Im November 2010 spielte die Ehefrau des damaligen Verteidigungsministers Stephanie zu Guttenberg bei der Quizshow „Wer wird Millionär? Das Prominenten Special“ mit. Im Gegensatz zu der normalen Ausgabe von „Wer wird Millionär?“ kommt der erspielte Erlös nicht der verantwortlichen Person zugute, sondern wird an eine wohltätige Organisation gespendet. Bei der 500.000 € -Frage wusste zu Guttenberg die Antwort nicht und überlegte, ob sie das unsichere Raten oder die sichere Auszahlung in Höhe von 250.000 € wählen sollte. Falls sie die Frage falsch beantwortet, bekommt sie nur eine Auszahlung in Höhe von 500 €. Mit dieser schwierigen Entscheidungssituation konfrontiert fragte sie die im Publikum sitzende Geschäftsführerin der Wohltätigkeitsorganisation, ob Sie raten oder doch aufhören solle. Günther Jauch unterbrach allerdings die Antwort mit den Worten, dass es nicht gut sei, „wenn man einfach Verantwortung delegiert, die man eigentlich selbst übernehmen müsste“. Frau zu Guttenberg entschied sich für die unsichere Alternative und konnte durch Raten 500.000 € erspielen. Der nächste Kandidat stand vor einer ähnlichen Entscheidung, entschied sich allerdings dafür, die sichere Alternative vorzuziehen, denn „bei Kindern sollte man kein Risiko eingehen". Obwohl das Ergebnis bei Frau zu Guttenberg positiv ausgefallen war, musste sie ihre Entscheidungen vor den Medien rechtfertigen und wurde für ihre Risikofreude stark kritisiert. So beschrieb Spiegel Online unter dem Titel „Verspielte Verantwortung“ ihr Verhalten als Zockerei. Auch in den über 300 Forumskommentaren dazu wurde ihr Entscheidungsverhalten angegriffen, da sie als Verantwortliche für andere vorsichtiger hätte agieren müssen.
Wie das Beispiel zeigt, gibt es höchst unterschiedliche Erwartungen und tat-sächliche Handlungen, wenn man seine Entscheidungen oder Ergebnisse recht-fertigen muss und für jemand anderes die Verantwortung trägt. Die hier vorliegende Arbeit geht daher der Frage nach, welche Auswirkung Verantwortung und Rechtfertigung auf das Entscheidungsverhalten unter Risiko und Ambiguität hat.
Dafür werden in Kapitel 2 und 3 die wesentlichen Definitionen und Grundlagen des Themengebietes herausgearbeitet. Nachdem in den Kapiteln 4 bzw. 6 eine jeweilige Eingrenzung der Begrifflichkeit von Verantwortung bzw. Rechtfertigung diskutiert wird, wird in den Kapiteln 5 und 7 der aktuelle Forschungsstand in der Verhaltensforschung im Hinblick auf Verantwortung bzw. Rechtfertigung analysiert. [...]
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Allgemeine Begriffsdefinitionen
3 Grundlagen zum Entscheidungsverhalten unter Unsicherheit
3.1 Entscheidungsverhalten unter Risiko
3.2 Entscheidungsverhalten unter Ambiguität
3.3 Verschiedene Mess- und Abfragemethoden von Risiko und Ambiguität
4 Definition und Differenzierung des Verantwortungsbegriffs
5 Analyse des aktuellen Forschungsstands zum Einfluss von Verantwortung unter Unsicherheit auf das Entscheidungsverhalten
5.1 Entscheidungsverhalten unter Risiko
5.1.1 Mit symmetrischen Auszahlungen für Entscheider und Empfänger
5.1.2 Mit asymmetrischen Auszahlungen für Entscheider und Empfänger
5.2 Entscheidungsverhalten unter Ambiguität
6 Definition und Differenzierung des Rechtfertigungsbegriffs
7 Analyse des aktuellen Forschungsstands zum Einfluss von Rechtfertigung unter Unsicherheit auf das Entscheidungsverhalten
7.1 Entscheidungsverhalten unter Risiko
7.2 Entscheidungsverhalten unter Ambiguität
8 Analyse des aktuellen Forschungsstands zur Wechselwirkung von Rechtfertigung und Verantwortung unter Unsicherheit auf das Entscheidungsverhalten
9 Fazit und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Grundlegende Begriffe des Entscheidungsprozesses
Abbildung 2: Das Kontinuum der Risiko- und Ambiguitätseinstellung
Abbildung 3: Mögliche Umweltzustände bei Entscheidungssituationen
Abbildung 4: Zeitpunkt der Rechtfertigung
Abbildung 5: Nutzenfunktion der Prospect-Theorie
Abbildung 6: Wahrscheinlichkeitsgewichtung der Prospect-Theorie
Abbildung 7: MPL-Risikoabfrage nach Holt und Laury (2002)
Abbildung 8: Ambiguitätsabfrage nach Chakravarty und Roy (2009)
Abbildung 9: Grundsituation unter Verantwortung
Abbildung 10: Entscheidungsvarianten bei Andersson et al. (2012)
Abbildung 11: Ergebnisse bei Andersson et al. (2012)
Abbildung 12: Entscheidungsvarianten bei Humphrey und Renner (2011)
Abbildung 13: Ergebnisse bei Humphrey und Renner (2011)
Abbildung 14: Entscheidungsvarianten bei Pahlke et al. (2012a/2012b)
Abbildung 15: Ergebnisse bei Pahlke et al. (2012a)
Abbildung 16: Überblick über die vier Treatments von Stauf (2012)
Abbildung 17: Entscheidungsvarianten bei Vieider et al. (2014)
Abbildung 18: Entscheidungsvarianten bei Bolton und Ockenfels (2010)
Abbildung 19: Asymmetrische Entscheidungsvarianten bei Stauf (2012)
Abbildung 20: Individuelle Entscheidungsvarianten bei Bradler (2009)
Abbildung 21: Entscheidungsvarianten bei Bradler (2009) unter Verantwortung
Abbildung 22: Das Verhältnis der Auszahlungsmöglichkeiten zwischen Entscheider und Empfänger bei Bradler (2009)
Abbildung 23: Entscheidungsvarianten bei Keck et al. (2014)
Abbildung 24: Überblick über die verschiedenen Treatments von Keck et al. (2014)
Abbildung 25: Entscheidungsvarianten unter Risiko bei Brunette et al. (2014)
Abbildung 26: Entscheidungsvarianten unter Ambiguität bei Brunette et al. (2014)
Abbildung 27: Entscheidungsvarianten bei Vieider (2007), Experiment
Abbildung 28: Entscheidungsvarianten bei Vieider (2007), Experiment
Abbildung 29: Überblick über die verschiedenen Treatments von Vieider (2011a)
Abbildung 30: Entscheidungsvarianten bei Trautmann et al. (2008), Experiment
Abbildung 31: Entscheidungsvarianten bei Charness et al. (2013)
Abbildung 32: Entscheidungsvarianten bei Lefebvre und Vieider (2013)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Abfragemethoden der diskutierten Studien
Tabelle 2: Überblick über das Vorgehen bei Entscheidungen unter Risiko und Verantwortung
Tabelle 3: Überblick über den Effekt von Verantwortung bei Entscheidungen unter Risiko
Tabelle 4: Entscheidungsvarianten bei Charness und Jackson (2009)
Tabelle 5: Überblick über das Vorgehen bei Entscheidungen unter Ambiguität und Verantwortung
Tabelle 6: Überblick über den Effekt von Verantwortung bei Entscheidungen unter Ambiguität
Tabelle 7: Überblick über das Vorgehen bei Entscheidungen unter Risiko und Rechtfertigung
Tabelle 8: Überblick über das Vorgehen bei Entscheidungen unter Ambiguität und Rechtfertigung
Tabelle 9: Überblick über den Effekt von Rechtfertigung bei Entscheidungen unter Risiko
Tabelle 10: Überblick über den Effekt von Rechtfertigung bei Entscheidungen unter Ambiguität
Tabelle 11: Entscheidungsvarianten bei Pitesa und Thau (2013)
Tabelle 12: Überblick über das Vorgehen bei Entscheidungen unter Risiko, Rechtfertigung und Verantwortung
Tabelle 13: Überblick über den Effekt von Verantwortung bei Entscheidungen unter Risiko, Rechtfertigung und Verantwortung
Tabelle 14: Überblick über den Effekt von Rechtfertigung bei Entscheidungen unter Risiko, Rechtfertigung und Verantwortung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Im November 2010 spielte die Ehefrau des damaligen Verteidigungsministers Stephanie zu Guttenberg bei der Quizshow „Wer wird Millionär? Das Prominenten Special“ mit.[1] Im Gegensatz zu der normalen Ausgabe von „Wer wird Millionär?“ kommt der erspielte Erlös nicht der verantwortlichen Person zugute, sondern wird an eine wohltätige Organisation gespendet. Bei der 500.000 € -Frage wusste zu Guttenberg die Antwort nicht und überlegte, ob sie das unsichere Raten oder die sichere Auszahlung in Höhe von 250.000 € wählen sollte. Falls sie die Frage falsch beantwortet, bekommt sie nur eine Auszahlung in Höhe von 500 €. Mit dieser schwierigen Entscheidungssituation konfrontiert fragte sie die im Publikum sitzende Geschäftsführerin der Wohltätigkeitsorganisation, ob Sie raten oder doch aufhören solle. Günther Jauch unterbrach allerdings die Antwort mit den Worten, dass es nicht gut sei, „wenn man einfach Verantwortung delegiert, die man eigentlich selbst übernehmen müsste“.[2] Frau zu Guttenberg entschied sich für die unsichere Alternative und konnte durch Raten 500.000 € erspielen. Der nächste Kandidat stand vor einer ähnlichen Entscheidung, entschied sich allerdings dafür, die sichere Alternative vorzuziehen, denn „bei Kindern sollte man kein Risiko eingehen".[3] Obwohl das Ergebnis bei Frau zu Guttenberg positiv ausgefallen war, musste sie ihre Entscheidungen vor den Medien rechtfertigen und wurde für ihre Risikofreude stark kritisiert. So beschrieb Spiegel Online unter dem Titel „Verspielte Verantwortung“ ihr Verhalten als Zockerei. Auch in den über 300 Forumskommentaren dazu wurde ihr Entscheidungsverhalten angegriffen, da sie als Verantwortliche für andere vorsichtiger hätte agieren müssen.[4]
Wie das Beispiel zeigt, gibt es höchst unterschiedliche Erwartungen und tatsächliche Handlungen, wenn man seine Entscheidungen oder Ergebnisse rechtfertigen muss und für jemand anderes die Verantwortung trägt. Die hier vorliegende Arbeit geht daher der Frage nach, welche Auswirkung Verantwortung und Rechtfertigung auf das Entscheidungsverhalten unter Risiko und Ambiguität hat.
Dafür werden in Kapitel 2 und 3 die wesentlichen Definitionen und Grundlagen des Themengebietes herausgearbeitet. Nachdem in den Kapiteln 4 bzw. 6 eine jeweilige Eingrenzung der Begrifflichkeit von Verantwortung bzw. Rechtfertigung diskutiert wird, wird in den Kapiteln 5 und 7 der aktuelle Forschungsstand in der Verhaltensforschung im Hinblick auf Verantwortung bzw. Rechtfertigung analysiert. Kapitel 8 bietet eine Analyse über die kaum vorhandene Forschung im Hinblick auf mögliche Wechselwirkungen zwischen Verantwortung und Rechtfertigung unter Unsicherheit. Die in den vorherigen Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse werden in Kapitel 9 in Beziehung gesetzt und mit einem Ausblick auf weiterführende Forschungsfragen abgeschlossen.
2 Allgemeine Begriffsdefinitionen
Ausgehend vom methodologischen Individualismus und des von sozialen Einflüssen unabhängigen Homo Oeconomicus, hat sich die Wirtschaftswissenschaft erst in jüngerer Zeit mit dem Einfluss von Verantwortung und Rechtfertigung auf das Entscheidungsverhalten unter Unsicherheit befasst.[5] Daher hat sich noch keine einheitliche Methodik und Sprache herausgebildet. Um verschiedene Forschungsergebnisse vergleichen zu können, wird in dieser Arbeit eine einheitliche Begrifflichkeit entwickelt und angewandt. Falls innerhalb der vorgestellten Studien von dieser abgewichen wird, wird dies kenntlich gemacht.
In der Verhaltensökonomie werden Verhaltenseinstellungen häufig mit Hilfe von Auswahlentscheidungen von Lotterien und/oder sicheren Auszahlungen untersucht. Eine Auswahlentscheidung beinhaltet mindestens 2 Alternativen. Diese Alternativen können Risikolotterien (vgl. Kapitel 3.1), Ambiguitätslotterien (vgl. Kapitel 3.2) oder sichere Auszahlungen sein. Jede dieser Alternativen beinhaltet bekannte oder unbekannte Wahrscheinlichkeiten, denen jeweils eine eigene Auszahlungsmöglichkeit zugeordnet werden kann.[6] Wenn eine Auswahlentscheidung getroffen wurde, wird eine Auswahlwahrscheinlichkeit davon realisiert. Diese realisierte Auszahlungsmöglichkeit wird in dieser Arbeit als Auszahlung (engl.: „Payoff“) bezeichnet. Nur bei der Auswahlentscheidung für eine sichere Auszahlung, kann die Auszahlungsmöglichkeit mit der Auszahlung gleichgesetzt werden.
Abbildung 1 veranschaulicht die Benutzung der Begriffe noch einmal graphisch.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Grundlegende Begriffe des Entscheidungsprozesses
Quelle: Eigene Darstellung
In dieser Arbeit wird durchgehend zwischen Ambiguitäts- und Risikolotterien unterschieden und Lotterie als Oberbegriff für Risiko- und Ambiguitätslotterien verwendet.
Häufig wird der gewichtete Erwartungswert von verschiedenen Alternativen bestimmt und der Vorzug der Alternative mit dem höheren Erwartungswert als die (implizit) normativ überlegenere Lotterie angesehen.[7] Wenn eine Person die Lotterie mit dem höheren Erwartungswert wählt, gilt sie also risiko- oder ambiguitätsneutral. Wenn eine Person eine Risikolotterie mit geringerem Erwartungswert vorzieht, da diese eine geringere (höhere) Varianz bei den Auszahlungsmöglichkeiten aufweist, wird sie als risikoavers (risikofreudig) bezeichnet.[8] Wenn eine Person eine Lotterie mir geringerem Erwartungswert vorzieht, da diese bekannte (unbekannte) oder genauere (unbekanntere) Wahrscheinlichkeiten aufweist, wird sie als ambiguitätsavers (ambiguitätsfreudig) bezeichnet. Die größte uneinheitliche Behandlung findet man in der Literatur bei dem Vergleich von verschiedenen Risiko- und Ambiguitätseinstellungen. In dieser Arbeit gilt eine Person als stärker avers (weniger avers), wenn innerhalb des Aversionsbereichs die Aversion stärker (schwächer) ausgeprägt ist. Eine risiko-/ambiguitätsaverse Person kann solange weniger avers sein bis sie neutral ist. Nimmt die Risiko-/Ambiguitätsaversion weiter ab, wird sie nun als Risiko-/Ambiguitätsfreude bezeichnet. Innerhalb des „Freudigkeitsbereichs“, kann die Freude ebenfalls stärker oder weniger stark werden. Abbildung 2 verdeutlicht das Kontinuum der Verhaltenseinstellungen unter Unsicherheit graphisch.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Das Kontinuum der Risiko- und Ambiguitätseinstellung
Quelle: Eigene Darstellung
Leider wird diese strikte Trennung in den meisten Studien nicht eingehalten, sodass häufig nicht klar ist, ob eine Abnahme der Aversion zu einer neutralen oder sogar freudigen Einstellung führt. Ebenfalls problematisch ist eine simple Betrachtung des aggregierten Mittelwertes bei mehreren Personen.[9] So kann z. B. eine durchschnittliche Verstärkung der Risikoaversion daher kommen, dass alle Personen stärker risikoavers sind. Es kann allerdings auch sein, dass sich die Einstellung der risikoaversen Personen nicht geändert hat, sondern risikofreudige Personen weniger freudig oder neutral geworden sind. Daher empfiehlt sich neben der reinen Mittelwert Betrachtung immer eine genauere Untersuchung der Varianz der unterschiedlichen Einstellungen.[10]
Innerhalb dieser Arbeit werden Entscheidungssituationen, bei denen man nur innerhalb einer eng begrenzten Anzahl auswählen kann als Auswahlentscheidungen bezeichnet (Bsp.: Alternative A oder B). Bei dem Setzen von Beträgen o. Ä. wird nur von Entscheidungen gesprochen.
3 Grundlagen zum Entscheidungsverhalten unter Unsicherheit
Wie in Kapitel 2 beschrieben, hängt das Entscheidungsverhalten auch von der Art der zur Verfügung stehenden Alternativen ab. Neben anderen Elementen kann man die Alternativen aufgrund sicheren oder unsicheren Umweltzuständen unterscheiden.[11] [12] Bei sicheren Umweltzuständen liegen dem Entscheider alle Informationen vor um die Auszahlung genau bestimmen zu können. Bei unsicheren Umweltzuständen wird zwischen Risiko und Ambiguität unterschieden. Risiko bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeiten über die Auszahlungsmöglichkeiten exakt bekannt sind, während bei Ambiguität die Wahrscheinlichkeiten unbekannt oder ungenau sind. Abbildung 3 verdeutlicht diese Unterteilung graphisch. Wenn nicht ausdrücklich erwähnt, wird in dieser Arbeit bei Ambiguität immer von gänzlich unbekannten Wahrscheinlichkeiten ausgegangen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Mögliche Umweltzustände bei Entscheidungssituationen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Laux et al. (2012), S.33
Bei Lotterien unterscheidet man allgemein zwischen Auszahlungsmöglichkeiten im reinen Gewinnbereich, im reinen Verlustbereich oder im Gemischtenbereich. Da Lotterien im Gewinnbereich am häufigsten vorkommen, wird, wenn nicht anders erwähnt, der Gewinnbereich betrachtet.
3.1 Entscheidungsverhalten unter Risiko
Um das Entscheidungsverhalten unter Risiko abzubilden bieten sich verschiedene und teilweise aufeinander aufbauende Modelle an.
Die Erwartungsnutzentheorie (EU) von Bernoulli (1954/1738) wurde von Neumann und Morgenstern axiomatisch 1947 formalisiert und bildete die Grundlage für viele Entscheidungsmodelle. Durch diese Theorie kann z. B. das Sankt-Petersburg-Paradoxon erklärt werden. Bei diesem Paradoxon wird gezeigt, dass Menschen ihre Entscheidungsalternativen nicht allein nach dem Erwartungswert bewerten. Die EU besagt, dass die Menschen die einzelnen Auszahlungsmöglichkeiten nach ihrem jeweiligen Nutzen bewerten und erst dann diesen Nutzen mit der (objektiven oder subjektiven) Wahrscheinlichkeit gewichten. Mithilfe der EU ist es möglich, Risikoeinstellungen zu modellieren und mögliche Abweichungen von der reinen Beurteilung mit dem Erwartungswert zu messen. Allerdings werden verschiedene Axiome, wie das Axiom der rationalen Entscheidung und das Axiom der Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen in der Realität häufig verletzt.[13] Auch deswegen wurde 1979 von Kahneman und Tversky die Prospect-Theorie (PT) entwickelt, welche sich stärker auf die Beobachtung von tatsächlichem Verhalten fokussiert.
Die PT verwirft die streng rationale Entscheidungsmodellierung und nimmt systematische Verzerrungen und Heuristiken im Entscheidungsverhalten an. Für diese Arbeit sind besonders die Verzerrungen im Gewinn- und Verlustbereich, sowie die verzerrte Wahrscheinlichkeitsgewichtung von Bedeutung. Die PT sagt voraus, dass Personen ausgehend von einem Referenzpunkt im Gewinnbereich risikoavers sind, wohingegen sie im Verlustbereich risikofreudig agieren.[14] Außerdem bewerten Personen ausgehend von einem Referenzpunkt den Verlust eines Betrages stärker negativ als sie den Gewinn desselben Betrages positiv bewerten würden. Für eine graphische Darstellung der Nutzenfunktion der PT sei auf Abbildung 5 im Anhang verwiesen. Die Verzerrung der Wahrscheinlichkeitsgewichtung wird in Abbildung 6 graphisch veranschaulicht und bedeutet verkürzt, dass Menschen kleine Wahrscheinlichkeiten übergewichten, wohingegen sie hohe Wahrscheinlichkeiten untergewichten. Experimentelle Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass die PT das Entscheidungsverhalten unter Risiko häufig besser als die EU abbilden kann.[15] Allerdings braucht die PT mehr Informationen um eine Nutzenfunktion abbilden zu können, sodass häufig von der EU ausgegangen wird.
3.2 Entscheidungsverhalten unter Ambiguität
In dieser Arbeit wird sich der Definition von Frisch und Baron angeschlossen, wonach Ambiguität als „uncertainty about probability, created by missing information that ist relevant“ verstanden wird.[16]
Obwohl diese Definition und die Abgrenzung zum Risiko klar und hilfreich sind, werden Entscheidungen unter Risiko nicht nur in der Alltagssprache häufig mit Entscheidungen unter Unsicherheit gleichgesetzt und auch für ambigue Situationen verwendet.
Bei Auswahlentscheidungen mit unbekannten oder ungenauen Wahrscheinlichkeiten zeigt sich, dass Personen meistens eine Alternative mit bekannten Wahrscheinlichkeiten vorziehen (sog. Ambiguitätsaversion).[17] Das einflussreichste (Gedanken-) Experiment, welches Ambiguitätsaversion aufzeigt, ist das Experiment von Daniel Ellsberg.[18] [19] Bei diesem Experiment wird gezeigt, dass Menschen eine Urne mit einer 50%/50% Wahrscheinlichkeit einer Urne mit unbekannter Verteilung vorziehen, obwohl man bei dieser ebenfalls von einer 50%/50% Wahrscheinlichkeitsverteilung ausgehen müsste.
Die EU setzt voraus, dass die Person den Auszahlungsmöglichkeiten eindeutige Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen kann. Dies ist bei ambiguen Situationen nicht der Fall. Um trotz des Informationsmangels diese beurteilen zu können, greifen Personen zu Heuristiken. Zu den bekanntesten Heuristiken zählt die Minimax-Regel, die darauf aufbauende Hurwicz-Regel und die Laplace-Regel.[20] Bei der Minimax-Regel wählt die Person die Alternative, bei der die geringste Auszahlungsmöglichkeit im Vergleich mit den anderen Alternativen am größten ist. Diese Entscheidungsregel wird häufig in ambiguen Situationen angewandt. Die Hurwicz-Regel schwächt die stark pessimistische Sichtweise der Minimax Regel ab, da sie die niedrigste Auszahlungsmöglichkeit und die höchste Auszahlungsmöglichkeit gewichtet. Wird die höchste Auszahlungsmöglichkeit zu 100% gewichtet, spricht man von der Maximax-Regel. Bei den meisten Experimenten wird die Laplace Regel als die normativ richtige Bewertung angesehen und eine Abweichung davon als Ambiguitätsaversion bzw. –freude bezeichnet.[21] Die Laplace-Regel besagt, dass bei einer unbekannten Wahrscheinlichkeit aufgrund fehlender Information es auch keinen Grund gibt eine Verzerrung zu vermuten. Daher sollte man somit allen Auszahlungsmöglichkeiten die gleichen Wahrscheinlichkeiten zuweisen.
War es lange Zeit unumstritten, dass Personen stark ambiguitätsavers sind, gibt es neuere Studien, welche keine oder nur eine schwache Ambiguitätsaversion messen. So stellt Charness et al. (2013) fest, dass Teilnehmer an der Studie (TN), welche die Gewinnfarbe aus einer Urne selber bestimmen dürfen, weniger ambiguitätsavers sind, als TN, welche darauf vertrauen müssen, dass der Experimentator die Verteilung innerhalb einer Urne nicht systematisch manipuliert. Das interessante Experiment 2 von Trautmann et al. (2008) zeigt sogar, dass Ambiguitätsaversion gänzlich verschwindet, wenn der Experimentator die Präferenzen der TN nicht erkennen kann und somit nicht weiß, welche Auszahlungsmöglichkeit diese vorgezogen haben. Daher weiß nur der TN, ob er gewonnen oder verloren hat. Diese vollständige Anonymität der Entscheidung ist bei allen anderen anreizkompatiblen Experimenten nicht gegeben, da spätestens bei der realen Auszahlung ein höherer Betrag als besser angesehen wird.
Obwohl Risikoentscheidungen in der Verhaltensökonomie stärker im Fokus stehen, sind die meisten realen Entscheidungen nur unter unbekannten oder ungenauen Wahrscheinlichkeiten zu treffen. Daher bedeutet die verstärkte Betrachtung von Ambiguitätsentscheidungen eine begrüßenswerte Annäherung an die Realität.
3.3 Verschiedene Mess- und Abfragemethoden von Risiko und Ambiguität
In den vorherigen Abschnitten des Kapitel 3 wurde aufgezeigt, welche Modelle es zur Erfassung von Risiko- bzw. Ambiguitätseinstellung gibt und welche Vorhersagen diese treffen. In diesem Abschnitt werden die am häufigsten verwendeten Abfragemethoden kurz vorgestellt und auf die Multiple Price Lists (MPL)-Methode genauer eingegangen.
Die wohl einfachste Methode um Risiko- und Ambiguitätseinstellungen abzufragen ist mithilfe eines Questionares in Form einer ordinalen Skala. Dohmen et al. (2011) stellen fest, dass so eine Selbsteinschätzung stark mit dem tatsächlich beobachtbaren Verhalten korreliert.[22] Allerdings haben die TN bei so einer Einschätzung häufig keinen direkten Anreiz wahrheitsgemäß zu antworten, sodass bei dieser Methode Vorsicht vor z. B. sozial gewünschten Antworten geboten ist.
Eine anreizkompatible Methode wurde von Gneezy und Potters (1997) entwickelt. Bei dieser Methode erhalten die TN einen bestimmten Betrag und können eine beliebige Höhe davon investieren. Die Investition entspricht einer Risikolotterie und hat immer einen höheren Erwartungswert als die sichere Alternative, sodass risikoneutrale oder risikofreudige TN alles investieren würden und daher nicht unterschieden werden können. Diese Methode besticht durch Realitätsnähe, wird aber häufig über mehrere Runden oder in Gruppen gespielt, sodass dort verschiedene Effekte nicht klar getrennt werden können.[23] Außerdem scheint es so, dass durch die Aufgabenstellung die TN geframt werden, da bei den Experimenten, welche diesen Mechanismus nutzen alle TN stark risikoavers handeln.[24]
Die am häufigsten benutzte Methode um Risiko- und Ambiguitätseinstellungen messen zu können ist die MPL-Methode. Bei der MPL-Methode trifft man mehrmals eine Auswahlentscheidung zwischen zwei Alternativen. Häufig verändert sich während der Abfrage nur ein Parameter (z. B. die Wahrscheinlichkeit einer Risikolotterie). Die MPL-Abfrage von Holt und Laury (2002) wird häufig verwendet und wird daher in Abbildung 7 im Anhang gezeigt. Diese Abfrage hat sich mittlerweile als ein Standard zur Risikoabfrage etabliert, wobei nur die Höhe der jeweiligen Auszahlungsmöglichkeiten in anderen Experimenten angepasst wird. Die 10 Auswahlentscheidungen, die konstant gehaltenen Auszahlungsmöglichkeiten und der Wechselpunkt im Erwartungswert zwischen den Risikolotterien nach der 4. Auswahlentscheidung ist charakteristisch für diese Art der Abfrage. Unter der Annahme von bestimmten Nutzenfunktionen mit konstanter relativer Risikoaversion (CRRA), kann innerhalb der EU mit dieser Methode ein Risikokoeffizient geschätzt werden und dieser unabhängig von der Höhe der Auszahlungsmöglichkeiten mit anderen Studien verglichen werden.[25] Anreizkompatibilität wird meistens dadurch erreicht, dass von den 10 Auswahlentscheidungen eine zufällig ausgespielt wird und aufgrund der dort getroffenen Auswahlentscheidung die Auszahlung erfolgt. Die große Schwierigkeit bei dieser Methode besteht darin, dass manche TN die Auswahlentscheidungen nicht verstehen und mehrfach zwischen Risikolotterie A und Risikolotterie B wechseln.[26] Solche inkonsistenten TN werden normalerweise aus der Analyse ausgeschlossen. Manche Forscher weißen auch die TN auf ihr inkonsistentes Verhalten hin[27] oder lassen sie nur ein Wechselpunkt wählen[28]. Dies führt zwar zu konsistenten Entscheidungen, werden nun TN, welche die Aufgabe nicht verstanden haben, nicht ausgeschlossen.
Für die Ambiguitätsabfrage hat sich noch kein Standard durchgesetzt. Allerdings scheint sich die MPL von Chakravarty und Roy (2009) zu etablieren.[29] Wie man in Abbildung 8 sieht, besteht diese Ambiguitätsabfrage ebenfalls aus 10 Auswahlentscheidungen zwischen einer Risikolotterie mit 50%/50% Wahrscheinlichkeit und einer Ambiguitätslotterie mit unbekannter Wahrscheinlichkeit. Dadurch, dass bei beiden Lotterien eine Auszahlungsmöglichkeit 0 beträgt, kann man in Verbindung mit einer reinen Risikoabfrage den Einfluss der Risikoeinstellung kontrollieren und erhält dadurch einen Parameter, welcher losgelöst von der Risikoeinstellung die jeweilige Ambiguitätseinstellung erfasst. Die Ambiguitätsabfrage stellt die gleichen Anforderungen an die Nutzenfunktion der TN wie die Risikoabfrage von Holt und Laury (2002) und wird daher meistens mit diese zusammen benützt.
Neben der MPL-Methode kommen auch häufig Abfrage-Methoden vor, bei der die TN angeben, ab welcher Höhe sie gewillt sind, die Lotterie an einen Käufer zu verkaufen anstatt sie selber zu spielen (WTP-Methode). Durch die Anwendung des Becker–DeGroot–Marschak-Mechanismus haben die TN einen Anreiz, ihre wahre Verkaufsbereitschaft zu offenbaren. Im Vergleich zur MPL von Holt und Laury (2002) lässt diese Abfrage auch indifferenzen zwischen Lotterien zu und bietet allgemein mehr Informationen, z. B: darüber wie stark ein TN eine Lotterie vor der anderen vorzieht. Bei genügend TN ist somit mit der WTP-Methode eine reichhaltigere Analyse der Einstellungen bei Unsicherheit möglich als mit der MPL-Methode.[30] Allerdings ist die WTP-Methode nicht unumstritten, da z.B. Trautmann et al. (2011) mit der WTP-Methode im Verlustbereich eine Überschätzung von Ambiguitätsaversion finden und zu dem bemerkenswert inkonsistenten Ergebnis kommen, dass manche TN zwar bei einer Ellsberg-Urne die Risikolotterie vor der Ambiguitätslotterie vorziehen aber gleichzeitig für die Risikolotterie eine höhere Zahlungsbereitschaft als für die Ambiguitätsurne angeben.[31]
Tabelle 1 bietet eine Übersicht über die verschiedenen Abfragemethoden der Studien, welche in den in Kapiteln 5-8 besprochen werden. Dort kann man gut erkennen, dass die MPL-Methode am häufigsten verwendet wird.
4 Definition und Differenzierung des Verantwortungsbegriffs
In unserer arbeitsteiligen und vernetzten Welt trifft man häufig Entscheidungen, welche auch andere Personen betreffen. Beispielsweise als Familienvater für die Kinder oder als Bankerin für die Kunden. Man beeinflusst deren Ergebnisse und Entscheidungen und ist somit für diese mitverantwortlich. Obwohl so eine (freiwillige) Delegation der Entscheidungsmacht häufig vorkommt, ist es erstaunlich, dass die in Kapitel 3 vorgestellten Entscheidungsmodelle keine Vorhersagen für Entscheidungen unter Verantwortung treffen, wenn man keinen direkten Nutzen aus der Entscheidung für Andere zieht. Durch den Fokus auf den methodologischen Individualismus in der Wirtschaftswissenschaft wurde für soziale Interaktionen ohne direkte monetäre Anreize kaum Entscheidungsmodelle entwickelt. Auch die empirische Forschung widmet sich erst seit relativ kurzer Zeit der Untersuchung von Präferenzeinstellungen für Andere (sog. „other-regarding preferences“) unter Risiko.[32]
Für den Begriff der Verantwortung hat sich in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur noch keine einheitliche Definition herausgebildet. Beachtet man, dass Verantwortung unterschiedliche Aspekte beinhaltet, wird dies wohl nicht möglich sein. Daher wird in diesem Kapitel versucht die verschiedenen Facetten von Verantwortung zu beleuchten und dahingehend den Blick für die Studien in Kapitel 5 zu schärfen.
Verantwortung kann als eine Entscheider-Empfänger Beziehung aufgefasst werden. In dieser Arbeit wird derjenige als „Entscheider“ bezeichnet, welcher die Entscheidung trifft. Bei einer Entscheidung für sich alleine, ist folglich jeder Entscheider. Unter Verantwortung trägt der Entscheider noch eine (Mit-)Verantwortung für (mindestens) einen Empfänger. Innerhalb dieser Entscheider-Empfänger Beziehung kann man unterscheiden, ob der Entscheider nur für den Empfänger entscheidet oder ebenfalls für sich selbst. In Studien bei denen der Entscheider nicht für sich selber mitentscheidet, hat dieser keinen Anreiz eine bewusste Entscheidung zu treffen. Dies erschwert einen Vergleich mit einer anreizkompatiblen Entscheidungen des Entscheiders nur für sich selbst. Daher wird sich in dieser Arbeit der Definition von Pahlke et al. (2012a) angeschlossen und unter Verantwortung „situations in which the decision maker decides for others as well as herself“ verstanden.[33]
Im realen Leben kommt es häufig zu verschiedenen Interaktionseffekten zwischen dem Entscheider und dem Empfänger. Um aber den tatsächlichen Effekt von Verantwortung verstehen zu können, sollte Verantwortung als Entscheidungssituation verstanden werden, bei dem der Empfänger keine Möglichkeit hat später Entscheidungen für den Empfänger zu treffen oder dessen Entscheidungen aktiv zu beeinflussen. Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Beziehung zwischen Entscheider und Empfänger. So unterscheiden verschiedene Experimente, ob der Entscheider den Empfänger kennt oder dieser anonym ist.[34] In der Realität gibt es beides, doch lassen sich in (Labor-) Experimenten soziale Beziehungen schwer quantifizieren, sodass meistens die Identität des Entscheiders und Empfängers nicht aufgedeckt wird.
Trotz anonymen Empfängern kann man die Studien dadurch unterscheiden, aufgrund welcher Informationsbasis der Entscheider seine Entscheidung trifft. So scheint es einen Unterschied zu machen, ob der Entscheider die Präferenzen des Empfängers kennt oder nicht.[35] Dieser interessante Unterschied in der Informationsbasis des Entscheiders wird in Kapitel 5 näher betrachtet. Neben der Informationsbasis sollte man bei den Experimenten auch auf Veränderungen der Entscheidungssituation unter Verantwortung achten. Meistens entscheidet der Entscheider unter Verantwortung insgesamt über einen doppelt so hohen Betrag als wenn er nur für sich selber entscheiden würde. Dies könnte zu einem Framing-Effekt führen, da es nun in der Lotterie bspw. um 100 € anstatt 50 € geht.[36] Falls die Beträge, die der Entscheider und der Empfänger bekommen, unterschiedlich oder negativ korreliert sind, können zusätzlich Fairnesseffekte oder Ungleichheitsaversionen auftreten. Dieser Fall von asymmetrischen Auszahlungen werden in Kapitel 5.1.2 thematisiert.
Um den grundlegenden Effekt von Verantwortung studieren zu können, werden in dieser Arbeit hauptsächlich Experimente betrachtet, bei denen der Entscheider und der Empfänger jeweils nur eine Person sind, da sonst Gruppeneffekte und die Effekte von Entscheidungsregeln ebenfalls die Analyse verkomplizieren würden. Aufgrund den Überlegungen in diesem Kapitel wird in Abbildung 9 ein eng gefasster Verantwortungsbegriff graphisch dargestellt und dieser in den folgenden Kapiteln als Grundlage angewendet.
5 Analyse des aktuellen Forschungsstands zum Einfluss von Verantwortung unter Unsicherheit auf das Entscheidungsverhalten
In diesem Kapitel wird der aktuelle Forschungsstand anhand der in Kapitel 4 entwickelten Unterscheidungsmerkmale untersucht und ausgewählte Studien genauer vorgestellt.
5.1 Entscheidungsverhalten unter Risiko
Für einen Überblick über die Vorgehensweise und eine kurze Beschreibung der untersuchten Studien bei Verantwortung unter Risiko wird auf Tabelle 2 im Anhang verwiesen. In Tabelle 3 wird der Effekt von Verantwortung für jede Studie unter Risiko zusammengefasst.
5.1.1 Mit symmetrischen Auszahlungen für Entscheider und Empfänger
Bei der Studie von Andersson et al. (2012) steht der Vergleich des Entscheidungsverhalten von Personen für sich selber (Individual-Treatment (IT)) oder nur für Andere (Other-Treatment) im Vordergrund. Für die Forschungsfrage dieser Arbeit ist allerdings die Änderung des Entscheidungsverhaltens zwischen dem IT und dem Both-Treatment (BT) wegen des Verantwortungseffekts von größerem Interesse. Im BT liegt eine wie in Kapitel 4 definierte Entscheidungssituation unter Verantwortung vor. Die Entscheider müssen insgesamt 40 MPL-Auswahlentscheidungen zwischen zwei Risikolotterien treffen.[37] Die Risikolotterien werden im Gewinn- und im Gemischtenbereich gespielt. Je häufiger der Entscheider die Risikolotterie mit der geringeren Varianz der Auszahlungsmöglichkeiten wählt, desto stärker risikoavers wird er eingestuft.
Wie man in Abbildung 11 sieht, unterscheidet sich das Entscheidungsverhalten der Entscheider im Gewinnbereich in keinem Treatment. Im Gemischtenbereich sinkt zwar die Anzahl der Auswahlentscheidungen für die „sichere“ Risikolotterie A im BT deutlich, allerdings ist dieser Effekt nicht signifikant (p-value=0.107), sodass Verantwortung bei Andersson et al. (2012) keinen Effekt aufweist.
Humphrey und Renner (2011) nutzen ebenfalls Auswahlentscheidungen zwischen zwei Risikolotterien um die Risikoeinstellung messen zu können.[38] Wie man in Abbildung 12 sieht, benützen sie dafür eine MPL nach Holt und Laury (2002), wobei die Auszahlungsmöglichkeiten angepasst werden.[39] In einem Kontrolltreatment entscheiden die TN nur für sich selber und in einem Stranger-Treatment zusätzlich für eine andere Person. Da in der Studie auch der Effekt von sozialer Verbundenheit bei Entscheidungen unter Verantwortung untersucht wird, führen sie außerdem ein Friends-Treatment durch, bei dem Entscheider und Empfänger befreundet und die Entscheidungen somit persönlich zurechenbar sind. In diesem Friends-Treatment können außerdem die Präferenzen des Empfängers vom Entscheider eingeschätzt werden.
Wie man in Abbildung 13 sehen kann, sind die Entscheider im Durchschnitt risikoavers. Allerdings gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Treatments. Auch dann nicht, wenn der Entscheider mit dem Empfänger befreundet ist und somit keine anonymen Entscheidungen vorliegen.
Pahlke et al. (2012a) kommen in ihren zwei Experimenten zu anderen Ergebnissen als die bisher vorgestellten Studien. In Abbildung 14 kann man erkennen, dass in dem ersten Experiment verschiedene Auswahlentscheidungen (meistens zwischen Risikolotterien mit bekannter Wahrscheinlichkeit und sicheren Auszahlungen) im Gewinn-/Verlust- und Gemischtenbereich gespielt werden. Die möglichen Verhaltensänderungen unter Verantwortung werden gegenüber einem Einzeltreatment getestet. Der Empfänger bekommt die Entscheidungen des Entscheiders mitgeteilt und zeigt dem Experimentator an, ob er mit dieser Auswahlentscheidung zufrieden ist. Der Entscheider weiß von dieser Abfrage, bekommt aber die Zufriedenheitsangabe nicht mitgeteilt noch hat diese irgendwelche Konsequenzen. Allerdings könnte es sein, dass sich der Entscheider dadurch stärker beobachtet fühlt.
Pahlke et al. (2012a) finden im Gewinnbereich unter Verantwortung eine leicht stärkere Risikoaversion bei einem mittleren Wahrscheinlichkeitsniveau. Im Verlustbereich finden sie allerdings eine leichte Verstärkung von Risikofreude. Abbildung 15 zeigt den Unterschied zwischen dem Verantwortungstreatment und dem Einzeltreatment für alle getesteten Bereiche und Beträge. Interessanterweise sind die Empfänger durchgehend zufriedener, wenn der Entscheider die sichere Auszahlung im Gewinnbereich auswählt. Im Verlustbereich dreht sich dieser Effekt um, und die Auswahl der sicheren Auszahlung wird negativ bewertet. Bei einer Abfrage der eigenen Risikoeinstellung kann man erkennen, dass die Entscheider sich als stärker risikoavers als der Durschnitt einschätzen. Somit kann die Vermutung verworfen werden, dass unter Verantwortung die Entscheider sich nur den gedachten Einstellungen des Empfängers anpassen würden.
In ihrem ähnlich aufgebauten zweiten Experiment können sie die Verstärkung der Risikoaversion im Gewinnbereich auch für große Wahrscheinlichkeiten im Gewinnbereich bestätigen. Allerdings finden sie im Gewinnbereich bei kleinen Wahrscheinlichkeiten eine Verstärkung der Risikofreude.[40] Insgesamt kommen sie zu dem Schluss, dass Verantwortung die „Verzerrungen“, welche die PT vorhersagt, verstärkt. Diese Verstärkung ist zwar signifikant, aber nicht sonderlich groß.
[...]
[1] Das Beispiel ist an Humphrey (2011), S.6 angelehnt.
[2] Kuzmany (2010)
[3] Ebenda
[4] Ebenda
[5] Die meisten hier besprochenen Studien sind erst nach 2010 erschienen oder existieren nur als Working Paper.
[6] In dieser Arbeit werden nur bekannte Auszahlungsmöglichkeiten betrachtet. Ungenaue/Unbekannte Auszahlungsmöglichkeiten werden aufgrund von kaum vorhandener Literatur nicht betrachtet.
[7] vgl. u. A. Vieider (fortlaufend)
[8] Eine sichere Auszahlung kann in dem Sinne als eine Risikolotterie mit keiner Varianz aufgefasst werden.
[9] Dort werden dabei auch meistens nur implizit gleiche Nutzenfunktionen unterstellt.
[10] vgl. u. A. Krahnen et al. (2014)
[11] Vgl. hierzu und im Weiteren Laux et al. (2012), S.32f
[12] Vgl. hierzu und im Weiteren Eisenführ et al. (2010), S.20
[13] Vgl. In Kapitel 3.2 das Ellsberg-Paradoxon.
[14] Vgl. hierzu und im Weiteren Kahneman und Tversky (1979)
[15] Vgl. Barberis (2012) und Wakker (2010)
[16] Frisch und Baron (1988), S.152
[17] Fox und Tversky (1995)
[18] Vgl. Ellsberg (1961), S.650-655
[19] Hier wird nur das Zwei-Farben-Experiment betrachtet.
[20] Für eine experimentelle Diskussion dieser hier vorgestellten Entscheidungsregeln siehe Binmore et al. (2012).
[21] Chakravarty und Roy (2009), S.203f
[22] Vgl. Pahlke et al. (2012a), S.13
[23] Vgl. Pollmann et al. (2014)
[24] Vgl. für eine Übersicht Charness und Gneezy (2012), S.57
[25] Häufig verwendete Nutzenfunktionen sind u(x) = x(1-r) und u(x) = x(1-r)/(1−r )
[26] Vgl. den Extremfall in Charness und Viceisza (2012) bei denen 75% der TN inkonsistente Entscheidungen treffen.
[27] Vgl. Chakravarty und Roy (2009)
[28] Vgl. Andersen et al. (2006)
[29] Vgl. Brunette et al. (2014)
[30] Vgl. Krahnen et al. (2014)
[31] Vgl. Trautmann et al. (2011), S.1322
[32] Vgl. Stauf (2012), S.34 oder Andersson et al. (2012)
[33] Pahlke et al. (2012a), S.2
[34] Vgl. Humphrey und Renner (2011)
[35] Vgl. Stauf (2012)
[36] Das individuelle Auszahlung bleibt für den Entscheider natürlich weiterhin 50 €.
[37] Vgl. Abbildung 10
[38] Das Experiment bzgl. Öffentlicher Güter wird hier nicht besprochen.
[39] Zur Risikomessung bei einer MPL von Holt und Laury (2002) vgl. Kapitel 3.3.
[40] Große Wahrscheinlichkeiten bedeuten hier 90%, kleine Wahrscheinlichkeiten 10%.
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