Biel/Bienne ist die grösste zweisprachige Stadt in der Schweiz und aktuell die einzige, welche offiziell zweisprachig ist. Im Gegenzug zu Fribourg ist sie amtlich zweisprachig, nicht nur de facto. Bereits 1952 pries der damalige, langjährige Stadtpräsident Guido Müller die Zweisprachigkeit der Stadt als ihr Mar-kenzeichen: "Heute ist Biel eine erklärte Zweisprachenstadt – die einzige Stadt der Schweiz, wo beide Sprachen, Deutsch und Französisch, durchaus gleichberechtigt nebeneinander stehen und angewendet werden."
Im vorliegenden Referatspapier soll nun ein kleiner Einblick in die rechtlichen und geschichtlichen Hintergründe der vom sprachenpolitischen Standpunkt her einzigartigen Stadt Biel/Bienne gegeben werden. Es wird ausserdem auf die Frage eingegangen, welche von den französisch- und deutschsprachigen BewohnerInnen der Stadt empfundenen Vor-und Nachteile dieser amtlichen Zweisprachigkeit identifiziert werden und wie die zwei kulturell unterschiedlichen Sprachgruppen das Zusammenleben empfinden und sich gegenseitig wahrnehmen.
Die zweisprachige Stadt Biel/Bienne
1. Einleitung
Biel/Bienne ist die grösste zweisprachige Stadt in der Schweiz und aktuell die einzige, welche offiziell zweisprachig ist. Im Gegenzug zu Fribourg ist sie amtlich zweisprachig, nicht nur de facto.[1] Bereits 1952 pries der damalige, langjährige Stadtpräsident Guido Müller die Zweisprachigkeit der Stadt als ihr Markenzeichen: "Heute ist Biel eine erklärte Zweisprachenstadt – die einzige Stadt der Schweiz, wo beide Sprachen, Deutsch und Französisch, durchaus gleichberechtigt nebeneinander stehen und angewendet werden."[2]
Im vorliegenden Referatspapier soll nun ein kleiner Einblick in die rechtlichen und geschichtlichen Hintergründe der vom sprachenpolitischen Standpunkt her einzigartigen Stadt Biel/Bienne gegeben werden. Es wird ausserdem auf die Frage eingegangen, welche von den französisch- und deutschsprachigen BewohnerInnen der Stadt empfundenen Vor-und Nachteile dieser amtlichen Zweisprachigkeit identifiziert werden und wie die zwei kulturell unterschiedlichen Sprachgruppen das Zusammenleben empfinden und sich gegenseitig wahrnehmen.
2. Geschichtlicher Hintergrund
Die Entwicklung von einer vormals ein- zur zweisprachigen Stadt geht auf die Industrialisierung und die damit einhergehende Zuwanderung französischsprachiger Uhrenarbeiter zurück, die nach 1850 in grosser Zahl nach Biel zogen.[3] Der kontinuierlich wachsende Anteil an französischsprachigen BewohnerInnen bildete die „Colonie française“ [4], die mit der Zeit immer mehr politischen Rechte erlangten.[5] Es entstanden französische Schulen, französische Sektionen in Vereinen, Organisationen, Institutionen und in der Politik. In den 1920er Jahren wurde die Zweisprachigkeit somit zum Markenzeichen von Biel, welche aber nicht immer unumstritten war.[6] Es gab einige skeptische Stimmen, die sich negativ zur Zweisprachigkeit äusserten und die Ansicht vertragen, dass zuerst die Muttersprache ausgebildet werden müsse, weil die sprachliche Nachbarschaft schlechte Auswirkungen auf die Beherrschung der Hauptsprache der Leute hätte. Vielen BielerInnen wurde auch unterstellt, dass sie keine der beiden Sprach richtig sprechen würden.[7]
In den 1970 und 1980er Jahren beklagte sich die französische Minderheit über linguistische Diskrimination und forderte mit politische Vorstössen eine bessere Anerkennung ihrer Gleichberechtigung in Fragen der Bildung und der Verwaltung. Zunehmend kritisiert wurde die Benachteiligung bei der Ausbildungssuche von jungen frankophonen Menschen aufgrund des ungleichen Verhältnisses von deutsch und französisch, insbesondere im Bereich der öffentlichen Verwaltung.[8] Ab 2000 wurde die Zweisprachigkeit dann als positives Attribut aufgefasst mit wirtschaftlichem Nutzen, welcher zur Förderung der städtischen Attraktivität für Privatpersonen und Unternehmen genutzt werden konnte.[9]
Rechtliche Anerkennung fand die vorhandene Zweisprachigkeit des Amtsbezirks Biels allerdings erst im Februar 1952 in einem Dekret des bernischen Grossen Rates.[10] Die Stadt gab sich zu diesem Zeitpunkt auch den Doppelnamen Biel/Bienne.[11]
Mittlerweile hat sich Biel durch den Zuzug vieler MigrantInnen aus über 120 Nationen, welche 70 Sprachen sprechen von[12] „einer zweisprachigen Industriestadt zu einer mehrsprachigen Zukunftsstadt“[13] entwickelt.
3. Rechtliche Situation
Der Kanton Bern versteht sich trotz kleinem Anteil an Französischsprachigen offiziell als zweisprachiger Kanton, (NHG 160) in welchem die amtliche Zweisprachigkeit in Art. 6 festgelegt ist:
Außerdem fungiert der Kanton Bern gemäss Art. 2, Absatz 2 auch als „Mittler zwischen der deutschsprachigen und der französischsprachigen Schweiz“.[14] Vom bernischen Territorium ist aber nur gerade der Amtsbezirk Biel/Bienne zweisprachig, aller anderen Bezirke sind entweder Deutsch oder Französisch.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Art. 6 Kantonsverfassung Bern
Als amtliche Zweisprachigkeit wird folgendes definiert: Es bedeutet, dass „alle Behörden und Institutionen in den beiden amtlichen Sprachen mit den Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren, wobei die Bürgerinnen und Bürger die freie Wahl der Sprache haben“[15].
Die Stadt Biel/Bienne selbst setzte ihre amtliche Zweisprachigkeit 1996 in Art. 1 der Stadtordnung fest. „Die Stadt Biel ist eine eigenständige zweisprachige Gemeinde innerhalb des Kantons Bern (…)“[16] Art. 3 hält zudem fest, dass deutsch und französisch als gleichberechtigte Amtssprachen gelten und amtliche Mitteilungen an die Bevölkerung zweisprachig publiziert werden müssen.
[...]
[1] Späti, Institutional Bilingualism in Biel/Bienne, Switzerland: Between Identity Politics and Pragmatism , 61.
[2] Müller, Zweisprachigkeit in Bienne-Biel, 5.
[3] Racine, Die französischsprachige Minorität im Kanton Bern, 162.
[4] Werlen, Biel/Bienne - Leben in einer zweisprachigen Stadt, 7.
[5] Racine, Die französischsprachige Minorität im Kanton Bern, 162.
[6] Werlen, Der zweisprachige Kanton Bern, 81.
[7] Werlen, Biel/Bienne - Leben in einer zweisprachigen Stadt, 11.
[8] Späti, Institutional Bilingualism in Biel/Bienne, Switzerland: Between Identity Politics and Pragmatism, 65.
[9] Späti, Institutional Bilingualism in Biel/Bienne, Switzerland: Between Identity Politics and Pragmatism, 66.
[10] Werlen, Biel/Bienne - Leben in einer zweisprachigen Stadt, 7.
[11] Werlen, Der zweisprachige Kanton Bern, 82.
[12] Racine, Die französischsprachige Minorität im Kanton Bern, 162.
[13] Werlen, Der zweisprachige Kanton Bern, Zitat s. 82.
[14] Kanton Bern, Verfassung des Kantons Bern, 1/2.
[15] Werlen, Biel/Bienne - Leben in einer zweisprachigen Stadt, 7.
[16] Stadt Biel, Stadtordnung, 1.
- Quote paper
- Carole Gobat (Author), 2014, Die Zweisprachigkeit in der Stadt Biel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285242
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