Nepal, Heimat der höchsten Gebirgsketten der Welt, ist ein Anziehungspunkt für Bergsteiger und Abenteurer. Auch die Bloggerin Ines Oßwald-Rai zog das Land der Yaks und Yetis in seinen Bann. Immer wieder kehrte sie dorthin zurück und wagte sich bis hinauf in eisige Höhen – aus Liebe zu Nepal, seinen majestätischen Bergen und Gletschern und einem Mann.
Dieses Buch vereint vier ganz persönliche Reiseberichte durch ein vielseitiges Land und erzählt von abenteuerlichen Touren, mentalen Herausforderungen und körperlichen Strapazen. Dabei gibt die Autorin einen Einblick in den einzigartigen Kulturmix Nepals und erzählt, wie es sich in den Höhen des Himalayas wandert und lebt.
Aus dem Inhalt: Kathmandu, Poon Hill, Annapurna-Gebiet, Namche Bazar, Tengboche, Mount Everest Base Camp, Trekking durch die Regionen Khotang und Langtang
Inhaltsverzeichnis
Nepal – ein einzigartiger Kulturmix
Tour „Poon Hill“, Oktober 2008, 3 Wochen
Nepal zum Einstieg und zum Kennenlernen
Wie es sich im Himalaya schläft
Poon Hill
Letzte schöne Momente und ein Abschied auf Zeit
Tour „Everest Base Camp“, Oktober/November 2009, 3 Wochen
Auf dem Weg ins Khumbu-Gebiet
Willkommen in Namche Bazar
Neue Essgewohnheiten
Stille in Tengboche
Die Qualen der Höhe
Wie neu geboren – aber nur für kurze Zeit
Der Lohn für alle Mühen
Bis hierher und nicht weiter
Tour „Ostnepal Khotang“, Dezember 2011, 4 Wochen
Puste-Zeit
Wo bitte schön liegt Beltar?
Ein stinknormaler Highway in Nepal
Herzlich Willkommen – in einer anderen Welt
On the road
Damit müssen wir rüber?
Auf der anderen Seite des Ufers
Andere Länder, andere Sitten
Namaste, ich bin Ines
Wie ist denn nun Wachipalla?
Exkurs: Sterben bei den Rai
Markttag in Chisapani
Tour Langtang, Ende 2012, 14 Tage
Trekking ins Langtang
Eine weitere abenteuerliche Jeep-Fahrt
Wie es weiterging
Ziel knapp verpasst
Es ging wieder abwärts
Kurz vorm Ziel und doch nicht da
Und nun...?
Nepal – ein einzigartiger Kulturmix
„Ich bin ein Wiederkehrer.“ So oder so ähnlich könnte man mich und meine Liebe zu Nepal beschreiben.
Warum aber zog es mich ausgerechnet immer wieder nach Nepal, in dieses Land, so weit weg, hinter den höchsten Bergen der Welt? Was trieb mich ausgerechnet immer wieder dorthin?
Ganz einfach: Nepal ist nicht nur der Himalaya, Nepal ist ein einzigartiger Kulturmix. Es vereint exotische, für mich geheimnisvolle und vielfältige Traditionen – und nicht zuletzt waren es seine Berge, die mich faszinierten.
Seit ich reisen konnte, trieb es mich raus in die Welt: vorerst in Länder, die Deutschland ähnlich sind, später nach Asien. In Nepal blieb ich schließlich hängen. Insgesamt siebenmal bereiste ich dieses wunderbare Land und nun, 2014, lebe ich schon seit einiger Zeit hier. Zugegebenermaßen nicht nur wegen des Landes, auch wegen der Menschen. Insbesondere wegen eines bestimmten Menschen.
Gemeinsam mit meinem nepalesischen Freund, der inzwischen mein Mann geworden ist, habe ich viele Orte bereist. Wir waren in den verschiedensten Trekking-Gebieten, wie der Annapurna, dem Everest und der Langtang-Region unterwegs. Tief im Osten Nepals, in Khotang, lernte ich die Herkunftsgruppe meines Mannes, die Rai-Kaste, kennen. Dort, wo Nepal noch ursprünglich ist, wo sich sehr selten ein Tourist hin verirrt, dort lernte ich, das Land zu verstehen.
Zu mir selbst gibt es nicht viel zu sagen. Ich bin eine ganz normale Frau. Zumindest, falls man es als normal bezeichnen kann, dass ich so einfach den Job kündigte, um nach Nepal zu gehen, was ich seither nie bereut habe.
Dieses Buch möchte ich nun dazu nutzen, anderen Nepal-Reisenden Tipps zu geben und den Lesern durch die Berichte über meine Touren einen Einblick in dieses wunderschöne Land zu gewähren.
Tour „Poon Hill“, Oktober 2008, 3 Wochen
Nepal zum Einstieg und zum Kennenlernen
Einsame Tage sind immer lang … ellenlang und langweilig. In solchen Phasen schnappe ich mir gerne meine Tausende von Fotos und träume mich in frühere Touren zurück. Wahrscheinlich ist das Durchblättern von Fotos in den heutigen digitalen Zeiten sogar out, aber das ist mir egal. Ich mache immer wieder schöne Fotobücher von all meinen Reisen. Sie lassen die Erlebnisse in meinen Gedanken wieder aufleben.
Die folgenden Kapitel erzählen die Geschichte meines ersten Trips nach Nepal.
Meine erste Kletter- und Schwitztour in die Weiten des Universums oder besser gesagt in den Himalaya. Nachdem der innere Schweinehund endlich besiegt war, konnte es losgehen.
Auf dieser Reise lernte ich – und das stand nicht im Programm des Reiseanbieters, geschweige denn auf meinem Plan – meinen Mann Bijay kennen. Er sollte mir oder besser gesagt uns, nämlich mir und einer Freundin, die Schönheiten seines Landes zeigen, was er auch hervorragend machte. Er gab sich sogar solche Mühe, dass ich immer wieder kam. Nicht einzig und alleine wegen ihm, auch wegen der Berge, der Natur, einfach allem.
Unser erster Flug innerhalb Nepals brachte meine Freundin und mich ins Gelobte Land, von Kathmandu nach Pokhara. Pokhara ist eine der größeren Städte Nepals und Ausgangsort für Trekkingtouren ins Annapurna-Gebiet. Von dort aus geht es in die Gebiete rund um die Annapurna-Gruppe und des Dhaulagiri – beide über 8000 Meter und somit zur Weltspitze zu zählen.
Kurz nach der Landung unserer Maschine – oder besser gesagt des Maschinchens – war ich schier überwältigt beim Anblick der Bergwelt, die zwar noch ganz weit entfernt lag, aber doch in greifbarer Nähe. Zunächst schüttelten wir unserem Reiseführer zur Begrüßung noch kräftig die Hände. Damals wussten wir noch nicht, dass man das in Nepal überhaupt nicht macht. Dort hält man beide Hände aneinander vor die Brust, verneigt sich etwas und sagt „Namaste“. „Namaste“ heißt so viel wie „Ich grüße das Göttliche in Dir“.
Acht Tage sollten wir miteinander verbringen, gemeinsam mit zwei Trägern. Ein „Luxus“, den wir uns damals leisteten und den ich auch heute noch nutze, wann immer es hart wird – und das wird es oft im Himalaya. Und nicht einzig und allein, weil ich eine westliche, verweichlichte Göre bin, sondern auch, um den Nepalesen dort eine Verdienstmöglichkeit zu geben, damit auch ihre Familien überleben können. Es gibt nicht viele Jobs in Nepal, aber im Tourismus kann man recht ordentlich verdienen.
„Jam Jam“, sagen die Nepalesen, wenn es losgeht. Und wie es losging! Schon nach einer Stunde normalem Lauf auf geraden Strecken, klebte mir mein Shirt am Körper; mir hing die Zunge raus. Es war sehr heiß in den unteren Regionen. Unsere Tagesrucksäcke, bestückt mit acht Kilo, taten ihr Übriges. Von den ersten Tagen blieb fast nur eines in Erinnerung: Naturtreppen, Treppen und nochmal Treppen! Es ging hoch und runter und wieder hoch. Die ersten Tage führte unser Weg durch tropische Vegetationszonen. Das glaubt man kaum im höchsten Gebirge der Welt: Bananenbäume, Aloes, alles Mögliche, was man eigentlich nicht in Nepal erwartet.
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Treppen um Treppen ging es voran.
Wie es sich im Himalaya schläft
Tausende von Naturtreppen später näherten wir uns langsam den Bergen. Zuvor aber machte ich meine ersten Erfahrungen mit den Gasthäusern in den nepalesischen Bergen. Eine wahrhaft neue Erkenntnis für mich.
Es gab superschöne Luxusbunker, in denen die Leute ihr Haupt niederlegten, die mit den großen Veranstaltern aus Europa und anderen Kontinenten kamen. Meiner Meinung nach bekommt man so allerdings keinen Einblick davon, wie Nepal wirklich ist. Bequemlichkeit und Komfort gehen dort vor, wobei das Eigentliche auf der Strecke bleibt.
In Namche Bazar, das nicht im Annapurna-Gebiet liegt, sondern in der Everest-Region, steht beispielsweise ein Hotel Marke „Nobel“. Das Everest View Hotel liegt auf fast 4000 Metern Höhe und hat einen eigenen Hubschrauberlandeplatz. Vorzugsweise Japaner (die das Hotel auch gebaut haben) reisen dort per Heli ein, um mal auf die Schnelle einen Blick auf die Bergwelt ringsherum zu werfen und Tausende von Fotos zu machen. Was für ein Wahnsinn, von 1500 Meter (Kathmandu) auf 4000 Meter in nicht mal einer Stunde!
Dafür braucht der normale Trekker einen 30-minütigen Flug nach Lukla und 2 Tage straffes Wandern. Der Clou ist: Wenn sich die mit Kameras in Hülle und Fülle behängten „Himalaya-Touristen“ aus dem Heli quälen, trifft sie am Abend meist der Schlag in Form von einer angehenden Höhenkrankheit. Für diesen Fall sind extra alle Zimmer mit einer Sauerstoffanlage ausgestattet. Eine Hot Chocolate schlägt hier übrigens mit fünf Euro zu Buche. Doch wer in Nepal Heli fliegt, zahlt vermutlich auch fünf Euro für ein heißes Tässchen.
Dieses Hotel ist allerdings eine der wenigen Ausnahmen.
Solche Leute wie ich und Tausende mehr legen ihre geschundenen Knochen am Abend in ein kleines Zimmerchen. Ehrlich gesagt habe ich selten so „unkomfortabel“, aber trotzdem richtig gut geschlafen. Nach stundenlangem Kraxeln, Knipsen und Japsen ist Mann/Frau egal, wo er/sie liegen kann. Hauptsache sie liegen.
Ein Gasthaus muss man sich folgendermaßen vorstellen:
Die Zimmer haben zwei Betten, bezogen mit einem Laken und einem Kissen – das war es. Das, was Frau meist zusätzlich braucht – wie Spiegel, Schränkchen und Waschgelegenheit –, gibt es nicht.
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Zum Glück sieht Mama meine Unordnung nicht.
Dafür gibt es – wenn man Glück hat im Haus, sonst draußen – eine Wasserleitung, aus der schönes kaltes Wasser kommt. Klar, bei tropischen Temperaturen macht das nichts. Aber: Je höher, umso kälter, und wenn es nachts Minusgrade hat, wohlbemerkt auch im Zimmer, macht es kein Spaß, am Morgen durchgefroren an einer Wasserleitung zu hängen und das Gletscherwasser über den geschundenen Körper laufen zu lassen. Da kann der Ausblick noch so schön sein.
Nachts kann es so kalt werden, dass mir einmal mein Deo platzte, das mir dabei helfen sollte, mich nicht ganz so verwahrlost zu fühlen.
Man ist also bestens beraten, einen guten Schlafsack sein Eigen zu nennen. Ich ließ mir am Abend immer eine Ladung heißes Wasser geben, das füllte ich in meine Trinkflasche und schmiss es in den Schlafsack. Am Morgen war es dann noch lauwarm und nützlich zum Zähneputzen.
In einigen Lodgen können sich diejenigen, die wirklich schon anfangen, zu stinken, eine Ladung heißes Wasser kaufen. Ja, kaufen, die Lodge-Besitzer, die eine Solaranlage haben, lassen sich das gut bezahlen. Nach dem Motto: Je höher, umso teurer. Dafür gibt es außerhalb Duschanlagen, die den Namen eigentlich nicht verdienen. Eine Baracke, wenn man Glück hat mit Zementboden, kann nach einigen Tagen Katzenwäsche der schönste Duschplatz der Welt sein.
Es gibt allerdings auch Duschen zum Schöpfen. Hier kommt eine Frau, die fürs Wasser verantwortlich ist, mit einem großen Eimer und einer Schöpfkelle angelaufen und stellt ihn dem Schmutzfink des Tages vor die Füße. Die Schöpfkelle ist ein kleiner Behälter und vor dem Bottich sitzend lässt man das warme Wasser über sich laufen. Ich glaube, meine Oma hatte mir auch einmal davon erzählt, als sie sich an die gute alte Zeit erinnerte.
Man glaubt es kaum, aber es gibt auch einen beheizten Raum. Das ist der Gästeraum, wo sich am Abend alles trifft, was Platz in der Lodge gefunden hat. In der Mitte steht ein Ofen, der erst mit Holz und danach mit Kuhdung beheizt wird. Kuhdung deshalb, weil ab einer gewissen Höhe nichts mehr wächst, was man verheizen kann. Außerdem nimmt die Abholzung der bewaldeten Gegenden weiter unten besorgniserregende Ausmaße an.
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Das Speisezimmer … in der Mitte die Kuhdungschleuder
Die gemeinsamen Abende machten mir immer besonders großen Spaß. Da wurde erzählt, gefragt, gelacht und auch mal geflunkert. Gemeinsam mit den Nepalesen, die mit ihren Gästen unterwegs waren, gab das eine Stimmung, wie ich sie selten erlebt hatte.
Ich wollte nicht in einem Hotel mit Sauerstoffanlage und Helilandeplatz schlafen. Ich wollte mit der Gemeinschaft anderer schmutziger Trekker und den Einheimischen beisammen sein, über Gott und die Welt quasseln, mit Nepalesen eingequetscht am Feuer sitzen und am Morgen nach Kuhdung riechen. Das war meine Welt!
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Eine von den besseren Lodgen
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Das ist wohl nicht mehr bewohnbar …
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Idyllische Lodge in Pheriche im Everest-Gebiet mit Blick auf die Berge
Poon Hill
Vor dem Lohn kommt immer die Arbeit! So hieß es für uns jeden Tag, die müden Knochen aufs Neue zu mobilisieren und von morgens bis nachmittags schwitzend bergauf und bergab zu wandern.
Wir zogen an traditionellen Gurung-Dörfern vorbei. Viele Treppen aus Naturstein bezwangen wir unterwegs, immer wieder unterbrochen von Maultier-Karawanen.
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Wieder Treppen und Maultierkaravanen
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Wunderschöne Blumen
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Ein kleiner Wasserfall
Das machte Laune, das machte Spaß, lockten doch die abendliche Schöpfkellendusche und das leckere Essen.
Aber wo bitte blieben die viel gepriesenen hohen Achttausender und dazu der Machapuchare, der zwar keine 8000 Meter hoch ist, aber einer der schönsten Berge der Umgebung sein sollte? Hatten die sich versteckt?
Ich machte mir langsam so meine Gedanken. Das war ja alles schön, was ich sehen konnte. Und vor allem die Oberschenkelschmerzen, die ich abends im Schlafsack fühlen konnte, waren beeindruckend. Aber Leute: Ihr habt mir hohe Berge versprochen, nun zeigt sie mir auch! Immer wieder nervte ich unseren Reisebegleiter mit meiner Ungeduld. Langsam, nach einigen Tagen, zeigte sich dann endlich der erste Berg. Es war der Machapuchare, auch Fischschwanz genannt.
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Auf dem Weg zurück nach Pokhara. Blick auf den heiligen Machapuchare
Aber um die richtigen Achttausender, den Annapurna I und den Dhaulagiri, zu sehen, mussten wir uns morgens um vier Uhr aus dem warmen Schlafsack pellen und im Stockdunkeln zum Poon Hill hinaufkraxeln. Immerhin hatten wir Taschenlampen, die uns den Weg wiesen. Der Poon Hill ist – gemessen an den anderen Bergen – ein Hügel mit 3200 Metern. Jedem waschechten Nepalesen ringt dieser nur ein müdes Lächeln ab und lockt ihn nicht im Geringsten hinter dem Ofen hervor.
Für uns war es aber ein Highlight der besonderen Art: Wir standen das erste Mal in unserem Leben in solchen Höhen und genossen die grandiose Aussicht gemeinsam mit anderen Touristen, die sich wie wir aus ihren Betten gequält hatten. Als wir oben ankamen, begann die Sonne langsam aufzugehen und die Bergkette wechselte von Minute zu Minute ihre Farben.
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Poon Hill – Aussichten
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Der 8000er Dhaulagiri
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Farbenspiel
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Bergpanorama
So weit oben war ich bisher noch niemals in meinem Leben gewesen. Das Panorama hielt mich gefangen, ich hätte stundenlang nur schauen können. Aber wie es im Leben eben ist, irgendwann war Schluss und wir mussten wieder runter auf den Boden der Realität.
Die nächsten drei Tage verbrachten wir damit, einen anderen Weg wieder zurückzugehen. In meinem Inneren hatte ich schon zu diesem Zeitpunkt beschlossen, zurückzukommen. Dabei war ein Aspekt auch unser sympathischer Reiseführer. Berge hin, Berge her. Zwischenmenschliche Beziehungen sind schließlich wichtiger als Berge, oder?
Die Berge immer im Blickwinkel, ging es bei uns anschließend aufwärts, noch ein Stück in die Höhe nach Tadapani.
Nach dem Essen hatte ich ein kleines Tief, ich war fertig und die ersten Schritte fühlten sich wie Messerstiche in meinen Beinen an. Doch wie heißt es so schön: Wer rastet, der rostet. Um nicht zu rosten, entschied ich mich, weiterzugehen. Wie im Märchen sah der Rhodendronwald aus, den wir durchquerten. Wie bunt musste er doch schimmern, wenn im Frühjahr alle Bäume blühen würden!
Danach kamen wir wieder in unserer Lodge an und unser Guide Bijay kam sogleich mit seinem Buch und Stift, denn er hatte sich fest vorgenommen, irgendwann einmal fast so gut Deutsch zu sprechen wie wir. Und unsere Gruppe hatte er dazu auserkoren, ihm immer wieder unsere doch so schweren Grammatikregeln zu lehren. Heute, nebenbei gesagt, hat er sein Ziel erreicht und spricht schon beachtlich gutes Deutsch.
Letzte schöne Momente und ein Abschied auf Zeit
Sechs Uhr morgens – ich wurde nach unserem vorigen Tag in Poon Hill wach und es war neblig. Buddha war mir heute wohl nicht hold und zeigte keine Berge. Geschlafen hatten wir die letzte Nacht in voller Montur – im Zimmer waren ungefähr sechs Grad, was mich immer wieder auf der Reise dazu zwang, doch endlich aufzustehen.
Eine recht kurze Etappe sollte uns heute nach Ghandruck bringen. Unterwegs hatten wir wieder viel Spaß mit unseren nepalesischen Begleitern. Bijay ließ nicht locker, uns währenddessen Nepali einzutrichtern. Was er uns am Vortag beigebracht hatte, fragte er auch ab. Peinlich für uns, denn er lernte wesentlich schneller als wir. Heimlich schauten wir immer wieder in unseren Zetteln mit nepalesischen Vokabeln nach. Irgendwie wollte es mir nicht so recht gelingen, mir diese – für mich – schwere Sprache zu merken.
Jedenfalls ging es heute bergab. Doch wie bereits gelernt, sollte man sich hier nicht zu früh freuen. Bekanntlich geht in Nepal die ganze Chose irgendwann wieder von vorne los – wenn es sehr schnell wieder hoch geht.
Unterwegs klettern einige Affen (Badar) durch das Geäst und wir blieben immer wieder stehen, um sie zu beobachten. Bijays Nachfrage, ob in Deutschland auch Affen im Freien herumliefen, ließ mich etwas schmunzeln. „Doch, ja schon, ab und an …“, dachte ich mir im Stillen.
In Ghandruk angekommen, zeigten unsere nepalesischen Begleiter uns das Dorf. Hier leben viele Ghurkas, eine nepalesische Kriegerkaste. Oft dienen sie in der indischen Armee, wodurch das Dorf inzwischen zu einem gewissen Wohlstand gekommen ist.
Wir besuchten das Dorfmuseum, wo uns eine ältere Frau in die traditionellen Trachten der Einheimischen steckte. Da auch Bijay mitmachte, hatten wir einen Heidenspaß zusammen. In einem anderen Teil des Museums schauten wir uns an, wie der Lebensalltag der Ghurkas aussieht. Für unsere Begriffe musste das schon alles recht beschwerlich sein.
Um sechs Uhr am nächsten Morgen begeisterte mich ein kurzer erster Blick aus dem Fenster sofort: schneebedeckte Berge, soweit man sehen konnte – also hoch aufs Dach und schnell ein paar Fotos machen.
Nach einem ausgiebigen Frühstück vor einem umwerfenden Panorama ging es heute weiter nach Landrung. Zunächst einmal weiter runter, dann über eine sehr abenteuerliche Hängebrücke, weiter durch das Narrovtal, und danach natürlich wieder hoch.
Der Weg führte nicht mehr durch Wälder, sondern an zahlreichen Reisterrassen entlang. Das Grün schien hier viel grüner zu sein, es sah richtig saftig aus!
Unterwegs kreuzten manchmal Kinder blitzartig unseren Weg und sangen ein schönes Lied. Die Kleinen erwarteten natürlich etwas. Luftballons, die wir reichlich in unseren Taschen vorrätig hatten, waren bei ihnen ein willkommenes Geschenk.
Wir besuchten auch die Dorfschule in Landruk. Eine Schiefertafel und viele abgewetzte Holzbänke – traurig für die Kinder, für die es ein Verlangen war, etwas zu lernen. Gemeinsam mit Bijay suchten wir den Dorflehrer auf, denn in unseren Taschen waren mitgebrachte Schulmaterialien, die wir hier abgeben wollten. Wenigstens ein kleines Stück Schulnormalität wollten wir den Kindern dort damit verschaffen, wenn es auch nicht viel war.
Am Abend wurde es lustig in der Lodge, es wurde Musik aufgelegt und die Nepalesen begannen zu tanzen. Natürlich nicht ohne uns zu animieren, daran teilzunehmen. Wild hin und her hopsend – denn anders kann man unseren nepalesischen Tanz nicht nennen – hatten wir viel Spaß an jenem Abend.
Der nächste Morgen brachte schlechtes Wetter, alles war wolkenverhangen. Mit dem schlechten Wetter sank meine Stimmung, denn mir wurde klar, dass meine schöne Zeit in Nepals Bergen bald ein Ende hatte. Zum ersten Mal hatte ich keinerlei Lust, wieder nach Hause zu fahren.
Dhampus war unser diesmaliges Tagesziel. Als es unterwegs kalt wurde, verteilten wir unsere Sachen und Decken, damit es alle gemütlich hatten. Am Abend in der Lodge – Bijaya spielte uns etwas auf der Flöte vor – wurde es doch ein richtig bezaubernder Abend, obwohl sich die Berge den ganzen Tag über versteckt hatten.
Vier Uhr nachts, Nepal, irgendwo in den Bergen: In den nächsten Tagen begann ein Fest und alle sollten daran teilhaben. Aber doch nicht so früh, bitte! Es war so laut, als die Leute in Scharen Flöte spielend und singend einmal rund um das ganze Dorf gingen. Uns jedenfalls hielt nichts mehr in unseren Betten, das mussten wir sehen! Selbst alle Träger und Guides waren draußen und schauten etwas verwundert auf das Treiben. Nun gut, danach hüpften wir noch einmal „in die Kiste“, um noch ein paar Stunden zu schlafen. Zur normalen Aufstehzeit, nach dem obligatorischen Blick in Richtung Berge, stürzten wir noch einmal mit der Kamera ins Freie und legten nochmal los. Ein letztes Mal wollten wir unsere Kameras zum Glühen bringen.
Weiter ging es nach Phedi, wo das Auto auf uns wartete, um uns nach Pokhara zu bringen. Ein letztes Mal sah ich auf die Berge mit einer gehörigen Portion Wehmut. Was hatten wir nicht alles erlebt die vergangenen Tage! Es war wie ein Rausch gewesen, der viel zu schnell vorbei gegangen war. Ich schwor mir, auf jeden Fall im nächsten Jahr wiederzukommen. Wir liefen durch die unzähligen Reis- und Hirsefelder – und viel zu schnell kamen wir in Phedi an.
Den Rest unserer Reise verbrachten wir in Kathmandu. Nach einem Tag Erholung in Pokhara traten wir die Heimfahrt mit dem Touristenbus nach Kathmandu an, in das quirlige, stets pulsierende Leben von Nepals Hauptstadt. Was für ein Unterschied zu der Ruhe in den Bergen! Doch auch Kathmandu fasziniert mit seinen alten Pagoden und zahlreichen Tempeln und vor allem der gelebten Religionen dort.
Leider waren die restlichen zwei Tage auch sehr schnell vorbei und wir rüsteten uns für unseren Heimflug nach Deutschland. Bijay brachte uns zum Flughafen. Mit ganz viel Hoffnung machten wir uns auf die Heimreise. Die Hoffnung: Irgendwann noch einmal hierher zu kommen. Ich jedenfalls nahm es mir fest vor. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, inwieweit dieses Land noch meine Zukunft beeinflussen sollte. Heute, sieben Jahre später, bin ich mehr als dankbar dafür, dieses Stückchen Land mit all seinen liebenswerten Menschen damals kennen gelernt zu haben. Heute ist Nepal ein Stück meines Leben und meine zweite, wenn nicht gar im Herzen erste Heimat geworden.
Tour „Everest Base Camp“, Oktober/November 2009, 3 Wochen
Auf dem Weg ins Khumbu-Gebiet
Ich wollte nach Nepal zurückkommen und ich kam zurück: Der nächste spannende Trip führte mich 2009 zum Everest Base Camp. Ich hatte schon immer den Traum, den Everest zu sehen. Bezwingen? Niemals! Aber schauen konnte man doch. So machten Bijay und ich uns im Oktober auf den Weg. Bijay kannte diese Ecke seines Landes selbstverständlich gut und auch über die Kondition seiner Freundin – meine Kondition also – wusste er bereits Bescheid. In weiser Voraussicht verschwieg er mir deshalb, welche Mühen mich erwarten sollten. Andernfalls wäre ich vermutlich gar nicht erst gestartet.
Los ging es mit einem abenteuerlichen Flug nach Lukla, das einen der gefährlichsten Landeplätze der Welt besitzt. Mit unseren zweimal 15 Kilogramm Taschen, wovon bestimmt 25 Kilogramm nur mein Gepäck waren, stiefelten wir Richtung Domestic Airport Kathmandu. Tara Air sollte uns in nicht einmal einer Stunde nach Lukla bringen. Wen es interessiert: Die Flüge hin und zurück kosteten mich um die 240 Dollar, Nepalesen bezahlen nur einen Bruchteil davon, was ich aber auch in Ordnung finde.
Tara Air gab sich alle Mühe, mir die Ankunft im Khumbu-Gebiet, in dem der Everest liegt, zum Vergnügen zu machen. Bijay schob mich beim Einsteigen in die Maschine sanft nach links, denn die linke Seite war die mit Blick auf den immer schneebedeckten Himalaya.
Dann kam die Landung, von der alle mir gesagt hatten, sie könne haarsträubend, aber auch wunderschön sein. Beim Beobachten der anderen 18 Passagiere konnte ich den einen oder anderen ängstlichen Blick entdecken. Wir saßen ziemlich weit vorne und konnten dem Piloten quasi über die Schulter sehen. Und was sah ich? Keine Landebahn, nur Berge. Doch dann, mitten zwischen den Riesen, tauchte plötzlich eine klitzekleine Piste auf. Sie war schmal wie ein Handtuch und kurz wie ein Sprungbett, das gleich an einem Felsen endete.
Dort sollten wir landen? Nein, nicht mit mir. Aber wer fragte mich schon. Der Pilot manövrierte die kleine Maschine gekonnt auf die Landebahn und bremste mit allem, was die Maschine hergab. Schließlich kamen wir auch tatsächlich zum Stehen. Selbstverständlich vor dem Felsen. Wir hatten es geschafft – ich war glücklich!
Sofort mussten alle schnellstens raus, denn innerhalb von Minuten startete die Maschine wieder gen Kathmandu mit den Passagieren, die dem Everest bereits nahe gewesen waren. Die Maschinen können an diesem Flughafen nur landen und starten, wenn klare Sicht es erlaubt, sonst geht das Unterfangen böse aus. Sobald Wolken oder Nebel aufkommen, ist nichts mehr möglich. Meist geht der Geschäftsbetrieb am Airport Lukla, der auch Tenzing Hillary Airport heißt, früh am Morgen los. Sobald die erste Maschine aus Kathmandu gestartet ist, wird es hektisch. Die Airlines starten und landen im Minutentakt. Zu Spitzen-Trekkingzeiten geht es da schon mal so geschäftig zu wie am Flughafen Frankfurt.
Wir stiegen also raus aus der Maschine, hetzten übers Rollfeld und zwei Minuten später standen wir schon schwer bewaffnet mit unseren Rucksäcken auf verlassener Flur. Dort erwartete uns Kumar, ein Träger (in Nepal „Porter“ genannt), der uns begleiten sollte.
Bijay kannte ihn gut und war schon viele Wege mit ihm gegangen. Ich sollte ihn in den nächsten Wochen näher kennenlernen und seither treffen wir uns auch hin und wieder mal, wenn ich in Nepal bin. Er war ein lieber Begleiter, der viele Mühen auf sich genommen hat, damit ich mein Ziel erreichen konnte. Er mühte sich Meter um Meter mit meinem schweren Rucksack ab, um mir das Leben in den Bergen etwas angenehmer zu machen. Wobei ich bei unserer Rückkehr wieder einmal feststellen musste: Ich hatte wieder viel zu viel Schnickschnack mit. Aber so sind Frauen eben.
Es gibt sicher einige Trekker, die denken: „Warum benötige ich ‚Personal‘? Das kann ich alleine viel besser und billiger ist es auch.“ Das kann zwar stimmen, ich sehe das allerdings anders.
Billiger ist eine Reise ohne Träger zwar sicherlich. Aber auch besser? Nein, das glaube ich nicht. Viele schöne Ecken und Begebenheiten kann der allein reisende Trekker nicht sehen oder erleben. Nepalesen sind sehr gastfreundlich, aber auch sie lassen nicht jeden x-Beliebigen in ihr Leben schnuppern. Mit nepalesischen Begleitern erlebt man da schon weitaus mehr, lernt das Land und die Leute wenigstens etwas besser kennen. Dadurch dass Bijay und ich privat unterwegs waren, wurden wir hin und wieder ins Allerheiligste, in die nepalesischen Küchen, hineingebeten. Dabei konnte ich wunderbar den Alltag der nepalesischen Bergvölker beobachten. Das war durchaus sehr interessant, aber wenn man mit allen Leuten Raksi (Hirseschnaps) trinken muss und es um einen herum qualmt und stinkt, dann kann das auch hin und wieder stressig werden. Trotzdem: Insgesamt genoss ich es sehr.
Zurück zu Kumar: Wir hatten seine Dienste auch in Anspruch genommen, da es das Einzige ist, womit er Geld verdienen und seine Familie ernähren kann. Das sollten viele Allein-Trekker auch einmal bedenken!
Von Lukla, auf 2800 Metern, gingen wir am gleichen Tag weiter nach Phakding. Dabei ging es vorerst wieder bergab – wie bequem, wie schön!
In Phakding konnte ich noch einmal so etwas wie „Luxus“ erleben: Heiße Duschen im eigenen Zimmer. Wir duschten also quasi für die nächsten Tage vor und steckten danach alles tief in unsere Taschen. Die nächsten Tage mussten Zahnpflege und Katzenwäsche reichen. Bevor ich im Khumbu war, kannte ich nur das Annapurna-Gebiet. Hier hatte ich den Eindruck, dass vieles kommerzieller ist.
Aber auch an dieser Stelle stellt sich die Frage: Warum sollten die Bewohner nicht ihre Chance nutzen, ihren Familien eine bessere Zukunft zu bieten? Viele Gasthaus-Besitzer haben in Kathmandu und Pokhara Häuser, in denen sie außerhalb der Saison leben und sie können es sich so leisten, ihre Kinder zum Studieren in die USA oder nach Europa zu schicken.
Aber jetzt erst einmal ein paar Bilder von unterwegs.
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Richtung Phakding, noch war alles in Wolken gehüllt
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Im Himalaya wird alles als Transportmittel genutzt.
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Diese Menschen schleppen bis zu 70 Kilo in große Höhen. Je mehr sie transportieren, umso höher ist ihr Lohn, wobei der Lohn in keiner Relation zu dem Geleisteten steht.
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Ich glaube, an diesem Abend gab es Hühnchen.
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Über unsere mitgebrachten Luftballons schienen sich die Kleinen zu freuen.
Nach einer entspannten Nacht und einer heißen Dusche brachen wir auf zu neuen Taten. Was soll ich sagen, an diesem Tag ging es zunächst ganz gemächlich vorwärts, aber dann mussten wir hoch und immer höher. Über eine überdimensionale Hängebrücke, auf der von Höhenangst Geplagte große Probleme bekommen hätten. Allerdings stellt sich an dieser Stelle die Frage, was Leute mit Höhenangst überhaupt im Himalaya zu suchen haben.
Bijay ermahnte mich schon frühzeitig, genug zu trinken, da es fortan immer höher gehen würde. Das war besonders wichtig wegen der Höhenkrankheit. Da ich fast immer mache, was er sagt, trank ich, was das Zeug hielt. Dies brachte mich zum nächsten Problem. Irgendwann musste alles wieder raus. So verbrachte ich viel Zeit hinter Büschen und Bäumen, die es auf diesem Teil der Strecke noch zahlreich gab. Stressgeplagt vom Hose-runter-Hose-wieder-hoch-Spiel kamen wir am Eingang des Sagarmatha National Parks an.
Der National Park trägt den Namen des höchsten Berges der Welt. Aber für alle, die Sargamatha noch nie gehört haben: Keine Angst, der Everest wird immer der höchste bleiben, nur nennen ihn die Nepalesen Sagarmatha und die Tibeter Chomolungma.
Willkommen in Namche Bazar
… und weiter ging es im Kampf gegen meine Bequemlichkeit. Es sollte nun richtig losgehen auf dem Weg zum Eisriesen Number One.
Der steile Anstieg nach Namche Bazar, dem Hauptort im Khumbu-Gebiet, eröffnete mir zum ersten Mal, was alles auf mich zukommen sollte. Am Eingang vom Nationalpark trifft sich die Welt, Touristen aus aller Herren Länder kommen dort mehr oder weniger schnaufend an. Ich war froh, dass auch andere beim „gemütlichen“ Wandern so ihre Probleme hatten. Irgendwann am Abend kamen wir in Namche an und schlugen dort für mehrere Tage unsere Zelte auf. Akklimatisieren hieß unser Motto.
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Namche Bazar, Hauptort und größter Handelsplatz im Khumbu
Es war zwar wunderschön dort, aber wo bitte waren die Berge? Die Bergsicht war gleich Null. Alles sah aus wie an einem grauen Novembertag, noch dazu schüttete es nachts wie aus Eimern. Insgesamt waren wir drei Tage dort und liefen mal hoch, mal wieder runter. Bijays Devise war: „Go high, sleep low.“ Jeden Tag jagte er mich ein Stück höher, dort durfte ich als Belohnung viele schöne Bilder machen, die ich aber aufgrund des grausamen Wetters und der verhangenen Sicht nicht so schön fand. Nach der Fotosession jagte er mich dann wieder runter. That's Nepal! Immer schön hoch und runter. Wenn man sich denkt: „Heute geht es bestimmt wieder nur runter, wird man nach jeder Kurve eines Besseren belehrt. Dort geht es dann wieder hoch.
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Nepalesisches Edelweiß
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Schöne Gewächse
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Waschtag im Dorf
Die Tage waren schön, morgens frühstückten wir lange (Tibetan Bread), danach wanderten wir mal dahin und mal dorthin, und abends im Dorf erlebten wir, wie der Bär steppte. Naja, wahrhaftig steppende Bären habe ich keine gesehen, aber Cypers (Internet-Cafés), um auch mal eine Mail zu senden, kleine Einkaufsparadiese mit all den Sachen von „namhaften“ Textilherstellern aus Europa und Übersee, Gasthäuser und sogar eine deutsche Bäckerei. Was soll ich sagen, da gab es sogar Cappuccino vom Feinsten und leckere Backwaren, die denen bei uns zu Hause wirklich sehr nahe kamen. Sonnabends ist in Namche immer der Tibetan Markt: Die Tibeter kommen dann von jenseits der Grenze, die nicht mehr so weit ist, und wollen ihre Sachen an Mann und Frau bringen. Oft haben sie auch Erfolg – bei mir jedenfalls. Bijay machte sich immer über mich lustig, wenn er sah, mit welcher Ausbeute ich kam und vor allem, was ich dafür bezahlt hatte. Immer wenn er an meiner Seite war und die „Verkaufshandlungen“ führte, wurde es billiger. Wobei ich sagen muss, dass ich auch die ursprünglichen Preisen als billig empfand. Aber Männer brauchen halt ihre Bestätigung.
Am nächsten Tag gab es wieder keine Sonne und null Sicht. Da konnte ich wettern und meckern mit Bijay, es war nichts zu machen.
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Namche Bazar von oben
Am nächsten Tag hatten wir leider ein kleines Problem zu bewältigen. Bijay ging es nicht gut, es hatte ihn am Magen erwischt. So richtig wurde ich aus seinen Symptomen zwar nicht schlau, aber er litt. Meine Cousine ist Ärztin, aber sie war leider weit weg in Deutschland. Ich schrieb ihr eine Mail, in der ich die Symptome schilderte. Ihr Ratschlag war jedoch, dass wir einen Arzt aufsuchen sollten, Ferndiagnosen seien nicht ratsam. Wir fragten deshalb nach der nächsten Health Post Station, einer Krankenstation für Nepalesen. Diese lag allerdings eine halbe Stunde entfernt und der Weg dorthin ging extrem bergauf. Ich fragte mich, was Leute machen sollten, die nicht mehr laufen konnten.
Als wir bei der Krankenstation ankamen, war diese natürlich geschlossen. Nirgendwo stand ein Schild, wann jemand kommen oder ob überhaupt jemand auftauchen würde. Ich regte mich tierisch auf, obwohl ich langsam hätte wissen müssen, wie das in Nepal läuft. Doch für eine verwöhnte Deutsche sind einige Situationen einfach nicht nachvollziehbar.
Nach langem Warten kam dann endlich jemand. Erster Patient war ein kleiner Junge, der sich sehr schwer verbrannt hatte. Dicke Kullertränen standen in seinen Augen. Da es keine Schwester gab, half ich. Es kam etwas Creme drauf, ein dicker Verband herum und fertig. Meine Taschen hatte ich mit allem, was ein Kind erfreuen könnte, geleert und so ganz langsam vergingen die Tränen. Dann war Bijay an der Reihe. Er hatte eine Gastritis und bekam ein paar Magnesiumtabletten. Wenn ich gewusst hätte, was es gewesen ist, hätte ich ihm auch meine geben können. Ich glaube, nepalesische Männer sind genau wie deutsche Männer, wenn sie krank sind.
An diesem Tag bekam ich wie gesagt einen ersten Einblick ins nepalesische Gesundheitswesen. In Kathmandu mag es etwas anders sein, dort gibt es Arztpraxen und Kliniken, die den deutschen in nichts nachstehen. Allerdings sind diese nur für reiche Nepalesen eine Option oder für Leute mit einer privaten Krankenversicherung, was natürlich kaum ein Nepalese hat.
Aber in den Bergen sieht es ganz anders aus. Viele Menschen müssen oftmals tagelang laufen, ehe sie ärztliche Hilfe bekommen. Falls es einen richtig erwischt hat, kann das zum echten Problem werden.
Schließlich brach die letzte Nacht in Namche an und es schüttete wieder wie aus Eimern. Diese Nacht war eisig kalt und ich lag voller Erwartungen in meinem Schlafsack und fieberte dem entgegen, was noch kommen sollte. Falls es weiter geregnet hätte, wäre es schwierig geworden mit dem Wandern und außerdem wurde es ab jetzt sehr kalt. Wenn dann noch die Nässe dazugekommen wäre, wäre ich wahrscheinlich die nächste Kandidatin auf der Krankenstation gewesen. Doch der nächste Morgen zeigte sich uns zum Glück ganz anders …
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Blick auf die Berge rings um das Dorf am Morgen
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Kleine Stupa auf dem Weg nach Pheriche
Neue Essgewohnheiten
An diesem Tag ging es weiter auf dem Weg in die Weiten des Himalayas. Nach unseren Tagen in Namche, wo wir mal so richtig die Seele hatten baumeln lassen, wurde es jetzt sehr anstrengend. Wir wollten nach Tengboche. Natürlich ging es dabei wieder bergauf. Unterwegs verknipste ich eine meiner Fotokarten, da sich an jeder Ecke und nach jeder Kurve das Panorama änderte.
Von jetzt an begleitete uns die Ama Dablam, Nepals schönster Berg, wie viele sagen, der aussieht wie das Matterhorn. Die Ama Dablam, deswegen, weil sie die Mutter der Berge genannt wird (Nepalesisch: „Ama“). Dabei ist die Ama Dablam ein vergleichsweise kleiner Berg mit gerade mal 6812 Metern.
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Die Sonne brannte und Bijay „ermahnte“ mich, ich solle mir endlich etwas auf den Kopf setzen. Dazu hatte ich aber in diesem Moment keine Lust und prompt bekam ich am Abend die Rechnung dafür. Als ich versuchte, meine Haare zu kämmen und mir dabei fast die Kopfhaut mit runterzog, wusste ich, dass er recht gehabt hatte. Blonde Haare ziehen die Sonne eben magisch an.
Langsam wurden unsere Etappen kürzer, da wir fast 4000 Meter hoch waren und ich mit der Luft und natürlich auch mit der Kondition zu kämpfen hatte. Jede Fotosession, die ich startete, nutzte ich als Gelegenheit, mal wieder kräftig Luft zu holen und mich zu erholen – und es waren etliche Fotosessions an diesem Tag.
Unterwegs gingen wir abseits der Touri-Pfade zum Essen. Die Bauern, die dort lebten, machten uns ein köstliches Dal Bhat (Reis, Gemüse und Linsensuppe) und nahmen dabei kaum Rücksicht auf meine nicht so scharfen Essgewohnheiten.
Auf dieser Höhe gab es noch Fleisch (Hühnchen), weiter oben sollte Schluss damit sein, denn die Hühnertransporter in Menschengestalt gehen nicht höher. Halten kann man die Tiere weiter oben auch nicht, dort gibt es nur Yaks, die aber fast ausschließlich als Lastentiere genutzt werden.
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Yak-Herden unterwegs
Fleisch lässt jeden Nepalesen, insbesondere Bijay, alles andere vergessen. Genüsslich betonen sie, wenn es Fleisch gibt, und ihre Augen rollen dabei voller Wonne. Ich mag Hühnchen zwar auch, aber schön in Panade oder als zartes Etwas auf meinem Teller. Die Nepalesen hingegen essen alles, wirklich alles vom Huhn. Da die Bäuerin, die uns unser Mahl zubereitete, aber sowas von glücklich war, Bijay, mir und Kumar Fleisch vorsetzen zu können, musste ich da durch. Beim Blick auf meinem Teller drehte sich mein Magen schon leicht um. Ich fragte mich, wo denn nun das Fleisch war. Da waren Knochen, die Füße vom Huhn und noch etwas Undefinierbares. Ich schob ein Stück in meinen Mund und kaute und kaute, und bekam es nicht hinunter. Bijay aß mit Wonne. In einem unbeobachteten Moment, als die Bäuerin sich am Herd beschäftigte, schob ich meine Ration diskret zu ihm hinüber. Er sah mich ganz verwundert an und flüsterte: „Iss, was Besseres bekommst du nicht.“ Aber ich wollte das Fleisch wirklich nicht essen, Reis und Linsen reichten vollkommen aus, denn das schmeckte ausgezeichnet.
[...]
- Citation du texte
- Ines Oßwald-Rai (Auteur), 2014, Nepal, die Berge und ich. Wanderungen, Trekkingtouren und eine neue Heimat, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286473
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