Eine Analyse von 131 Verletzungen, die beim Segeln oder bei Tätigkeiten auf dem Segelboot entstanden waren, ließ besondere Unfallschwerpunkte erkennen: Die Hand (35,1 % aller Verletzungen) und der Kopf (21,3 %) sind die am stärksten gefährdeten Körperteile des Seglers. Bei den Verletzungen handelte es sich um offene Wunden, Quetschungen und Knochenbrüche. Bagatellverletzungen wurden nicht aufgelistet. Das durchschnittliche Alter der verletzten Segler betrug 32,7 (19 - 72 Jahre, SD=+ 10,79) Jahre. Männer wurden 3,3 Mal häufiger als weibliche Wassersportler behandelt. Die Verletzten waren zum großen Teil Freizeitsportler, der Anteil der Regattafahrer (17,6 %) und Berufssportler (Sportstudenten, Segellehrer) war deutlich geringer. Das Verhältnis der in die Unfälle verwickelten Jollen : Dickschiffe betrug annähernd 2:1, die Zweirumpfboote (Katamarane) waren nur in 5 Fällen beteiligt. Bei den Unfallursachen war zu erkennen, dass erfahrene Regattasegler mit zunehmender Windstärke (5 Bf. und mehr) häufiger verletzt wurden - diese Tendenz ließ sich bei den Freizeitseglern nicht erkennen, möglicherweise, weil Freizeitsegler höhere Windstärken meiden. Gefährliche Ursachen, die zu Verletzungen führten, war ein Schlag durch den Großbaum (14,5 % aller Unfallursachen), Unfälle durch Ausrutschen oder Stolpern auf dem Bootsdeck (11,5 % aller Unfallursachen), Kenterungen (10,7 %), Unfälle beim An-/Von Bord-Gehen (8,4 %) und andere Tätigkeiten auf oder an dem Boot. Bei der Konstruktion eines neuen Segelbootes sollten die medizinischen Untersuchungsergebnisse Berücksichtigung finden. Die höhere Rumpfgeschwindigkeit und die verbesserten Segelprofile können die Querkräfte – und damit die körperliche Belastung des Seglers - verringern, eine höhere Mastführung kann die häufigen Kopfverletzungen durch den Baum reduzieren. Nachteile einiger der neuen Bootstypen sind verletzungsträchtige Rohre, Klemmen und Rollen, ungenügend gesicherte Ausleger und falsch konstruierte Fußschlaufe. Eine Betrachtung der Einzel-Unfälle deckt oft nautisches Fehlverhalten und Unerfahrenheit in Erste-Hilfe-Maßnahmen auf. Beim nautischen und medizinischen Notfalltraining der Segel-Crew kann das Verhalten im Notfall trainiert werden. Diese Schulung schließt praktische Übungen zur Notfallbehandlung von Verletzungen bzw. Knochenbrüchen, die Wiederbelebung, Herzmassage und Beatmung ein. Außerdem werden Bergungs- und Rettungssituationen von Seglern, die im Wasser treiben, erkannt und gelöst.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Bootsunglücke, Schiffbruch und andere Gefahren auf See
2. Untersuchungs-Methode und Ergebnisse
2.1 Klinikstatistik
2.2 Rettungsdienst bei Regatten
2.3 Lokalisation von Segelverletzungen
2.4 Unfallursachen beim Segeln
2.4.1 Verletzungen durch den Großbaum (14,5 % aller Unfallursachen)
2.4.2 Unfälle auf dem Bootsdeck (11,5 % aller Unfallursachen)
2.4.3 Kenterungen (10,7 %)
2.4.4 Unfälle beim An-/Von Bord-Gehen (8,4 %)
2.4.5 Unfälle an Land (6,8 %)
2.4.6 Leinen und Schoten (6,8 %)
2.4.7 An- und Ablegeunfälle (5,3 %)
2.4.8 Schwertkasten (5,3 %)
2.4.9 Kollisionen (3,8 %)
2.4.10 Akute Lumbalgien (3,8 %)
2.4.11 Sonstige Unfälle (n = 30)
3. Diskussion und Unfallprophylaxe
3.1 Kopfschutz
3.2 Handschutz
3.3 Vorsichtsmaßnahmen und Prophylaxe bei Kollisionen
3.4 Vorsichtsmaßnahmen bei Kenterungen von Segeljollen
3.5 Kenterungen und Sinken von Kielbooten
3.6 Vorsicht beim An-/von Bord gehen
3.7 Alkohol
3.8 Vermeidung der Unfälle auf dem Bootsdeck
3.9 Vorschläge zur besseren Konstruktion der Segelboote
3.10 Vorbereitung auf das Segeln durch sportliches Training
3.11 Prävention vor dem Ertrinken
3.12 Nautisch-medizinisches Notfalltraining
3.12.1 Besonderheiten der nautischen Notfallplanung
3.13 Prophylaxe und Therapie bei Unterkühlung
4. Summary in English
1. Einleitung: Bootsunglücke, Schiffbruch und andere Gefahren auf See
In der Seefahrt wird seit den „Irrfahrten des Odysseus“ regelmäßig über Unfälle an Bord, über Havarien und Schiffsuntergänge berichtet. Während über viele Jahrhunderte das Segeln auf Fischer-, Handels- und Kriegsschiffen ein lebensgefährliches Abenteuer war, ist das Risiko der Handels- und Berufsschifffahrt heute geringer. Allerdings liegt die Gefährdung für einen Fischer im Vollberuf mit 140 Todesfällen/100.000 Arbeitern immer noch 28 Mal höher als die durchschnittliche Todesrate aller Arbeiter der USA 1. 64 % aller Todesfälle bei Berufsfischern werden durch das Kentern und Sinken des Bootes verursacht 1.
Segeln wird seit über hundert Jahren als Sport oder Freizeitaktivität betrieben. Durch moderne Werkstoffe konnten Segelboote entwickelt werden, die auch bei rauen Wetterbedingungen seetauglich und sicher sind. Segeljollen kippen bzw. kentern zwar leicht, lassen sich aber im Allgemeinen schnell wieder Aufrichten. Moderne Kielboote sind selbst im Orkan seetüchtig. Das Versinken von hochseetauglichen Segelbooten 2,3 sollte eigentlich fast unmöglich sein, aber der Wassereinbruch und das Sinken sind bei Sportbooten (Motor- und Segelbooten) immerhin doppelt so häufig wie in der Berufsschifffahrt 4. Vor allem schwere Stürme und hohe Wellen erhöhen das Risiko eines Materialdefektes oder Wassereinbruches – und damit des Sinkens eines Segelbootes 5-10. Das Überbordfallen ist auch bei mäßigen Windstärken möglich und nicht selten lebensgefährlich 11 12. In extremen Wetterbedingungen (Fasnet Race 13, Race Sydney-Hobart 1998 6) sind beim Segeln Katastrophen mit einer hohen Anzahl von Todesfällen zu beklagen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1
Schwere Stürme und hohe Wellen können zu Materialdefekten und zum Versinken von Segelbooten führen.
Neben schweren Wetterbedingungen führen aber auch Unaufmerksamkeit, Nachlässigkeit bei der Einhaltung von Sicherungsvorschriften 14 (häufig: Nichtanlegen von Schwimmwesten), Unerfahrenheit oder Unvermögen beim Führen des Bootes 15, zu hohe Geschwindigkeit, eingeschränkte Sicht, scharfe Manöver, Passagierfehler, Navigationsfehler (z.B. Grundberührung, Kollisionen)16,17, technische Defekte des Bootes, Nachlässigkeit oder Fehler bei Umbauten oder Reparaturen eines Bootes 10,18, Panikreaktionen, Alkoholkonsum 19,20, mangelhafte Ausrüstung u. a. zur Tragödie 4,21,22. Manchmal wird auch bei der Konstruktion von Hochgeschwindigkeits-Regattabooten der Geschwindigkeit der Vorzug gegenüber der Stabilität gegeben: Mastbrüche oder Abbrüche des Kiels können dann schon unter normalen Windverhältnissen auftreten 23,24.
Laut Statistik der U.S. Coast Guard treten pro 100.000 Booten jährlich zwischen 5,3 - 8,3 schwere Bootsunglücke auf, in den letzten Jahren mit abnehmender Tendenz, wahrscheinlich aufgrund von intensiver Aufklärung und Schulung der Bootseigner 22. Dabei sind im Vergleich zu allen Freizeitbooten die Segelboote nur mit 2,3 % (Motorsegler) und 4,4 % (Segelboote ohne Motor) an den Unfällen und Verletzungen beteiligt 25.
Deutsche Statistiken zeigten etwas andere Zahlen: Im Bereich der Küstenschifffahrt waren an den Seeunfällen aller Boote (Handels-, Kriegs-, Fischerei-, Frachtschiffe und Freizeit- bzw. Sportboote) im Jahre 2002 die Segelboote immerhin mit 12,8 % (im Jahre 2003: 13,7 %), die Freizeit-Motorboote mit 8,3 % (2003: 4,9 %) beteiligt 4. Auf den Sportbooten (Segel- und Motorbooten) verletzten sich 22,64 % aller bei Bootsunglücken verletzten Personen. Bei den Todesfällen sind die Freizeitschiffer noch viel häufiger vertreten: Die Anzahl der getöteten Personen auf Sportbooten lag bei 50 % aller Schiffsunglücke, obwohl die Unglücke auf Sportbooten nur einen Anteil von 21 % an allen Schiffsunglücke haben! In Mecklenburg-Vorpommern starben von 1960 bis 1999 jedes Jahr zwischen 1 und 12 Personen bei einem Freizeit-Bootsunfall 12. In diesem Zeitraum wurden 49 Tote bei Unfällen auf einem Segelboot registriert 12. Allein in den Sommermonaten Juli und August ereigneten sich 41 % aller tödlichen Unfälle auf Freizeitbooten 12. Die Sportboote sind wahrscheinlich viel gefährlicher als Fischerei-, Tank-, Fracht-, Kriegsschiffe und Fähren.
Die meisten Todesfälle auf Segelbooten sind durch Kenterungen und Über-Bord-Fallen bedingt 12. Weitere Unfallursachen für die Segelboote in deutschen Küstengewässern waren Grundberührungen, Kollisionen mit einem anderen Schiff, Wassereinbrüche, der Untergang, Kollisionen mit einem festen Gegenstand, technische Defekte, Blitzschlag und Brände 4 12. Bei den Untergängen aller Schiffe waren zu 55,5% die Sportboote beteiligt, bei den Wassereinbrüchen die Sportboote sogar zu 71,4 % und bei den Kenterungen zu 66,7 % 4. Die letztgenannte Ursache stellt für Personen auf Sportbooten eine erhebliche Gefährdung dar. In Mecklenburg-Vorpommern waren die meisten Todesfälle (26 %) auf Segelbooten zu beklagen, gefolgt von Angelbooten (24 % der Todesfälle), Motor- (19 %) und Paddelbooten (12 %) 12. Vor allem die Kenterungen führten hier zur Katastrophe (54 % aller Todesfälle), aber auch das Über-Bord -Fallen hatte in 22 % tödliche Folgen 12. Über Todesfälle beim Hochsee-Segeln wurde auch in der Presse berichtet 11,26-34.
Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) musste seit ihrer Gründung (1861) über 71.000 Menschen aus Seenot im Küsten- oder Hochseebereich retten, wobei allerdings nur 35 % aller Unfälle Wasser- und Freizeitsportler betreffen 35,36. An Wochenenden steigt aber die Anzahl der Seenotrettungseinsätze, die wegen Freizeitskippern und deren Besatzungen durchgeführt werden müssen, allerdings deutlich an 37. Nicht nur Anfänger, auch versierte Regattasegler erleiden Unfälle beim Segeln 38. Das Segeln auf Binnenseen kann ebenfalls gefährlich sein 39-43. Am Bodensee registrierte die Polizei zwischen 68 und 147 Segelbootunfälle pro Jahr 42.
Beim Segelsport wird die chronische Belastung des Körpers, besonders im Bereich der Kniegelenke und der Wirbelsäule, durch die Bootsklasse, durch Witterungseinflüsse und durch die Gegebenheiten des Segelreviers beeinflusst 44. Das Auftreten von Verletzungen könnte ebenfalls typischen Unfallmustern folgen 45. Daher schien es sinnvoll, typische Unfallhergänge beim Segeln zu analysieren und eine wirksame Prophylaxe zu empfehlen. Dadurch wird es vielleicht möglich sein, den Segelsport noch sicherer zu machen
2. Untersuchungs-Methode und Ergebnisse
2.1 Klinikstatistik
In den Jahren 1984 -1987 wurden 68 behandlungsbedürftige Verletzungen beim Segeln registriert, die zumeist in der orthopädischen und chirurgischen Klinik Lubinus ( Kiel ) untersucht und versorgt wurden. Dabei handelte es sich um mittelschwere oder auch ernstere Verletzungen, die einer ambulanten oder stationären Behandlung bedurften. Bagatellverletzungen wurden nicht aufgelistet. Das durchschnittliche Alter der verletzten Segler betrug 32,7 (19 - 72 Jahre, SD=+ 10,79) Jahre. Männer, die sich beim Segeln verletzt hatten, wurden 3,3-Mal häufiger als weibliche Wassersportler behandelt, wobei zu bedenken ist, dass die Sportart Segeln vorwiegend von Männern ausgeübt wird. Die meisten der behandelten Sporttraumen ereigneten sich auf der Ostsee; wenige Unfälle waren an der Nordsee, auf Binnenseen oder am Mittelmeer zu verzeichnen. 2/3 der Unfälle verteilten sich annähernd gleichmäßig auf die Monate Juni, Juli und August, nur 1/3 ereignete sich im Frühjahr oder Herbst. Die Verletzten waren zum großen Teil Freizeitsportler, der Anteil der Regattafahrer (17,6 %) und Berufssportler (Sportstudenten [vgl. auch 45], Segellehrer) war deutlich geringer. Das Verhältnis der in die Unfälle verwickelten Jollen : Dickschiffe betrug annähernd 2:1, die Zweirumpfboote waren nur in 5 Fällen beteiligt.
Eine Aufstellung über 1301 Sportunfälle, die 1985 in der Lubinus Klinik behandelt worden waren, zeigte, dass Segeln nur mit 2,2 % an den Gesamtverletzungen beteiligt war.
2.2 Rettungsdienst bei Regatten
1993 und 1994 war der Autor während der Kieler-Woche-Regatta als Notfall- und Rettungsarzt im Team der Wasserwacht Kiel tätig. Die Wasserwacht Kiel des Deutschen Roten Kreuzes hat regelmäßig während der Kieler Woche eine mobile Unfallstation im Hafen in Schilksee installiert. Außerdem sind mehrere Rettungsboote mit Notfallausrüstung (ein Schlauchboot auch mit einsatzbereiten Tauchern) auf den Regattabahnen im Einsatz. Aus dieser Tätigkeit wurden weitere 63 Verletzungen, die beim Segeln entstanden waren, zur statistischen Untersuchung hinzugefügt. Somit ging die Gesamtzahl von 131 Segel-Verletzungen in die statistischen Berechnungen ein.
Bei den Unfallursachen war zu erkennen, dass erfahrene Regattasegler mit zunehmender Windstärke (5 Bft. und mehr) häufiger verletzt wurden - diese Tendenz ließ sich bei den Freizeitseglern nicht erkennen, möglicherweise, weil Freizeitsegler höhere Windstärken meiden. Bei höheren Windstärken ist während der Kieler Woche - bei 1500 aktiven Regattateilnehmern - täglich mit mindestens 2 - 3 Kopfverletzungen und mit 5 - 6 Fingerverletzungen zu rechnen.
Verletzungen beim Kentern waren bei den Regattaseglern mehr als doppelt so häufig wie bei den Hobby-Sportlern. Jedoch ist dabei zu beachten, dass bei Regatten viele Boote regelmäßig bei höheren Windstärken kentern, durch die Bootsbesatzung aber schnell wieder aufgerichtet werden. Regattasegler kentern also sehr viel häufiger als Hobbysegler, haben aber beim Aufrichten und wieder Einsteigen ins Boot mehr Routine.
Verletzungen durch Zusammenstöße von Segelbooten traten ausnahmslos bei Regatten auf.
Kleinere Blasen an den Händen sowie mehrere größere Hämatome wurden bei einigen Regattaseglern registriert; sie waren jedoch nicht behandlungsbedürftig und wurden nicht in die Statistik mit einbezogen. Auch segelunspezifische Arztbesuche wegen Kopf-, Rachen- und Magen-Darmbeschwerden, grippalen Infekten, Zecken- oder Wespenstichen, Schnittverletzungen oder Blasen an den Füßen beim Gehen an Land u. a. wurden nicht gewertet.
Bei der Regattabetreuung wurden 1993 und 1994 zwei Todesfälle beim Segeln registriert, die jedoch nicht segelspezifisch waren und daher in die Statistik nicht mit eingingen: In einem Fall verbrühte sich ein dreijähriges Kind in der Kajüte, als im Hafen gekocht wurde, im anderen Fall erlag ein 70-jähriger Segler während der Regatta einem Herzinfarkt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1
Lokalisation und Diagnose von 131 Segelverletzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2
Lokalisation von 46 Segelverletzungen an der Hand. Die roten Pfeile kennzeichnen jeweils eine Schnitt- oder Rissverletzung (die beiden großen roten Pfeile enthalten die Anzahl der Verletzungen an diesem Finger). Vorwiegend die radiale Seite des Zeigefingers ist betroffen. Prellungen/Quetschungen oder Zerrungen = gelbe Vierecke, Knochenbrüche = blaue Balken, Verbrennungen = orange Kreise.
2.3 Lokalisation von Segelverletzungen
Beim Segeln treten vorwiegend offene Wunden (39,7 % aller Verletzungen) und Prellungen bzw. Quetschungen (23,7 %) auf. Sehr hoch ist der Anteil der Knochenbrüche mit 11,4 % (s. Tab. 1). Die Lokalisation und weitere Verletzungsdiagnosen sind in Tab. 1 dargestellt. In der Rubrik „Sonstige“ sind vorwiegend Verbrennungen der Finger und des Unterschenkels festgehalten.
Ein Vergleich der betroffenen Körperteile lässt beim Segeln die deutliche Gefährdung der Hände und Finger - 35,1 % aller Verletzungen -erkennen (Abb. 3). Der Kopf ist ebenfalls sehr verletzungsanfällig (21,3 %). Am Knie (9,1 %) verteilen sich die Traumafolgen auf Zerrungen, Bänderrisse, Prellungen/Quetschungen, Meniskusverletzungen und eine Luxation der Kneischeibe.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung: 3
Prozentuale Verteilung von 131 Verletzungen, die beim Segeln entstanden waren. Die roten Punkte markieren die einzelnen Körperteile. Vor allem die Hände, aber auch der Kopf sind häufig betroffen.
2.4 Unfallursachen beim Segeln
Die Rekonstruktion des Unfallherganges, der Unfallursache, der äußeren Umstände und der Könnerstufe des Betroffenen ergab in Zusammenhang mit der Verletzung in den meisten Fällen eine detaillierte Unfallskizze. Wenn mehrere Faktoren zum Unfall beigetragen hatten, wurde nur derjenige berücksichtigt, der ihn maßgeblich verursacht hatte (= Unfall auslösender Gegenstand). Folgende Verletzungsschwerpunkte konnten dabei erkannt werden (nach Häufigkeit aufgelistet):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb: 4
Unfallorte auf dem Segelboot. Jeder einzelne rote Punkt stellt eine Verletzung dar, die roten Kreise markieren Gefahrenpunkte, die Zahl darin gibt die Anzahl der Verletzungen an. Die Pfeile weisen auf die Versuche der Segler hin, an Land oder auf das Boot zu springen. Drei der verletzten Segler fielen dabei ins Wasser. Nicht alle Unfallorte der 92 Verletzungen auf dem Boot sind hier dargestellt, weil beispielsweise einige Segler ihre Risswunden zunächst nicht bemerkten.
2.4.1 Verletzungen durch den Großbaum (14,5 % aller Unfallursachen)
„Wasser hat keine Balken“ ist eine alte Seemannsweisheit; dass aber ein Segelboot aus sehr harten Balken konstruiert ist, wurde manchem Segler schmerzlich bewusst. 19 Segler wurden durch einen Schlag vom Großbaum verletzt, wobei fast immer der Kopf betroffen war (Abb. 3, Abb. 5). Alle Unfälle bei den Hobby-Seglern (8 Personen) ereigneten sich in fast identischer Weise während eines Manövers, wenn der Großbaum auf die andere Seite schiftete.
Fallbeispiel 1: Ein 26-jähriger Student eines Anfängerkurses wollte einem anderen Boot während einer Wende etwas zurufen, dabei traf ihn der Großbaum am Hinterkopf (1 cm große Platzwunde); wegen Schmerzen ließ er die Pinne los, wodurch (nach erneutem Kurswechsel) der Großbaum zurück schwang und eine zweite Platzwunde (1,5 cm) an der Stirn entstand.
Fallbeispiel 2: Ein 56-jähriger Segler wurde während einer Regatta auf einem Dickschiff von der Großschot an der rechten Halsseite getroffen und auf Deck geschleudert. Er verlor für etwa 1 Minute das Bewusstsein. Er zog sich eine schwere Zerrung der Halswirbelsäule zu.
Fallbeispiel 3: Ein 40-jähriger, völlig betrunkener und desorientierter Mann mit einer Platzwunde auf der Nase wurde auf der Kieler Förde von der Wasserschutzpolizei in seinem Segelboot geborgen und in der Klinik – bei verlängerter Reaktionszeit zum Ausschluss eines Schädel-Hirntraumas - stationär aufgenommen. Am nächsten Tag entwickelte er ein Alkohol-Delirium.
Fallbeispiel 4: Ein 30-jähriger Segler erhielt einen Schlag vom Baum in den Rücken und zog sich einen Deckplattenbruch des 11. Brustwirbelkörpers zu.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5
Sportstudentin, die bei einer Hochschulregatta auf der Ostsee den Großbaum an den Kopf bekam, als sie versuchte, eine Leine auf dem Boot zu lösen.
Kopfverletzungen wurden bei 11 Regattaseglern durch den Großbaum, bei anderen Leistungsseglern durch Kenterungen, Bootskollisionen, Sturz auf den Steg oder durch eine Prellung am Cockpit verursacht.
Die Kollision des Schädels mit dem Großbaum ist nach Angaben vieler Segler eine der häufigsten Unfallursachen. Ein Dauerschaden blieb zurück: Eine Seglerin klagte nach einem derartigen Unfall über rezidivierende Migräneanfälle.
Zu erwähnen ist bei dieser Statistik, dass alle schwereren Kopfverletzungen in die neurochirurgische Klinik Kiel transportiert wurden, so dass über die Häufigkeit von ernsthaften Schädel-Hirntrauma keine Aussage getroffen werden kann.
2.4.2 Unfälle auf dem Bootsdeck (11,5 % aller Unfallursachen)
15 Unfälle traten durch Stolpern oder Ausrutschen auf dem Bootsdeck auf. Ein Ölfleck, Tauwerk, Beleg-Klemmen, oder die starke Krängung des Bootes bei rauer See waren unter Anderem die Ursache für Brüche der Rippen, des Hand- und Sprunggelenkes, für Bänderrisse und Meniskusverletzungen an der unteren Extremität. Die Fixierung eines Beines unter einem Ausreitbrett führte bei Wellenschlag und gleichzeitiger Drehung des Oberkörpers zu einem Meniskusriss.
2.4.3 Kenterungen (10,7 %)
Unfälle bei Kenterungen entstanden alle auf schnellen Booten (Hobie Cat, 5o5, 470, FD etc.). Bei den Freizeitseglern lässt die Schwere der 4 Verletzungen (Rippenprellungen und –brüche sowie eine traumatische Schulterluxation, Abb. 6) vermuten, dass hier ein Gefahrenschwerpunkt bei Untrainierten liegt.
Bei Regattaseglern gingen die viel häufigeren Kenterungen (10 Unfälle) relativ glimpflich ab: Neben einem Rippenbruch mussten sonst nur zwei kleine Kopfplatzwunden und mehrere Fingerrisswunden, die typischerweise beim Aufprall auf das Schwert, auf die Pinne oder beim Hängen bleiben an den Lenzklappen entstanden waren, behandelt werden.
Fallbeispiel:
Ein 25-jähriger Segler kenterte im Trapez während eines Segelkurses. Beim Hineinklettern ins Boot bemerkte er die Unfähigkeit, den rechten Arm zu bewegen. Im Röntgenbild zeigte sich eine Schulterluxation (Abb. 6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6
Schulterluxation (Verrenkung) (s. Fallbeispiel)
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- Arbeit zitieren
- Dr. med. Christoph Schönle (Autor:in), 2004, Unfälle, Verletzungen und Risiken beim Segeln auf Jollen und Yachten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28586
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