Ziel dieser Arbeit ist die Erörterung der Fragestellung, welche wirtschafts- und währungspolitischen Maßnahmen die zehn EU-Beitrittsländer bereits durchgeführt haben und welche sie gegebenenfalls noch durchführen müssen, um die Konvergenzkriterien des EG-Vertrags nachhaltig zu erfüllen. Weiterhin soll eine begründete Stellungnahme über den möglichen Zeitpunkt der Einführung der Gemeinschaftswährung in den einzelnen Ländern abgegeben werden.
Beginnend erfolgt eine Darstellung der makroökonomischen Entwicklung der zehn EU-Beitrittsländer, wobei diese bei den acht ehemals sozialistischen ost- und mittelosteuropäischen Länder mit dem einsetzenden Transformationsprozess um das Jahr 1990 startet, wohingegen bei den marktwirtschaftlich geprägten Staaten Malta und Zypern hauptsächlich der wirtschaftspolitische Annäherungsprozess an die Gemeinschaft quantifiziert wird. Dem schließt sich eine theoretische Analyse, der für die Entwicklung der zehn EU-Beitrittsländern relevanten Wechselkurssysteme an. Die theoretische Analyse bildet dann die Voraussetzung für die weiterführende Betrachtung der währungspolitischen Entwicklung aller zehn Beitrittsländer. Im Weiteren wird dann der bereits erfolgte Konvergenzfortschritt in Bezug auf jedes einzelne der vier Kriterien in der Reihenfolge, wie sie im EG-Vertrag aufgeführt sind, analysiert, um dann abschließend die gesamte Konvergenzlage jedes einzelnen Landes zu beurteilen und einen möglichen Zeithorizont für die Einführung der Gemeinschaftswährung zu quantifizieren.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Makroökonomische Entwicklungen der EU-Beitrittsländer
2.1 Polen
2.2 Tschechische Republik
2.3 Slowakei
2.4 Ungarn
2.5 Estland
2.6 Lettland
2.7 Litauen
2.8 Slowenien
2.9 Malta
2.10 Zypern
3. Wechselkurssysteme
3.1. Feste Wechselkurssysteme
3.2 Flexible Wechselkurssysteme
3.3 Weiche Wechselkurssysteme
4. Wechselkurspolitische Strategien der EU-Beitrittsländer
4.1 Feste Wechselkurssysteme
4.1.1 Estland
4.1.2 Litauen
4.1.3 Lettland
4.1.4 Malta
4.1.5 Zypern
4.2 Flexible Wechselkurssysteme
4.2.1 Polen
4.2.2 Tschechische Republik
4.2.3 Slowakei
4.2.4 Slowenien
4.3 Weiche Wechselkurssysteme
4.3.1 Allgemeine Entwicklungen
4.3.2 Ungarn
5. Perspektiven einer frühzeitigen Einführung des Euro in den EU-Beitrittsländern
5.1 Das Konvergenzkriterium der Preisniveaustabilität
5.1.1 Aktuelle Konvergenzsituation der EU-Beitrittsländern und mögliche Perspektiven
5.1.2 Stabilitätsgerechte Lohnpolitik
5.2 Das Konvergenzkriterium tragbarer öffentlicher Finanzen
5.2.1 Budgetsaldo der öffentlichen Haushalte
5.2.2 Verschuldung der öffentlichen Haushalte
5.2.3 Stabilitätsgerechte Finanzpolitik
5.3 Das Konvergenzkriterium der Wechselkursstabilität
5.3.1 Funktionen des Wechselkursmechanismus II
5.3.2 Konzeption des Wechselkursmechanismus II
5.3.3 Wechselkurskonvergenz der EU-Beitrittsländer und Perspektiven
5.4 Das Kriterium der Zinskonvergenz
5.5 Erfüllungsgrad aller Konvergenzkriterien und dauerhafte Konvergenz
6. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Internetverzeichnis
Anhang Tabellen
Ehrenwörtliche Erklärung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Makroökonomische Entwicklung Polen 1993-2002 1 6
Tabelle 2: Makroökonomische Entwicklung Tschechische Republik 1993-2002 1
Tabelle 3: Makroökonomische Entwicklung Slowakei 1993-2002 1
Tabelle 4: Makroökonomische Entwicklung Ungarn 1993-2002 1
Tabelle 5: Makroökonomische Entwicklung Estland 1993-2002 1
Tabelle 6: Makroökonomische Entwicklung Lettland 1993-2002 1
Tabelle 7: Makroökonomische Entwicklung Litauen 1993-2002 1
Tabelle 8: Makroökonomische Entwicklung Slowenien 1993-2002 1
Tabelle 9: Makroökonomische Entwicklung Malta 1994-2002 1
Tabelle 10: Makroökonomische Entwicklung Zypern 1993-2002 1
Tabelle 11: Entwicklung der Verbraucherpreise in den EU-Beitrittsländern1
Tabelle 12: Budgetsalden der öffentlichen Haushalte in den EU-Beitrittsländern1
Tabelle 13: Verschuldung der öffentlichen Haushalte in den EU-Beitrittsländern1
Tabelle 14: Entwicklung der Wechselkurse in den EU-Beitrittsländern1
Tabelle 15: Entwicklung der langfristigen Zinssätze in den EU-Beitrittsländern1
Tabelle 16: Konvergenzsituation der EU-Beitrittsländer im Jahr 2002
1. Einleitung
Mit der Erweiterung der Europäischen Union steht die Gemeinschaft vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Am 16. April 2003 unterzeichneten acht mittel- und osteuropäische Länder sowie die Inselstaaten Malta und Zypern in Athen die Beitrittsverträge zur Europäischen Union. Nach der erfolgreichen Durchführung der Referenden bzw. Parlamentsentscheide in den einzelnen Beitrittsländern erfolgt am 1. Mai 2004 die große Erweiterungsrunde um Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.
Die neuen EU-Mitglieder gehören zwar nach dem Beitritt noch nicht der Wirtschafts- und Währungsunion an, verpflichten sich aber gemäß Artikel 122 EGV zu einer späteren Übernahme der Gemeinschaftswährung. Somit ergeben sich bereits zu Beginn der Mitgliedschaft in der Europäischen Union für die Beitrittsländer währungs- und wirtschaftspolitische Implikationen einer späteren Einführung des Euro. Im Zuge der Mitgliedschaft werden die nationalen Notenbanken bereits Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken und verpflichten sich zur Wahrung der Preisniveaustabilität gemäß Artikel 121 EGV sowie die Gewährleistung der Autonomie der nationalen Zentralbanken ohne Kreditvergabemöglichkeiten an die nationalen Regierungen gemäß Artikel 101 EGV.
Für die zehn EU-Beitrittsländer bedeutet dies, eine stabilitätsorientierte und auf fortschreitende Konvergenz ausgerichtete Wirtschaftspolitik zu betreiben. Die konkrete Umsetzung dieser Strategie findet sich in der Formulierung der Konvergenzkriterien gemäß Artikel 121 EGV wieder. Hier werden den neuen Mitgliedsländern Konvergenzkriterien zur Preisniveaustabilität, der Finanzlage der öffentlichen Haushalte, einer spannungsfreien Teilnahme am Wechselkursmechanismus II und über das langfristige Zinsniveaus auferlegt, deren Erfüllung als Voraussetzung für die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion mit der abschließenden Einführung des Euro gelten. In diesem Zusammenhang kommt der Finanzpolitik ein besonderer Stellenwert zu Gute, da sich die Mitgliedsländer gemäß Artikel 104 EGV im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes mittelfristig zu einem ausgeglichenen Haushalt und zu einer Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite verpflichtet haben. Eine solide Finanzpolitik ist somit unabdingbar für ein langfristig niedriges Zinsniveau, hohe Investitionen sowie ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, in deren Ergebnis dann alle zehn EU-Beitrittsländer ein höchstmögliches Maß an Konvergenz erlangen.
Ziel dieser Arbeit ist die Erörterung der Fragestellung, welche wirtschafts- und währungspolitischen Maßnahmen die zehn EU-Beitrittsländer bereits durchgeführt haben und welche sie gegebenenfalls noch durchführen müssen, um die Konvergenzkriterien des EG-Vertrags nachhaltig zu erfüllen. Weiterhin soll eine begründete Stellungnahme über den möglichen Zeitpunkt der Einführung der Gemeinschaftswährung in den einzelnen Ländern abgegeben werden.
Beginnend erfolgt eine Darstellung der makroökonomischen Entwicklung der zehn EU-Beitrittsländer, wobei diese bei den acht ehemals sozialistischen ost- und mittelosteuropäischen Länder mit dem einsetzenden Transformationsprozess um das Jahr 1990 startet, wohingegen bei den marktwirtschaftlich geprägten Staaten Malta und Zypern hauptsächlich der wirtschaftspolitische Annäherungsprozess an die Gemeinschaft quantifiziert wird. Dem schließt sich eine theoretische Analyse, der für die Entwicklung der zehn EU-Beitrittsländern relevanten Wechselkurssysteme an. Die theoretische Analyse bildet dann die Voraussetzung für die weiterführende Betrachtung der währungspolitischen Entwicklung aller zehn Beitrittsländer. Im Weiteren wird dann der bereits erfolgte Konvergenzfortschritt in Bezug auf jedes einzelne der vier Kriterien in der Reihenfolge, wie sie im EG-Vertrag aufgeführt sind, analysiert, um dann abschließend die gesamte Konvergenzlage jedes einzelnen Landes zu beurteilen und einen möglichen Zeithorizont für die Einführung der Gemeinschaftswährung zu quantifizieren.
2. Makroökonomische Entwicklungen der EU-Beitrittsländer
Die zehn EU-Beitrittskandidaten lassen sich im wesentlichen in zwei annähernd homogene Gruppen einteilen. Die wesentlich größere Gruppe umfasst die acht ehemaligen sozialistischen Länder Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Tschechischen Republik, die Slowakei, Ungarn und Slowenien, während die andere Gruppe die zwei westlich geprägten Inselstaaten Malta und Zypern umfasst. Im folgenden Kapitel wird innerhalb der Länder der ersten Gruppe vor allem auf den Transformationsprozess seit Anfang der 90ger Jahre von einer sozialistisch geprägten Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur hin zu einer freiheitlich und marktwirtschaftlich geprägten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung eingegangen. Da in den beiden Inselstaaten Malta und Zypern ein solcher radikaler Transformationsprozess nicht statt gefunden hat, beschränkt sich die Betrachtung hier auf eine allgemeine Darstellung der makroökonomischen Entwicklung dieser beiden Länder sowie die Reformbemühungen hin zu einer stärkeren Annäherung an die Statuten und Rechtsnormen der EU.
Auf eine Darstellung der Übernahme der gemeinsamen Besitzstände der Europäischen Union durch die Beitrittskandidaten im Rahmen der Beitrittsverhandlungen soll an dieser Stelle aufgrund des enormen Umfangs weitestgehend verzichtet werden. Festzuhalten bleibt, dass alle zehn Beitrittskandidaten eine Anpassung ihrer nationalen Rahmenbedingungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an die Rechtsnormen und Statuten der Europäischen Union zu großen Teilen bereits vollzogen haben und noch weiterhin vollziehen müssen..
2.1 Polen
Im Rahmen des Transformationsprozesses leitete Polen 1990 im Zuge des Balcerowicz-Programms radikale Reformen ein, deren Erfolg sich in den makroökonomischen Kennzahlen widerspiegeln (siehe Tabelle 1). Neben einer vollkommenen Preisliberalisierung, die Versorgungsengpässe schnell beseitigte, führte die außenwirtschaftliche Öffnung Polens zu einer Belebung der inländischen Konkurrenz und schaffte Exportmöglichkeiten für die einheimische Produktion. Ehemalige Staatsunternehmen wie Banken, Post, Telekom sowie große Industriebetriebe wurden ebenso privatisiert wie die gesamten kleineren und mittelständischen Unternehmen. Die Inflationsrate konnte bei moderater realer Aufwertung und hohen Wachstumsraten langsam aber stetig gesenkt werden. Begünstigt wurde dies durch die Konsolidierung des Staatshaushaltes und der Reduzierung des Kreditvolumens. Der Übergang zu einem Crawling Peg System unterstützte zudem das Reformtempo der polnischen Regierung. Nach dem herben Wirtschaftseinbruch zu Beginn der 90ger Jahre vor allem bedingt durch den Zusammenbruch des Handels mit den ehemaligen sozialistischen Ländern, erholte sich die polnische Wirtschaft Mitte der 90ger Jahre wieder. Von 1994 bis 2000 erfolgte dann eine strukturelle Anpassungsphase, einhergehend mit einem deutlichen BIP-Wachstum, steigenden Investitionen und Exporten sowie deutlich zunehmenden Direktinvestitionen. Mitte der 90ger Jahre wurden die ehemals staatlichen Banken konsolidiert und bis 2001 weitgehend privatisiert. Neben weiteren Kapitalverkehrsliberalisierungen sorgte 1998 ein neues Bankenaufsichtsgesetzt für weiter zunehmende Stabilität im Finanzsektor und eine weiter voranschreitende Angleichung an europäische Standards. Aufgrund auslaufender Moratorien, eines steigenden Schuldendienstes und Umschuldungen aus den 90ger Jahren erreichte das Leistungsbilanzdefizit 1999 mit 8 Prozent des BIP seinen Höchstwert. Durch eine restriktivere Fiskalpolitik und weitere strukturelle Reformen ist es Polen jedoch gelungen sowohl die hohe Inflationsrate als auch das Leistungsbilanzdefizit durch Steigerung der Export- und Sparquote zu reduzieren.[1]
Neben weiteren Strukturreformen muss es Polen vor allem gelingen das Leistungsbilanzdefizit weiter abzubauen, den Staatshaushalt zu sanieren sowie ein stabiles Wirtschaftswachstum und eine konstant niedrige Inflationsrate zu ermöglichen.
2.2 Tschechische Republik
Ähnlich wie ganz Mittel- und Osteuropa stand auch die Tschechoslowakei seit 1989 vor einem enormen wirtschafts- und finanzpolitischen Transformationsprozess. Dieser soll zunächst bis Anfang 1993 beleuchtet werden, bevor es im Zuge der Teilung des Staates in die Tschechische Republik und die Slowakei, zu einer getrennten makroökonomische Entwicklung kommen sollte (siehe Tabellen 2 und 3).
Die Tschechoslowakei wählte den Weg eines Liberalisierungsschocks einhergehend mit der Freigabe von 86 Prozent der Binnenpreise sowie Maßnahmen zur Begrenzung des Lohnanstieges im Jahre 1991. Im Zuge des Zusammenbruchs nahezu des gesamten Handels mit den ehemaligen sozialistischen Ländern und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion kam es zu einem enormen Einbruch der Produktion und Wirtschaftsleistung sowie deutlich sinkenden Löhnen und Sparguthaben. Anfang der 90ger Jahre erfolgten großangelegte Privatisierungsprogramme kleinerer Unternehmen sowie der Großbetriebe im Rahmen von Rückübertragungen, Management-buy-out Programmen bzw. Voucher Privatisierungen. Der Kapitalmarkt wurde zudem durch die Erhöhungen der Mindesteigenkapitalquote der Banken auf 8 Prozent, die Zulassung ausländischer Banken sowie der Gründung von Investmentfonds gestärkt.[2]
In der dann unabhängigen Tschechischen Republik erfolgte im Oktober 1993 eine zweite Privatisierungswelle. Aufgrund der eingeleiteten Maßnahmen konnte die tschechische Wirtschaft ab 1993 wieder Wachstumsraten des BIP verzeichnen. Begünstigt wurde diese Entwicklung auch durch die Arbeitsmarktpolitik, die sich einer straffen Lohnpolitik, moderaten Lohnnebenkosten, geringen Transferleistungen im Falle der Arbeitslosigkeit sowie einer aktiven Arbeitsmarktpolitik verpflichtete. Die hohe Arbeitskräftemobilität und die Reallohnflexibilität traten an die Stelle des nominellen Wechselkurses als Anpassungsmechanismus für den realen Wechselkurs und ermöglichten eine effiziente Ressourcenallokation und eine geringe Arbeitslosigkeit. Neben der Arbeitsmarktpolitik standen auch Maßnahmen zur Konsolidierung des Finanz- und Kapitalmarktes an oberster Stelle. Die bereits unter der Tschechoslowakischen Regierung eingeleitete Rekapitalisierung der Banken wurde fortgeführt und Höchstgrenzen für die Kreditvergabe an staatliche Unternehmen erlassen. Das Eigenkapital der Banken wurde aufgestockt und uneinbringliche Forderungen beglichen. Die tschechische Wirtschaft wandelte sich im Laufe des Transformationsprozesses von einer industriellen und landwirtschaftlich geprägten Volkswirtschaft hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Der an für sich reibungslose und erfolgreiche Transformationsprozess geriet jedoch 1997 im Zuge einer Wirtschafts- und Währungskrise ins stocken, wodurch auch die politische Stabilität des Landes gelitten hat. In den folgenden Jahren richtete sich die Aufmerksamkeit der tschechische Regierung auf die Beseitigung der wirtschaftlichen Schwächen, den noch ineffizienten Bankensektor und das hohe Leistungsbilanzdefizit.[3]
2.3 Slowakei
Die Slowakei startete 1993 als der weniger entwickelte Teil der ehemaligen Tschechoslowakei mit deutlichen Nachteilen in die Unabhängigkeit. Allerdings konnte die makroökonomische Entwicklung (siehe Tabelle 3) als zunächst stabil angesehen werden. Nach der Anpassungsrezession zu Beginn der 90ger Jahre war das Wirtschaftswachstum wieder positiv, der Staatshaushalt ausgeglichen, der reale Wechselkurs stabil und die Inflationsrate vergleichbar mit der Tschechiens. Im Gegensatz zur Tschechischen Republik erfolgte in der Slowakei keine schnelle Transformation hin zur Marktwirtschaft, da staatliche Regulierungen weiter aufrecht gehalten wurden. Begünstigt durch eine monetäre und fiskalische Expansion wuchs die Wirtschaft ab 1995 jeweils um mehr als 6 Prozent. Begleitet wurde diese Entwicklung allerdings durch einen starken Anstieg des Kreditvolumens, ein stetig wachsendes Staatsdefizit sowie eines zweistelligen Leistungsbilanzdefizits. Der wirtschaftliche Expansionsprozess bei sinkender Sparquote wurde durch staatliche Garantien, Auslandskredite sowie die staatlichen Banken finanziert. Folglich stiegen die Realzinsen auf über 15 Prozent im Jahre 1998 und die Auslandsverschuldung nahm beträchtliche Ausmaße an. Um eine drohende Währungskrise abzuwenden, musste die Regierung folglich drastische Maßnahmen ergreifen. Es wurden Reformen eingeleitet, die im Nachbarland Tschechien bereits viel früher angepackt wurden, so die Restrukturierung und Privatisierung der Staatsbanken und Staatsunternehmen, die Stärkung des Konkursrechts sowie die Rückführung des Leistungsbilanzdefizit. Daher wird der Anpassungsprozess in der Slowakei noch einige Zeit in Anspruch nehmen, um das hohe Staats- und Leistungsbilanzdefizit zu reduzieren und die Wirtschaft zu stabilisieren.[4]
2.4 Ungarn
Die makroökonomische Entwicklung Ungarns (siehe Tabelle 4) lässt sich im wesentlichen in zwei Phasen unterteilen. In der ersten Periode bis Mitte der 90ger Jahre erfolgte die Umstrukturierung der Wirtschaft mit einer besonderen Gewichtung des Außenhandels und des Bankensektors und in der zweiten Periode die geld- und fiskalpolitische Konsolidierung. Bereits im Jahre 1987 mit der Auflösung des Monopols der ungarischen Staatsbank und der Einführung eines zweistufigen Bankensystems begann der Reformprozess im Bankensektor. 1992 erfolgte die Etablierung der Richtlinien der BIZ. In den Jahren 1994 bis 1996 wurde der Bankensektor weiter privatisiert und die Schulden der Banken konsolidiert. So erhöhte sich der Anteil ausländsicher Kapitaleigner von 15 auf 48 Prozent, während der Staatsanteil von 67 auf 33 Prozent zurück ging. Im Bereich der Außenwirtschaft erfolgte eine frühzeitige Öffnung des Landes unter anderem durch den schnellen Abbau von Importzöllen, wenn auch diese im Jahre 1997 noch im Durchschnitt 11 Prozent betrugen. Im Gegenzug wurde vor allem die Exportleistung durch staatliche Subventionen gefördert. Im Ergebnis konnten sich die Spar- und Exportquoten bis Ende der 90ger Jahre nahezu verdoppeln und das Leistungsbilanzdefizit kontinuierlich reduziert werden.[5] In der zweiten Phase der wirtschaftlichen Transformation Ungarns stand die Konsolidierung der ausufernden Geld- und Fiskalpolitik im Vordergrund. Neben der Reduzierung des Kreditvolumens von 90 Prozent des BIP auf 60 Prozent des BIP erfolgte fortan die Reduzierung der Staats- und Auslandsverschuldung durch die Konsolidierung des Staatshaushaltes, auch wenn die Schuldenquote und das Staatsdefizit im Vergleich zu den anderen Transformationsländern noch auf einem sehr hohem Niveau liegen. Folglich muss das Hauptaugenmerk Ungarns in der weiteren Konsolidierung der Staatsfinanzen und der Reduzierung des Leistungsbilanzdefizits stehen, um zukünftig die Konvergenzkriterien erfüllen zu können.[6]
2.5 Estland
Einhergehend mit der Währungsreform 1992 leitete Estland einen radikalen Reformprozess ein, der eine rasche Angleichung Estlands an westliche Standards zum Ziel hatte und dessen Erfolg den makroökonomischen Kennzahlen (siehe Tabelle 5) zu entnehmen ist. Im Gegensatz zu anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie einigen Ost- und Mittelosteuropäischen Staaten erfolgten in Estland schnelle Kapitalmarktreformen. Es wurde ein zweistufiges Bankensystem installiert mit strengen Vorschriften bezüglich der Eigenkapitalquote, Liquiditätsanforderungen sowie in Bezug auf vergebenen Großkredite. Ein glaubwürdiges Konkursrecht fand seinen Ausdruck in zahlreichen Bankenzusammenbrüchen zu Beginn der 90ger Jahre. Zudem hat das Bankensystem kaum mit notleidenden Krediten zu kämpfen. Ebenso wie die Kapitalmarktpolitik trug auch die Finanzpolitik zu einer raschen wirtschaftlichen Konsolidierung bei. Seit der Währungsreform darf die Zentralbank de jure keine Kredite mehr an die Regierung vergeben und auch die Geschäftsbanken dürfen lediglich kurzfristige Liquiditätsengpässe der öffentlichen Haushalte überbrücken. Ausdruck dieser Reformen sind vergleichsweise geringe bzw. kurzfristige auftretende Budgetdefizite. Estland gelang es bereits 1995 den wirtschaftlichen Schrumpfungsprozess in Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion einhergehend mit ausbleibenden Zuschüssen und Krediten aus Moskau sowie einem deutlich geringeren Außenhandel mit Russland zu überwinden. Unterstützt wurden die Reformbewegungen Estlands auch durch die Wechselkursfixierung und die rasche Eindämmung der Inflation. Die Außenhandelsliberalisierung begann frühzeitig mit der Öffnung des Außenhandels 1991 und der fast völligen Abschaffung von sämtlichen Handelsbeschränkungen bis 1992. Positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung Estlands wirkte sich auch das 1993 installierte Steuersystem mit seiner Einfachheit, geringen Ausnahmetatbeständen sowie geringen administrativen Anforderungen aus. Neben der Einführung einer Mehrwertsteuer erfolgte die Erhebung von direkten Steuern in Form der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Der Privatisierungsprozess wurde wie in allen anderen Transformationsländern frühzeitig begonnen. Von 1993 bis 1995 wurden die großen und mittleren Staatsbetriebe durch Direktverkauf privatisiert, während die kleineren Betriebe vorrangig an das bestehende Management verkauft wurden. Lediglich die Versorgungs- und Infrastrukturbetriebe blieben unter staatlicher Kontrolle. Estland erreichte somit im Gegensatz zu vielen anderen Transformationsländern bereits sehr früh einen hohen Grad an Marktfreiheit und -offenheit, wodurch eine schnelle Integration Estlands in die Weltwirtschaft, eine zunehmen Außenhandelsorientierung sowie eine bessere Anpassung der regionalen Handelsstrukturen erfolgen konnte. Die Schattenseite dieses radikalen Transformationsprozesses sind ein exorbitant hohes Handels- und Leistungsbilanzdefizit, welches es zukünftig abzubauen gilt.[7]
2.6 Lettland
Lettland startete ebenso wie seine beiden baltischen Nachbarn 1992 in die Unabhängigkeit. Die wirtschaftspolitische Entwicklung Lettlands (siehe Tabelle 6) zeichnete sich wie in den beiden anderen baltischen Staaten durch eine geringe Staats- und Auslandsverschuldung aus, begleitet durch ein vergleichsweise hohes Leistungsbilanzdefizit und hohe Zuflüsse an Direktinvestitionen. Lettland vollzog ähnlich wie Estland gleich zu Beginn der Transformation einen radikalen Umbau des Wirtschaftssystems. Es wurden schrittweise die Einführung der Marktwirtschaft vollzogen, eine unabhängige Zentralbank gegründet und eine eigene Währung eingeführt, die vollständig durch Devisenreserven gedeckt war. Die Preise wurden liberalisiert und eine Landreform stärkte die heimische Landwirtschaft. Im Rahmen der Privatisierungswelle wurden nahezu alle Betriebe aus der staatlichen Kontrolle entlassen und verkauft. Dagegen vollzogen sich die Kapitalmarktreformen langsamer als im benachbarten Estland. Eine solide Makropolitik mit einer disziplinierenden Geld- und Fiskalpolitik sowie einer staatlichen Kontrolle der Bankkredite gelang erst ab 1995 vor dem Hintergrund einer starken Bankenkrise. Lettland ist es schon 1994 gelungen den starken wirtschaftlichen Schrumpfungsprozess zu überwinden und die Basis für ein starkes und kontinuierliches Wirtschaftswachstum ab 1996 zu legen. Die Außenhandelsliberalisierung wurde ebenfalls frühzeitig vollzogen, obwohl moderate Zölle in bestimmten Sektoren beibehalten wurden. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die moderate Lohnpolitik in Lettland. Das Land litt in den 90ger Jahren vor allem unter einem stetig zunehmenden Leistungsbilanzdefizits bedingt durch den kontinuierlichen Rückgang der Exportleistung. Zukünftig muss Lettland jedoch weitere Anstrengungen unternehmen, das noch hohe Leistungsbilanzdefizits weiter zu reduzieren und die Staatsfinanzen zu konsolidieren.[8]
2.7 Litauen
Ähnlich wie die beiden anderen baltischen Länder musste auch Litauen den wirtschaftlichen Schrumpfungsprozess in Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion einhergehend mit der ausbleibenden Unterstützung aus Moskau sowie einem deutlich geringeren Außenhandel mit Russland überwinden, ehe es ab 1995 wieder zu einer wirtschaftlichen Expansion kommen konnte (siehe Tabelle 7). Wie auch in Estland unterstützte das feste Wechselkurssystem auch in Litauen eine rasche Eindämmung der Infla1tionsraten sowie eine haushaltspolitische Disziplinierung der Regierung, die allerdings erst Mitte der 90ger Jahre von Erfolg gekrönt war. Im Gegensatz zu Estland litt Litauen wie auch Lettland stark unter kontinuierlich sinkenden Exporten, was auch durch die Russlandkrise Ende der 90ger Jahre weiter verschärft wurde. Im Ergebnis stieg das Leistungsbilanzdefizit Litauens bis Ende der 90ger Jahre kontinuierlich auf zweistellige Werte an. Im Vergleich zu den anderen baltischen Staaten besaß Litauen noch die meisten Handelsbeschränkungen. Zwar wurde auch hier zu Beginn der Transformation Anfang der 90ger Jahre die meisten nichttarifären Handelsbeschränkungen abgebaut, in einzelnen Sektoren aber beibehalten. Erst gegen Ende der 90ger Jahre als sich eine zunehmende glaubwürdige wechselkurspolitische Ausrichtung hin zur EU abzeichnete, nahmen auch die Direktinvestitionen spürbar zu, was als eine wesentliche Voraussetzung zum sukzessiven Abbau des hohen Handels- und Leistungsbilanzdefizits angesehen werden konnte und auch eine Stabilisierung des Staatshaushaltes ermöglichte.[9] Unterstützt wurde die Funktionsfähigkeit des Currency-Board-Systems zu dem durch eine sehr umsichtige Steuerpolitik, wobei die rechtliche Angleichung der indirekten Steuern an den gemeinschaftlichen Besitzstand sukzessive durchgeführt wurde. Der vergleichsweise schleppende Privatisierungsprozess wurde erst 1997 durch die Verabschiedung eines neuen Privatisierungsprozesses beschleunigt. Gleichzeitig sorgte ein neues Konkursrecht für eine effizientere und zügigere Bearbeitung der bis dato langjährigen Verfahren. Ähnlich Fortschritte konnten im Bereich der Bankenaufsicht erzielt werden, wo die Baseler Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung eingeführt, die Vorschriften über den Einlagenversicherung, die Rückstellungen und Risikosteuerung verschärft wurden.[10]
2.8 Slowenien
Slowenien gehört zu den erfolgreichsten Transformationsländern Mittel- und Osteuropas, das vor allem von seiner starken Außenorientierung vor dem Transformationsprozess sowie seiner konservativen Makropolitik und eines graduellen Reformprozesses profitierte (siehe Tabelle 8). Von Beginn an des Transformationsprozesses wurde in Slowenien eine konsequente Schuldenpolitik betrieben, so dass der Staatshaushalt in der Regel ein vergleichsweise geringes Defizit aufwies und die Staatsverschuldung auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau verharrte. Die Geldpolitik wandte sich zielgerichtet auf eine Reduktion der Inflationsrate durch Zielvorgaben für das Geldmengenwachstum. In Bezug auf binnenwirtschaftliche Reformen vollzog Slowenien eine behutsame Liberalisierungs- und Deregulierungsstrategie. Auf dem Kapitalmarkt wurden ab 1990 zunächst die staatlichen Banken saniert und der slowenische Finanzmarkt stabilisiert, ehe dann auch 1999 ausländische Banken Zugang zum slowenischen Markt erhielten. Die Banken zeichnen sich durch eine vergleichsweise hohe Eigenkapitalquote von 22 Prozent im Vergleich zu den gesetzlich geforderten 8 Prozent aus. Die staatliche Regulierung zeigte sich auch auf dem Arbeitsmarkt, wo bis Ende der 90ger Jahre die Löhne indexiert, der Lohnfindungsprozess zentralisiert und einem hohen Einfluss der Regierung ausgesetzt waren.[11] 1997 wurde die Lohnsteigerungsrate per Gesetz auf 85 Prozent der Inflationsrate festgeschrieben, die somit unter den Produktivitätszuwachses gedrückt werden konnte, um dadurch die negativen Einflüsse auf die Beschäftigung und die Inflationsrate in Folge zu hoher Lohnsteigerungsraten der vergangenen Jahre entgegen zu treten. Schließlich wurden zwischen 1997 und 1998 eine Vielzahl staatlicher Preiskontrollen abgeschafft und gegen Ende 2000 die vollständige Preisliberalisierung umgesetzt.. Diese Maßnahmen sowie fehlende Beeinträchtigungen durch die Russlandkrise verbesserten die makroökonomische Entwicklung Sloweniens zusehends. Positiv wirkte sich auch das seit Mitte der 90ger Jahre vorhandene Konkursrecht auf den Ausleseprozess in der slowenischen Wirtschaft aus, welches die Wettbewerbsfähigkeit der soliden Unternehmen festigte. Der Privatisierungsprozess im Rahmen eines Management-buy-out konnte Ende der 90ger Jahre als abgeschlossenen angesehen werden, auch staatliche Unternehmen noch immer ein Drittel der Gesamtaktiva ausmachten. Die Kapitalverkehrsliberalisierung wurde im Jahre 2001 weiter vorangebracht und nahezu abgeschlossen, so dass Slowenien den Herausforderungen der EU-Mitgliedschaft gewachsen sein wird.[12]
2.9 Malta
Im Gegensatz zu den Transformationsländern Ost- und Mittelosteuropas bestand der makroökonomische Entwicklungsprozess (siehe Tabelle 9) Maltas hauptsächlich in einer Anpassung der wirtschaftlichen, wettbewerbspolitischen und juristischen Rahmenbedingungen an europäische Standards. Die maltesische Wirtschaft zeichnete sich in den Jahren 1994-2000 mit Ausnahme des Jahres 1998 durch ein sehr robusten Wirtschaftswachstumwachstum mit jährlichen Steigerungsraten von zum Teil über 4% aus. Hauptschwerpunkte der maltesischen Wirtschaft in Bezug auf Beschäftigung und Investitionen bilden der Elektronikbereich und der Fremdenverkehr. Aufgrund der geringen Binnennachfrage hat Malta seit Anfang der 90ger Jahre mit einem hohen Leistungsbilanzdefizit zu kämpfen, welches zum Teil zweistellige Werte erreichte. Das seit 1994 stetig steigende Haushaltsdefizit konnte erst ab 1998 stückweise zurückgeführt werden, wenngleich es mit schätzungsweise 6,2 Prozent im Jahr 2002 weiterhin sehr hoch ist. Verantwortlich für die nach wie vor hohe Neuverschuldung sind steigende laufende Ausgaben sowie die Gehälter der Staatsbediensteten. Aufgrund der Anpassung des Steuersystems im Juli 1997 an europäische Verhältnisse hin zu einer vermehrten indirekten Besteuerung, sanken die Steuereinnahmen deutlich. Weiterhin hat sich seit Beginn der 90ger Jahre der Finanzierungssaldo der Sozialversicherungssysteme deutlich verschlechtert und die gestiegene Zinslast in Folge einer höheren Staatsverschuldung trägt ebenfalls zu einem hohen Staatsdefizit bei. Im Bankensektor führte Malta 1999 internationale Standards bezüglich Eigenkapitalvorschriften und Risikobeurteilung ein, um den nach wie vor hohen Anteil notleidender Kredite zu reduzieren. Die staatliche Bankenaufsicht wurde verbessert und Leitlinien für den effektiven Umgang mit Zins- und Kreditrisiken erlassen. Auch wurde die Kapitalverkehrsliberalisierung sukzessive fortgeführt. Der Ende der 90ger Jahre verlangsamte Privatisierungsprozess wurde 2002 mit dem Verkauf weiterer Anteile größerer Staatsbetriebe wieder aufgenommen. Der Wegfall von Handelsbeschränkungen vor allem Abgaben auf Importgüter sowie auf Agrar- und Nahrungsmittelerzeugnisse steigerte deutlich die Effizienz dieser Sektoren. Weiterhin hoher Reformbedarf besteht vor allem in den Bereichen der öffentlichen Finanzen, des Wettbewerbs und der Sozialsysteme, um mittelfristig einen tragfähigen Haushalt zu erreichen.[13]
2.10 Zypern
Zypern vollzog ebenso wie Malta einen umfangreichen Anpassungsprozess der wirtschaftlichen, wettbewerbspolitischen und juristischen Rahmenbedingungen an die Statuten der Europäischen Union. Der erste Schritt einer Annäherung Zyperns an die EU war die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit die EG im Dezember 1972 zur Schaffung einer gemeinsamen Zollunion. Aufgrund politischer Konflikte zwischen Nord- und Südzypern kam die Verwirklichung einer Zolltarifsreduzierung zwischen Zypern und der damaligen EG nur mühselig voran. Wenn auch etwas später als geplant, verwirklichte Zypern Anfang 1998 schließlich die Zollunion durch die Abschaffung von Zöllen, die komplette Übernahme der Bestimmungen der Römischen Verträge (u.a. Wettbewerbsregeln, direkte und indirekte Steuern) sowie die Anpassung der Normen im landwirtschaftlichen Sektor. Jedoch verschärfte die Zollunion die Probleme im gewerblichen Sektor, da die Inlandsnachfrage zu Lasten der Importe vor allem im Bekleidungs- und Schuhwarenbereich deutlich zurück ging und sich die Exportwerte zypriotischer Güter kaum erhöhten. Positiv wirkte sich die Zollunion auf die Preise aus, zudem wurden Ressourcen effizienter verteilt, da die Subvention von ineffizienten Branchen durch Zölle schrittweise wegfielen und der Zugang zum großen europäischen Markt für Zypern von großer Bedeutung war. Mit dem Antrag auf Mitgliedschaft in der EG im Juli 1990 verfolgte Zypern fortan eine Politik der wirtschaftlichen Öffnung und Strukturreformen.[14]
Die makroökonomische Entwicklung Zyperns (siehe Tabelle 10) konnte seit Anfang der 90ger Jahre mit einer geringen Arbeitslosenrate und einer niedrigen Inflationsrate aufwarten. Es erfolgte eine zügige Umsetzung der Außenhandelsliberalisierung, der Beseitigung von Wettbewerbshemmnissen sowie der Preisliberalisierung. So wurde z.B. 1990 mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs begonnen und das Land schrittweise für ausländische Investitionen geöffnet, das Aufsichtsrecht seit 1993 reformiert und 1997 ein Bankengesetz verabschiedet. Es erfolgte die Verabschiedung eines Gesetzes zur Reformierung des Gesundheitssystems im Jahre 2001 sowie die Harmonisierung des Steuersystems durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf EU-Niveau in 2002. Aufgrund einer antizyklischen Haushaltspolitik sowie gestiegener Ausgaben für Verteidigung, Sozialleistungen sowie Löhne und Gehälter stieg das Haushaltsdefizit bis Mitte der 90ger Jahre deutlich an, ehe die Regierung 1998 gegensteuerte und sich das Defizit wieder etwas zurück bildete. Aufgrund der geringen Größe des verarbeitenden Gewerbes besitzt Zypern ein strukturelles Außenhandelsdefizit, was sich vor allem in einer deutlich negativen Handelsbilanz niederschlägt. Zudem besteht eine große Abhängigkeit der zypriotischen Wirtschaft vom Tourismus als weiteres strukturelles Defizit. Zukünftig liegen die Aufgaben Zyperns vor allem in der Konsolidierung des Staatshaushaltes, der Rückführung des Leistungsbilanzdefizits sowie der Beseitigung struktureller Defizite.[15]
3. Wechselkurssysteme
Der Wechselkurs nimmt innerhalb einer Volkswirtschaft eine Schlüsselstellung ein, da er als Brücke zwischen der inländischen und ausländischen Wirtschaft fungiert und entscheidende Auswirkungen auf ökonomische Zielgrößen wie Volkseinkommen, Beschäftigung, Preisniveau ausübt. Zudem determiniert die Wahl des Wechselkurssystems den finanz- und wirtschaftspolitischen Aktionsspielraum eines jeden Staates. Um diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen, werden im folgenden Kapitel die einzelnen Wechselkurssysteme mit ihren jeweiligen Charakteristika, kurz erläutert. Diese dienen dann als Ausgangspunkt für die Analyse der wechselkurspolitischen Strategien der EU-Beitrittsländer.
Im wesentlichen lassen sich feste Wechselkurssysteme, weiche Wechselkurssysteme sowie flexible Wechselkurssysteme unterscheiden, wobei es in den jeweiligen Kategorien unterschiedliche Konzepte und Ausgestaltungsmöglichkeiten gibt.
3.1. Feste Wechselkurssysteme
Ein System fester Wechselkurse unterscheidet erstens die Bindung der Währung an eine Einzelwährung und zweitens die Bindung an einen Währungskorb. Eine einseitige Wechselkursanbindung an eine Währung wie sie Estland ab 1992, Litauen ab 1994 und Zypern ab 1999 vollzogen, zeichnet sich dadurch aus, dass die inländische Währung in einem festen Umtauschverhältnis an eine andere Währung gebunden wird. Zudem kann der Wechselkurs zwischen dem Leitwährungsland und dem anbindenden Land durch eine Interventionsverpflichtung fixiert werden. Diese erfolgt entweder bilateral, so dass sich beide Länder bereit erklären durch Interventionsverpflichtungen den festen Wechselkurs aufrecht zu erhalten bzw. unilateral, indem sich nur das anbindende Land zu Interventionen verpflichtet. Im letzteren Fall erfolgt die Preisbildung des Wechselkurses zwischen dem anbindenden Land und einem Drittland nicht über Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt, sondern vielmehr als abgeleiteter Wechselkurs (Kreuzkurs). Dieser ergibt sich dann aus dem eigenen Wechselkurs und dem Wechselkurs des Drittlandes mit der Leitwährung.[16]
Im Gegensatz zur Anbindung des Wechselkurses an eine einzelne Währung erfolgt die Anbindung an einen Währungskorb gegenüber einem Durchschnitt mehrerer Währungen wie sie Lettland seit 1994 und Malta praktizieren. Hier wird das Ziel eine Stabilisierung des Wechselkurses und somit eine Reduktion der Wechselkursschwankungen gegenüber allen Währungen des Währungskorbes beabsichtigt. Die Zusammensetzung des Währungskorbes kann sich nach internationalen Vorgaben, z.B. den Sonderziehungsrechten des IWF richten oder individuell durch den jeweiligen Staat selbst festgelegt werden. Als Orientierungsgrößen für die Zusammensetzung eines Währungskorbes sollten dem Staat neben den Anteilen der einzelnen Währungen am Außenhandelsumsatz und die Bedeutung des internationalen Zahlungsverkehrs auch die Export- und Importstruktur des eigenen Landes dienen.[17]
Die extremste Form fester Wechselkurse ist die Implementierung eines Currency Boards wie in Estland oder Litauen. Dabei wird die nationale Währung nur im Austausch gegen eine andere Währung zu einem festen Wechselkurs emittiert. Es wird dadurch die volle Konvertibilität der nationalen Geldbasis gewährleistet, da die heimische Geldbasis mindestens zu 100 Prozent durch Währungsreserven der ausländischen Währung gedeckt sein muss. Die monetäre Entwicklung der Geldbasis ist somit abhängig von der Entwicklung der Zuflüsse an Währungsreserven. Der nationalen Notenbank ist es somit nicht möglich, eine autonome Zentralbankgeldschöpfung vorzunehmen. Zudem unterliegen sowohl das Inflations- als auch das Zinsniveau nicht mehr der Gestaltungsmöglichkeit der Notenbank, da sie ebenfalls durch das Ausland exogen gegeben sind. Innerhalb eines Currency Board Systems erfolgt die vollkommene Aufgabe einer nationalen Geld- und Währungspolitik durch die Anbindung an eine andere Währung respektive eines anderen Landes mit hoher Reputation. Während das Land weiterhin die nationale Währung als Zahlungsmittel behält, dient die Ankerwährung als Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel.[18]
Mit der Implementierung eines festen Wechselkurssystems sind zahlreiche Vor- und Nachteile verbunden. An dieser Stelle soll exemplarisch auf einige wichtige nur kurz eingegangen werden, da eine ausführliche Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
Als bedeutendster Vorteil fester Wechselkurse gilt die Übertragung der Weltmarktpreise auf die inländische Volkswirtschaft. Durch den festen Wechselkurs wird die ausländische Preisstruktur handelbarer Güter importiert und zudem dient er als wichtige Leitlinie für die Anpassung der relativen Preise. Durch die Stabilisierung der Preise innerhalb der handelbaren Güter geht bei einer offenen Volkswirtschaft auch eine stabilisierende Signalwirkung auf den Bereich der nicht-handelbaren Güter aus und fördert somit eine knappheitsgerechte Preisstruktur. Ein weiterer Vorteil der Wechselkursfixierung liegt in der Übernahme der Reputation der ausländischen Notenbank, über die die heimische Zentralbank nicht oder noch nicht verfügt. Somit signalisiert die Notenbank, dass die inländische Geldpolitik sich an der stabilitätsorientierten Geldpolitik der ausländischen Notenbank orientiert. Wird der Öffentlichkeit diese Wechselkursstrategie als glaubhaft vermittelt und auch praktiziert, ist sie hervorragend zur schnellen und konsequenten Reduzierung der Inflation geeignet. Darüber hinaus wird argumentiert, dass im Gegensatz zu flexiblen Wechselkursen ein Festkurssystem auch bei weniger gut entwickelten Kapitalmärkten, was auf die EU-Beitrittskandidaten zu Beginn des Transformationsprozesses zutraf, funktioniert. Das Fehlen von Devisenmärkten sowie mangelnde Absicherungsmöglichkeiten gegenüber Wechselkursschwankungen am Anfang des Transformationsprozesses hätte somit negative Auswirkungen auf den Außenhandel und erklärt die Vorteilhaftigkeit fester Wechselkurse. Weiterhin entfaltet das geringe Wechselkursänderungsrisiko bei festen Wechselkursen eine stabilisierende Wirkung auf die Handelsströme und den Kapitalmarkt, da die feste Kalkulationsgrundlage Handel und Investitionen stärkt und ausländisches Kapital anzieht.[19]
Der zentrale Nachteil eines Wechselkurses als nomineller Anker ist die freiwillige Aufgabe einer autonomen Geld- und Fiskalpolitik, da sich diese in einem Festkurssystem dem nominellen Anker unterordnen muss, um den Wechselkurs aufrecht zu erhalten. Einhergehend ist damit eine höhere Anfälligkeit für Zahlungsbilanzkrisen als bei flexiblen Wechselkursen, wenn es dem Land nicht gelingt binnen kurzer Zeit das Inflationsniveau des Ankerwährungslandes zu erreichen und dauerhaft zu halten. Eine reale Aufwertung einhergehend mit stärker steigenden Inflationsraten als im Ankerwährungsland führen dann zur Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und zu Beschäftigungsverlusten. Da die reale Aufwertung nicht unbegrenzt durchhaltbar ist, könnten Währungs- und Finanzkrisen die Folgen sein. Schwierigkeiten bei der Implementierung eines festen Wechselkurssystems machen neben der Wahl der Ankerwährung bzw. des Währungskorbes vor allem die genaue Festlegung des Wechselkurses. Das Ergebnis könnte sowohl eine Unter- als auch eine Überbewertung der inländischen Währung sein. Zwar stärkt eine Unterbewertung die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Exportsektors, das steigende Preisniveau führt allerdings zu sinkenden Realeinkommen. Eine Überbewertung der Währung ermöglicht einen günstigeren Zugang zu Produktionsmitteln bei einer Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen für die heimische Exportwirtschaft und möglichen Beschäftigungsrückgängen. In einem System fester Wechselkurse gefährden steigende Kapitalimporte das Ziel der Preisniveaustabilität, da die Notenbank gezwungen ist, die Devisen anzukaufen. Somit weiten sich die monetäre Basis und die Geldmenge aus und folglich steigt auch das mittel- bis langfristige Preisniveau an. Weiterhin reduzieren feste Wechselkurse die Flexibilität der Politiker auf externe Schocks zu reagieren, da der Wechselkurs als Anpassungsinstrument nicht mehr zur Verfügung steht und somit Einkommensschwankungen des Ankerwährungslandes importiert werden.[20]
[...]
[1] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2001), S. 24 ff.
[2] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2002), S. 25 ff.
[3] Vgl. Bundeszentrale für politischen Bildung (2002), S. 25 ff.
[4] Vgl. Schweickert, R. (2001), S.76 ff.
[5] Vgl. Schweickert, R. (2001), S.79 f.
[6] Vgl. Ebenda, S.79.
[7] Vgl. Diehl, M.; Schweickert, R. (1997), S.72 ff.
[8] Vgl. Schweickert, R. (2001), S.69 ff.
[9] Vgl. Schweickert, R. (2001), S.69 ff.
[10] Vgl. Europäische Kommission (1999)-SLO, S.12 ff.
[11] Vgl. Schweickert, R. (2001), S.62 ff.
[12] Vgl. Europäische Kommission (1999)-LIT, S.12 ff.
[13] Vgl. Europäische Kommission (11/1999)-ZYP, S.10 ff. (s. Internetverzeichnis).
[14] Vgl. Kaikitis, L. (1998), S. 134 ff.
[15] Vgl. Europäische Kommission (11/1998), S. 17 ff. (s. Internetverzeichnis).
[16] Vgl. Fischer, C. (1997), S. 26 f.
[17] Vgl. Ebenda, S. 27.
[18] Vgl. Jochem, A.; Sell, F. L. (2000), S. 4 f.
[19] Vgl. Gerloff, A. (2001), S. 65 ff.
[20] Vgl. Gerloff, A. (2001), S. 68 ff.
- Quote paper
- Jean-Philipp Juretschka (Author), 2004, Wechselkurspolitische Entwicklungen der EU-Beitrittsländer - Erfahrungen und Perspektiven, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28561
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