzung ins deutsche geltende Recht, steht jedoch bis heute noch aus (vgl. TI_a).
3.3 Regulierung
Die zahlreichen Schmiergeldaffären zeigen, dass gesetzliche Regelungen allein nicht ausreichen, um die illegitime Einflussnahme von Amtsträgern und seitens der Interessenvertreter zu verhindern. Die Literatur spricht in diesem Zusammenhang häufig von moralischem Versagen. Ethische Grundwerte wie Gerechtigkeit, Loyalität und Rechtstreue verlieren anscheinend immer mehr an Bedeutung (vgl. Thiel 2011: 340; Schaupensteiner 2007: 188). Aus diesem Grund sind weitere Richtlinien und Instrumente notwendig, um an das moralische Bewusstsein der handelnden Akteure zu appellieren und die Grundlagen für ein verantwortungsbewusstes Handeln zu legen.
Verhaltenskodizes wie die sogenannten Codes ofConduct sollen die Beziehungen zwischen Unternehmen- bzw. Interessenvertretern, Amtsträgern und der Öffentlichkeit verbessern. Zahlreiche Agenturen oder Berater verpflichten sich zu Verhaltensregeln, um die Seriosität ihrer Arbeit zu wahren und öffentliche Akzeptanz zu erreichen (vgl. Busch-Janser 2004: 46). Die Codes ofConduct beschreiben Verhaltensmaxime wie bspw. Verlässlichkeit oder Ehrlichkeit im Umgang mit Kollegen, Klienten oder Kunden. So sollen Grenzen zwischen legitimem und illegitimem Verhalten gezogen sowie Standards für mehr Transparenz gesetzt werden (vgl. Bannenberg/Schaupensteiner 2007: 67). Problematisch ist dabei jedoch, dass die konkrete obligatorische Verpflichtung für Unternehmen nicht gegeben ist. Obwohl die Unternehmen häufig über Verhaltensanweisungen, wie den Code ofEthics (Wertemanagement) verfügen, mangelt es dennoch an qualifizierten Kontrollen und speziellen Verantwortlichen. In der Realität sind Unternehmen somit häufig noch fernab von Rechtschaffenheit oder Selbstkontrolle. Auch der Deutsche Corporate Governance Kodex, der Rahmenbedingungen und Standards für eine verantwortungsbewusste Unternehmensführung festlegt, konnte nur in wenigen Unternehmen Anklang finden (vgl. ebd.: 67f.). Auch hier fehlt die Verbindlichkeit. Um Korruption dennoch vorzubeugen, verfügen alle Dax-Konzerne über Compliance-Strategien. Compliance bedeutet hierbei Regelkonformität (vgl. Schaupensteiner 2011: 504). Diese beinhaltet zum einen die Einhaltung von unternehmensinternen Richtlinien sowie der gesetzlichen Bestimmungen. Zum anderen wird mithilfe von Compliance-Konzepten sowohl präventiv als auch repressiv gegen Korruption vorgegangen. Auf diese Weise versuchen Unternehmen jegliche Formen von Wirtschaftskriminalität im Vorfeld zu verhindern oder mit unterschiedlichen Mitteln aufzuklären (vgl. ebd.: 505).
Dahingegen entwickelte die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung e.V. (degepol) im Jahr 2003aufgrund von Schmiergeldaffären innerhalb der Politikberatung einen Verhaltenskodex, der in erster Linie Transparenz schaffen und fördern soll (vgl. Busch-Janser 2004: 49). Mit diesem Kodex verpflichten sich alle Mitglieder verlässlich und ehrlich zu handeln, wahrhaftige Aussagen gegenüber politischen Institutionen, den Medien und der Öffentlichkeit zu treffen sowie keine unrechtmäßige Einflussnahme vor allem durch finanzielle Mittel zu betreiben (vgl. ebd. 49ff.). Diese Maxime gelten allerdings nur für Mitglieder, also folglich nicht für Politikberater und Lobbyisten, die der degepol nicht beigetreten sind. Das Verhalten der Lobbyisten ist somit weiterhin abhängig von der moralischen Aufrichtigkeit jedes Einzelnen (vgl. Speth 2005: 50). Ziel sollte es somit vielmehr sein, ein stärkeres Bewusstsein für ethische Grundwerte in der Gesellschaft zu schaffen. Eine Kultur, die Korruption in allen Ausprägungen ablehnt, stellt schließlich das beste Instrument zur Korruptionsbekämpfung dar (vgl. Schaupensteiner 2011: 188). Maßnahmen gegen Korruption sind vor allem deshalb notwendig, weil andernfalls das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit staatlichen Handels verloren geht und somit die demokratischen Grundsätze gefährdet werden (vgl. Bannenberg/Schaupensteiner 2007: 45).
4. Fallbeispiele zu Lobbyismus und zur Korruption
Nachdem Lobbyismus und Korruption in der Theorie diskutiert wurden, werden in diesem Kapitel drei Fallbeispiele erläutert, um die problematische Grenzziehung zwischen Korruption und Lobbyismus in der Praxis aufzuzeigen. Eine detaillierte Analyse, inwieweit in den einzelnen Fällen legitime Interessenvertretung oder illegitime Einflussnahme vorliegt, erfolgt im fünften Kapitel. Hierzu wird zunächst der Fall Schreiber und die CDU-Spendenaffäre kurz zusammengefasst (Abschnitt 4.1). Anschließend wird der Energie Baden-Württemberg (EnBW)-Skandal um Stefan Mappus und Dirk Notheis beschrieben (Abschnitt 4.2). Zuletzt wird in Abschnitt 4.3 das Fallbeispiel von Olaf Glaeseker und dem Nord-Süd-Dialog erläutert. Die Auswahl der Fälle erfolgt aufgrund ihres Zusammenhangs zu Lobbyismus. Während der Fall Schreiber ein typisches Beispiel für Lobbying ist, sind die beiden anderen Fälle auf den ersten Blick nicht eindeutig dem Lobbying zuzuordnen. Im ersten Fall vermittelt ein Lobbyist erfolgreich zwischen Rüstungsindustrie und Politik mittels seiner guten Kontakte zu beiden Seiten. Im zweiten Fall lassen sich exemplarisch einige Muster des Lobbyismus und des Nepotismus zwischen Politik und Wirtschaft aufzeigen. Schließlich scheint das dritte Beispiel zunächst ein Fall des Sponsorings zu sein. Allerdings definiert diese Arbeit Sponsoring als ein Instrument des Lobbyismus und aus diesem Grund ist der Fall erwähnenswert. Alle drei Fälle zeigen beispielhaft auf, wie schnell legitime Einflussnahmen illegitim oder gar illegal werden können.
4.1 Der Fall Schreiber und die CDU-Spendenaffäre
Seit 1995 läuft ein Strafverfahren gegen den Ex-Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber, der gleichzeitig die Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre darstellt. Ihm werden Steuerhinterziehung, Beihilfe zum Betrug und Untreue vorgeworfen. Des Weiteren wird ihm unterstellt, Schmiergelder an die Politik gezahlt zu haben (vgl. Fischer 2009).
Schreiber übernimmt eine Firma für Straßenmarkierungen und dringt somit in den Wirtschaftszirkel der CSU vor. Dadurch entwickelt sich eine Freundschaft zu dem ehemaligen Ministerpräsidenten des Bundeslandes Bayern Franz-Josef Strauß. Als Parteispender und Auftragsempfänger pflegt Schreiber auch privat enge Beziehungen zu verschiedenen Politikern (vgl. Lindemann 2005: 128). Aufgrund seiner vielzähligen Kontakte und seines ausgeprägten Geschäftssinns wird der Rüstungskonzern Thyssen auf Schreiber aufmerksam. Bei Thyssen übernimmt er eine Mittlerfunktion zwischen Rüstungsindustrie und Politik und wird Lobbyist. Für Thyssen ermöglicht er wichtige Geschäftsbeziehungen zur CDU (vgl. Laux 2009).
1995 nimmt die Staatsanwaltschaft Augsburg Ermittlungen gegen Schreiber wegen Steuerhinterziehung auf, weil er eine fälschliche Steuererklärung abgibt. Sie enthält nicht alle Provisionen aus seiner Lobbytätigkeit für den Rüstungskonzern Thyssen (vgl. Lindemann 2005: 121). Durch Zufall stoßen die Staatsanwälte auf dubiose Zahlungen an verschiedene Politiker, u.a. an den damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler-Kiep (vgl. ebd.: 118). Es folgen Durchsuchungen bei Kiep und dem CDU-Steuerberater Horst Weyrauch, ebenfalls wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Diese bringen ein geheimes Parteifinanzierungssystem zutage, das bis heute nur zum Teil aufgeklärt werden konnte. Laut Joachim Stünker, einem Mitglied des Parteispenden-Untersuchungsausschusses, seien 20 bis 40 Millionen DM über Schwarzgeld-Konten an die CDU geflossen. Allerdings konnte die Herkunft der Gelder größtenteils nicht geklärt werden, weil sie durch ein System von diversen geheimen Konten verschleiert wird. Die heimlich gespendeten Gelder werden dann CDU-Konten zugeführt und stehen somit dem damaligen Bundeskanzler Kohl zur Verfügung (vgl. Darge 2009: 69).
Der Untersuchungsausschuss kann dennoch einige Spendenvorgänge aufdecken, bei denen Geldgeber und Spendensumme bekannt sind und mit möglichen Gegenleistungen von Seiten der Politik in Verbindung gebracht werden können. Darunter Fälle, in die Schreiber involviert ist: Im Jahr 1991 spendet Thyssen im Zusammenhang mit dem Verkauf von 36 Panzern nach Saudi Arabien eine Millionen DM. Die Bundesrepublik hat der Firma Thyssen diese Panzer aus Bundeswehrbeständen zur Verfügung gestellt, damit Lieferengpässe überbrückt werden können. Schreiber übergibt das Geld an Kiep und dieser leitet es an die CDU weiter. Außerdem spendet Schreiber im Jahr 1994 100.000 DM als „Dankeschön“ an Wolfgang Schäuble. Dieser hat sich vorher, als Gegenleistung, für die Firma Thyssen im Zusammenhang mit einem geplanten Bau einer Panzerfabrik in Kanada unterstützend eingesetzt (vgl. ebd.: 70).
Im Mai 2010 verurteilt das Augsburger Gericht Karlheinz Schreiber wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Freiheitsstrafe. Seine Verteidigung ficht das Urteil vor dem Bundesgerichtshof an. Daneben legt auch die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg Revision ein, da das Landgericht nur wegen Steuerhinterziehung, nicht aber auch wegen Bestechung und Beihilfe zur Untreue verurteilt hatte. Der Bundesgerichtshof gibt beiden Revisionen auf Grund von Rechtsfehlern im September 2011 statt und verweist den Fall an das Landgericht Augsburg zur erneuten Verhandlung zurück (vgl. Neumann 2011).
4.2 Die EnBW-Affäre um Mappus und Notheis
In der EnBW-Affäre geht es um den Wiedererwerb von Anteilen des französischen Staatskonzerns Électricité de France am Energieversorger EnBW. Den Rückkauf tätigt der Ex-Ministerpräsident der Landesregierung Baden-Württemberg Stefan Mappus (CDU) im Dezember 2010, ohne vorherige Zustimmung des Landesparlaments. Das Problem daran: Die Investmentbank Morgan Stanley hat den Auftrag ohne öffentliche Ausschreibung erhalten. Des Weiteren bezahlt Mappus für die Anteile 4,7 Milliarden Euro, zu viel, wie sich später herausstellt. Der Differenzbetrag zwischen der „berechtigten“ und der gezahlten Summe soll bei 840 Millionen Euro liegen (vgl. Lobby Control 2012). Kritiker stellen nun die Frage, weshalb keine ordentliche Prüfung des Kaufpreises durchgeführt worden ist. Die Antwort auf diese Frage liefert der öffentlich gewordene elektronische Schriftverkehr zwischen Stefan Mappus und Dirk Notheis. Der Deutschlandchef Morgan Stanleys organisierte die Übernahme des Aktienpaketes, mit Aussicht auf eine persönliche Provision von 12,8 Millionen Euro. Die E-Mails belegen den Einfluss Notheis auf Mappus. Der Ex-Ministerpräsident erweckt den Anschein „[…] ein[es] manipulierte[n] Politiker[s], der sich zum Erhalt der Macht an einen alten Freund klammert, sich ihm ausliefert und mit ihm abstürzt“ (vgl. Dahlkamp/Hesse/Kaiser/Müller/Pfister/Weinzierl 2012: 20f.). In der Endphase des Deals wirkt er wie eine Marionette des Bankenchefs. In einer E-Mail von Notheis heißt es, Mappus brauche keine andere „Fairness Opinion“ zu diesem Deal einzuholen, da weitere Meinungen die Aussage Morgan Stanleys „verwässer[e]“ und „Dritte“ sich fragen würden, warum es mehrerer Meinungen bedürfe, ein „angeblich so günstige[s] Angebot zu bestätigen“. Notheis betont, dass Morgan Stanley die „Nr.1 in Europa“ sei und es daher keinen Grund zur Verunsicherung gäbe. Dies müsse Mappus dem Finanzministerium klarmachen und sicher stellen, dass kein weiterer „Auftrag zur Fairness Opinion vergeben“ werde. Auf diese E-Mail antwortet Mappus lediglich mit einem knappen „O.K.!“ (vgl. ebd.: 23f.). Die politische Nähe Notheis ermöglicht ihm, fertige Skripte, inklusive zu erwartender Fragen mit den dazugehörigen Antworten, für Pressekonferenzen zu formulieren (vgl. Lobby Control 2012).
Für den Fall außerdem von Bedeutung: Die zwei Männer verbindet eine langjährige Freundschaft. Notheis, der im Alter von 26 Jahren Landeschef der Jungen Union wird, lernt dort den damals im Vorstand sitzenden Mappus kennen. 1999, als Notheis zu Morgan Stanley wechselt, konzentriert er sich auf die Karriere in der Bank, doch die Nähe zur Politik bleibt. Seine exzellenten Beziehungen werden zum Motor seiner Karriere (vgl. Deininger/Hagelüken/Zydra 2012). Im EnBW-Deal, so der Spiegel, sollte sich für Mappus in höchster Not die Freundschaft bezahlt machen. Es gehe ihm um die bevorstehenden Wahlen, die die Zukunft seiner Amtszeit bestimmen. Bei Notheis sei die Provision der Antrieb. Diese Tatsachen sowie ihre Freundschaft werden ihnen heute zum Verhängnis. Gegen Mappus läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue und die berufliche Zukunft des Bankchefs ist unklar (vgl. ebd.).
4.3 Der Fall Glaeseker und der Nord-Süd-Dialog
Gegen Olaf Glaeseker, ehemaliger niedersächsischer Regierungssprecher, wird auf Grund des Verdachts der Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Während seiner Amtszeit veranstaltet die Staatskanzlei Hannover unter Ministerpräsident Wulff die Veranstaltungsreihe Nord-Süd-Dialog. Diese soll von 2007 bis 2009 die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Ländern Niedersachsen und Baden-Württemberg verbessern (vgl. Zeit Online 2012). Dazu treffen sich Prominente, Unternehmensvertreter und Politiker. Organisator der Veranstaltung ist Eventmanager Manfred Schmidt, der damit fast eine Million Euro verdient(vgl. Fröhlingsdorf/Gude/Kurbjuweit 2012: 20). Die Einnahmen stammen zum größten Teil von Sponsoren, die Glaeseker in seiner Funktion als Regierungsmitglied sammelt. Nach Berechnungen des Landeskriminalamtes (LKA) akquiriert er in den drei Jahren 29 Prozent der Spendeneinnahmen in Höhe von insgesamt 1.917.000 Euro. Der Fall bekommt zusätzliche Brisanz, wenn die Beziehung zwischen Glaeseker und Schmidt beleuchtet wird: sie sind seit Jahren befreundet.
Die enge Zusammenarbeit bei der Sponsorensuche und die Freundschaft zwischen den beiden Männern versucht das LKA mit deren E-Mail-Austausch zu belegen. In einer Nachricht schreibt der Eventmanager an den Regierungssprecher, er brauche noch Sponsoren. Dieser antwortet: „Ich seh mal was ich noch machen kann“ und erhält von Schmidt die Aufforderung: „dann mach!!!!!!“ (vgl. ebd.: 21f.). Damit baut Schmidt offensichtlich Druck auf seinen Freund auf. Ein Grund, warum dieser den Anweisungen des Eventmanagers folgt, könnten die Gefälligkeiten sein, die dieser ihm erweist.
Laut den Ermittlungen spart das Ehepaar Glaeseker während des Nord-Süd-Dialogs ca. 20.000 Euro, da Schmidt Hotel-, Übernachtungs- und Flugkosten für Reisen übernimmt. Das Ehepaar erhielt jedoch bereits viel früher, seit 2004, finanzielle Vorteile aus der Freundschaft. Das LKA bezeichnet dies in ihrem 90-seitigen Ermittlungsbericht als „anfüttern“. Die Ermittler gehen davon aus, dass Schmidt Glaeseker langsam an Geschenke und Gefallen gewöhnte, um damit Gegenleistungen zu rechtfertigen.
Den Vorwurf der Bestechung verteidigen Glaesekers Anwälte mit einem „persönlichen Beziehungsüberhang“, der ein strafrechtliches Verhalten nicht beweisbar macht. Urlaubseinladungen und Flugbuchungen hätten eine freundschaftliche Zielsetzung gehabt. Glaeseker habe Schmidt nicht geholfen, weil dieser eine Gegenleistung erwartet habe, sondern weil er ein guter Freund sei (vgl. ebd.: 23).
5. Schlussfolgerung zur Korruption und zu Unternehmenslobbyismus
Um sich der Fragestellung zu nähern, wann Unternehmenslobbyismus die Grenze zu Korruption überschreitet, wird folgender Weg eingeschlagen. Am Maßstab der Definition von Korruption (Abschnitt 2.1) und ihren fünf Kriterien werden in diesem Kapitel die folgenden Sachverhalte auf Korruption geprüft: Erstens Lobbyismus als solcher, zweitens die Methoden des Lobbyismus und drittens die Differenzierung des Lobbyismus und viertens die drei Fallbeispiele. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgezeigt. Mit dieser Vorgehensweise wird herausgearbeitet, ob und wenn ja, wo Übereinstimmungen von Lobbyismus und Korruption zu finden sind. Erst wenn alle fünf Prüfkriterien erfüllt sind, wird ersichtlich, dass Lobbyismus die gleichen Merkmale wie Korruption aufweist. Ziel ist es, die Grenze zwischen legitimer Interessenvertretung und illegitimer Einflussnahme zu ziehen und so den Graubereich offen zu legen.
Lobbyismus
1. Es muss eine Tauschbeziehung zwischen mindestens zwei Parteien vorliegen.
Bei Korruption handelt es sich um ein Verhalten zweier oder mehrerer Akteure, die in Beziehung zueinander stehen und dabei unterschiedliche Rollen einnehmen (siehe S. 9). Diese Eigenschaft kann ebenfalls Lobbying zugesprochen werden. Alemann (2005) sowie Gilroy und Kruse (2011) nennen den Tausch zwischen Nachfrager (Korrumpierender, Unternehmer) und Anbieter (Korrumpierter, Amtsträger, Abgeordneter) als eine Voraussetzung für Korruption. Wehrmann (2007) spricht auch bei Lobbyismus von einem Tauschgeschäft zwischen Politik und Unternehmen.
Ergebnis: Hier ergibt sich eine Gemeinsamkeit zwischen Lobbyismus und Korruption. Beide schließen den Begriff des Tausches ein.
2. Bei den Tauschgütern muss es sich um politische (Beschluss- und Entscheidungs-)Ressourcen eines Amtsträgers oder Politikers gegen ökonomische Ressourcen(materielle sowie immaterielle Leistungen) eines Nachfragers handeln.
Nach Eckert (2005) sind bei Korruption meist ausschließlich finanzielle Anreize ausschlaggebend, es fließt also Geld. Dies geschieht unter dem Mantel eines expliziten Vertrages, das Tauschgut ist klar definiert. Nye (1967) und Aleman (2005) wiederum betonen, dass außer Geld auch Statusgewinne, Posten oder Expertise Grund für korruptes Handeln sein können. In impliziten Verträgen werden unspezifische Gegenleistungen getauscht, die gesetzlich nicht erfasst sind. Im Lobbyismus sind nach Wehrmann Informationen das meist getauschte Gut, wodurch die Beteiligten gegenseitig voneinander profitieren. Die Unternehmensvertreter versuchen Informationen der Amtsträger oder Politiker zu erhalten, um bspw. Gesetzesvorhaben in ihrem Interesse zu beeinflussen. Im Gegenzug erhalten die Politiker Informationen von den Lobbyisten, die sie als Expertise nutzen. Allerdings können auch andere immaterielle Leistungen getauscht werden: Lobbyisten versprechen Abgeordneten oder Ministerialbeamten hohe Posten in der Wirtschaft nach Ablauf ihrer Amtszeit. Dieser Wechsel wird als Drehtür-Effekt bezeichnet (Abschnitt 3.1). Solange dieser Sachverhalt nicht gesetzlich geregelt ist, wird der Wechsel von der Politik in die Wirtschaft weiterhin ein wichtiger Anreiz bleiben. Materieller Natur sind die Tauschgüter Parteispenden, Nebeneinkünfte oder das Sponsoring. Gegenleistungen können auch materieller und privater Natur sein, bspw. bezahlen Lobbyisten Amtsträgern oder Politikern Urlaube oder Partys. Grundsätzlich werden im Gegenzug bestimmte Interessen des Unternehmens bei der staatlichen Entscheidungsfindung berücksichtigt.
Ergebnis: Formal ergibt sich folglich zum Teil eine Übereinstimmung, da die Tauschgüter bei Korruption und Lobbyismus oftmals die gleichen sind.
3. Die politischen Ressourcen werden von allen Beteiligten für den persönlichen Vorteil missbraucht.
Nye definiert Korruption als ein Verhalten, das auf die Gewinnung persönlicher Vorteile abzielt. Diesen Vorteil erhalten die Amtsträger oder Abgeordneten durch die im zweiten Prüfpunkt genannten Tauschgüter. Beim Lobbyismus ist der persönliche Vorteil erst einmal nicht Teil der Definition. Dennoch muss diese Lücke kritisch untersucht werden. In der Praxis erhalten Amtsträger und Abgeordnete häufig persönliche Vorteile durch die Lobbyisten, wie bspw. Restaurantbesuche oder Experteninfos. Sollte daraufhin der Abgeordnete im Sinne des Lobbyisten entscheiden, profitiert auch dieser. Dies ist nicht zweifelsfrei sichergestellt und kann nicht immer eindeutig nachgewiesen werden. Formal herrscht demnach keine eindeutige Übereinstimmung zwischen Lobbyismus und Korruption bezüglich der persönlichen Anreize. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Lobbyist mit der Intention der Vorteilsgewinnung in Kontakt mit dem Abgeordneten oder Amtsträger tritt.
Ergebnis: Diese Arbeit kommt somit zu dem Schluss, dass eine Gemeinsamkeit vorhanden ist.
4. Der politische Amtsträger oder Politiker muss gegen gesetzliche oder soziale Normen verstoßen und handelt somit gegen das öffentliche Interesse.
Bei Korruption wird gegen rechtliche Normen verstoßen. Nach §§ 299 und 331-334 StGB sind Bestechung, Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und –gewährung unter Strafe gestellt. Ebenfalls werden soziale Normen übergangen, d.h. korruptes Verhalten verläuft entgegen den Erwartungen der Gesellschaft, die dieses Verhalten moralisch, religiös, rechtlich und konventionell für verwerflich hält. Korruption wird im Alten und Neuen Testament als Sünde bezeichnet. Auf Grund des materiellen Schadens wird Korruption vom Volk abgelehnt (Abschnitt 2.1). Demnach verstößt das illegale Verhalten gegen öffentliches Interesse, ist somit illegitim. Lobbyismus verstößt nicht per se gegen Gesetze. Die Freiheitsrechte des GG, die AVV, das PartG, AbgG und die GOBT legitimieren Lobbyismus. Allerdings müssen bestimmte Anzeigepflichten erfüllt werden. Außerdem werden bestimmte Schranken hinsichtlich Transparenz, Arbeitsfeld und Nebeneinkünften gesetzt. Ob sich Lobbyismus gegen soziale Normen richtet, ist in der Gesellschaft umstritten. Ein Großteil der Bevölkerung verbindet Lobbyismus mit Manipulationen und dunklen Geschäften in Hinterzimmern. Die Einflussnahme von Unternehmen auf politische Entscheidungen wird von der Bevölkerung häufig abgelehnt und verstößt somit gegen das öffentliche Interesse (Abschnitt 2.1). Legitimität kann nur durch einen diskursiven Prozess erreicht werden.
Keine der drei Punkte Recht, soziale Normen und öffentliches Interesse sind hinsichtlich Lobbyismus und Korruption kongruent. Lobbyismus richtet sich weder prinzipiell gegen rechtliche und soziale Normen, noch gegen öffentliches Interesse. Dennoch kann Lobbyismus zur Korruption werden, wenn Anzeigepflichten verletzt werden, bspw. Nebeneinkünfte von Politikern nicht angegeben werden. Ob Lobbyismus gegen soziale Normen verstößt, hängt vom spezifischen Einzelfall sowie von der persönlichen Einstellung ab. Auch hinsichtlich des Verstoßes gegen öffentliches Interesse ist keine klare Aussage möglich. Je nach Fall kann es Überlappungen geben, muss aber nicht.
Ergebnis: Lobbyismus und Korruption sind nach Punkt vier nicht auf Anhieb gleichzusetzten. Es bedarf der Einzelfallprüfung.
5. Der Korruptionsakt findet im Verborgenen bzw. unter Geheimhaltung statt.
Transparenz ist hier das Schlagwort. Bei Korruption handelt es sich um heimliche Normabweichungen. Da beide Tauschpartner wissen, dass sie gesetzliche oder soziale Normen brechen, sind sie darum bemüht, das Verhalten abseits der Öffentlichkeit auszuführen und zu vertuschen (vgl. Darge 2009: 31). Wie bereits in Punkt vier beschrieben, betreiben auch Lobbyisten ihre Arbeit oft ohne Einbezug der Öffentlichkeit. Kamingespräche, Runde Tische oder Kanzlerrunden verlagern sich aus dem Parlament heraus in sogenannte graue Entscheidungszonen. Informelle Beschlüsse werden von Lobbyisten und Ministerialbeamten oder Politikern gefasst, der Trend der Informalisierung hat in der deutschen Politik Einzug gehalten. Doch die pauschale Aussage, Lobbyismus finde zu jeder Zeit im Verborgenen statt, kann trotzdem nicht getroffen werden. Prinzipiell sollte Lobbyismus unter Einbezug der Öffentlichkeit stattfinden und Transparenz herrschen. Über die Internetseite des Bundestages kann eingesehen werden, welche Einkünfte die Abgeordneten neben dem Mandat beziehen (vgl. Der Bundestag_f). Auch veröffentlichen einige Abgeordnete auf ihrer eigenen Internetseite eine Übersicht darüber, mit welchen Unternehmen sie Gespräche führen (vgl. Kelber 2012; Kelber 2013; Pronold 2013).
Ergebnis: Der letzte Definitionspunkt von Korruption kann ebenfalls nur teilweise auf Lobbying übertragen werden.
Die Prüfung dieser fünf Punkte verdeutlicht, dass Lobbyismus nicht zwangsläufig mit Korruption gleichgesetzt werden kann. Da Lobbyismus vielfältige und individuelle Formen annehmen kann, bedarf es einer Einzelfallprüfung. Lediglich die Punkte vier und fünf führen näher an die Grenze zur Korruption heran. Die Untersuchung von Punkt vier zeigt, dass die Trennlinie zwischen Lobbyismus und Korruption eindeutig überschritten wird, wenn gegen Gesetze verstoßen wird. Der fünfte Punkt könnte insofern bei der Beantwortung der Forschungsfrage helfen, da durch Intransparenz korruptes Handeln verschleiert wird. Diese Vermutung liegt insofern nahe, weil nur illegales und illegitimes Handeln abseits der Öffentlichkeit vollzogen wird. Bei legalem und legitimem Verhalten gibt es keinen Grund, dieses zu verheimlichen. Die hier vollzogene Prüfung und die daraus resultierenden Ergebnisse können die Forschungsfrage an dieser Stelle jedoch noch nicht eindeutig beantworten. Hierzu sind zusätzlich die Differenzierung und Methoden des Lobbying (Abschnitt 3.1) auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Lobbyismus und Korruption zu untersuchen.
Differenzierung und Methoden
Die Analyse der Differenzierung In-House-Lobbying und Agentur anhand der fünf Prüfkriterien der Korruptionsdefinition (Abschnitt 3.1) führt zu folgendem Ergebnis: Der in Abschnitt 3.1 unter Punkt a genannte Aspekt der Informationssammlung kann nicht als Korruption bezeichnet werden. Das sogenannte Monitoring ist eine legitime Methode von Unternehmen, das relevante politische Geschehen zu verfolgen. Allerdings macht es einen Unterschied, auf welche Art und Weise der Lobbyist an diese Informationen gelangt und wie er sie nutzt. Sind die Informationen durch einen Mittelmann zum Lobbyisten gelangt? Hat der PA-Manager dem Amtsträger oder Abgeordneten Gefälligkeiten erwiesen, um an die Informationen zu kommen? Nutzt er sie ausschließlich für das unternehmerische Partikularinteresse?
Der Lobbyist setzt beim Agenda-Setting Themen, die für das Unternehmen relevant sind. Diese Themen wären ohne den Einfluss des Interessenvertreters möglicherweise nicht in die politische Debatte gerückt, weil die Öffentlichkeit das Thema bspw. nicht als relevantes oder kontroverses Problem ansieht. Wenn der Politiker oder der Ministerialbeamte das Thema auf Initiative des Lobbyisten dennoch aufnimmt, kann man das dritte als auch das vierte Prüfkriterium der Korruptionsdefinition anwenden. So könnte davon ausgegangen werden, dass der Lobbyist durch den Informationsaustausch von den politischen Ressourcen profitiert. Darüber hinaus kann die Vermutung aufgestellt werden, dass der Politiker oder Amtsträger im weitesten Sinne gegen soziale Normen verstößt, womit er letztlich gegen das öffentliche Interesse handelt.
Bei der Kontaktpflege verhält es sich ähnlich wie bei der Informationssammlung. Der Kontakt allein führt nicht zwangsläufig zur Korruption. Ausschlaggebend ist der Umgang der Lobbyisten mit ihren Kontakten in der Politik oder den Ministerialbüros. Die Gefahr für moralisch verwerfliches oder gar illegales Handeln besteht, wenn Lobbyisten sich an Entscheidungsträger wenden, die theoretisch die Befugnis hätten, in ihrem Sinne zu entscheiden. Es muss untersucht werden, wie die Lobbyisten ihre Kontakte nutzen und vor allem wie sie entstehen bzw. gepflegt werden. Im Sinne der Tauschbeziehung können bei der Kontaktpflege die politischen Ressourcen des Amtsträgers oder Politikers durch die ökonomischen Ressourcen des Lobbyisten ersetzt werden. So beschreibt der in Abschnitt 3.1 aufgeführte Punkt d Aktionsformen, bei denen Ministerialbeamte oder Abgeordnete zu Essen oder Veranstaltungen eingeladen werden und im Gegenzug bspw. Entscheidungen zu Gunsten des Unternehmens treffen. Dabei muss nicht automatisch die These gelten, ein Essen führe unmittelbar zu einer Entscheidung, also nach dem Schema Aktion – Reaktion. Vielmehr bleibt es meist nicht bei diesem einen Essen, sondern die Lobbyisten versuchen eine Bindung zum Politiker aufzubauen. Es kann dann sein, dass auf die Gefälligkeiten, die der Lobbyist dem Amtsträger oder Politiker erweist, erst später die gewünschte politische Gegenleistung folgt, also eine verzögerte Reaktion stattfindet. Dies kann auch eine Folge des sogenannten Anfütterns sein (Abschnitt 3.1). Der Amtsträger bekommt unbewusst den Eindruck, er müsse dem Lobbyisten einen Gefallen tun, er fühlt sich ihm gegenüber verpflichtet. Andererseits wird er möglicherweise auch zunehmend abhängig von den Tauschgütern, die der Lobbyist ihm anbietet. Er möchte nicht mehr auf diese verzichten. Andere ökonomische Tauschgüter als teure Speisen und Getränke können Auftritte, Geld, Posten oder Geschenke sein. Sie haben gemeinsam, dass sie für den persönlichen Vorteil missbraucht werden könnten. Wenn die oben beschriebene Abhängigkeit vorhanden ist, kann von Korruption im weiteren Sinne gesprochen werden.
Die Tatsache, dass Lobbyisten nicht selten sogar Texte für Gesetzesentwürfe schreiben, den die Amtsträger dann für ihre weitere Arbeit verwenden, ist nicht zu tolerieren. Hier kann dann von Korruption gesprochen werden, wenn eine Tauschbeziehung nachgewiesen wird (Abschnitt 3.1).
Die Entsendung externer Mitarbeiter in Parlamente oder Behörden ist eine Form des Lobbyismus, auch wenn die Unternehmen dies negieren. Die externen Mitarbeiter bleiben aus persönlichen Interessen ihrem Unternehmen gegenüber loyal, u.a. weil sie nach Beendigung des Austausches wieder zu ihrer vorherigen Stelle zurückkehren (Abschnitt 3.2). Deshalb handeln sie im Sinne ihres Hauptarbeitgebers, also in dessen Partikularinteresse. Das Unternehmen hat durch die entsendeten Mitarbeiter eigenepolitische Ansprechpartner, die Informationen sammeln, die das Unternehmen andernfalls nicht erhalten würde. Zwar wird den externen Mitarbeitern eine Schweigepflicht gegenüber ihrem Unternehmen auferlegt (vgl. Ziffer 6.1 AVV) und verboten, Anweisungen ihres Unternehmens anzunehmen (Anlage AVV), jedoch scheint die tatsächliche Befolgung nicht kontrollierbar. Von einer Tauschbeziehung im Sinne der Definition von Korruption kann allerdings nicht gesprochen werden, da Agent und Klient in diesem Fall die gleiche Person sind. Außerdem findet der Wechsel nicht im Verborgenen statt, denn Unternehmen veröffentlichen die Entsendung externer Mitarbeiter in die Politik. Diese ist zwar legal, dennoch empfinden die Bürger sie als illegitim, eben aus dem Grund, dass die Mitarbeiter vermutlich im Sinne ihres Unternehmens entscheiden. Es lässt sich folglich festhalten, dass die Entsendung externer Mitarbeiter nicht als Korruption bezeichnet werden kann. Sie kann allerdings langfristig illegitime Züge annehmen, wenn die Unternehmensvertreter das Parlament bzw. die Behörde verlassen, aber ihre dort geknüpften Kontakte mit Kollegen halten, pflegen und diese im Sinne des Unternehmens nutzen. So können sie als Lobbyisten im Hintergrund agieren und eine Tauschbeziehung auf beiderseitigem Vorteil aufbauen.
Kontakte zu ehemaligen Kollegen werden auch beim Drehtüreffekt gefährlich. Ehemalige Berufspolitiker wechseln in Unternehmen oder PA-Agenturen, nehmen ihre Kontakte mit und können diese für Lobbying-Zwecke nutzen. Gleiches gilt für das Built-In. Abgeordnete können nicht unabhängig und neutral agieren, wenn sie gleichzeitig für ein Unternehmen arbeiten. Wofür die Abgeordneten tatsächlich ihr Geld von den Unternehmen bekommen, ist nicht klar nachvollziehbar. Auch die Höhe der Einkünfte ist entscheidend. Je mehr Geld gezahlt wird, desto mehr Gegenleistung wird erwartet. Die Transparenzregeln des Bundestags sind jedoch vor allem in der letzten Stufe alles andere als transparent. Ein Einkommen von 7.000 Euro oder 700.000 Euro macht einen großen Unterschied und suggeriert verschiedene Arten der Leistungserbringung bzw. eine niedrigere oder höhere Bindung zum Unternehmen. Die Analyse führt zu folgendem Ergebnis: Die Ausübung einer Nebentätigkeit ist nicht per se illegal oder korrupt. Ausschlaggebend für eine negative Beurteilung ist hier die moral-philosophische Bewertung durch die Bürger. Aus moral-philosophischer Perspektive ist es zweifelhaft, ob Abgeordnete mit Nebentätigkeiten ihre Mandatsaufgabe ausführen können, ohne diese zu vernachlässigen.
Korruptionsfälle treten am häufigsten dort auf, wo öffentliche Aufträge vergeben werden. In den Bereichen Bau, Gesundheit und Militär ist die Gefahr illegaler Beeinflussung durch Geld besonders groß. Lobbyisten versuchen jedoch, ohne Bestechung an öffentliche Aufträge oder die Durchsetzung ihrer Interessen zu gelangen; Leif und Speth sprechen von „Beschaffungslobbying“ (vgl. 2006: 27). Der Geldkoffer ist hier nicht das gängige Mittel der Politikbeeinflussung, sondern vielmehr der Informationsaustausch. Geld kann dafür trotzdem häufig an anderer Stelle fließen: Die Unternehmen versuchen über Sponsoring und Parteispenden indirekt Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger auszuüben. Die Partei erhält dadurch finanzielle Vorteile. Im Gegenzug erwartet die Wirtschaft, dass sich die Politik revanchieren wird. Hier muss beobachtet werden, ob die Unternehmen nur einer Partei den gesamten Spendenbetrag überweisen oder ob dieser auf alle Parteien gerecht verteilt wird (vgl. Leif/Speth 2006a: 27). Außerdem unterstützen Unternehmen den Wahlkampf. Politikern werden bspw. Autos oder Büroeinrichtungen bereitgestellt. In beiden Fällen entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis, das ausschlaggebend für den weichen Kern des Korruptionsvorwurfs ist. Politiker, Amtsträger und Parteien können sich der Abhängigkeit mit der Zeit nicht mehr entziehen und verlieren die Kontrolle über die Beziehung zur Wirtschaft (vgl. ebd.: 28). Ein weiteres Problem besteht darin, dass zwischenmenschliche Beziehungen nicht bis ins Detail einsehbar sind und nicht reguliert werden können. Hier würde eine Regulierung einen Eingriff in die Privatsphäre bedeuten und diese somit verletzen.
Als Ergebnis der Prüfung der Differenzierung und der Methoden des Lobbyismus ist damit festzuhalten, dass zum Teil Übereinstimmungen mit Korruption vorliegen. Jedoch reicht dieses Ergebnis ebenfalls noch nicht aus, um die Forschungsfrage zu beantworten. Es können allerdings in Bezug auf einige Methoden des Lobbyismus hilfreiche Rückschlüsse hinsichtlich der Grenzziehung zwischen Unternehmenslobbyismus und Korruption gezogen werden. So ist bezüglich der Informationssammlung festzustellen, dass vor allem durch die Art und Weise der Informationsbeschaffung die Grenze zur Korruption überschritten werden kann: Nutzt der Lobbyist illegale oder illegitime Mittel, um an die Informationen zu kommen? Hat der Lobbyist dem Abgeordneten oder Amtsträger Gefälligkeiten erwiesen oder sogar Geld gezahlt, um an Informationen zu kommen? Wenn dies der Fall ist, dann ist die Grenze zur Korruption zweifelsfrei überschritten. Auch bezüglich der Kontaktpflege lässt sich ähnliches festhalten: Entsteht infolge der Kontaktpflege eine Abhängigkeit, durch welche sich einer der Beteiligten zu Verpflichtungen gezwungen fühlt (siehe Anfüttern), kann der Politiker oder Ministerialbeamte nicht mehr neutral agieren. Dasselbe gilt hinsichtlich der Entsendung externer Mitarbeiter: Sobald diese weiterhin Anweisungen ihres Unternehmens annehmen und somit weder loyal noch neutral gegenüber den Ministerialbehörden agieren, verstoßen sie gegen Gesetze. Die Grenze zur Korruption ist somit auch hier überschritten.
Da die Forschungsfrage auch an dieser Stelle, wie oben begründet, noch nicht eindeutig beantwortet werden kann, werden im Folgenden die in Kapitel vier zunächst nur deskriptiv erläuterten Fälle ebenfalls im Detail untersucht. Es wird beantwortet, ob die betroffenen Personen in den drei Fallbeispielen bereits korrupt und ergo illegal oder illegitim handeln.
Fallbeispiele – Fall Schreiber und die CDU-Spendenaffäre
Prüft man den Fall Schreiber anhand der fünf Kriterien der Korruptionsdefinition ergibt sich folgendes Resultat:
(1) Es liegt eine Tauschbeziehung zwischen zwei Akteuren vor: Der Rüstungsindustrie auf der einen und der Politik auf der anderen Seite. Die beiden Akteure nehmen dabei unterschiedliche Rollen ein. Die Rüstungsindustrie, vertreten durch Schreiber, tritt als beeinflussendes Unternehmen auf und diverse Politiker der CDU/CSU sind die beeinflussten Amtsträger.
Ergebnis: Wie am Anfang dieses Kapitels begründet wurde, kann dieser Sachverhalt alleine aber nicht eindeutig Korruption zugeordnet werden, da auch beim Lobbying von einem Tauschgeschäft zwischen Politik und Unternehmen gesprochen wird.
(2) Auch das zweite Prüfkriterium impliziert eine Übereinstimmung. Der Amtsträger wird für seine politischen Ressourcen vom Nachfrager mit ökonomischen Ressourcen bezahlt. Thyssen lässt bspw. Wolfgang Schäuble eine „Dankeschön-Spende“ mittels Schreiber zukommen. Schäuble wiederum setzte sich als Gegenleistung vorher für einen Bau einer Panzerfabrik in Kanada ein. Beschluss- und Entscheidungsressourcen sind gegeben, da der Einsatz Schäubles zu einem positiven Ergebnis führt. Des Weiteren spendet Thyssen den zehnfachen Neupreis für Panzer aus den Beständen der Bundeswehr an die CDU.
Ergebnis: Folglich ist bei diesem Tauschgeschäft auf korruptes Handeln zu schließen.
(3) In Anwendung des dritten Prüfkriteriums stellt sich im Fall Schreiber die Frage nach der persönlichen Vorteilsannahme. Es ist zu erkennen, dass er eine eindeutige Mittlerfunktion als Lobbyist annimmt und Provision erhält. Erst durch die inakkurate Steuererklärung, in welcher die erhaltenen Provisionen nicht versteuert sind, kommt es zur Aufdeckung des Skandals. Obwohl die steuerliche Abzugsfähigkeit nützlicher Aufwendungen (formal Provision, jedoch informell Bestechungsgelder) bei Auslandsgeschäften in Deutschland von 1934-1998 zulässig ist (vgl. Lindemann 2005: 122), nimmt Schreiber diese Möglichkeit nicht wahr. Auch seitens der Politik kann davon ausgegangen werden, dass das Geld für innerparteiliche Projekte genutzt wird. Dennoch ist nicht leicht nachzuweisen, inwiefern diese zum persönlichen Vorteil missbraucht werden. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, wieso die Spenden nicht offen gelegt, sondern durch diverse geheime Konten sogar verschleiert werden.
Ergebnis: Die Vermutung der persönlichen und folglich korrupten Vorteilsnahme ist damit zwar nicht bewiesen, aber plausibel.
(4) Der Fall Schreiber zieht strafrechtliche Verfolgungen nach sich, weil bspw. gegen das PartG verstoßen wird. Denn Spenden müssen, wenn sie im Einzelfall die Höhe von 50.000 Euro übersteigen, dem deutschen Bundestag angezeigt werden (vgl. §25 Abs. 3 PartG). Die Spendenvorgänge im Fall Schreiber werden jedoch nicht angezeigt und sind nur durch den Untersuchungsausschuss aufgedeckt worden. Außerdem haben Parteien nicht die Befugnis, Spenden, die „in Erwartungen oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden“, anzunehmen (vgl. §25 Abs.2 Nr.7 PartG). Im Fall Schreiber liegt somit die Vermutung nahe, dass die Spende an Schäuble und dessen Einsatz für den Rüstungskonzern diesen Sachverhalt erfüllt und somit ein Verstoß gegen §44a Abs. 2 AbgG ist. Dieser besagt, dass ein Mitglied des Bundestages keine anderen als die gesetzlichen vorgesehenen Zuwendungen annehmen darf. Insbesondere die Annahme von Geld oder geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird, seien unzulässig. Da Schäuble sich zunächst für den Bau der Panzerfabrik einsetzt und daraufhin erst die Spende entgegennimmt, kann man ihn nicht wegen Bestechlichkeit anzeigen. Dennoch stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach Transparenz. Wieso wird nicht gemäß §5 Abs. 3 BminG eine Mitteilung über die „Dankeschön-Spende“ abgegeben, die Schäuble in Bezug auf sein Amt erhalten hat? Daher kann auch in diesem Fall von Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung ausgegangen werden, die strafbar sind.
Ergebnis: Die Amtsträger verstoßen hierbei gegen gesetzliche und soziale Normen. Sie handeln ergo korrupt.
(5) Aus der Anwendung des fünften Kriteriums folgt, dass im Fall Schreiber alle Zahlungen, Spenden und Gegenleistungen unter Geheimhaltung stattfinden. Somit liegt auch gemäß dem fünften Kriterium Korruption vor.
Der Übergang von legitimer, legaler Einflussnahme von Lobbyisten zu illegalem, illegitimen Handeln wird erkennbar. Das Meta-Thema in diesem Strafprozess sind die Aufrichtigkeit und die Glaubwürdigkeit von Politik. Obwohl Schreiber letzten Endes nur wegen Steuerhinterziehung angeklagt werden kann, sind die Dimensionen seines Handelns inakzeptabel. Die Tatsache, dass die „Dankeschön-Spende“ sowie die Spenden im Zusammenhang mit dem Panzergeschäft nicht deklariert werden, ist Skandal genug (vgl. Prantl 2010). Man kann nur erahnen, wie eng Politik und Lobby in den 90er-Jahren verbandelt waren. Mit welcher Selbstverständlichkeit Kontakte gepflegt und Geschäfte angebahnt werden, zeigt die beharrliche Weigerung, die Herkunft der Gelder zu nennen (vgl. Laux 2009). Zusammenfassend ergibt sich für diesen Fall, dass alle fünf Prüfkriterien der Korruptionsdefinition der Korruption erfüllt sind. Aufgrund des Verstoßes gegen Gesetze liegen hier illegale Handlungen vor.
Ergebnis: Die Heimlichkeit, die Intransparenz und der soziale Verstoß kennzeichnen die Illegitimität, daher sind die Handlungen nicht nur illegal sondern auch illegitim. Korruption liegt ergo vor.
Fallbeispiele – EnBW-Affäre um Mappus undNotheis
Auch die EnBW-Affäre um Mappus und Notheis lässt sich auf diese fünf Punkte untersuchen:
(1) Bei diesem Fall handelt es sich um ein Verhalten zweier Akteure, Mappus und Notheis, die in Beziehung zueinander stehen und dabei unterschiedliche Rollen einnehmen.
Ergebnis: Festzustellen ist, dass es sich jedoch nicht um eine eindeutige Tauschbeziehung handelt, da nur eine Seite der Akteure, und zwar Notheis, profitiert, ohne Gegenleistung zu erbringen.
(2) Bei den Tauschgütern handelt es sich zwar um politische und ökonomische Ressourcen, allerdings erhält in diesem Fall nur Notheis einen Vorteil. Dieser nutzt die politische Entscheidungsbefugnis von Mappus zu seinen Gunsten, weil die Morgan Stanley Bank ohne öffentliche Ausschreibung den Auftrag erhält. Folglich profitiert Notheis durch die Provision, deren Höhe er über den Verkaufsbetrag steuern kann.
Ergebnis: Es ergibt sich aber kein Vorteil für Mappus. Daher sind die Voraussetzungen für diesen Punkt nicht erfüllt.
(3) Die Tatsache, dass Mappus den Wiedererwerb der Anteile am Parlament vorbei tätigt, lässt vermuten, dass der Erwerb zu seinem persönlichen Vorteil missbraucht werden soll. Eine mögliche Ablehnung des Parlaments hätte sich als Nachteil für die Wiederwahl erweisen können. Für Notheis beschert der Fall eine millionenhohe Provision. Er hat Mappus völlig unter Kontrolle und sorgt dafür, dass die Anteile am Konzern für einen hohen Preis verkauft werden. Je höher der Preis, desto höher wird seine Provision.
Ergebnis: Es kann also für beide bestätigt werden, dass zum persönlichen Vorteil gehandelt wird.
(4) Da Mappus ohne Zustimmung des Parlaments die Anteile zu einem erhöhten Preis wiedererworben hat, läuft ein Verfahren wegen Untreue gegen ihn. Außerdem vergibt er den Auftrag ohne eine öffentliche Ausschreibung. Er handelt in seinem eigenen Interesse und verstößt somit gegen gesetzliche und soziale Normen. Bezüglich Notheis kann nicht von einem Verstoß gegen gesetzliche Normen gesprochen werden. Dennoch verstößt er gegen soziale Normen, da er seinen Freund dazu nötigt, die Anteile zu einem überhöhten Kaufbetrag wieder zu erwerben.
Ergebnis: Dies bedeutet, dass nur Mappus gegen gesetzliche und soziale Normen verstößt. Das Prüfkriterium ist ergo nur teilweise erfüllt.
(5) Ergebnis: Aufgrund des privaten Schriftverkehrs kann davon ausgegangen werden, dass Geheimhaltung erwünscht war. Dieser wird jedoch später durch die Medien veröffentlicht.
Da die Voraussetzungen der einzelnen Prüfkriterien in diesem Fall nicht eindeutig gegeben sind, liegt keine politische Korruption vor. Deutlich wird jedoch das illegitime Verhalten, denn der Schriftverkehr zeigt, wie ein Unternehmer einen politischen Amtsträger marionettenartig in der Hand haben kann. Seine Vorgehensweise, das Geschäft abzuwickeln, ist lediglich moralisch verwerflich. Auch in diesem Fall wird deutlich, wie die Methoden und Instrumente des Lobbyings, vor allem der Punkt der Kontaktpflege, eine wichtige Rolle spielen. Erkennbar wird, dass Notheis den Ton angibt, die möglichen Gefahren des Projekts kennt und neutralisiert, Medienmechanismen berücksichtigt, Kontakte nutzt, sich Rückendeckung verschafft, und seine privilegierten Zugänge zur Politik (Mappus) verteidigt (vgl. LobbyControl 2012). Obwohl Notheis im Sinne dieser Arbeit keinen Lobbyisten darstellt, zeigt sich dennoch, dass er im Interesse seiner Bank handelt. Wie bei Lobbyisten ist hier der persönliche Kontakt, in diesem Fall die persönliche Freundschaft, enorm wichtig. Inwieweit die persönliche Freundschaft über dem Interesse des Gemeinwohls stehen kann, zeigt Mappus‘ Verhalten. Dieser agiert blind im Sinne seines Freundes, erhofft den Wahlkampf durch den Wiedererwerb zu gewinnen und handelt dabei entgegen seinen Aufgaben als Ministerpräsident. Der Grat zwischen legitimer Interessenvertretung und illegitimer Einflussnahme wird hier besonders deutlich.
Fallbeispiele – der Fall Glaeseker und der Nord-Süd-Dialog
Die Prüfung des dritten Falles um Glaeseker und den Nord-Süd-Dialog ergibt folgendes Resultat:
(1) Es besteht eine Tauschbeziehung zwischen dem ehemaligen Regierungssprecher Glaeseker und dem Eventmanager Schmidt, für den er Sponsoren akquiriert. Diese Beziehung kann sowohl dem Bereich der Korruption als auch dem des Lobbyismus zugeordnet werden und wird im nachfolgenden Punkt deutlich.
Ergebnis: Es liegt eine Übereinstimmung vor.
(2) Die Veranstaltungsreihe Nord-Süd-Dialog wird zwar im Hinblick auf ein politisches Ziel veranstaltet, jedoch beziehen sich die Tauschgüter nur auf materielle Ressourcen. Schmidt verdient viel Geld durch die guten Kontakte Glaesekers. Glaeseker erhält im Gegenzug Hotel-, Übernachtungs- und Flugkosten für Reisen von Schmidt erstattet.
Ergebnis: In diesem Punkt werden lediglich materielle Ressourcen getauscht, daher kann der zweite Definitionspunkt nicht bestätigt werden.
(3) Es wird deutlich, dass das Verhalten beider Akteure auf die Gewinnung persönlicher Vorteile abzielt, den sie durch die oben benannten Tauschgüter erhalten. So erhält das Ehepaar Glaeseker seit 2004 persönliche Vorteile aus der Freundschaft und spart während des Nord-Süd-Dialogs ca. 20.000 Euro durch die von Schmidt übernommenen Reisekosten. Auch Schmidt hat die materiellen Ressourcen eindeutig zu seinem persönlichen Vorteil missbraucht. Er profitiert von den durch Glaeseker akquirierten Spendeneinnahmen von Sponsoren und drängt ihn, noch weitere Sponsoren zu finden.
Ergebnis: Demzufolge missbrauchen beide die Ressourcen zu ihrem persönlichen Vorteil.
(4) Es läuft ein Verfahren wegen Bestechung und Bestechlichkeit gegen Glaeseker. Beides sind Tatbestände des StGB und werden mit Haft oder Geldstrafe geahndet. Ob Glaeseker jedoch tatsächlich gegen gesetzliche Normen verstoßen hat, ist dennoch schwer zu beantworten. Glaesekers Anwälte bestreiten den Vorwurf der Bestechung mit einem „persönlichen Beziehungsüberhang“, der ein strafrechtliches Verhalten nicht beweisbar macht. Glaeseker habe Schmidt nicht geholfen, weil er eine Gegenleistung erwartet habe, sondern weil er ein guter Freund sei (Abschnitt 4.3). Die genauen Details über den Ablauf der Tauschbeziehung sind nicht bekannt und es kann nicht eindeutig nachgewiesen werden, ob Glaeseker nur aus reiner Freundschaft gehandelt hat.
Ergebnis: Sollten die Vorwürfe jedoch stimmen, ist in jedem Fall der Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllt. Andersherum könnte Schmidt wegen Bestechung gegen gesetzliche Normen verstoßen haben. Dann würde ein Korruptionsakt eindeutig vorliegen.
(5) Die finanziellen Vorteile, die aus der Freundschaft heraus entstehen, werden geheim gehalten.
Ergebnis: Somit gibt es auch hier eine Übereinstimmung zum fünften Definitionspunkt.
Die Prüfung ergibt folglich, dass nicht eindeutig von Korruption gesprochen werden kann. Jeder Punkt kann unterschiedlich ausgelegt werden. Sobald geklärt ist, ob gegen Gesetze verstoßen wird, kann mit Gewissheit entschieden werden, ob der Fall legal oder illegal einzustufen ist. Bisher kann aber nur festgehalten werden, dass es sich um einen Fall der Illegitimität handelt. Die Tatsache, dass ein Politiker einem Geschäftsmann Sponsoren akquiriert und als Gegenleistung mit Geschenken angefüttert wird, kann als moralisch verwerflich gewertet werden. Es stellt sich hier die Frage, inwieweit Glaesekers Handeln unter dem Deckmantel „Freundschaft“ zu rechtfertigen ist.
Nach Prüfung der drei Fälle werden die Ergebnisse für einen besseren Überblick in der nachfolgenden Tabelle nochmals festgehalten. Bei der Untersuchung des Falles Schreiber und der CDU-Spendenaffäre kann eine eindeutige Entscheidung getroffen werden. So handelt es sich hierbei eindeutig um Korruption, da alle fünf Definitionspunkte erfüllt sind. Somit wird der Fall Schreiber als illegal und illegitim bewertet. In Bezug auf die Forschungsfrage zeigt dieser eine eindeutige Grenzüberschreitung: Es fließt Geld seitens der Rüstungsindustrie an die Politik, welche die Entscheidung im Sinne dieser Branche trifft.
Bei der Überprüfung des zweiten Falles, der EnBW-Affäre um Mappus und Notheis, wird nachgewiesen, dass nur der gesetzliche Normverstoß eindeutig dem Definitionspunkt von Korruption entspricht. Die weitere Prüfung ergibt keine Übereinstimmung. Folglich kann dieser Fall nicht Korruption zugeordnet werden und ist somit in der Tabelle grau unterlegt. Die Grenzüberschreitung könnte darin liegen, dass Mappus seine politische Entscheidungsbefugnis zugunsten seines Freundes Notheis ausgenutzt hat. Dieser wiederum missbraucht den guten Kontakt und das Vertrauen von Mappus und handelt somit moralisch verwerflich.
Der dritte Fall, Glaeseker und der Nord-Süd Dialog, könnte aufgrund des Freundschaftsaspektes sowohl als legal, aber illegitim als auch als legal und legitim gewertet werden. Aufgrund mangelnder Informationen in Bezug auf die Beziehung zwischen Glaeseker und Schmidt kann keine eindeutige Entscheidung getroffen werden. Der Fall bewegt sich zwischen legaler Interessenvertretung und illegitimer und illegaler Einflussnahme. Hier wird aber als Ergebnis festgehalten, dass dieser Fall zwar legal jedoch illegitim ist, da die Sponsoren im Namen der niedersächsischen Regierung akquiriert werden und der Aspekt des Anfütterns offensichtlich gegeben ist. In diesem Fall ist die Grenzüberschreitung am schwierigsten zu erkennen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Zuordnung der Fälle (Eigene Darstellung)
Zwischenfazit
Nach der Einzelprüfung anhand der Korruptionsdefinition kann zusammenfassend festgehalten werden, dass Lobbyismus nicht zwangsläufig mit Korruption gleichzusetzen ist. Die Grenze von Lobbyismus zu Korruption wird in jedem Fall dann überschritten, wenn gegen Gesetze verstoßen wird und die Regeln der Transparenz verletzt werden. Sobald Lobbyismus im Verborgenen stattfindet, gibt es einen Grund zur Annahme, dass hierbei illegitime oder gar illegale Verhaltensweisen verschleiert werden. Außerdem wird nachgewiesen, dass auch die Differenzierungen und die meisten Methoden von Lobbyismus nicht eindeutig Korruption zugeordnet werden können. Hinsichtlich der Methoden Informationsbeschaffung, Kontaktpflege und der Entsendung externer Mitarbeiter könnte allerdings die Grenze zur Korruption überschritten werden. Es wird gezeigt, dass sich jeder Einzelfall von Lobbyismus in vielfältigen und individuellen Formen von anderen unterscheiden kann. Dies belegt die Prüfung der Fallbeispiele. Es ist insgesamt festzuhalten, dass erstens keine eindeutige Trennlinie zwischen legitimer Interessenvertretung und illegaler Einflussnahme gezogen werden kann. Zweitens ist es nicht sinnvoll, diese Fälle zu pauschalisieren. Nach der Prüfung können die Fallbeispiele unterschiedlich eingestuft werden. Der Fall Schreiber zeigt einen eindeutigen Fall der politischen Korruption, während dieses Urteil für die beiden anderen Fälle nicht eindeutig getroffen werden kann. Bei dem zweiten und dem dritten Fall kann die Grenzüberschreitung nicht anhand rechtlicher Normen gemessen werden, sondern anhand moralischer Maßstäbe.
6. Handlungsempfehlungen
Wie bereits nachgewiesen, wird Lobbyismus oft negativ und mit Vorurteilen bewertet (vgl. Lösche 2006b: 340). Lobbyismus ist jedoch nicht per se schlecht und sogar für viele Entscheidungsprozesse notwendig. Da es jedoch keine einheitlichen und transparenten Handlungsweisungen gibt, entstehen folglich Schlupflöcher für korruptes Verhalten. In diesem Kapitel werden aufbauend auf den Ergebnissen der vorangegangenen Kapitel Handlungsempfehlungen abgeleitet und begründet, durch die der Graubereich des Lobbying aufgehellt oder gar aufgelöst werden kann. Hierzu bedarf es primär der Kontrolle, Transparenz und Offenlegung. Diese Faktoren sollten sich sowohl innerhalb des Unternehmens, in den Geschäftsbeziehungen, in der Politik als auch in den Gesetzen widerspiegeln (vgl. Lösche 2006b: 340).
Mehr Transparenz – Todfeind der Korruption
Das Schlagwort, das zu dem negativen Bild von Lobbyismus und Korruption führt, ist die fehlende Transparenz. Zu enge und undurchsichtige Kooperationen zwischen Ministerialbeamten und Lobbyisten tragen dazu bei, dass parlamentarische Kontrolle und Rechte eingeschränkt werden (vgl. Lösche 2006b: 340). Obwohl Lobbyismus nicht zu jeder Zeit im Verborgenen stattfindet, ist die Gefahr hoch, dass Lobbyismus häufig unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollzogen wird. Dies führt wiederum zu einer Gefährdung der Demokratie und vor allem dazu, dass sich Korruption entwickeln kann (vgl. Leif/Speth 2006: 14; Lösche 2006b: 340). Daher sollten die Handlungsempfehlungen zu Lobbyismus und Korruption bei dem Punkt der Transparenz ansetzen. Hierbei ist anzumerken, dass sich die Transparenz und Offenlegungsforderung gewissermaßen in allen Handlungsempfehlungen widerspiegelt. Da es sich aber hierbei um die wichtigste und bedeutendste Forderung handelt, soll diese hier explizit hervorgehoben werden. Transparenz und Offenlegung könnten Gerüchte und Vorurteile insbesondere bezüglich des Lobbying auflösen. Wenn Lobbyisten und Politiker ihren Interessenaustausch offenlegen, fällt es der Öffentlichkeit möglicherweise leichter zu erkennen, dass Lobbyismus nicht in erster Linie dem Gemeinwohl nutzen will, sondern vielmehr eigennützige Partikularinteressen verfolgt (vgl. Lösche 2006a: 65). Daher ist es ebenfalls von großer Bedeutung, dass neben den Methoden und Zielen der Lobbyisten auch Strafverfolgungen und fragwürdige Lobbyismus-Fälle öffentlich gemacht werden.
Durch die GOBT und die dazugehörigen Verhaltensregeln (VR) werden den Bundestagsabgeordneten hinsichtlich der Offenlegung und Transparenz einige Pflichten vorgegeben. So müssen jegliche Tätigkeiten, wie Beiratstätigkeiten, Funktionen in Verbänden, Beratertätigkeiten vor und neben dem Mandat sowie das daraus resultierende Einkommen angezeigt werden. Beide Angaben werden über die Internetseite des Bundestages zwar frei zugänglich gemacht, jedoch wird das Einkommen lediglich pauschal in drei Stufen (1.000 Euro bis 3.500 Euro, bis 7.000 Euro, über 7.000 Euro) eingeteilt. Dadurch wird aber noch nicht ersichtlich, wie viel die Abgeordneten in einem Kalenderjahr tatsächlich verdienen. Dennoch wird der Öffentlichkeit durch diese gesetzliche Transparenzregelung die Möglichkeit gegeben, sich ein Bild über die Interessenverknüpfungen der Abgeordneten zu machen. Wie weit die Beziehung zwischen Politik und Wirtschaft jedoch de facto geht und ob die Unabhängigkeit der Wahrnehmung des Mandats wirklich noch gegeben ist, wird auch durch die Anzeigepflichten nicht ersichtlich[12].
Wie im fünften Kapitel erläutert, werden die Transparenzregeln bereits von einigen Bundestagsabgeordneten ernst genommen. Sie werden als „gläserne Abgeordnete“ bezeichnet. Auf ihren Internetseiten legen sie freiwillig Angaben zu ihren Einkommensverhältnissen, steuerfreien Aufwandpauschalen, zur Altersvorsorge oder zu Leistungen, seien es Nebeneinkünfte oder Reisen für jedermann, offen. Als „Vorbild“ für solche Transparenzschritte wird oft der SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber genannt, der zusätzlich zu den oben genannten Angaben auch Basisdaten seiner Steuererklärung, Erläuterungen zu seinem Abstimmungsverhalten und auch Gespräche mit Lobbyisten veröffentlicht (vgl. Kelber 2013). Angaben in diesem Maße sind jedoch freiwillig. Bis zu dem heutigen Zeitpunkt gibt es viele Politiker, die keine Angaben dazu machen, mit wem sie Gespräche führen oder woraus ihr Abstimmungsverhalten resultiert.
Die Forderung nach mehr Offenlegung ist jedoch schon lange in den Brennpunkt politischer Debatten gerückt und steht nicht im Konflikt mit der freien Mandatsausübung, wonach Abgeordnete nur ihrem Gewissen und ihrer Überzeugung unterworfen sind (vgl. Kolbe/Hönigsberger/Osterberg 2011: 59). Das bedeutet, Abgeordnete können sich weiterhin mit Unternehmern treffen und Informationen austauschen. Sie müssen es lediglich der Öffentlichkeit mitteilen. Lobbyisten und Abgeordnete sollten für einen öffentlich akzeptierten Lobbyismus in Zukunft erkennen, dass die Bürger einen Anspruch auf Transparenz haben. Die Öffentlichkeit möchte erfahren, wie viel Politiker und Lobbyisten tatsächlich verdienen, welche Interessen sie aus welchen Gründen vertreten und wer mit wem, mit welchem Hintergrund Gespräche führt. Zu berücksichtigen ist, dass die Transparenz- und Offenlegungspflichten nicht nur für jeden einzelnen Abgeordneten und Interessensvertreter gelten, sondern gesondert für jede Partei in Deutschland. Besonders Wahlkampffinanzierungen, direkte Spenden, Wahlkreisspenden oder andere geldwerte Zuwendungen müssen transparenter und auch schneller und detaillierter öffentlich gemacht werden (vgl. TI 2012: 9). Diese Forderungen sollten durch verbindliche Gesetze umgesetzt werden[13].
Tatsache ist, dass Lobbyisten mit ihrer Arbeit Druck auf die Gesetzgebung bzw. auf das Gesetzgebungsverfahren ausüben und sich dabei häufig der Mittel Geld und Macht bedienen, solange keine Transparenz herrscht. Auch wenn die Öffentlichkeit zunächst Entrüstung und Bestürzung über den tatsächlichen Machteinfluss der Wirtschaft auf die Politik verspüren könnte, so sollte dennoch nichts beschönigt werden. Auf längere Sicht kann nur radikale Transparenz und Offenlegung dabei helfen, Lobbyismus zu kontrollieren und korruptes Verhalten zu verhindern (vgl. Lösche 2006a: 65f.). Infolge obligatorischer Offenlegung würde die Verantwortung der moralischen Aufrichtigkeit jedes Einzelnen abnehmen (vgl. Speth 2006: 106). Und noch viel wichtiger: Das Spannungsfeld zwischen berechtigter Einflussnahme und versuchter Manipulation würde sich in der Zukunft entspannen und der problematische Graubereich verschwinden.
Gesetzeslücken schließen
In den deutschen Gesetzen sind die benannten Forderungen nach Transparenz, Kontrolle und Offenlegung in Form von bestimmten Anzeigepflichten grundsätzlich bereits aufgenommen. Im Hinblick auf den Lobbyismus müssen durch das PartG Spenden ab einer bestimmten Höhe angezeigt werden. Durch die Anlage 1 der GOBT werden die Abgeordneten verpflichtet, ihre Tätigkeiten vor ihrem Mandat und während ihres Mandates und auch das daraus resultierende Einkommen offen zu legen, wenn es 1.000 Euro im Monat bzw. 10.000 Euro im Jahr übersteigt. Auch müssen in Übereinstimmung mit der GOBT Spenden ab 5.000 Euro beim Bundestagspräsidenten angezeigt werden. Hinsichtlich der AVV, durch die der Personalaustausch von Politik und Wirtschaft legitimiert wird, soll durch einen jährlichen Bericht für Transparenz gesorgt werden. Auch bei den Gesetzen, die in Bezug auf Korruption von Bedeutung sind, werden Vorkehrungen getroffen. Mitglieder der Bundesregierung sind bspw. durch das BMinG verpflichtet, Geschenke, die sie bezüglich ihres Amtes erhalten, anzuzeigen. Auch müssen im Vollzug der Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung in regelmäßigen Abständen Berichte erstellt werden.
Auch TI bezeichnet vor allem das Abgeordnetengesetz und die Verhaltensregeln nicht nur als einen wichtigen sondern als einen notwendigen Schritt in Richtung auf eine transparente Volksvertretung (vgl. Eigen 2005: 1). Jedoch besteht hinsichtlich verbindlicher Gesetze immer noch ein enormer Änderungs- und Handlungsbedarf.
Transparenz und Offenlegung scheinen die Grundvoraussetzungen für einen korruptionsfreien Lobbyismus zu sein. Allerdings haben die in dieser Arbeit bereits ermittelten Ergebnisse und die Analyse der drei Fallbeispiele gezeigt, dass Politik und Lobbyisten keineswegs einsichtig sind und daher freiwillige Offenlegung nicht ausreicht. Ergo scheint ein Zwang durch Gesetze und somit schärfere Kontrollen unumgänglich.
Die bisherigen gesetzlichen Regelungen beziehen sich nur auf einen begrenzten Teil politischer Finanzierung. Um jedoch die Entwicklung politischer Korruption aufzuhalten, bedarf es der Offenlegung finanzieller Tätigkeiten in unterschiedlichen Situationen. Hierzu zählen bspw. Wahlkampagnen, Budgets der nationalen und lokalen Parteien, politische Finanzierung einzelner Politiker und die Leistungen von Interessengruppen, die politische Kampagnen unterstützen (vgl. Spönemann 2007: 38). Obwohl den Bundestagsabgeordneten bereits seit 2005 auferlegt ist, ihre Honorarzahlungen aus Nebentätigkeiten wie Funktionen in Aufsichts- oder Verwaltungsräten, Verbänden oder Interessenvertretungen offenzulegen, können diese nach Stufen gestaffelten Angaben nur Mindestbeträge aufzeigen (vgl. Lösche 2006a: 66). Ab Stufe drei, also ab einem Betrag von über 7.000 Euro, sind die Einkünfte der Abgeordneten nach oben hin offen, sodass ein großer Teil der Einnahmen im Unklaren bleibt. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass die obligatorischen Verhaltensregeln der GOBT im § 3 verändert werden.[14] Die Einkünfte aus Nebentätigkeiten müssen schließlich genau auf Euro und Cent angegeben werden, um die Verschleierung und Stückelung der tatsächlichen Nebeneinnahmen zu vermeiden. Nur wenn diese Angaben gemacht werden und darüber hinaus der Öffentlichkeit offenstehen, können bessere Kontrollen z.B. durch Journalisten und Recherchen funktionieren (vgl. Lösche 2006a: 66). Des Weiteren können Interessenkonflikte nur dann erkannt werden, wenn die Auftraggeber dieser Nebentätigkeiten genannt werden. Auch Unternehmen, Verbände und Organisationen, die im Bundestag oder in den Ministerialbürokratien kontinuierlich Lobbying betreiben, müssen dazu aufgefordert werden, Auskünfte über ihre Tätigkeit preiszugeben. Halbjährlich oder jährlich sollte angegeben werden, welches Ziel mit dem Lobbying verfolgt wird und welche finanziellen Mittel dafür aufgewendet werden (vgl. Lösche 2006a: 66f.).
Heutzutage ist nach Anlage 2 GOBT ein Eintrag in eine sogenannte Lobbyliste nur für Verbände obligatorisch. Die Fokussierung auf Verbände hat zur Folge, dass Lobbyisten aus Unternehmen, Vereinen, NGOs oder andere Lobbydienstleister hierbei nicht erfasst werden und somit nicht reguliert werden können. Im Gegensatz zu der Registrierung beim Europäischen Parlament fehlen in dieser Liste des Bundestagspräsidenten die verpflichtenden Angaben über Spenden und Dienstleistungen an Adressaten (vgl. Ahrens 2006: 134). Daraus ergibt sich die Forderung nach einer Lobbyliste, in die sich alle, die Lobbying betreiben, eintragen und auch Angaben über finanzielle Mittel machen müssen. Nur so kann die Vielfalt der Akteure und der Themen- und Politikbereiche des Lobbying der Öffentlichkeit aufgezeigt werden (vgl. TI 2012: 38). Die Anlage 2 GOBT ist dahingehend zu ändern, dass offengelegt werden muss, wer für welchen Auftraggeber, mit welchem Ziel und mit welchem finanziellen Aufwand tätig wird. Bei Verstößen müssen strikte Sanktionen folgen. Als Sanktionsmöglichkeit für Verbände bzw. Lobbyisten kann bspw. der Ausschluss von öffentlichen Anhörungen oder Anhörungen der Fachausschüsse durchgesetzt werden (vgl. Lösche 2006a: 67).
Die USA sind hingegen, in Fragen der Transparenz von Lobbyismus, Deutschland weit voraus. Der Lobby Disclosure Act von 1995 verpflichtet dazu, sowohl die Ausgaben für Lobbyismus als auch die Herkunft der Gelder vor allem bei Lobbyagenturen, die für unterschiedliche Kunden arbeiten, offenzulegen (vgl. Redelfs 2006: 337). Als Lobbyist gilt in den USA bereits jeder, der von seinem Halbjahreseinkommen mehr als 20 Prozent aus Lobbytätigkeiten verdient. Ist dies der Fall, so muss Rechenschaft darüber abgelegt werden, für welchen Kunden, zu welchen Themen und zu welchem Honorar gearbeitet wird (vgl. Redelfs 2006: 337). Mit Hilfe dieser Angaben kann nachvollzogen werden, wie hoch die finanziellen Leistungen von unterschiedlichen Verbänden und Unternehmen sind, um politische Vorgehen zu befördern. Teilweise werden die Angaben über den Austausch mit Politik und Verwaltung online in Datenbanken der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (vgl. Althaus 2004: 182). Im Vergleich dazu ist Deutschland noch weit entfernt von transparenter Lobbyarbeit.
Weiterer Handlungsbedarf besteht hinsichtlich des Einsatzes externer Mitarbeiter in den Ministerialbürokratien. Die AVV ist dahingehend zu ändern, dass ein Verbot über den Einsatz von „Leihbeamten“ ausgesprochen wird. Obwohl der Einsatz externer Personen die Expertise in den Bundesverwaltungen verstärken kann, ist die Gefahr von subjektiv geprägten Entscheidungen hoch. Ein externer Mitarbeiter, der weiterhin von einem anderen Arbeitgeber bezahlt wird, kann nicht vollständig neutral und loyal agieren. Aus diesem Grund sollte diese Erlaubnis auf Personen begrenzt sein, die bereits in bundesnahen Behörden, Anstalten des öffentlichen Rechts oder gemeinnützigen Körperschaften beschäftigt sind (vgl. Kolbe et al. 2011: 50).
Darüber hinaus ist auch eine Veränderung des Parteiengesetzes hinsichtlich der Transparenz von Spendeneinnahmen vorzunehmen. Die bisherige Regelung besagt, dass lediglich Spenden über 10.000 Euro im Rechenschaftsbericht verzeichnet oder ab 50.000 Euro beim Bundestagspräsidenten angegeben werden müssen. Diese Spenden können interessengeleitet sein und dem Gemeinwohl schaden. Die Demokratie kann somit in Folge von undurchsichtiger Parteienfinanzierung leicht ins Schwanken geraten, siehe Beispiele aus Italien oder Japan (vgl. Ederer 2005: 137). Der § 25 Abs. 3 PartG ist dementsprechend so zu verändern, dass bereits kleinere Summen offengelegt werden. Jede finanzielle Unterstützung über 2.000 Euro sollte veröffentlicht werden. Des Weiteren wird nicht nur erwartet, dass der genaue Betrag angegeben wird, sondern auch der Geldgeber sowie eine Erklärung zur Intention seiner Spende. Auf diese Weise kann die Bevölkerung deutlich nachvollziehen, wer die Parteien mithilfe von Spenden finanziert und inwieweit sich die Entscheidungen der Parteien schließlich an ihren Geldgebern orientieren.
Damit die Bürger an die amtlichen Informationen der Bundesbehörden gelangen können, bedarf es eines einheitlichen und bundesweiten Informationsfreiheitsgesetzes. Die bisherigen Regelungen einzelner Bundesländer reichen nicht aus, um für die gesamte Bevölkerung Transparenz zu gewähren. Ein Recht auf den Zugang zu amtlichen Informationen sollte eingeführt werden. Dies kann dazu führen, dass staatliches Handeln kontrolliert wird und die Bürger an staatlichen Aufgaben und der Gestaltung des Gemeinwesens mitwirken. Ein solches Informationsrecht kann auch zur Folge haben, dass politische Entscheidungen akzeptiert und nachvollzogen werden oder auch begründet kritisiert werden (vgl. Schoser 2005: 150). Problematisch wird es allerdings bei der praktischen Umsetzung dieses Informationsrechtes, da die Aufbereitung der zahlreichen Texte und Entwürfe für die Öffentlichkeit sehr viel Zeit der Ministerialbeamten und somit Kosten in Anspruch nehmen würde. Aus diesem Grund muss ein Weg gefunden werden, mit dem der Aufwand und der Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (vgl. ebd.: 151).
Letzten Endes gilt es vor allem das UN-Übereinkommen gegen Korruption in Deutschland zu ratifizieren und die verpflichtenden Maßnahmen umzusetzen. Knapp 150 Länder haben diese Konvention bereits unterzeichnet. Neben Deutschland fehlen Länder wie Syrien oder Saudi-Arabien (vgl. Kolbe et al. 2011: 50). Mithilfe dieses völkerrechtlichen Übereinkommens können der Korruption erstmalig weltweit Schranken gesetzt werden. Korruption wird hierbei vor allem in seinen unterschiedlichen Ausprägungen erfasst, sodass detailliert auf Maßnahmen eingegangen werden kann, die sowohl für die Prävention als auch für die Bekämpfung realisiert werden können (vgl. Martiny 2007: 196).
Wie bereits im Abschnitt 3.3 dargelegt, gibt es für Lobbyisten (z.B. degepol) einige freiwillige Verhaltensvorgaben durch den so genannten Code ofConduct oder den Code ofEthics. Diese Verhaltenskodizes können in jedem Unternehmen, jeder Organisation oder jedem Verein anders gestaltet werden. Grundsätzlich haben sich Präventionsmaßnahmen in dieser Form jedoch noch nicht flächendeckend etabliert (vgl. TI 2012: 175). Hilfreich wäre in Deutschland vor allem ein Code ofConduct, der speziell für Lobbyisten gemeinsame, moral-philosophisch begründete und verbindliche Verhaltensanweisungen gibt. Als Vorlage könnte der Code ofConduct des europäischen Parlaments dienen, der im März 2008 von den Brüsseler Lobbyisten angenommen wurde. Dort sind bspw. Grundsätze zur Offenheit, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit festgelegt. Alle Lobbyisten in Brüssel haben sich seitdem nach diesem Kodex zu richten. (vgl. Lösche 2006b: 340; EurActiv 2012). Dieser Kodex orientiert sich in besonderem Maße an der Demokratieverträglichkeit des eigenen Handelns (vgl. Lahusen/Jauß 2001: 134, 198). Bei der Erstellung eines Codes ofConduct für Lobbyisten in Deutschland sollte beachtet werden, dass dieser nicht nur als abstrakte Vorgabe aufgenommen wird, sondern insbesondere an das moralische Bewusstsein der Lobbyisten appelliert. Das ist jedoch nur möglich, wenn regelmäßig z.B. durch Workshops, Meetings und Gespräche mit Vorgesetzten die moralischen Grundsätze vermittelt werden. Lobbyisten sollten verinnerlichen, dass Korruptionsdelikte nicht nur langfristige ökonomische Schäden für Politik und Wirtschaft bringen, sondern auch ein ethisch-moralisches Problem darstellen (vgl. Braasch 2011: 257). Diese moralische Selbstkontrolle könnte die Durchsetzung und Anwendung einer gezielten Außenkontrolle per Gesetze erleichtern und fördern (vgl. Lösche 2006b: 341). Allerdings werden Gesetze umgangen und auch durch schärfere Gesetze würde sich nicht per se alles zum Guten wenden. Jedoch könnte dadurch zum kritischen Journalismus angeregt und so eine zusätzliche Kontrolle geschaffen werden (vgl. Lösche 2006a: 67).
Korruptionsregister
Um im Geschäftsverkehr zwischen Politik und Wirtschaft die Möglichkeiten im Hinblick auf Korruption einzudämmen und zudem präventiv vorzugehen, könnte ein Korruptionsregister eingeführt werden. Dort würden diejenigen Unternehmen namentlich eingetragen, deren Zuverlässigkeit in der Vergangenheit infolge schwerwiegender oder wiederholter Verstöße nicht gegeben ist. Diese Unternehmen könnten bundesweit zeitlich begrenzt oder auch auf Dauer vom öffentlichen Auftragswettbewerb ausgeschlossen werden (vgl. Banneberg/Schaupensteiner 2007: 218). So wüssten Politiker bereits zu Beginn, welchen Unternehmenslobbyisten sie vertrauen können. Folglich ergäbe sich ein freier und ungestörter Wettbewerb. Dies läge einerseits im Interesse einer pflichtbewussten und verantwortungsvollen Wirtschaft und andererseits im Sinne der Verbraucher und Steuerzahler. Ein solcher Ausschluss vom öffentlichen Auftragswettbewerb sowie die Wiederzulassung wäre jedoch nur durch gesetzliche Regelungen möglich (vgl. ebd.: 219).
Fünf-Jahres-Sperre – Karenzzeit schaffen
Die Methoden der Lobbyisten sind vielfältig (Abschnitt 3.1). Hierbei steht der Informationsaustausch zwischen Politik und Wirtschaft im Mittelpunkt und somit auch das Problem des Drehtür-Effekts. Dieser hat zu den negativen Assoziationen von Lobbying geführt und ist somit ein Symbol für den Graubereich des Lobbying (vgl. Kolbe et al. 2011: 71). Obwohl es bereits namentliche Beispiele wie Gerhard Schröder, Otto Schily oder Wolfgang Clement gibt, scheint dieses Problem nach wie vor ungelöst und nicht ernst genommen (vgl. Fiedler 2012; Lösche 2006a: 66). Aus diesem Grund sollte eine Sperre bzw. Karenzzeit für Abgeordnete, p arlamentarische Staatssekretäre, Minister oder höherrangige Ministerialbeamte geschaffen werden. Eine Sperre von fünf Jahren wird dann gefordert, wenn die beabsichtigte Tätigkeit n ach dem Ausscheiden aus dem Dienst mit den vorherigen Tätigkeiten übereinstimmt (vgl.Kolbe et al. 2011: 50).Mit dieser Sperre kann vermieden werden, dass der angesprochene Personenkreis die Kontakte und Verbindungen aus der Politik nutzt, um die Interessen des Unternehmens illegitim voranzubringen (vgl. Lösche 2006a: 66).
Allerdings wird von Regierungsseite argumentiert, dass eine Karenzzeit gegen Art. 12 GG verstoße, in dem die freie Berufswahl geregelt ist. Da aber ehemalige Mitglieder der Bundesregierung ohne gesetzliche Regelungen mühelos in die Lobbyarbeit wechseln und somit politische Kontakte zu ihrem privaten Nutzen missbrauchen könnten (vgl. TI 2012: 50), ist die Karenzzeitregelung unumgänglich.
Lobby-Landesombudsmann – Ansprechpartner für Hinweisgeber
Eine unabhängige und vor allem neutrale Einrichtung wie einen Ombudsmann gibt es in Deutschland nicht. Ein Ombudsmann ist eine neutrale und unabhängige Institution. Sie vertritt die Rechte der Bevölkerung gegenüber den Behörden und nimmt Beschwerden über staatliches Handeln an. Darüber hinaus verfügt sie über die Instrumente, um Sachverhalte aufzuklären und bei Bedarf Abhilfe zu schaffen. Die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung schreibt zwar eine Ansprechperson für Korruptionsprävention in jeder Stelle des Bundes vor, notwendig ist aber eine neutrale und vom Bund unabhängige Institution.
Laut dem Nationalen Integritätsbericht Deutschland von TI ist eine zentrale, bundesweite Einrichtung vor dem Hintergrund des föderalen Systems praktisch nicht umsetzbar. Außerdem sei ausreichend Möglichkeit gegeben, über kommunale Einrichtungen und Institutionen auf Bundes- oder Landesebene, wie Petitionsausschüsse, Beschwerden in verschiedenen Bereichen (u.a. Korruption) mitzuteilen (vgl. TI 2012: 103). Jedoch verweist der Bericht auch auf die vier Bundesländer Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Diese haben bereits seit einigen Jahren Bürgerbeauftragte, die für verschiedene Bereiche zuständig sind und deren Tätigkeiten ähnlich dem Ombudsmann-Modell konzipiert und gesetzlich verankert sind (vgl. TI 2012: 103). An dem System des Bürgerbeauftragten könnte hinsichtlich einer Lobbyismus-Anlaufstelle angesetzt werden. In allen Bundesländern könnte bspw. ein neutraler und unabhängiger Rechtsanwalt als Ansprechpartner für Bürger, Hinweisgeber und Selbststeller zur Verfügung stehen. Dieser unterläge selbstverständlich der Schweigepflicht und in Abstimmung mit dem Hinweisgeber sei zu entscheiden, ob der Fall an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden solle (vgl. Bannenberg/Schaupensteiner 2007: 224). Ein Ombudsmann in jedem Bundesland, der die Angelegenheiten zum Lobbyismus regelt, würde den notwendigen Schutz für Insider und Hinweisgeber, sogenannte Whistleblower geben. Viele Insider oder Täter schrecken davor zurück, auf dem direkten Weg mit den Ermittlungsbehörden in Verbindung zu treten. Eine neutrale Anlaufstelle mit Expertenwissen im Bereich des Lobbying könnte die Hürde senken, dass Wissen über Anzeichen von korruptem Lobbying zu teilen. Whistleblower spielen nicht nur in dem Bereich der eindeutigen Korruption eine wichtige Rolle, sondern auch beim Lobbying. Sie können dabei helfen, Delikte zu einem früheren Zeitpunkt aufzuklären und schlimmere Schäden zu vermeiden. Wichtig ist hierbei jedoch, dass die Anonymität gewahrt wird (vgl. ebd.: 28; Braasch 2011: 258). Im Idealfall könnten auf diese Weise Lobbying-Skandale, wie der Apothekenfall[15] im Dezember 2012, zu einem früheren Zeitpunkt aufgedeckt werden. Unterstützend und in engem Zusammenhang mit der Forderung nach einem Ombudsmann steht der §46b StGB, der Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten, besser bekannt als Kronzeugenregelung, vorsieht. Demnach ist bspw. eine Strafmilderung vorgesehen, wenn ein Täter „[…] durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat […] aufgedeckt werden konnte“(§ 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Strafverfolgung – Zentralstellen einrichten
Bisher ist ein Nachweis von korrupten Straftaten u.a. im Bereich des Lobbying meist dem Zufall überlassen. Ein Ermittlungserfolg hängt von den jeweiligen Fahndern ab. Erfahrungsgemäß hält eher das Risiko einer schnellen Tataufklärung und Verurteilung von der Tatbegehung ab, weniger hohe Strafen. Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, wenn neben dem Lobby-Landesombudsmann auch Zentralstellen zur Korruptionsbekämpfung bei Polizei und Justiz eingerichtet würden. Diese könnten eng mit dem Landesombudsmann zusammenarbeiten und die Strafverfolgung voranbringen (vgl. Banneberg/Schaupensteiner 2007: 223).
Überwachung
Zusätzlich zu den hier genannten Handlungsempfehlungen, die sich zumeist an die Judikative, Exekutive, Legislative und die öffentliche Verwaltung richten, könnte noch ein weiterer Personenkreis zum besseren Umgang mit Lobbying beitragen: die Bevölkerung. Durch die Mobilisierung der öffentlichen Meinung könnte öffentlicher Druck erzeugt und die Bürger zu „Wachhunden aus der Zivilgesellschaft“ werden (vgl. Redelfs 2006: 335). Dies wiederum würde investigative Journalisten zur Recherche animieren und eine zusätzliche Kontrolle darstellen. Voraussetzung dafür ist, dass dem investigativen Journalismus der nötige Entfaltungsspielraum gewährt wird (vgl. TI 2012: 10). Der in Abschnitt 3.1 erläuterte Bericht des TV Magazins Monitor im Jahr 2006 zeigt, dass Journalisten erfolgreich an der Aufdeckung von Skandalen mitwirken. Sie decken u.a. auf, dass Angestellte von Unternehmen unrechtmäßig in Behörden und Ministerien arbeiten und auch weiterhin von diesen bezahlt werden (vgl. Adamek/Otto 2008: 28). Daraufhin entstehen hitzige Diskussionen, eine Untersuchung des Bundesrechnungshofes wird durchgeführt und LobbyControl startet eingehende Kampagnenarbeit sowie Protestaktionen. Infolge dessen wird 2008 die AVV verabschiedet. Zwar finden sich immer noch einige Schlupflöcher und Probleme, aber grundsätzlich wurde der Einsatz externer Mitarbeiter durch die verbindliche Regelung stark eingeschränkt (vgl. Müller 2012).
Auch die Vertiefung und Ausweitung der Forschung in Bereichen der Korruption und des Lobbyismus leisten einen wichtigen Beitrag. Sie erhöht die Akzeptanz des Lobbyings in der Bevölkerung und lösenden undurchsichtigen Graubereich auf. Korruptions- und Lobbyismusforschung können bspw. auf empirischen Belegen evidenter, illegaler und korrupter Bereitstellung von Geldern oder auf der Analyse von Fallbeispielen gründen. Die zukünftige Ausweitung der Forschung kann zu einer Evaluierung und Bewertung der Effektivität der bestehenden Regeln und Gesetze führen (vgl. Lösche 2006: 67). So könnte durch Anwendung der Forschungsergebnisse schnell und regelmäßig auf Probleme, Fehler und Lücken reagiert werden.
Zwischenfazit
Die Handlungsempfehlungen zeigen, dass die Gesetzeslage in Deutschland verbessert werden muss, um eine transparente Gestaltung politischer Prozesse zu erreichen. Die Meinungen und Interessen aktiver Lobbyabteilungen müssen in der Öffentlichkeit und nicht im Verborgenen ausgetragen werden. Erst auf diese Weise lassen sich Verschleierungstaktiken umgehen und unlautere Tricks im Wettbewerb vermeiden (vgl. Ederer 2005: 143).
Um Maßnahmen zur Korruptionsprävention effektiv in den Ministerialbehörden umzusetzen, müssen die Amtsträger sie akzeptieren und als sinnvoll und notwendig erachten. Um allerdings Akzeptanz innerhalb der Behörden zu erreichen, muss gewährleistet werden, dass auch die politischen Führungskräfte sich solch strengen Maßstäben unterwerfen. Hierfür scheint die Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption unabdingbar. Entsprechende Gesetzesänderungen für Abgeordnete würden damit schließlich einhergehen. Infolge der Ratifizierung müssten die Strafrechtsnormen gegen politische Korruption verschärft werden. Solange jedoch nur die Beschäftigten in den Behörden für korrupte Verhaltensweisen bestraft werden, nicht aber die politischen Vorgesetzten, wird keine Akzeptanz seitens der Behörden erreicht (vgl. Bücker-Gärtner 2011: 486f.). Notwendig ist ein ganzheitliches Konzept, welches sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen beinhaltet (vgl. Braasch 2011: 259f.). Die Lücken in der Gesetzgebung müssen von der Legislative geschlossen werden, um größtmögliche Transparenz zu erreichen und die anhaltende Ausbreitung von Korruption zu stoppen (vgl. ebd.: 259). Strafmaßnahmen, Sanktionen und Kontrollen gilt es zu verstärken, um Druck von außen zu erzeugen (vgl. Braasch 2011: 257). Dafür müssen Ressourcen geschaffen werden, auch wenn gleichzeitig ein Personalabbau in den Behörden angestrebt wird. Sowohl Mitarbeiter oder Führungskräfte in der Wirtschaft als auch Amtsträger in Behörden oder Abgeordnete sollten von der Notwendigkeit begründeter Antikorruptionsnormen überzeugt werden. Verpflichtende Schulungen oder aufgezwungene Trainings werden allein nicht zum Erfolg gegen Korruption führen. Ziel muss es vielmehr sein, dass sich jeder Einzelne individuell verpflichtet fühlt, sich gegen korrupte Verhaltensweisen auszusprechen (vgl. Thiel 2011: 352f.). Denn die Anerkennung von ethischen Grundwerten wie Fairness oder Rechtstreue in der Gesellschaft bleibt weiterhin eines der wichtigsten Mittel gegen Korruption (vgl. Braasch 2011: 259f.).
Da der Wettbewerb von Ideen und Interessen eine offene und transparente Interessenvertretung und der Prozess der politischen Meinungsbildung zum Grundverständnis einer Demokratie gehören, darf Lobbyismus nicht vollständig reglementiert werden (vgl. Schoser 2005: 153). Eines der größten Probleme bei der Korruptionsbekämpfung stellen die häufig engen zwischenmenschlichen Interaktionen zwischen Lobbyisten und Politikern dar, die nicht bis ins Detail reguliert werden können. Darüber hinaus muss auch berücksichtigt werden, dass die Grenzen zwischen legitim und illegitim stets im Ermessen des Einzelnen liegen. Aus diesem Grund gilt es weiterhin Transparenz zu schaffen (vgl. Wehrmann 2007: 59).
Letztendlich ist festzuhalten, dass der Austausch von Informationen grundsätzlich legal und legitim ist. Der Austausch und die Vergabe von Geschenken oder Posten zum persönlichen Vorteil müssen schließlich sowohl rechtlich verboten als auch moralisch verurteilt werden.
7. Fazit
„Politik ist der wichtigste Markt eines Unternehmens.“ (Köppl 2003: 84)
In diesem Fazit werden die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammengefasst. Das Ziel der Arbeit war, die Grenze zwischen legitimer Interessenvertretung und Korruption zu analysieren.
Um diese Analyse durchführen zu können, wurden im zweiten Kapitel zunächst die theoretischen Grundbegriffe definiert und erläutert. Von besonderer Bedeutung war dabei die Definition der Korruption. Denn diese Definition fungierte in der gesamten Arbeit als Maßstab bzw. Kriterium, um zu beurteilen inwieweit der Lobbyismus als solcher, die verschiedenen Differenzierungen und Methoden des Lobbyismus und die drei in der Arbeit aufgeführten Fallbeispiele die Grenze zur Korruption überschreiten oder nicht.
Bevor diese Prüfung oder Beurteilung durchgeführt werden konnte, war es notwendig im dritten Kapitel die theoretischen Grundlagen zu vertiefen. Dazu wurden sowohl die Differenzierungen und Methoden des Lobbyismus als auch die gesetzlichen Grundlagen und Regulierungen aufgezeigt und im Detail erläutert. Ebenso wurde im dritten Kapitel der Unterschied zwischen positiven und negativen Aspekten des Lobbyismus ausgewiesen. Zu den positiven Aspekten gehört u.a. die Politikberatung. Obwohl die Informationen der Experten interessengeleitet sind, nehmen Abgeordnete und Ministerialbeamte Expertenwissen sowie Argumentationshilfen an. Da ihnen dieses Wissen andernfalls nicht im gleichen Umfang zur Verfügung stünde, entlasten sie somit ihren Berufsalltag.
Zu den in dieser Arbeit nachgewiesenen negativen Aspekten des Lobbyismus gehört u.a. die Beeinflussung der Politiker durch den Informationsfluss der Interessenvertreter. Diese Abhängigkeit zwischen Politikern und Unternehmern steigt, je weniger Ressourcen die Politiker selbst besitzen. Diese Ressourcen sind aber wichtig, um der Macht der Unternehmen eine eigene, unabhängige Expertise entgegenzustellen. Diese würden verhindern, dass die Lobbyabteilungen der Unternehmen, bspw. durch finanzielle Mittel, ihre Interessen durchsetzen.
Um die Problematik des Graubereiches zu verdeutlichen, wurden im vierten Kapitel drei Fallbeispiele beleuchtet. Das zentrale Kapitel der Arbeit ist das fünfte Kapitel, denn hier wurde die bereits oben aufgeführte Prüfung oder Beurteilung des Lobbyismus aufbauend auf den theoretischen Grundlagen anhand der Definition von Korruption geprüft. Basierend auf die fünf Kriterien der Korruptionsdefinition wurde bei der Prüfung nachgewiesen, dass Lobbyismus nicht zwangsläufig mit Korruption gleichzusetzen ist. Lediglich das vierte und fünfte Prüfkriterium der Korruptionsdefinition führten im Hinblick auf die Beantwortung der Forschungsfrage näher an die Grenzlinie zur Korruption heran. Diese Prüfung erzielte das Ergebnis, dass Lobbyismus vielfältige Formen annehmen kann und daher der Einzelfallprüfung bedarf.
Anschließend wurden in diesem Kapitel die Differenzierungen und Methoden des Lobbyismus untersucht. Unternehmen nutzen verschiedene Arten von Lobbying mit unterschiedlichen Methoden. Zu den Methoden gehören erstens die Sammlung, Aufbereitung und Weitergabe von Informationen, zweitens die Kontaktpflege, drittens weitere Instrumente, wie bspw. die Bildung von Allianzen und viertens die Aktionsformen, wie bspw. das Anfüttern. Die Prüfung der drei erstgenannten Methoden führte zu dem Ergebnis, dass die Anwendung dieser Methoden nicht zwangsläufig zur Korruption führen. Hier ist aber vor allem entscheidend, auf welche Art und Weise der Lobbyist an die Informationen gelangt und wie er sie daraufhin nutzt. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der Kontaktpflege. Ausschlaggebend ist der Umgang der Lobbyisten mit ihren Kontakten. Auch hier bedarf es einer Einzelfallprüfung. Bei den Aktionsformen ergab die Prüfung jedoch, dass von Korruption gesprochen werden kann, wenn eine Abhängigkeit zwischen Unternehmern und Politikern vorhanden ist, bspw. bei einer Abhängigkeit von ökonomischen Tauschgütern.
Zu den Differenzierungen des Lobbyismus gehören In-House, Agentur, Entsendung externer Mitarbeiter, Built-In, Nebeneinkünfte, Parteispende und Sponsoring. Die Prüfung der Differenzierungen ergab, dass die Entsendung externer Mitarbeiter nicht als Korruption bezeichnet werden kann. Die Entsendung kann aber illegitim sein, wenn externe Mitarbeiter das Parlament bzw. Ministerialbehörden verlassen, aber ihre dort geknüpften Kontakte im Sinne des Unternehmens ausnutzen. Gut geknüpfte Kontakte werden auch beim Drehtür-Effekt genutzt. Gleiches gilt für Built-In. In puncto Nebeneinkünfte wurde nachgewiesen, dass dieser Differenzierungspunkt nicht per se im Bereich der Korruption liegt. Ausschlaggebend ist auch hier wieder eine moral-philosophische Bewertung der Öffentlichkeit. Hinsichtlich der Parteispenden und des Sponsorings wurde wiederum ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Politikern und Vertretern der Unternehmen festgestellt, welches eine Gefahr der legitimen Einflussnahme darstellen könnte.
Die Prüfung der Differenzierungen und Methoden des Lobbyismus führte insgesamt zu dem Zwischenergebnis, dass sich, wie bei der Prüfung des Lobbyismus als solcher, lediglich teilweise Übereinstimmungen mit Korruption ergeben. Diese reichten aber noch nicht aus, um die Forschungsfrage zu beantworten. Daher wurden anschließend die drei Fallbeispiele einer Prüfung unterzogen.
Bei der Prüfung der drei Fallbeispiele anhand der Korruptionsdefinition wurden die folgenden Ergebnisse erzielt: Der erste Fall, Schreiber und die CDU-Spendenaffäre, ist eindeutig Korruption zuzuordnen, da alle fünf Prüfpunkte erfüllt wurden. Für den zweiten Fall, die EnBW-Affäre um Mappus und Notheis und den dritten Fall, Glaeseker und der Nord-Süd-Dialog, konnte kein klares Urteil gefällt werden. Beide Fälle bewegen sich in der Grauzone zwischen legitimer Interessenvertretung und illegitimer Einflussnahme, weil sich keine Übereinstimmung in allen fünf Punkten ergab.
Die drei zentralen Ergebnisse vom fünften Kapitel sind: Erstens, dass Lobbyismus nicht generell der Korruption zugeordnet werden kann. Zweitens, dass ein großer Graubereich besteht und drittens, dass es stets der Einzelfallprüfung bedarf, um zu beurteilen, ob Korruption vorliegt.
Aufbauend auf diesen Ergebnissen und insbesondere aufgrund des nachgewiesenen Graubereiches wurden im sechsten Kapitel Handlungsempfehlungen abgeleitet und begründet. Die einzelnen abgeleiteten Handlungsempfehlungen waren Transparenz, Schließen von Gesetzeslücken, Korruptionsregister, Karenzzeit, Landesombudsmann, Strafverfolgung und Überwachung. Von besonderer Wichtigkeit sind die Transparenz sowie das Schließen von Gesetzeslücken. Im puncto Transparenz sollten zum einen sowohl Lobbyisten als auch Politiker ihren Interessenaustausch und somit ihre Methoden und Ziele offenlegen. Zum anderen müssen ebenfalls Strafverfolgungen und fragwürdige Lobby-Fälle öffentlich gemacht werden.
Die zweite Handlungsempfehlung, die sich auf die Schließung von Gesetzeslücken bezieht, zielt darauf ab, dass die bisherigen gesetzlichen Regelungen, vor allem hinsichtlich der Parteispenden, der Nebeneinkünfte für Abgeordnete sowie der Lobbyliste, verändert werden müssen, um die Transparenz zu erhöhen. Vom Einsatz externer Mitarbeiter ist gänzlich abzusehen. Gleichzeitig ist die Einführung obligatorischer Verhaltenskodizes vorzunehmen, um an das moralische Bewusstsein der Lobbyisten zu appellieren.
Auf die zu Beginn formulierte Forschungsfrage, wann Lobbyismus die Grenze zur Korruption überschreitet, kann die folgende abschließende Antwort formuliert werden:
Zwischen Lobbyismus und Korruption kann keine eindeutige Grenze gezogen werden. Vielmehr besteht, wie bereits anfänglich vermutet, in der Tat ein breiter Graubereich. Folglich muss daher von Fall zu Fall unterschieden werden, ob es sich um eine legitime Interessenvertretung oder bereits um eine Straftat handelt.
„Die Ironie von Korruption liegt darin, dass ihre Definition dort am schwierigsten ist, wo sie am wichtigsten wäre.“ (Spönemann 2007:3)
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[...]
[1] Nepotismus meint die normwidrige Bevorzugung von nahestehenden Personen, Freunden oder Verwandten bei der Vergabe von Stellen. Dies geschieht ohne Rücksicht auf Qualifikationen (vgl. Mahadevan 2008: 14).
[2] Verhaltensanforderungen oder Verhaltenserwartungen in einer Gesellschaft oder Gruppe. Normative Regelsysteme sind bspw.: Moral, Recht, Religion und Konvention(vgl. Koller 1997: 53f.).
[3] Die Allianz pro Schiene e.V. ist ein Verband, der sich als Ziel gesetzt hat, den Schienenverkehr in Deutschland zu verbessern.
[4] Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäftigten (externen Personen) in der Bundesverwaltung (AVV)
[5] Parteispenden sind jedoch nicht gänzlich unbeschränkt. Begrenzungen und Pflichten sind im Parteiengesetz geregelt. In Abschnitt 3.2 ist das PartG noch einmal näher erläutert.
[6] D.h. alle Parteien und nicht nur diese, die im Parlament vertreten sind.
[7] Wie z.B. Dienstjubiläen oder Geburtstage
[8] Bspw. eine angemessene Bewirtung im Rahmen einer Betriebsbesichtigung
[9] Die besonders korruptionsgefährdeten Arbeitsgebiete werden regelmäßig durch Risikoanalysen festgestellt (Ziffer 2 Richtlinie)
[10] Annahme von Geld-, Sach- oder Dienstleistungen durch Private
[11] In Ausnahmefällen bzw. außerhalb der Eingriffsverwaltung ist Sponsoring weiterhin erlaubt. Dies bspw. bei der „[…]Finanzierung öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen der Polizei, […] in den Bereichen Kultur, Sport, Gesundheit, Umweltschutz, Bildung und Wissenschaft, der Außenwirtschaftsförderung sowie bei der politischen Öffentlichkeitsarbeit im In- und Ausland und bei repräsentativen Veranstaltungen der Bundesregierung (Ziffer 3.2.1 und 3.2.2 AVV Sponsoring). Die Ausnahmen gelten jedoch nur dann, wenn eine Beeinflussung der Bundesverwaltung auszuschließen ist (vgl. ebd.: Ziffer 3.2.2)
[12] Siehe Handlungsempfehlungen zur Rechtslage, S. 56
[13] Siehe Handlungsempfehlungen zur Rechtslage, S.56
[14] Es gibt dazu jedoch bereits neue Vorschläge, die ein zehnstufiges Modell beinhalten.
[15] Der Apothekenfall handelt von einem Lobbyisten der Apothekerschaft, der jahrelang geheime Regierungsunterlagen ausspioniert haben soll (vgl. Kuhrt 2012).
- Citation du texte
- Magdalena Franz (Auteur), Helena Nohmann (Auteur), Nicole Schülmann (Auteur), Laura Strzedzinski (Auteur), Anne Vollmer (Auteur), Dagmar Borchers (Éditeur), Maximilian Hohmann (Éditeur), Sandra Kohl (Éditeur), 2013, „Der unsichtbare Händedruck“: Unternehmenslobbyismus zwischen legitimer Interessenvertretung und Korruption?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286970
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