Das Imperial War Museum (IWM) in London hat laut Holtschneider die Zielsetzung, die eigene Nation nach innen und außen zu repräsentieren, um dadurch (vorrangig bei den einheimischen Besuchern) zu einem Bewusstsein für die Geschichte und Identifikation Großbritanniens
beizutragen (S.19). Zentral sei hierbei der Gedanke der Einheit: So gehe das Museum von einer weitestgehend homogenen Gruppe an Besuchern aus und suche ein geschlossenes Bild der
englischen Geschichtsschreibung aufzuzeigen, was eine gewisse 'nationale Eintracht' indizieren solle (S.19). Eine Ausstellung zum Holocaust passe demnach thematisch eigentlich nicht in das Konzept des IWM, da dieses die militärischen Auseinandersetzungen Großbritanniens ab 1910
darzustellen suche, die Schoa jedoch in Gebieten stattfand, in denen zu der Zeit keine britischen Truppen aktiv waren (S.22). Die Exposition zur Schoa befindet sich getrennt von der linearen
Geschichtsdarstellung des Landes und ebenso lokal separiert von der Ausstellung zu 'Verbrechen gegen die Menschheit' (S.21).
Zusammenfassung zu dem Buch „The Holocaust and Representation of Jews - history and identity in the museum“ von K.Hannah Holtschneider
⃗ Leitfrage: Wie wird 'Jüdischkeit' in den beiden Museen dargestellt?
Kontexte und Zielsetzung der beiden Ausstellungen
- Das Imperial War Museum (IWM) in London hat laut Holtschneider die Zielsetzung, die eigene Nation nach innen und außen zu repräsentieren, um dadurch (vorrangig bei den einheimischen Besuchern) zu einem Bewusstsein für die Geschichte und Identifikation Großbritanniens beizutragen (S.19). Zentral sei hierbei der Gedanke der Einheit: So gehe das Museum von einer weitestgehend homogenen Gruppe an Besuchern aus und suche ein geschlossenes Bild der englischen Geschichtsschreibung aufzuzeigen, was eine gewisse 'nationale Eintracht' indizieren solle (S.19). Eine Ausstellung zum Holocaust passe demnach thematisch eigentlich nicht in das Konzept des IWM, da dieses die militärischen Auseinandersetzungen Großbritanniens ab 1910 darzustellen suche, die Schoa jedoch in Gebieten stattfand, in denen zu der Zeit keine britischen Truppen aktiv waren (S.22). Die Exposition zur Schoa befindet sich getrennt von der linearen Geschichtsdarstellung des Landes und ebenso lokal separiert von der Ausstellung zu 'Verbrechen gegen die Menschheit' (S.21).
- Das Jüdische Museum Berlin (JMB) verfolgt laut Holtschneider ein gänzlich anderes Ziel als das IWM: Es möchte die Vorstellungen der deutschen Bevölkerung von Juden „mit postiven Inhalten füllen“, nachdem diese sonst immer mit den negativen Aspekten der deutsch-jüdischen Geschichte konfrontiert seien. Zudem wolle man allgemeiner gefasst ein Bewusstsein für mehr Toleranz und Umgang mit Minoritäten, insbesondere der jüdischen, schaffen (S.80-81). Seit dem Jahre 1990 werde die Idee des „Integrativen Konzeptes“ verfolgt, was bedeutet, dass Geschichte aus Sicht der jüdischen Bürger erzählt werden sowie Juden als integrativer Teil der deutschen Bevölkerung dargestellt werden sollen. Die im Herbst 2001 eröffnete Dauerausstellung zum Thema Schoa nehme innerhalb des Museums nicht mehr Platz ein als andere Geschichtsteile auch, wodurch der Eindruck verhindert werden solle, dass die anderen Teile nicht eine Art 'Vorgeschichte' zum Holocaust seien. Im Vorlauf der Eröffnung habe es viele Wirren und Diskussionen über Ansatz, Kontextualisierung, Ausrichtung gegeben, seither werde die Exposition stetig weiter entwickelt (S.84-86).
Konzeptionen der beiden Ausstellungen
- Das Imperial War Museum biete laut Holtschneider einen narrativen, lineraren Weg durch seine Ausstellung, beginnend mit der NS-Ideologie. Ziel dieses Ansatzes sei es laut der Konzeptoren, dadurch ein klares, einheitliches Bild, eine gute und verständliche Übersicht zum Holocaust zu geben. Die Besucher sollten sich nicht in die Geschichte hineinfühlen oder mit den Opfern identifizieren, vielmehr sollten sie ein „ganzheitliches Erlebnis“ bekommen, wörtlich „wie bei einem griechischen Drama“ rein als Beobachter agieren. Die britische Rolle im Krieg, sowie die Frage, wie viel die englische Bevölkerung vom Holocaust wusste, würden stark ausgeklammert. Nach jedem Abschnitt innerhalb der Exposition seien Berichte jüdischer Überlebender eingefügt, die später nach Großbritannien ausgewandert sind, um hiermit einen reflektierenden Moment zu ermöglichen (S.26-27). Audio-Guides und zusätzliches Lernmaterial für Schülergruppen böten zwar eine vielseitigere Beschäftigung mit den historischen Quellen sowie dem Konzept der Ausstellung, jedoch seien diese nicht zugängig für Individualbesucher. Ein Ausbau dieses Ansatzes sowie eine Vergrößerung des Infoangebotes auf den Webseiten sei jedoch in Planung (S.77).
Die Autorin kritisiert, dass die Besucher anhand der Täterperspektive durch das Museum geführt würden, sodass alle Schritte der Nazionalsozialisten als geplant erschienen, was so nicht der historischen Realität entspräche (S.28-29, S.31-32). Zudem suggeriere das Fehlen mehrerer Sichtweisen dem Betrachter, dass er die komplexen Verhalte nicht selbst durchschauen und ergründen könne. Dies führe in weiterer Konsequenz dazu, dass die Bedingungen und Umstände der NS-Zeit nicht auf die Gegenwart bezogen werden könnten (S.28-29). Des Weiteren kritisiert Holtschneider den Einsatz der Überlebendenberichte: Diese würden eher als „postive Beweise“ für das Stattfinden der Schoa dienen, als alternative Sichtweisen zu der Narrativen zu bieten (S.38-39). Noch schärfer fällt ihre Kritik an den begehbaren Szenerien und ähnlichen Mitteln des Museums aus: Hier stellt sie die Frage, in wie weit das Museum auf Unterhaltung der Besucher ausgelegt sei und damit den Geschehnissen nicht gerecht werde, statt auf einer historischen, mehr authentischen Ebene zu bleiben. Hier sieht sie die Gefahr, dass der Holocaust als ein „Spektakel“, die Besucher zu dessen „Schauspielern“ würden (S.24-25).
Insgesamt jedoch bewertet die Autorin das Konzept der Exposition als eine gute Führung für Besucher mit wenig Vorkenntnissen, jedoch gebe es genau diesen wenig Chance, die Komplexität des Themas zu erkennen und sich so ein vielseitigeres Bild vom Holocaust zu machen. Die abgerundete Darstellung der NS-Zeit führe dazu, dass Besucher wenig zu Fragen und kritischem Reflektieren, sowie zu weiterführenden Fragen angeregt würden (S.41, S.43-44).
- Das Jüdische Museum Berlin finde sich in einem weit schwierigeren Kontext als das IWF, was sich wohl mit auf seine Konzeptionierung ausgewirkt haben dürfte: So seien vor dem Zweiten Weltkrieg jüdische Museen in Deutschland hauptsächlich Selbstdarstellungen von Juden über ihre Religion und Kultur gewesen, während die Ausstellungen nach 1945 fast ausschließlich öffentliche Einrichtungen, konzipiert von und für Nicht-Juden, seien. Alle diese müssten sich gezwungenermaßen mit dem Thema Holocaust auseinandersetzen und sich zu der Nazi-Ideologie und -vergangenheit positionieren. Größtenteils beschränken sich diese Museen auf historische Darstellungen, die mit der Schoa enden. Diskussionen und Ausstellungen zum heutigen Judentum und verschiedenen jüdischen Identitäten innerhalb Deutschlands gebe es noch sehr wenig (S.79-80). Das JMB biete im Gegensatz zum IWM keine geradlinige Narrative durch die Ausstellung. Vielmehr gebe es hier drei Achsen, anhand derer sich der Besucher seinen eigenen Weg durch die Exposition suchen könne. Neben der „Achse des Exils“, die sich mit der Emigration seit den 1930er Jahren befasse, zweigten sich noch die „Achse des Holocaust“, in der man einzelne Schicksale verfolgen könne, sowie die „Achse der Kontinuität“ ab. Letztere suche Einblicke zu verschaffen in die Definitionen von Juden innerhalb Deutschlands und der deutschen Gesellschaft. Dabei versuche sie, nicht in die Kategorien 'Deutsch' und 'Jüdisch' einzuteilen und stattdessen die Kontinuitäten sowie Einbrüche in der Beziehung Deutsche-Jüdische-Bevölkerung aufzuzeigen (S.90-93).
Weiterhin gegliedert zeige sich die Ausstellung durch eine Leitlinie für Erwachsene sowie eine für Kinder, sodass sich die ganze Familie mit dem gleichen Thema, aber auf einem ihm zugeschnittenen Niveau beschäftigen könne (S.97).
Die Architektur des Gebäudes, beispielsweise durch den hohen, dunklen 'Holocaustturm' sowie weitere stimulierende Elemente, sollen die Besucher die Geschichte mit allen Sinnen wahrnehmen lassen. Manko dieser Bauweise sei jedoch laut Holtschneider, dass man muss sich für einen Weg entscheiden müsse und sich so keine Pick-and-Mix-Möglichkeiten der unterschiedlichen Achsen ergäben. Zudem sei die künstlerische Gestaltung nicht selbsterklärend, sodass der Besucher einiges an Geografie- und Geschichtswissen mitbringen müsse, um die Konzeption sowie die einzelnen Installationen verstehen zu können. Als einen weiteren Schwachpunkt sieht sie, dass nicht nur die architektonische, sondern auch die inhaltliche Konzeption der Ausstellung einiges an Vorwissen erforderten. So werde wenig historische Führung geboten, stattdessen gäbe es viel 'personalisierte Geschiche'. Dies sei einerseits gut, da die Besucher so einen einfacheren Zugang zu den komplexen und abstrakten historischen Vorgängen bekommen, andererseits gehe so der Fokus von der Darstellung einer politisch-sozialen Entwicklung hin zu einem privaten, individualen Darstellen. Das Studium der zahlreichen Briefe und anderer Zeugnisse verlange ein großes Quantum an Zeit, was den Anforderungen der Durchschnittsbesucher widerspreche. Zudem werde hierbei erwartet, dass die Besucher die vielen persönlichen Gegenstände in den historischen Kontext einbetten könnten, was so nicht voraussetzbar sei. Trotz dieses sehr personalisierten Zuganges zur Geschichte werde auch hier, wie im Imperial War Museum, keine Identifikation mit den Opfern angestrebt (S.93-95, S.100-101).
Fortschritte erkenne die Autorin jedoch in mehreren Bemühungen des Museums: So seien im Jahre 2009 die Internetseiten des Museums komplett überarbeitet worden. Diese böten den Interessierten nun auch Zugang zu den Konzepten, Ideen und Vorstellungen der Museumsbetreiber. Seit neuerer Zeit stünden zudem auch Audio-Guides für verschiedene Altersund Interessensgruppen bereit, die das Ausstellungskonzept ebenfalls kritisch beleuchteten. Ausserdem gäben temporäre Ausstellungen eine gewisse Balance zu der „totalitären“ PermanentAusstellung (S.112-113).
Darstellung von 'Jüdischkeit' in den beiden Ausstellungen
- Das Imperial War Museum habe grundsätzlich mit einer Identifikations- bzw. einer Zugangsproblematik zum Thema zu kämpfen: So seien die meisten Besucher nichtjüdische Engländer, während die Opfer des Holocaust nichtbritische Juden gewesen seien und nichts mit dem British Empire zu tun gehabt hätten (S.26). Umso wichtiger erscheint also die Verantwortung, einen guten Überblick zu vermitteln, was das Judentum und seine Anhänger auszeichnet(e). Die eingesetzten Überlebendenberichte späterer Einwanderer erschienen der Autorin hierbei, wie bereits oben weiter geschildert, als misslungenes Mittel zur Überbrückung dieser Distanz (siehe Kapitel „Konzeptionen der beiden Ausstellungen“).
Jüdisches Leben vor dem Holocaust werde kaum thematisiert. Die ausgewählten Bilder von Juden zeigten entweder assimilierte Leute oder streng religiöse Männer, die dem Besucher vermittelten, „die sind anders als wir“. Der Fokus liege in diesem Bereich rein auf den Umständen, unter denen der Nationalsozialismus aufgekommen sei, Juden würden lediglich aus der Sicht von Ausgrenzung und Vernichtung gezeigt. So bekämen diese eine passive Rolle zugeschrieben, die dem Besucher wenig Möglichkeit lasse, auch die Ansichten der Opfer kennen zu lernen (S.32-33).
Die wenigen spezifisch jüdischen Gegenstände, die gezeigt würden, seien allesamt im Kontext der antisemitischen Propaganda ausgestellt. Auch wenn hier eine farbliche Abhebung durch schwarzen (propagandistische Stücke) bzw. weißen (jüdische Stücke) Hintergrund vermitteln solle, wie Judentum immer in Nähe zu Antisemitismus existiert habe, werfe dies ein verzerrtes Licht auf die jüdische Kultur. Bis auf den Eingangsraum gäbe es keinerlei jüdische Selbstdarstellung, was zur Folge habe, dass sie Besucher ihren Eindruck von „Was sind Juden?“ hauptsächlich durch die Perspektive der Täter erhielten. Die Konzeptoren gingen hierbei also davon aus, dass die Besucher in jedem Fall unterscheiden könnten zwischen NS-Darstellungen und jüdischer Selbstpräsentation, was so nicht vorausgesetzt werden könne. Somit entstünde bei den Besuchern schnell ein verzerrtes Bild von Juden als eine homogene Masse, die mit dem Begriff Opfer gleichgesetzt und auf abstrakterer Ebene sogar zum Inbegriff für menschliches Leiden erkoren werden könnten (S.35-38). Dabei würden Juden nicht nur passiv und als eine einheitliche Masse dargestellt, sondern auch unfähig, ihre eigene Situation einzuschätzen, für sich zu sprechen oder gar aktiv zu handeln. Auch hier dominiere immer die Täterperspektive. So zieht Holtschneider das Beispiel der Ghetto- Darstellung heran, wo kulturelle, religiöse und politische Aktivitäten der jüdischen Bewohner nur gestreift würden, wohingegen das Augenmerk auf der Ausbeutung der Menschen und ihrer Vernichtung in den Todeslagern liege (S.40). Auch bei der Auswahl der Bilder beschränke sich das Museum hauptsächlich auf Material von Tätern sowie Befreiern. Angesichts der oftmals gewalttätigen sowie pornografischen Darstellungen dränge sich hierbei die Frage nach Würde und Respekt gegenüber den gezeigten Opfer auf. So würden Befreieraufnahmen mit leichenzusammenkehrenden Bulldozern und völlig ausgemerkelten Häftlingen, die seinerzeit auf einen Schock- und Lerneffekt bei der deutschen Bevölkerung abzielten, bei den heutigen Besuchern zu Abstoßung und damit zu wenig Empathie und Identifikation mit den Opfern führen (S.76). So würde dies zu einer Manifestation der Denkkategorien „wir“ ↔ „die anderen“ beitragen, ein Denken, wie es auch die Nazis fokussiert hätten (S.43-44). Die starke Überrepräsentation der Täterseite sowie mangelnde Impulse zum kritischen Reflektieren des Gezeigten könnten demnach schnell zur Stärkung antisemitischer Vorurteile führen (S.35-38). So stellt Holdtschneider schließlich die Frage, ob mit einer derartigen Darstellung von Juden und 'Jüdischkeit' nicht sogar die Wirkungen bei den Besuchern erreicht würden, die auch die NS-Führung bei ihren Ausstellungen zu Judentum beabsichtigten (S.77).
- Das Jüdische Museum Berlin sagt schon in seinem Namen, dass es sich dem Thema Judentum und 'Jüdischkeit' widme. Hierbei stelle sich jedoch die Frage, ob es gut sei, durch den Namen „Jüdisches Museum“ anzuzeigen, dass Juden eine gesonderte Gruppe an Menschen sei, die ausserhalb der Gesellschaft stünden. Dies sei zwar mit Blick auf die Geschichte gerechtfertigt, mache es den Besuchern aber gleichzeitig schwer, einen Zugang zur jüdischen Minorität zu bekommen und sie als Teil ihres Volkes zu begreifen, ja auch nur eine passende Terminologie zu finden, um über sie zu sprechen und sich zu ihnen zu positionieren (S.102, S.82). Insbesondere, da im Laufe der Ausstellung kein klares Bild vermittelt werde, was oder wer jüdisch sei, sowie Diskussionen um die Definition von Juden und was sie als Gruppe verbinde, konsequent gescheut würden. So müsse sich der Besucher seine Antworten in jedem Segment neu zusammensammeln, die Religion sowie die Frage „Was heißt es, Jude zu sein?“ würden kaum verständlich gemacht und erschienen eher als etwas Soziologisches. Das Segment zu jüdischem Alltag suggeriere zudem unrichtigerweise, dass nur Männer im religiösen Leben etwas zählten und darin involviert seien, über das normale Leben jüdischer Frauen hingegen erführe man nichts (S.101, S.105-107).
Auf der „Achse der Kontinuität“ sollen die positiven Aspekte der deutsch-jüdischen Geschichte dargestellt werden. Im Vordergrund stünden hierbei die Themen Eingliederung und Assimilation der Juden in die deutsche Gesellschaft, jedoch würden auch die Probleme aufgezeigt, die sich für die Juden durch eine Emanzipation ergaben (Identitätsproblematik, Vereinbarkeit beider Identitäten in Einstellungen sowie Alltag) (S.103). In diesem Zusammenhang präsentiere die Ausstellung auch Erfolge und Errungenschaften deutscher Juden für die sie umgebende deutsche Gesellschaft in den verschiedenen Bereichen (Wirtschaft, Technik, Kunst, Literatur etc.) und suggeriere dabei, dass den Deutschen etwas fehlen würde, hätten sie diesen zusätzlichen Input nicht gehabt. Die Deutschen sollten Leistungen bekannter Persönlichkeiten wie Heinrich Heine oder Albert Einstein nicht als ihre Eigenen ansehen und feiern (S.104).
Liege der Schwerpunkt vor der Haskala auf den Gemeinsamkeiten Deutscher und Juden sowie ihrer teils guten, teils problematischen Beziehung zueinander über die Jahrhunderte hinweg, so trete ab der Jüdischen Aufklärung vor allem die Frage nach Identität in den Vordergrund. Hier würden Juden einseitig als gut integrierte Bürger gezeigt, die Vielfalt jüdischer Lebenswelten absolut mangelhaft dargestellt (S.104-105). Besonders das Thema der Konvertiten und ihrer Identität würden vernachlässigt, was gerade im Blick auf die spätere Kategorisierung durch die Nazionalsozialisten ein großes Manko sei (S.110). Bis zum Beginn der Weimarer Republik würden Juden als zunehmend nicht mehr unterscheidbar von den Deutschen gezeigt, was als Erfolgsergebnis der 'Judenemanzipation' celebriert werde. Erst mit den 20er Jahren trete der Aspekt des Antisemitismus auf und erscheine damit als plötzliches und wurzelloses Phänomen (S.108).
Im Bereich der NS-Zeit sei die Narrative anhand von 'Schlüsselindividuen' gestaltet, denen man durch die Ausstellung folge. Hierbei werde die Geschichte aus Sicht der Juden erzählt, ihre Interpretationen der eigenen Lebensumstände stünden klar im Fokus. Dies zeige sich unter anderem auch an den Bezeichnungen der einzelnen Segmente - so laute ein Titel besipielsweise „Reaktion auf die Nazi-Verfolgung“, nicht etwa umgekehrt. Juden würden durchweg als ihre Situation reflektierende und aktiv handelnde Leute dargestellt, die sich sogar in Vereinigungen sowie Institutionen formierten (S.98-99). Ohne entsprechendes Vorwissen seien die jüdischen Reaktionen und Handlungsweisen jedoch teils schwer verständlich und deutbar. Gerade beim Thema Deportation, Ghettoisierung seien nur wenige Briefe ausgestellt, es fehle an historischer Führung und Zusatzinformationen. Hierauf entgegneten die Museumskonzeptoren, man wolle dadurch bewusst zum Nachdenken und Fantasieren anregen (S.100-101).
In der gesamten Ausstellung würden keine Gewaltfotos von den Nazionalsozialisten verwendet, lediglich Bilder von den Befreiern zeigten Schreckensszenen, womit sich das Museum deutlich abgrenze zu den Konzepten anderer Expositionen wie beispielsweise auch dem IWM (S.99). Im Bereich über die Zeit nach 1945 wechsle die Darstellungsart von Juden: So würden diese fortan als 'Juden in Deutschland' und nicht mehr als 'Deutsch-Juden', also als Teil der Majoritätskultur, präsentiert. Vielmehr erschienen sie zunehmend als 'exotische', ja teils oppositionelle Minorität zu der normalen Bevölkerung (S.82). Zudem werde kaum über die soziale und religiöse Neuorganisation der Juden in Deutschland berichtet . Bis zuletzt bleibe ein undurchsichtiges Bild, von wer Jude sei und was das bedeute, vor allem im heutigen Deutschland. Somit sei es schwer für Besucher, Konsequenzen für eine pluralistische Gesellschaft mit vielen Identitäten zu gewinnen, ein Ziel des Museums (S.110-111).
Holtschneider, K. Hannah, The Holocaust and Representation of Jews - history and identity in the museum, Abington 2011.
Für die Veranstaltung “Ausstellungsprojekt - Wege einer Didaktik der Schoah” (SS 2013)
Mona Hohler
- Quote paper
- Mona Hohler (Author), 2013, „The Holocaust and Representation of Jews – history and identity in the museum“. Eine Buchzusammenfassung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286579
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